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Pushbacks: „Niemand darf einfach Menschenrechte außer Kraft setzen“

Seit einigen Jahren häufen sich Meldungen, wonach einige Mitgliedstaaten der Europäischen Union Geflüchtete an ihren Außengrenzen aufgreifen und mit Gewalt zurückweisen. In der Ägäis hat die griechische Küstenwache in Hunderten Fällen Boote mit Schutzsuchenden in türkische Gewässer geschleppt oder auf Rettungsinseln ausgesetzt, damit sie in Richtung der Türkei zurücktreiben. Auch in Kroatien ist die völkerrechtswidrige Praxis von internationalen Medien zweifelsfrei belegt, ähnliche Berichte kommen beinahe täglich aus Litauen und Polen an der Grenze mit Belarus.

Mit Ausnahme von Polen ist Frontex in allen Regionen in verschiedenen Missionen im Einsatz, einige der Pushbacks erfolgten unter den Augen oder sogar unter Mithilfe der Grenzagentur. Eigentlich müsste der Direktor Fabrice Leggeri den Artikel 46 der Frontex-Verordnung aktivieren und – wie in Ungarn – die Zusammenarbeit mit den betreffenden Ländern einstellen. Stattdessen geht Leggeri zum Angriff über und behauptet, Zurückweisungen könnten sogar legal sein. Darüber haben wir mit dem Rechtsanwalt und Experten für Migrationsrecht, Matthias Lehnert gesprochen. Pushbacks: „Niemand darf einfach Menschenrechte außer Kraft setzen“ weiterlesen

Die mangelnde staatliche Aufklärung illegitimer Polizeigewalt

Von Louisa Zech

Zum aktuellen Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR, Urt. v. 09.11.2017, Az. 47274/15)

Am 9. November 2017 verurteilte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) die Bundesrepublik Deutschland zu einer Entschädigung von zwei Fußballfans in Höhe von 2.000€. Ingo Hentschel und Matthias Stark nahmen zehn Jahre zuvor als Zuschauer an einem Fußballspiel des FC Bayern München II und des TSV 1860 München im Grünwalder Stadion teil. Grundlos soll es hierbei zu Übergriffen der diensthabenden Polizist*innen auf die Zuschauer gekommen sein, wobei einem der Kläger Pfefferspray aus nächster Distanz in die Augen gesprüht wurde und der andere Kopfverletzungen durch einen Schlag mit dem Schlagstock erlitt. Die mangelnde staatliche Aufklärung illegitimer Polizeigewalt weiterlesen

Satellitengestützte Führungsaufsicht? Ambulante Sicherungsverwahrung per GPS-Fußfessel

von Helmut Pollähne

Spätestens seit der Grundsatzentscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) im Dezember 2009 dreht sich die kriminalpolitische Diskussion um das Thema Sicherungsverwahrung (SV). Das Gesetz zu deren „Neuordnung“ sieht unter anderem eine elektronische Überwachung von Entlassenen vor.

Mit dem Gesetz zur „Neuordnung“ der SV, das am 1. Januar 2011 in Kraft trat, war die Beseitigung der Unordnung keineswegs abgeschlossen. Bereits am 13. Januar 2011 erging eine weitere, im Ergebnis nicht mehr überraschende Entscheidung des EGMR, mit der die nachträgliche SV – noch über die gesetzlichen Änderungen hinausgehend – endgültig ad acta gelegt wurde. Am 4. Mai 2011 folgte das bereits erwartete Grundsatzurteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zur SV und zur Umsetzung der EGMR-Entscheidungen, das dem Gesetzgeber eine Frist bis zum 31. Mai 2013 einräumte, um das mit dem Grundgesetz unvereinbare SV-Recht juristisch und vor allem vollzugspraktisch neu zu ordnen.[1] Satellitengestützte Führungsaufsicht? Ambulante Sicherungsverwahrung per GPS-Fußfessel weiterlesen