Die Sicherheitsdebatte im Spiegel der DDR-Erfahrung: „Alles nur geklaut“

von Dr. Volkmar Schöneburg

Die Frage, „ob der Unterschied zwischen den großen westlichen Parteien mit ihren politischen Schaukämpfen und der Monopolisierung des Staates, die sie ihren Führern faktisch sichern, und den Parteien sowjetischen Typs nicht doch nur ein gradueller, aber kein prinzipieller ist“, erscheint auf den ersten Blick als Ungeheuerlichkeit. Doch diese scheinbare Ungeheuerlichkeit signali-siert den Hauptmangel des vorherrschenden staatsfixierten ‚Bewältigens‘ der DDR-Vergangenheit: Jene Art der ‚Aufarbeitung‘ vermag es nicht, die Analyse der DDR-Gesellschaft bis an die Kritik des bestehenden Systems heranzuführen, ohne primitiven Gleichsetzungen das Wort zu reden.

Dies berücksichtigend, erscheint es sinnvoll, vor dem Hintergrund einer DDR-Sozialisation die zum Wahlkampfschlager erhobene Diskussion um die ‚Innere Sicherheit‘ thesenartig zu betrachten. Die Sicherheitsdebatte im Spiegel der DDR-Erfahrung: „Alles nur geklaut“ weiterlesen

Verbrechensbekämpfung im Rechtsstaat

von Eggert Schwan

Polizeiliche Aufgaben sind nach den geltenden Gesetzen bei der Strafaufklärung von der Staatsanwaltschaft und der Polizei und bei der Gefahrenabwehr von den Ordnungsbehörden und der Polizei zu erfüllen. Diese unterliegen dabei strengen Auflagen, die im deutschen Recht in einem mehr als ein Jahrhundert währenden Prozeß gewachsen sind und in der Strafprozeßordnung (StPO) sowie im sog. Polizei- und Ordnungsrecht festgelegt sind. Nach der StPO setzt die Vornahme von Eingriffen, auch von „Informationseingriffen“ das Bestehen eines auf konkrete Tatsachen gestützten Anfangsverdachtes voraus. Auch wenn dies der Fall ist, sind Eingriffe im Prinzip nur gegen jene zulässig, gegen die sich der Verdacht richtet, sowie in Ausnahmen auch gegen andere Personen, wenn diese in einer konkreten Beziehung zum Verdacht oder dem Verdächtigen stehen, z.B. als Zeugen. In diesem Falle sind die gesetzlichen Anforderungen an die Vornahme von Eingriffen jedoch verschärft. Verbrechensbekämpfung im Rechtsstaat weiterlesen

Vom politischen Umgang mit rechts

von Eberhard Seidel-Pielen

Es dauerte lange Zeit, bis angesichts der Eskalationen rechter Gewalt im Kontext der deutsch-deutschen Einigung erste ernstzunehmende Maßnahmen eingeleitet wurden. Die fehlende Entschlußfreudigkeit hängt nicht zuletzt mit der tagesaktuellen politisch-feuilletonistischen Diskussion, was denn nun die Ursachen dieser Entwicklungen sein mögen, zusammen. Bis in die jüngsten Tage erscheint sie als ein verzweifelter Versuch, den militanten Rechtsradikalismus als ein von außen urplötzlich über die Bundesrepublik hereinbrechendes Übel zu beschreiben.

Nach Öffnung der Mauer – in der noch taufrischen neuen Republik – erfreute sich die These, der Autoritarismus des SED-Regimes sei verantwortlich für die rassistische Gewalt, nachhaltiger Beliebtheit. Der Gebrauchswert der ‚Zuviel Rotlicht macht braun‘-These liegt auf der Hand: Rechtsradikalismus und Ungleichheitsideologien sind demnach kein originäres Problem der Alt-bundesrepublik mehr, sondern ein importiertes, eine Altlast der verblichenen DDR, die sich im Zuge des Einigungsprozesses und der Menschwerdung schon auswachsen werde. Diese These konnte sogar auf einen ‚wahren Kern‘ zurückgreifen. Tatsächlich gab und gibt es in der ehemaligen DDR antiplu-ralistische Tendenzen, eine Anfälligkeit für Autoritarismus und eine unter-entwickelte Fähigkeit, die Komplexität der Moderne auszuhalten. Allerdings entpuppt sich das Argument bei genauerer Prüfung als ein ideologisches Kampfinstrument des Siegers im Wettstreit der Systeme. Die DDR habe, so lautet die Botschaft, nicht nur nichts in der Konsumgüterindustrie geleistet, sondern auch auf ihrem originären Feld, dem Antifaschismus, kläglich versagt. Vom politischen Umgang mit rechts weiterlesen

48 (2/1994) (Parteien)Politik „Innere Sicherheit“

CILIP_048

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Redaktionelle Vorbemerkung
Otto Diederichs
Das „System Innere Sicherheit“
Wolf-Dieter Narr
Verbrechensbekämpfung im Rechtsstaat
Eggert Schwan
Parteien zur „Inneren Sicherheit“
Norbert Pütter
Gesetzesinflation und Parteienkartell
Heiner Busch
Asyl- und Ausländerpolitik zur Parteienprofilierung
Britta Grell
Risikoreserve im Sicherheitsverbund: Die Bundeswehr
Jürgen Gottschlich
Vom politischen Umgang mit rechts
Eberhard Seidel-Pielen
Die Sicherheitsdebatte im Spiegel der DDR-Erfahrung
Volkmar Schöneburg
Politische Instrumentalisierung von Kriminalstatistiken
Werner Lehne
Die neuen Vigilanten
Ronald Hitzler
100 Jahre Sicherheitsinsel Schweiz
Catherine Weber

Chronologie
Norbert Pütter
Literatur
Summaries

BGS – Die Bundespolizei – Was lange währt…

Tote, so sagt man, leben länger. Diese Eigenschaft haben Scheintote oder Totgesagte, so hat es den Anschein, auch geerbt. Diese Beobachtung gilt insbesondere dann, wenn es sich bei Toten, Scheintoten oder Totgesagten um staatliche Institutionen handelt. Am meisten trifft sie zu, wenn es Institutionen aus dem Umkreis des staatlichen Gewaltmonopols sind.

Das „Ende aller Sicherheit“ könnte drohen, wenn das Monopol verschlankt würde. Müßte der Staat außerdem nicht einräumen, jahrzehntelang behauptete und entsprechend kriminalisierte Gefahren seien nicht mehr gegeben. BGS – Die Bundespolizei – Was lange währt… weiterlesen

Rassistische Polizeiübergriffe in Berlin – „Wie ein Stück Vieh“

Von Hans-Joachim Ehrig

„Bisherige Ermittlungsverfahren gegen Polizeibeamte haben Behauptungen, es gäbe rassistische und kriminelle Übergriffe seitens Berliner Polizeibeamter, in keinem Fall bestätigt“, so die Antwort des Senators für Inneres, Professor Dr. Dieter Heckelmann (CDU), vom 25.2.93 auf eine mündliche Anfrage des Abge-ordneten der Fraktion BÜNDNIS 90/GRÜNE, Wolfgang Wieland.

Am 7. Januar 1993 erschien in meiner Sprechstunde der sichtlich verstörte Iraner Habib J. mit einem Schreiben des Polizeipräsidenten in Berlin vom 30.12.92. Darin hieß es: „Gegen Sie wird ein Ermittlungsverfahren geführt, das folgende Beschuldigung zum Gegenstand hat: Widerstand gegen Voll-streckungsbeamte, Hausfriedensbruch, Körperverletzung“. Als Tatzeit war der 24.12.92 und als Tatort öffentliche Verkehrsmittel sowie die Polizeiwache des Abschnitts 33 genannt. Wohl nur dadurch war Herrn J. bekannt, daß die gegen ihn erhobenen Vorwürfe ein Geschehen betrafen, das er so ganz anders erlebt hatte. Rassistische Polizeiübergriffe in Berlin – „Wie ein Stück Vieh“ weiterlesen

Kleine Geschichte des Bundesgrenzschutzes – Eine Chronologie

von Martin Winter

Die Geschichte des Bundesgrenzschutzes (BGS) ist durch seine Zwitterstellung zwischen militärischem Truppenverband und Polizei-Institution gekennzeichnet. Ursprünglich war er als paramilitärische Truppe konzipiert, die gegen (kommunistisch gelenkte) Aufständische und Partisanen eingesetzt werden sollte. Die Aufstellung der Bundeswehr 1955 und die Notstandsgesetzgebung von 1968, die deren Einsatz auch im Inneren ermöglichte, machten dann den Weg frei, den BGS zu einer Art Bundespolizei zu entwickeln. Der Einsatzschwerpunkt verschob sich zunehmend zu einem ,Protest policing‘.

1949 Am 14.April erhält Konrad Adenauer (CDU) als Präsident des Parlamentarischen Rates den sog. Polizeibrief der westlichen Militärgouverneure, der die Vorgaben der Alliierten polizeilichen Regelungen im neuen Grundgesetz nennt: Darin enthalten sind u. a. Restriktionen zuAufstellung und Stärke von Polizeieinheiten; die generelle Zuständigkeit für die Polizei soll den Bundesländern zufallen; die Einrichtung von Bundespolizeibehörden gilt als Ausnahme dieser Regel. Kleine Geschichte des Bundesgrenzschutzes – Eine Chronologie weiterlesen

Chronologie

zusammengestellt von Martina Kant

November 1993

04.11.: In mehreren europäischen Staaten werden Anschläge auf türkische Einrichtungen verübt. Als TäterInnen werden ExtremistInnen der PKK vermutet. In Wiesbaden kommt ein Mann ums Leben, acht Menschen werden verletzt. Staatsschutzbeamte durchsuchen daraufhin in einer bundesweiten Aktion zahlreiche kurdische Organisationen und Vereine, 46 KurdInnen werden vorläufig festgenommen. Am 11.11. leitet der Generalbundesanwalt Ermittlungen nach 129a gegen die PKK ein.

Vor dem Frankfurter Oberlandesgericht beginnt der Prozeß gegen Eva Haule wegen Beteiligung an dem Sprengstoffanschlag auf die „Rhein-Main-Airbase“ der US-Army im August 1985. Schon 1988 war sie wegen RAF-Mitgliedschaft zu 15 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden. Am 19.1.94 wird bekannt, daß es nach einem bisher unter Verschluß gehaltenen Auswertungsbericht des BKA keinen Beleg für eine direkte Tatbeteiligung Haules gebe.

05.11.: Bernhard Falk wird neuer Vizepräsident des BKA. Er tritt die Nachfolge des nach dem GSG-9-Einsatz in Bad Kleinen versetzten Gerhard Köhler an.

07.11.: Unbekannte verüben einen Brandanschlag auf einen von Asylsuchenden bewohnten Container in Baden-Württemberg. Die BewohnerInnen können sich rechtzeitig retten. Chronologie weiterlesen

Institut für Bürgerrechte & öffentliche Sicherheit e.V.