Mit mehr als 40.000 Kameras, die in etwa 530 Städten öffentliche Straßen und Plätze in den Blick nehmen, gilt Großbritannien zu Recht als Paradebeispiel für exzessive Videoüberwachung. Übersehen wird dabei häufig, dass Frankreich, das alteuropäische Mutterland bürgerlicher Freiheiten, sich inzwischen britischen Verhältnissen annähert.
Bald nach den Unruhen vom Mai 1968, erinnert sich Paul Virilio, tauchten in Paris die ersten Überwachungskameras an Eingängen der Grandes Ecoles und der Universitäten auf; die Überwachung der Boulevards und Straßenkreuzungen in der Hauptstadt wurde ebenfalls mit Hilfe der neuen Geräte sichergestellt.[1] Öffentlicher Raum wird in Frankreich seit mehr als 30 Jahren videoüberwacht, zunächst allerdings in begrenztem Umfang. Erst Ende der 1980er setzte eine Entwicklung ein, die die Videoüberwachung französischer Städte inzwischen immer mehr zur Regel macht. Marianne und ihre Großen Brüder – Videoüberwachung à la Française weiterlesen →
Seit Oktober 2003 läuft beim niedersächsischen Landeskriminalamt (LKA) ein bundesweit einmaliges Projekt, das der Korruptionsbekämpfung dienen soll. Per Internet können Bürger anonym Tipps geben, wer angeblich wen wo schmiert oder welche öffentlichen Leistungen erschleicht. Sein Projekt hat dem LKA eine „tadelnde Erwähnung“ bei den diesjährigen Big-Brother-Awards eingebracht.[1]
In zehn Monaten verzeichnete das LKA bereits 15.000 Zugriffe auf dieses „Business Keeper Monitoring System“.[2] 456 Verdachtsmeldungen seien eingegangen, davon 269 mit angeblich strafrechtlicher Relevanz. Rechtskräftige Urteile gibt es noch nicht. Die Denunziationsquote soll laut LKA bei nur 5 Prozent liegen; das wären etwa 23 Fälle – 23 Fälle zu viel. Die Dunkelziffer dürfte hoch sein. Im Schutz der Anonymität – LKA Niedersachsen fördert Denunziation weiterlesen →
Gummiweiche Formulierungen und ein weitgehender Verzicht auf Datenschutzprinzipien und Rechtsschutzmöglichkeiten kennzeichnen die neuen Abkommen zwischen der EU bzw. Deutschland und den USA.
Der 11. September 2001 hat eine rasante rechtspolitische Entwicklung nach sich gezogen. Wie rasant sie war, zeigt sich sehr deutlich an den Vereinbarungen zwischen Europol und den US-Behörden. Am 6. Dezember 2001 schlossen sie ein erstes Abkommen, das sich noch auf den Austausch von strategischen, d.h. nicht-personenbezogenen Informationen beschränkte. In dessen Art. 3 gab es jedenfalls den Versuch, den Datenaustausch auf bestimmte Kriminalitätsbereiche zu limitieren. Art. 10 II stellte bereits weitere Vereinbarungen zum Austausch personenbezogener Daten in Aussicht. Dem sind die Parteien ein Jahr später gefolgt. Im Zusatzabkommen vom 5. Dezember 2002 gibt es keine Begrenzung der Kriminalitätsbereiche mehr.[1] EUROPOL kann danach die bei ihm vorhandenen Informationen auf Anfrage oder spontan an die USA übergeben. Die Einschränkungen für die Datenübermittlung sind äußerst vage gehalten. So heißt es in Art. 5 Nr. 1a: Rechtshilfe ohne Rechtsschutz – Rechtshilfe- und Auslieferungsabkommen mit den USA weiterlesen →
Die Europol-Konvention wurde 1995 unterzeichnet und trat im Herbst 1999 in Kraft. Jetzt soll sie generalüberholt werden. Was wird geändert und vor allem wie?
Dass die Zuständigkeiten und Befugnisse von Europol über den in der Konvention vorgezeichneten Rahmen hinaus ausgedehnt werden sollten, stand spätestens seit dem EU-Gipfel von Tampere im Oktober 1999 fest. Die Frage war jedoch, wie diese Veränderungen, die dem Amt u.a. mehr Spielraum im „operativen“ Bereich geben sollten, zu bewerkstelligen seien. Zusatz- oder Änderungsprotokolle, die wie die Konvention selbst von sämtlichen Mitgliedstaaten ratifiziert werden müssen, wollte man vermeiden. Der Rat behalf sich deshalb zunächst mit bloßen „Empfehlungen“: Am 28. September 2000 forderte er die Mitgliedstaaten auf, „etwaige Ersuchen seitens Europol um die Durchführung oder Koordinierung von Ermittlungen … unverzüglich“ zu bearbeiten. Auf demselben Schleichweg wurde am 30. November 2000 die Beteiligung Europols an „gemeinsamen Ermittlungsgruppen“ angegangen: Die Mitgliedstaaten sollten „in vollem Umfang die Möglichkeiten zur Unterstützung“ solcher Gruppen durch das Amt nutzen.Änderung der Europol-Konvention – Noch weniger Datenschutz und ohne die Parlamente weiterlesen →
Für Polizeien und Geheimdienste sind die bei der elektronischen Telekommunikation anfallenden Verkehrsdaten verlockende Informationsquellen. Nach einer EG-Richtlinie von 1997 müssen sie aber gelöscht werden, sobald sie nicht mehr für Abrechnungszwecke gebraucht werden. Der Rat, d.h. die Regierungen der EU-Staaten, möchte das ändern und geht auf Kollisionskurs mit dem Europäischen Parlament (EP).
Im Juli 2000 hatte die EU-Kommission einen Vorschlag präsentiert, mit dem die 1997 verabschiedete Richtlinie „über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre im Bereich der Telekommunikation“ überarbeitet werden sollte.[1] Vorgesehen waren nur Anpassungen an den neuen Stand der Technik, aber keine grundsätzlichen Änderungen. Die Verpflichtung der Telekommunikations- (TK-) Dienstleister, Verbindungsdaten sofort zu löschen, wenn sie für Rechnungszwecke nicht mehr gebraucht werden, sollte erhalten bleiben. Was wird aus den Verkehrsdaten? Konflikte um EU-Regelungen weiterlesen →
Es enthält weit über 100 Mio. Daten von ca. 10 Mio. nicht-deutschen Staatsangehörigen und besteht seit 1953 – das Ausländerzentralregister (AZR). Seit 1967 wird es im automatisierten Verfahren beim Bundesverwaltungsamt (BVA) betrieben und dient vorwiegend den mit Ausländerfragen betrauten Behörden, zunnehmend auch den sog. „Sicherheitsbehörden“ und im Bedarfsfall anderen öffentlichen Stellen. Im letzten Jahr wurde ein 1. Entwurf eines AZR-Gesetzes bekannt – veröffentlicht und kritisiert in dieser Zeitschrift (Nr. 31). Eine überarbeitete Fassung wurde unlängst im Bundesrat behandelt (BR-Drs. Nr. 377/89). Zum aktuellen Stand der folgende Beitrag. Die neueste Fassung: Entwurf eines Ausländerzentralregister-Gesetzes weiterlesen →
Cilip: Wenn Sie die Entwicklung der deutschen Polizei vor dem Hintergrund Ihrer Reformpläne betrachten, inwieweit und in welchen Bereichen entspricht diese dann Ihren Vorstellungen einer modernen Kriminalpolizei?
Herold: Die organisatorische und funktionelle Entwicklung, die der Polizei verordnet ist, verläuft in eine gänzlich andere Richtung als die, die die technische und gesellschaftliche Entwicklung eigentlich verlangen würde.
Ich will zunächst einmal zum Informationswesen Stellung nehmen. Gewollt war ein gemeinsames, bundesweit arbeitendes Informationssystem für kriminaltechnische und Verbrechensdaten, das vom polizeilichen Sachbearbeiter vom Tatort oder vom Arbeitsplatz her nach strikten und maschinell kontrollierten Rechtsregeln beschickt und abgefragt wird. Ausschließlich von den Kriminalitätsdaten gesteuert, sollte es sich weisungs- und politikfrei im Selbstlauf optimieren und zugleich die bisherige Hierarchie der Zentralstellen von Bund und Ländern aufheben. Der anonymisierte Gesamtdatenbestand sollte die Basis bilden für eine ständige wissenschaftliche Durchdringung zum Zwecke einer „gesetzgeberischen Prävention“, die durch entsprechende gesetzgeberische Akte die Ursachen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen aufhebt oder ändert, unter denen Verbrechen entsteht, oder die Normen korrigiert, die Ergebnisse produzieren, die den Vorgaben und politischen Zielvorstellungen der Gesellschaft zuwiderlaufen. Interview mit Horst Herold, Teil 1: „Weisungs- und politkfrei im Selbstlauf“ weiterlesen →
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