Chronologie

zusammengestellt von Martina Kant

November 1993

04.11.: In mehreren europäischen Staaten werden Anschläge auf türkische Einrichtungen verübt. Als TäterInnen werden ExtremistInnen der PKK vermutet. In Wiesbaden kommt ein Mann ums Leben, acht Menschen werden verletzt. Staatsschutzbeamte durchsuchen daraufhin in einer bundesweiten Aktion zahlreiche kurdische Organisationen und Vereine, 46 KurdInnen werden vorläufig festgenommen. Am 11.11. leitet der Generalbundesanwalt Ermittlungen nach 129a gegen die PKK ein.

Vor dem Frankfurter Oberlandesgericht beginnt der Prozeß gegen Eva Haule wegen Beteiligung an dem Sprengstoffanschlag auf die „Rhein-Main-Airbase“ der US-Army im August 1985. Schon 1988 war sie wegen RAF-Mitgliedschaft zu 15 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden. Am 19.1.94 wird bekannt, daß es nach einem bisher unter Verschluß gehaltenen Auswertungsbericht des BKA keinen Beleg für eine direkte Tatbeteiligung Haules gebe.

05.11.: Bernhard Falk wird neuer Vizepräsident des BKA. Er tritt die Nachfolge des nach dem GSG-9-Einsatz in Bad Kleinen versetzten Gerhard Köhler an.

07.11.: Unbekannte verüben einen Brandanschlag auf einen von Asylsuchenden bewohnten Container in Baden-Württemberg. Die BewohnerInnen können sich rechtzeitig retten.

09.11.: Brandenburgs Polizei-Sonderkommission gegen fremdenfeindliche und rechte Gewalt (Soko ReGa) soll künftig auch die Ermittlungen bei der Bekämpfung von Gewalttaten von Jugendgruppen übernehmen.

Bei einer Fahrzeugkontrolle bei Offenburg wird ein Polizeibeamter getötet, als er vom Fahrer eines zuvor verfolgten Wagens überfahren wird.

10.11.: Das Bezirksgericht Frankfurt/Oder lehnt die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen drei Polizisten im Zusammenhang mit dem Mord an dem Angolaner Amadeu Antonio vom November 1990 wegen fahrlässiger Körperverletzung im Amt mit Todesfolge nach der derzeitigen Beweislage ab und ordnet eine weitere Beweiserhebung an. Die Polizisten sollen damals bei dem Skinhead-Überfall nicht entschieden genug eingegriffen haben. Am 15.12. stellt die „Antirassistische Initiative Berlin“ Strafanzeige wegen Mordes gegen 21 namentlich bekannte Personen aus der rechten Szene, um einer weiteren Verschleppung der Aufklärung entgegenzuwirken.

In Berlin wird eine an das ehemalige Führungsmitglied der rechtsextremen „Nationalen Alternative“ Ingo Hasselbach adressierte Briefbombe von der Polizei entschärft. Hasselbach war aus der Nazi-Szene ausgestiegen und hatte ein Buch darüber veröffentlicht.

11.11.: Bei einer Zugkontrolle werden an der österreichisch-deutschen Grenze zwei Grenzpolizisten erschossen. Im Gepäck der Täter finden sich falsche ungarische Pässe und Plastiksprengstoff.

14.11.: Durch den Einsatz von 2.800 PolizeibeamtInnen werden auf den Soldatenfriedhöfen im brandenburgischen Halbe und Seelow zwei Neonazi-Aufmärsche verhindert. 140 TeilnehmerInnen werden vorläufig festgenommen.

16.11.: Im Zusammenhang mit dem Mord an dem Funktionär der rechtsextremen „Deutschen Liga für Volk und Heimat“, Gerhard Kaindl, im April 1992 in Berlin werden drei Türken und eine Kurdin festgenommen. Am

3.12. wird ein weiterer verdächtiger Türke verhaftet.

In Bayern wird durch Polizeischüsse ein Mann getötet, nachdem er PolizeibeamtInnen mit einem Messer bedroht hatte.

17.11.: Auf die Kölner Zentrale des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall werden mindestens sieben Schüsse abgegeben. In einem Schreiben bekennt sich eine „Antiimperialistische Widerstandszelle Nadia Shehadah“ zu der Tat.

18.11.: Mit knapper Mehrheit wird auf dem SPD-Parteitag der Leitantrag zur Inneren Sicherheit und damit der „Große Lauschangriff“ von den Delegierten angenommen.

19.11.: In Berlin-Zehlendorf werden zwei Bomben- und zwei Brandanschläge auf Autos und Häuser von Kreuzberger Stadtplanern verübt. Innensenator Dieter Heckelmann (CDU) veranlaßt die Bildung einer 42köpfigen Arbeitsgruppe aus polizeilichem Staatsschutz und Verfassungsschutz zur Aufklärung der Taten. Am 23.11. bekennt sich die Gruppe „Klasse gegen Klasse“ zu den Anschlägen.

20.11.: Das Schweizer Abschlußgutachten zur Klärung des Todes des mutmaßlichen RAF-Mitglieds Wolfgang Grams auf dem Bahnhof von Bad Kleinen im Juni 1993 enthält keine neuen Erkenntnisse. Der tödliche Schuß stammt danach aus Grams Waffe, jedoch kann durch Mängel und Fehler bei der Spurensicherung nicht mit völliger Sicherheit geklärt werden, wer die Waffe führte. Am 13.1.94 stellt die Staatsanwaltschaft Schwerin die Ermittlungen gegen zwei GSG-9-Beamte wegen des Verdachts der vorsätzlichen Tötung von Grams ein.
Nach einer Verfolgungsjagd durch Österreich und Oberbayern wird von der bayerischen Polizei ein Amokfahrer erschossen.

22.11.: Im Zusammenhang mit den ausländerfeindlichen Krawallen in Rostock vom August 1992 werden disziplinarische Vorermittlungen gegen vier Polizeibeamte eingeleitet.
Wer bei seiner Einstellung im öffentlichen Dienst über seine Tätigkeit für den DDR-Staatssicherheitsdienst (STASI) lügt, kann nach einem Muster-Urteil des Bundesarbeitsgerichts entlassen werden. (Az: 8 AZR 561/92)

24.11.: Vor dem Frankfurter Oberlandesgericht wird in einem Kronzeugen-Prozeß das frühere RAF-Mitglied Rolf Clemens Wagner wegen des Attentats auf den NATO-Oberbefehlshaber Alexander Haig 1979 zum dritten Mal zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt. Wagner sitzt bereits seit 14 Jahren in Haft.

26.11.: Bundesinnenminister Manfred Kanther (CDU) gibt das Verbot der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) in Deutschland bekannt. Es gilt ebenso für 35 Teilorganisationen. Am 21.12. reichen AnwältInnen der verbotenen Organisationen Klage beim Bundesverwaltungsgericht ein.

30.11.: Das Bundesinnenministerium teilt mit, daß die Mitgliedschaft oder aktive Unterstützung von BeamtInnen bei den rechtsradikalen REPUBLIKANERN zur Entlassung aus dem Staatsdienst führen könne.

Dezember 1993

01.12.: Wegen rechtsradikaler Aktivitäten werden drei sächsische Polizeibeamte mit sofortiger Wirkung vom Dienst suspendiert. Ihnen wird vorgeworfen, in der Kantine der Bereitschaftspolizei Musik rechter Gruppen abgespielt und „Sieg Heil“ und „Heil Hitler“ gerufen zu haben.

03.12.: Bei einem bewaffneten Überfall auf ein Postamt in Hamburg wird von der Polizei durch drei Schüsse einer der beiden Täter getötet.

06.12.: Vor dem Oberlandesgericht in Düsseldorf wird der frühere DDR-Spionagechef Markus Wolf wegen Landesverrats in Tateinheit mit Bestechung zu einer Haftstrafe von sechs Jahren verurteilt; er erhält Haftverschonung.

08.12.: Im Prozeß um die Brandanschläge von Mölln im November 1992 verurteilt das Oberlandesgericht Schleswig die Täter Lars Christiansen und Michael Peters wegen dreifachen Mordes und 39fachen Mordversuchs zu Haftstrafen von zehn Jahren bzw. lebenslänglich. Gegen den Schuldspruch legen beide Verurteilte Revision ein.

09.12.: Die Bundesanwaltschaft teilt die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens nach 129 StGB gegen zwei Mainzer Neonazis wegen der Herausgabe und Verbreitung der „Anti-Antifa“-Zeitschrift „Der Einblick“ mit. Die Broschüre enthält eine Liste mit Namen, Adressen und Personenbeschreibungen von politischen GegnerInnen und fordert zu deren „Ausschaltung“ und „endgültiger Zerschlagung“ auf. Am 12.2.94 wird die Verhaftung des mutmaßlichen Rädelsführers bekannt.

13.12.: Nach einer vom nordrhein-westfälischen Frauenministerium in Auftrag gegebenen Studie haben 8 bis 10% der 14- bis 24jährigen ein geschlossenes rechtsextremes Weltbild, sind ausländerfeindlich und gewaltbereit. 75% davon sind männlich.

14.12.: FBI und BKA planen eine engere Zusammenarbeit bei der Bekämpfung internationaler Verbrecherbanden und des Rechtsradikalismus.

Die Kfz-Zulassungsstelle Frankfurt/Main wird bei einer Großrazzia von der Polizei durchsucht. Gegen MitarbeiterInnen der Behörde wird wegen des Verdachts der Bildung einer kriminellen Vereinigung, Bandenhehlerei, Vorteilsannahme und -gewährung sowie Urkundenfälschung ermittelt. Sie sollen in eine Autoschieberei verwickelt sein.

Bei einer 13stündigen Razzia in einem Flüchtlingsheim in Diedersdorf/ Brandenburg durchsuchen 600 BeamtInnen von BGS, Zoll und Landespolizei die von 138 Asylsuchenden bewohnten Häuser. Alle BewohnerInnen werden zweimal erkennungsdienstlich behandelt, 29 werden festgenommen.

16.12.: Die „Deutsche Polizei-Union“ teilt mit, daß 1993 bei Einsätzen sieben PolizeibeamtInnen getötet wurden.

In Ulm wird von einem Amokläufer mit einem Jagdmesser ein Polizist schwer verletzt. Der Täter hatte vorher in einer Firma mit einer Schreckschußpistole um sich geschossen und Feuer gelegt.
Im baden-württembergischen Landtag kommt es zum Eklat um einen REP-Abgeordneten, der gegenüber einer SchülerInnengruppe Brandanschläge auf Ausländer als „Selbsthilfe des Bürgers“ bezeichnet hatte.

17.12.: Der bayerische Datenschutzbeauftragte Sebastian Oberhauser spricht sich im Gegensatz zu den meisten seiner Kollegen für den „Großen Lauschangriff“ aus. In seinem Tätigkeitsbericht für 1993 kritisiert er die Abschottung und Unkontrollierbarkeit von Polizei, Staatsanwaltschaft und Verfassungsschutz bei der verdeckten Ermittlungsarbeit. Am 1.2.94 erklärt er wegen Differenzen mit der Datenschutzpolitik der Bayerischen Staatsregierung seinen Rücktritt.

18.12.: In Niedersachsen werden bei einem Paketbomben-Anschlag auf eine albanische Familie fünf Menschen zum Teil schwer verletzt. Am 28.12. werden Haftbefehle gegen zwei tatverdächtige rechtsorientierte Jugendliche kroatischer Abstammung beantragt.

In einer Erklärung lehnt Bundesgesundheitsminister Seehofer die Entkriminalisierung und Legalisierung von Drogen ab. In ihrer Drogenpolitik wolle die Bundesregierung jedoch das Prinzip Hilfe vor Strafe stärker berücksichtigen.

Auf eine Kleine Anfrage teilt die Berliner Innenverwaltung mit, daß es keine Namensschilder für PolizeibeamtInnen geben wird. Baden-Württemberg und Hessen planen die Einführung. In Frankfurt/Main werden die Schilder am 24.1.94 Pflicht.

20.12.: Das Oberlandesgericht Naumburg bei Halle wertet die Veröffentlichung von STASI-Listen als schwerwiegende Verletzung der allgemeinen Persönlichkeitsrechte. (Az: 4 U 214/93)

21.12.: Der CDU/CSU-Fraktionsvorsitzende Wolfgang Schäuble spricht sich für den Einsatz der Bundeswehr auch bei einer „größeren Sicherheitsbedrohung im Inneren“ aus. In einer Aktuellen Stunde im Bundestag am

14.1.94 lehnt eine klare Mehrheit von FDP und SPD sowie den anderen Oppositionsparteien den Vorschlag unter Hinweis auf das Grundgesetz ab.

22.12.: Die Innenministerkonferenz (IMK) fordert in ihrem „Programm Innere Sicherheit“ für 1994 zur Bekämpfung organisierter Kriminalität den „Großen Lauschangriff“ sowie einen erweiterten Zugriff auf Verbrechensgewinne. Zur Abwehr der Massenkriminalität spricht sich die IMK für eine personelle Verstärkung der Polizei und mehr Präsenz auf der Straße aus. Vorfeldermittlungen ohne konkreten Verdacht und der Einsatz des Verfassungsschutzes gegen organisierte Banden fanden keine Mehrheit.

Das Zollkriminalamt teilt die Sicherstellung von fast 1,7 Tonnen Heroin und Kokain, 3,3 Tonnen Haschisch sowie 7 Tonnen Marihuana und 22.000 LSD-Trips im Jahr 1993 mit.

23.12.: Im hessischen Hohenstein-Steckenroth kann ein Sprengstoffanschlag auf ein Flüchtlingsheim in letzter Minute von den BewohnerInnen verhindert werden.

Vom Wuppertaler Landgericht werden drei Männer wegen Polizistenmordes jeweils zu Höchststrafen von 10 Jahren bzw. lebenslänglich verurteilt. Einer der Täter hatte nach einem Raubüberfall auf eine Tankstelle einen Beamten erschossen.

26.12.: Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger/FDP spricht sich ebenso wie der Bundesbeauftragte für die STASI-Unterlagen Joachim Gauck gegen eine Schließung und Vernichtung der STASI-Akten aus.

29.12.: Die Bundesanwaltschaft erhebt vor dem Düsseldorfer Oberlandesgericht Anklage wegen fünffachen Mordes gegen vier mutmaßliche Täter des Brandanschlags in Solingen vom Mai 1993. Am 19.1.94 wird bekannt, daß einer der in Haft sitzenden Angeklagten in einem Brief an die Opfer die Tat gestanden hat.

Nach einem Beschluß des Bundesverfassungsgerichts bleibt der Handel mit Haschisch in nicht geringen Mengen strafbar. (Az: Beschl. v. 22.12.1993 – 2BvR 2031/92)

30.12.: Die Potsdamer Staatsanwaltschaft leitet ein Ermittlungsverfahren gegen einen Polizeibeamten wegen des Verdachts der Körperverletzung im Amt ein. Der Beamte hatte bei einer Verkehrskontrolle auf ein flüchtendes Auto geschossen und den Fahrer am Arm verletzt.

Januar 1994

02.01.: Wegen herausragender Leistungen werden die Polizeihunde „Raudi von der Mühltalleiten“, „Boy von der kleinen Ranch“ und „Aron vom Haus Breuig“ dem Bayerischen Innenministerium zur öffentlichen Belobigung vorgeschlagen.

03.01.: Der Berliner Innensenator teilt mit, daß es 1993 bis November insgesamt 566 Anzeigen gegen PolizistInnen wegen Körperverletzung im Amt gegeben habe.

05.01.: Das Bundesinnenministerium teilt für 1993 bundesweit einen Rückgang der Asylanträge von 26% mit. Es wurden 322.842 Asylanträge gestellt.

06.01.: Im Prozeß um den Mord an vier kurdischen Oppositionspolitikern aus dem Iran im Berliner Restaurant „Mykonos“ vom September 1992 wird der Kronzeuge Youssef Amin als einer der Schützen identifiziert. Als Drahtzieher des Anschlags gilt der iranische Agent Kazem Darabi. Er soll von Geheimdienstminister Falahian den Mordauftrag erhalten haben. Den deutschen Geheimdiensten wird ein Versagen im Vorfeld des Attentats und bei der Ermittlung der Täter vorgeworfen.

07.01.: Die Potsdamer Staatsanwaltschaft erhebt Anklage gegen einen 19jährigen Rechtsradikalen wegen Brandstiftung in einem Flüchtlingsheim in Dolgenbrodt im November 1992. Nach Angaben des Oberstaatsanwalts habe sich der Verdacht der Anstiftung durch Dorfbewohner nicht bestätigt.
Datenschutzskandal in Brandenburg: vor der Kommunalwahl Dezember 1993 wurden alle 1,9 Mio. Wahlberechtigten ohne ihr Wissen auf ihr aktives und passives Wahlrecht durch Übermittlung ihrer Führungszeugnisse aus dem Bundeszentralregister überprüft. Innenminister Alwin Ziel (SPD) kündigt daraufhin die Entlassung des Wahlleiters sowie weitere personelle Konsequenzen an.

12.01.: Vor dem Berliner Landgericht beginnt der Prozeß gegen den früheren STASI-Oberstleutnant Helmut Voigt wegen des Bombenanschlags auf das französische Kulturzentrum „Maison de France“ in Berlin 1983. Voigt soll als Leiter der Unterabteilung Terrorismus im Ministerium für Staatssicherheit (MfS) den Sprengstoff bereitgestellt haben.

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN fordern in ihren innenpolitischen Grundsätzen zur Bundestagswahl ein Umdenken in der Drogenpolitik, eine energische Bekämpfung organisierter Kriminalität durch eine konsequente Banken- und Steueraufsicht sowie eine Besserstellung des Opfers und eine Ausweitung des Täter-Opfer-Ausgleichs.

13.01.: Im zweiten Düsseldorfer Kurdenprozeß wird der Angeklagte Casam Kilic des Mordes an einem türkischen Staatsangehörigen im Auftrag der PKK für schuldig befunden und zu lebenslanger Haft verurteilt.

14.01.: Nach Mitteilung des bayerischen Innenministers Günther Beckstein (CSU) will Bayern als erstes Bundesland den Verfassungsschutz zur Bekämpfung organisierter Kriminalität einsetzen und ihm dabei den Einsatz technischer Mittel in Wohnungen ermöglichen.

15.01.: Durch eine Panne beim Wachschutz werden im Potsdamer Polizeipräsidium aus einer beschlagnahmten Waffenlieferung 30 Pistolen gestohlen. Gegen fünf Polizisten kündigt der Potsdamer Polizeipräsident am 10.2. disziplinarische Vorermittlungen an.

17.01.: Pläne des Berliner Polizeipräsidiums sehen eine Reduzierung des Frauenanteils bei der Berliner Bereitschaftspolizei vor. Aufgrund der geschlechtsspezifischen Unterschiede bei der körperlichen Belastbarkeit sollen Frauen nach ihrer Ausbildung in den Abschnitten eingesetzt werden.

20.01.: Zur Einleitung eines Verbotsverfahrens gegen die „Direkte Aktion/Mitteldeutschland“ stellt die Polizei bei einer Großrazzia in fünf Bundesländern gegen Mitglieder der rechtsextremen Szene Propagandamaterial verbotener rechtsextremer Organisationen, Adressenlisten, Waffen und Geräte für Wehrsportübungen sicher.

21.01.: Vor der Jugendstrafkammer des Landgerichts Berlin wird im Prozeß wegen des im Oktober 1991 mit einem Baseballschläger getöteten Türken Mete Eksi der 25jährige Angeklagte wegen Körperverletzung mit Todesfolge und Beteiligung an einer Schlägerei zu einer Haftstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt. Einen rassistischen Tathintergrund schließt die Richterin aus.

24.01.: Die Gauck-Behörde veröffentlicht alle bislang gefundenen STASI-Unterlagen über den früheren SPD-Fraktionsvorsitzenden Herbert Wehner nachdem Vorwürfe über eine Zusammenarbeit des Politikers mit der DDR oder der Sowjetunion erhoben worden waren. Neue Erkenntnisse ergeben sich daraus nicht.

25.01.: Vor dem Landgericht Frankfurt/Oder endet der Prozeß gegen zwei Polizisten wegen gemeinschaftlich begangenen Totschlags trotz des rechtswidrigen Schußwaffengebrauchs mit einem Freispruch. Die Beamten hatten im August letzten Jahres einen schwimmend flüchtenden Häftling erschossen. Die Staatsanwaltschaft legt gegen das Urteil Revision ein.

27.01.: Der Gesetzentwurf der SPD zur Bekämpfung organisierter Kriminalität sieht die Beschlagnahme von Vermögen schon bei Verdacht auf kriminellen Erwerb sowie die Beweislastumkehr und auf den „Großen Lauschangriff“vor.

28.01.: Wegen Meineids im Schmücker-Prozeß wird gegen den damaligen Ermittler, den früheren Staatsanwalt und Vizechef des Berliner Verfassungschutzes Hans-Jürgen Przytarski Anklage erhoben. Er soll im vierten Durchgang des Prozesses 1990 falsche Angaben zu seinen Ermittlungen gemacht haben.

Februar 1994

01.02.: Wegen Software-Fehlern im Zentralcomputer des Schengener Informationssystems (SIS) wird die Aufhebung der Grenzkontrollen gemäß dem „Schengener Abkommen“ erneut verschoben.
Der von der Schweiz und der Bundesrepublik Deutschland unterzeichnete Abschiebevertrag zur gegenseitigen Rücknahme illegal eingereister AusländerInnen tritt in Kraft.

03.02.: Die Bundestagstagsfraktionen CDU/CSU und FDP billigen das „Verbrechensbekämpfungsgesetz 1994“. Die Vorlage sieht u.a. eine erleichterte Anordnung der Untersuchungshaft, die befristete Ausweitung der Kronzeugenregelung auf organisierte Kriminalität und die Möglichkeit für den Bundesnachrichtendienst (BND) vor, Aufklärungsergebnisse aus dem Bereich der organisierten Kriminalität an die Strafverfolgungsbehörden weiterzugeben.

04.02.: Der Bundestag beendet vorläufig die Abgeordnetenüberprüfung auf eine STASI-Tätigkeit.

07.02.: Kay Nehm wird zum neuen Generalbundesanwalt ernannt. Er tritt die Nachfolge des nach der GSG-9-Aktion in Bad Kleinen entlassenen Alexander von Stahl an.

08.02.: Die Bundesregierung teilt mit, daß es 1992 46mal zum Schußwaffeneinsatz beim BGS gekommen sei, 21mal seien Waffen gegen Menschen eingesetzt worden, dreimal so häufig wie 1991.
Nach einer Studie der Gauck-Behörde waren 1989 in der DDR mindestens 173.000 Inoffizielle MitarbeiterInnen (IM) für das MfS aktiv. Zwischen 1985 und 1989 waren es zeitweise ca. 260.000 IM.

11.02.: Mit großer Härte gehen 1.000 PolizistInnen bei einer Veranstaltung der REPUBLIKANER in Hannover gegen rund 2.000 GegendemonstrantInnen vor. Bei dem Wasserwerfer- und Knüppeleinsatz werden 25 DemonstrantInnen verletzt, 13 DemonstrantInnen werden festgenommen.

12.02.: Die Bundesanwaltschaft teilt die Einstellung der Ermittlungen gegen den früheren V-Mann in der RAF-Kommandoebene Klaus Steinmetz wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung und Nichtanzeigens geplanter Straftaten mit.

Ein bayerisches Sondereinsatzkommando überwältigt in München den mutmaßlichen serbischen Kriegsverbrecher Dusko Tadic auf offener Straße. Tedic wird Beihilfe zum Völkermord in einem serbischen Konzentrationslager vorgeworfen.

15.02.: Der vor ca. einem Jahr eingerichtete Untersuchungsausschuß des Berliner Abgeordnetenhauses zur Klärung des Skandals um die „Freiwillige Polizeireserve“ (FPR) nimmt seine Arbeit auf. Nach dem polizeilichen Abschlußbericht liegen über 665 der 2.360 Mitglieder der FPR strafrechtliche Erkenntnisse vor.

16.02.: Wegen fahrlässiger Tötung eines Asylbewerbers wird ein Polizist vom Amtsgericht Staßfurt (Sachsen-Anhalt) zu einer Geldstrafe von 270 Tagessätzen zu 50 DM verurteilt.

Bei einer Durchsuchung von Wohnungen von Rechtsextremisten in drei Bundesländern stellt die Polizei Propagandamaterial der verbotenen Organisationen „Nationale Offensive“ und „Nationalistische Front“ sicher. Gegen mehrere Verdächtige wird wegen Fortführens einer verboteten Organisation ermittelt.

In Den Haag nimmt die Europol/Drogeneinheit (EDU) ihren Praxistestbetrieb auf.

17.02.: Nach einer Entscheidung des Verwaltungsgerichts Düsseldorf darf der nordrhein-westfälische Verfassungsschutz weiterhin den „Deutschen Arbeitnehmer-Verband“ überwachen. Der Verband diffamiere Ausländer und biete Anhängern rechtsextremistischer Parteien die Möglichkeit zur Mitarbeit.

18.02.: Das brandenburgische Innenministerium teilt die verstärkte Aufnahme von AusländerInnen in die Polizei mit. Sie sollen 10% der neu einzustellenden PolizistInnen ausmachen.

In einer geplanten Novelle des BGS-Gesetzes will die Bundesregierung dem BGS die Möglichkeit zur Überwachung des Fernsprechverkehrs, zur Observation und zum Einsatz verdeckter Ermittler geben. Es wird bekannt, daß die Gruppe Fernmeldewesen des BGS seit langem BND und BfV mit ihren gewonnenen Erkenntnissen unterstützt.

Nach der Rauschgiftbilanz des Bundesinnenministeriums starben 1993 bundesweit 1.738 Menschen an den Folgen ihres Drogenkonsums. Das sind 17,2% weniger als im Vorjahr.

22.02.: Durch eine auf ihn geworfene Handgranate wird im niedersächsischen Gifhorn-Käsdorf ein Polizist schwer verletzt.

23.02.: Bei Straßenschlachten zwischen Jugendlichen und der Polizei nach der Räumung von zwei besetzten Häusern in Potsdam kommt es zu 77 Festnahmen und 13 Verletzten.

24.02.: Nach einem Beschluß des Bundesgerichtshofs reicht eine frühere STASI-Tätigkeit allein nicht als Begründung eines Berufsverbots für AnwältInnen aus. (Az: AnwZ (B) 59/93)

25.02.: Vom Moabiter Jugendschöffengericht in Berlin werden zwei Polizeibeamte wegen Körperverletzung im Amt zu Geldstrafen von 90 bzw. 60 Tagessätzen zu 55 DM verurteilt. Zwei Mitangeklagte werden freigesprochen. Im November 1991 hatten die Polizisten nach der Auflösung einer unangemeldeten Demonstration ein unbeteiligtes türkisches Ehepaar mißhandelt.

Wegen des Verdachts der STASI-Mitarbeit ermittelt die Bundesanwaltschaft gegen die Berliner SPD-Abgeordnete Ursula Leyk. Sie soll ein „Funkdepot“ unterhalten haben, das im Kriegsfalle genutzt werden sollte. Das Abgeordnetenhaus hebt auf Antrag der Staatsanwaltschaft die Immunität auf.

Laut Berliner Kriminalstatistik 1993 wurden in diesem Jahr in Berlin insgesamt 565.773 Straftaten erfaßt. Das sind 10.535 mehr als 1992. Die Aufklärungsquote stieg von 38,1% auf 41%.

Die Brandenburger Kriminalstatistik 1993 weist (ohne Verkehrs- und Staatsschutzdelikte) 328.028 Straftaten aus. Das entspricht einer Steigerungsrate von 34%; die Aufklärungsquote stieg von 25,7% auf 31,3%.

Bei Wulkow in Brandenburg wird von zwei Polizeibeamten ein Rumäne erschossen, der vor einer Personalienüberprüfung flüchtete.

28.02.: Das Landgericht München erklärt den „Münchner Kessel“, in den während des Weltwirtschaftsgipfels 1992 insgesamt ca. 500 DemonstrantInnen eingeschlossen wurden, für rechtswidrig. Es spricht den 114 KlägerInnen ein Schmerzensgeld von je 150 DM zu. Das bayerische Innenministerium prüft, ob es Berufung einlegt. (Az.: 9012 730/93).

Martina Kant ist Mitarbeiterin der „Arbeitsgruppe Bürgerrechte“