Verfügung des Hessischen Landeskriminalamtes an die Hessischen Hochschulen und andere Behörden bzw. Einrichtungen

Das Schreiben wurde den Hochschulen am 13. oder am 16. September 2002 zugestellt.

Polizeiliche Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus aus Anlass der Anschläge in den USA am 11. September 2001; hier: Datenübermittlung zum Zwecke des Abgleichs mit anderen Dateien gemäß § 26 Hessisches Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (HSOG), sog. Rasterfahndung

Verfügung

  1. Hiermit fordere ich Sie auf, bis zum 30.09.2002 aus den bei Ihnen vorhandenen Daten derjenigen Personen, die von 1996 bis 2002 an Ihrer Institution in Fächern technischer/ naturwissenschaftlicher Ausrichtung immatrikuliert waren oder sind, die Daten aller männlichen Personen im Alter von 18 – 40 Jahren an das Hessische Landeskriminalamt herauszugeben, die die Staatsangehörigkeit von

    Afghanistan Ägypten Algerien Äthiopien Bahrein Bangladesch Dubai Eritrea Indonesien Irak Iran Israel Jemen Jordanien Kuwait Libanon Libyen Marokko Mauretanien Oman Pakistan Palästina Saudi Arabien Somalia Sudan Syrien Tunesien Vereinigte Arabische Emirate    

haben, sowie von staatenlosen Personen und solchen, deren Status ungeklärt oder unbekannt ist oder deren Geburtsherkunft oder Abstammung auf eines der zuvor angesprochenen Länder hinweist.

Benötigt werden jeweils

  • Vor- und Zuname
  • Geburtsdatum / Geburtsort / Geburtsland
  • Staatsangehörigkeit
  • Anschrift (Postleitzahl, Wohnort, Straße).

2. Die Übersendung der Daten ist in dem Format, welches in dem anliegenden Merkblatt bezeichnet ist, anzuliefern. Auf die Anlage wird insofern Bezug genommen.

3. Die sofortige Vollziehung der Nr. 1 und 2 wird angeordnet.

Begründung:

I.

Nach den Terroranschlägen in den USA am 11.09.2001 sind die Sicherheitsbehörden des Bundes und der Länder bemüht, mögliche Anschlage in Deutschland zu verhindern.

Das Hessische Landeskriminalamt benötigt in diesem Zusammenhang Ihre Mithilfe.

Mit Inkrafttreten der entsprechenden Rechtsnorm, § 26 HSOG „Besondere Form des Datenabgleichs“ am 12.09.2002 liegt nun die geänderte gesetzliche Grundlage zur Durchführung der sog. Rasterfahndung zum Zwecke der Gefahrenabwehr in Hessen vor.

Nach dieser Vorschrift können die Polizeibehörden von öffentlichen Stellen oder Stellen außerhalb des öffentlichen Bereichs zur Verhütung von Straftaten erheblicher Bedeutung gegen den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes oder bei denen Schäden für Leben, Gesundheit oder Freiheit oder gleichgewichtige Schäden für die Umwelt zu erwarten sind, die Übermittlung von personenbezogenen Daten bestimmter Personengruppen zum Zwecke des automatisierten Abgleichs mit anderen Datenbeständen verlangen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass dies zur Verhütung dieser Straftaten erforderlich und dies auf andere Weise nicht möglich ist.

Diese Voraussetzungen sind erfüllt, da nach wie vor eine dauerhafte reale Gefahr für die genannten Rechtsgüter besteht, die jederzeit zum Schadenseintritt führen kann.

Bei der Aufklärung der Ereignisse des 11. September 2001 hat sich gezeigt, dass von den bisher identifizierten 19 Verdächtigen 16 über europäische Staaten in die USA eingereist waren und mindestens drei, die bei den Anschlägen eine maßgebliche Funktion als Piloten hatten, in Deutschland gelebt bzw. sich hier aufgehalten hatten. Eine weitere Person, die ebenfalls in die USA einreisen wollte und zu den Attentätern direkte Verbindungen zur Durchführung der Anschläge unterhielt, hatte sich ebenfalls in Deutschland aufgehalten.

Auch wenn keine gesicherten Erkenntnisse über konkrete Ziele, Orte, Zeiten und Begehungsweise möglicher Anschlage vorliegen, muss daher aufgrund der Existenz von sog. terroristischen „Schläfern“, möglicherweise eingeschleuster Angehöriger der Al Qaeda, sonstiger Angehöriger des Netzwerkes von BIN LADEN, der „Non aligned Mudjahedin“, aber auch von fanatisierten Einzeltätern und Kleingruppen unverändert von einer hohen Gefährdung insbesondere für amerikanische, israelische, jüdische und britische Einrichtungen in der Bundesrepublik Deutschland ausgegangen werden.

Entsprechend meiner Anordnung vom 12.09.2002, welcher das Hessische Ministerium des Innern und für Sport – Landespolizeipräsidium mit Erlass vom 12. September 2002 (Az.: LPP 1 – STB 1/2 – 22 i v. 12.09.2002) zugestimmt hat, werden Sie daher aufgefordert, die bei ihnen vorhandenen o.g. personenbezogenen Daten dem Hessischen Landeskriminalamt zur Verfügung zu stellen und somit die Suche nach islamisch-terroristischen Tätern oder Tätergruppen zu unterstützen.

II.

Hinsichtlich der Art und Weise der Datenübermittlung nehme ich Bezug auf das als Anlage bei- gefügte „Merkblatt zu den technischen Anforderungen für zu übergebende Personendatensätze“.

Dieses enthält eine entsprechende Datensatzbeschreibung sowie weitere Hinweise auf deren Beachtung dringend hingewiesen wird.

Für Rückfragen in fachlich-technischer Sicht stehen Ihnen Herr Eigenbrodt und Herr Baum, HLKA, unter der

Tel.-Nr.: 0611 / 83 – 0

zur Verfügung.

III.

Von der Anhörung wird gemäß § 28 Abs. 2 Nr. 1 Hessisches Verwaltungsverfahrensgesetz (HVwVfG) abgesehen.

IV.

Die Anordnung der sofortigen Vollziehung hat ihre Rechtsgrundlage § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 1. Alt. VwGO. Der Sofortvollzug von Nr. 1 und 2 der o.g. Verfügung ist im öffentlichen Interesse dringend geboten, weil das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung dieser Verfügung Ihr Interesse an der aufschiebenden Wirkung bei Einlegung eines Widerspruchs überwiegt.

Das öffentliche Interesse ist hier deshalb als vorrangig anzusehen, da die anderen Bundesländer in ihren Rasterfahndungsmaßnahmen schon weit fortgeschritten sind. Eine Rasterfahndung kann jedoch nur dann zu einem umfassenden Erfolg führen, wenn eine einheitliche Vorgehensweise im gesamten Bundesgebiet erfolgt. Im Übrigen würde sich Hessen potentiellen Terroristen als Vorbereitungs- und Rückzugsraum geradezu anbieten.

Da das Bundesland Hessen darüber hinaus in die beim Bundeskriminalamt geführte Verbunddatei Daten anliefert, deren Abgleich für alle Bundesländer von Bedeutung sind, ist – nachdem die ersten Rasterfahndungsmaßnahmen in Hessen auf Grund des Beschlusses des OLG Frankfurt am Main eingestellt und sämtliche bis dahin erhaltenen Daten vernichtet werden mussten – eine weitere Zeitverzögerung wegen der nach wie vor bestehenden angespannten Sicherheitslage bis zum Abschluss eines eventuellen Rechtsstreites nicht zu verantworten.

Die Anordnung des Sofortvollzuges ist daher im öffentlichen Interesse geboten.

Rechtsbehelfsbelehrung:

Gegen diese Verfügung kann innerhalb eines Monats nach Zustellung Widerspruch schriftlich oder zur Niederschrift beim Hessischen Landeskriminalamt, Hölderlinstraße 5, 65187 Wiesbaden, erhoben werden.

(Nedela)
Präsident des Hessischen Landeskriminalamtes

Anlage:

Merkblatt zu den technischen Anforderungen für die zu übergebenden Personendatensätze

Für die Richtigkeit nachstehenden Textes übernehmen wir keine Gewähr.

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