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Pro-Palästina Demos nicht erlaubt? Ethnographische und rechtliche Anmerkungen

Clemens Arzt, Alexander Bosch

Der verbrecherische Angriff der Hamas auf Israel hat auch in Deutschland zu heftigen Reaktionen geführt. Die Politik hat die Unterstützung Israels zur Staatsräson erklärt. Dennoch wird auch für die Unterstützung der Palästinenser*innen demonstriert. Versammlungsbehörden und Polizei schritten hiergegen im Oktober 2023 in breitem Umfang ein. Totalverbote von Versammlungen waren in Berlin-Neukölln, wo viele Menschen mit palästinensischem oder arabischem Hintergrund leben, über viele Tage die Regel. Dies wird nachfolgend aus ethnographischer und rechtlicher Sicht näher betrachtet. Ist dieses staatliche Vorgehen mit der Versammlungsfreiheit vereinbar, und war die überzogene und rechtlich fragwürdige staatliche Reaktion nicht gerade Anlass für zum Teil gewalttätige Auseinandersetzungen?

Seit dem schrecklichen Überfall der islamistischen Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 gehen die Wogen international wie auch in Deutschland zu dem Thema hoch. Jüdinnen und Juden in Deutschland äußern ihre nur zu berechtigte Besorgnis und Angst vor Übergriffen auch in Deutschland. Dass sie diese Sorge haben müssen, ist bedenklich und real, nicht erst seit dem 7. Oktober. Eine palästinensische Sicht jenseits der Berichte über die Hamas ist hingegen kaum wahrnehmbar oder gar auf der Straße sichtbar zu machen, ohne in Konflikte mit dem deutschen Staat zu geraten. Pro-Palästina Demos nicht erlaubt? Ethnographische und rechtliche Anmerkungen weiterlesen

Wendland ohne Demonstrationsrecht – Erfahrungen aus sieben Jahren Castortransporten

von Elke Steven

Seit dem ersten Transport von hochradioaktivem Müll in das Zwischenlager Gorleben im April 1995 wird der Verlust demokratischer Grundrechte der Bevölkerung im Wendland immer neu anschaulich. Wochen vor jedem Transport beginnt ein Ausnahmezustand, der den Alltag einer ganzen Region lahm legt. Grundrechte sind aufgehoben, und die Polizei wird von vielen Bürgerinnen und Bürgern als Besatzungsmacht erlebt.

Fünfmal wurde in den letzten sieben Jahren hochradioaktiver Müll in das Zwischenlager nach Gorleben transportiert. Für AtomkraftgegnerInnen sind diese Transporte Anlass, öffentlich gegen die Produktion von Atomenergie zu protestieren und den Ausstieg aus ihr zu fordern. Dabei ist eine ihrer Protestformen die gewaltfreie Behinderung des Transportes und die Verzögerung seiner Ankunft im Zwischenlager. Diesen besorgten BürgerInnen stehen Politik und Polizei gegenüber. Die Politik hat es völlig versäumt, die Ängste und Anliegen ernst zu nehmen. Stattdessen hat sie mit den Atomkraftbetreibern – ohne die AtomkraftgegnerInnen und ihre kompetenten VertreterInnen einzubeziehen – einen sogenannten Kompromiss ausgehandelt. Der Polizei kämen in diesem Zusammenhang theoretisch zwei unterschiedliche und schwer zu verbindende Aufgaben zu: den Protest der BürgerInnen zu schützen und zugleich den Transport zu ermöglichen. Praktisch stellt sie sich immer stärker auf die Seite der Betreiber und der Transportunternehmen.

Im Laufe dieser Transport-Jahre haben sich die Eingriffsmöglichkeiten der Polizei erweitert und verändert. Immer deutlicher ist das Handeln der Polizei auf die Zerschlagung der Proteststrukturen gerichtet. Auf Seiten der BürgerInnen hat sich eine große Selbstverständlichkeit im Aufruf zu gewaltfreiem zivilen Ungehorsam entwickelt. Gleichzeitig geraten – angesichts der Behinderungen des breiten Protestes – immer stärker kleine (und manchmal geheime) Aktionen in den Vordergrund. Wendland ohne Demonstrationsrecht – Erfahrungen aus sieben Jahren Castortransporten weiterlesen