Schlagwort-Archive: Racial Profiling

Strategische Überprüfungen – Zivilgesellschaftliche Polizeikontrolle in Großbritannien

von Genevieve Lennon

Der Artikel gibt einen Überblick über das Kontrollinstrument der strategischen, oft auch thematisch genannten Überprüfungen (englisch: „strategic reviews“), welche die Aufsichtsgremien der britischen Polizei durchführen können. Anhand von Fallstudien aus England und Wales wird aufgezeigt, wie die Überprüfungen initiiert werden können, welche Befugnisse die Kontrollinstanzen haben, wie die Ergebnisse veröffentlicht werden, und – soweit relevant und möglich – wie die Polizei darauf reagiert.

Um das Instrument der thematischen Überprüfungen zu erläutern, führt der Artikel zunächst in die britischen Polizeistrukturen und Aufsichtsgremien ein. Die wichtigsten Polizeien in England und Wales sind die 43 „Home Office“ Polizeipräsidien, die so genannt werden, weil sie gemäß dem Police Act 1996 dem Innenministerium unterstehen. Die zivilgesellschaftliche Kontrolle wird gemäß Police Reform and Social Responsibility Act 2011 von sogenannten „Police and Crime Commissioners“ (PCC), zu Deutsch: Beauftrage für Polizei und Verbrechen, ausgeübt.[1] Diese werden von der lokalen Bevölkerung direkt gewählt und sind für die Ernennung und Abberufung des/der Polizeipräsident*in zuständig. Zudem erarbeiten sie einen strategischen Fünfjahresplan für das Themenfeld „Polizei und Kriminalität” und können dessen Einhaltung gegenüber der Präsidiumsleitung einfordern. In Städten, die groß genug sind, um Bürgermeister*innen zu haben, üben die stellvertretenden Bürgermeister*innen diese Funktion aus. Strategische Überprüfungen – Zivilgesellschaftliche Polizeikontrolle in Großbritannien weiterlesen

Polizieren, Sexualität und Gender – Feminismus zwischen Machtkritik und Punitivität

Polizei bleibt hetero-maskulinistisch; Straftäter*innen, Gefangene und (Polizei-)Gewaltopfer sind meist männlich. Doch sexualisierte Gewalt wird oft durch Frauen-, Queer- und Transfeindlichkeit gespeist. Auch das „ideale Opfer“ (N. Christie) und Kriminalitätsfurcht gelten als weiblich. Polizieren und Strafen sind also gegendert. Sexualität dient oft als Thema für Rufe nach mehr Strafe. Im öffentlichen Raum wird sexuelle Devianz kontrolliert. Im Privaten interessierte sexuelle Gewalt lange nicht. Dass sich dies änderte, verdanken wir feministischen Kämpfen – doch diese werden in neoliberalen Zeiten punitiver.

Als Kerninstitutionen des Staates sind Polizieren und Strafen mit Herrschaftsverhältnissen verknüpft. Ihre Rolle bei der Absicherung des (rassialisierten, gegenderten) Kapitalismus ist traditionell ein Fokus von kritischer Kriminologie und Bürger*innenrechtskämpfen.[1] Polizieren, Sexualität und Gender – Feminismus zwischen Machtkritik und Punitivität weiterlesen

Racial Profiling in Deutschland: Keine Frage individuellen Fehlverhaltens

von Bafta Sarbo

Als Racial Profiling werden rassistische Polizeikontrollen bezeichnet, bei denen Menschen anhand von phänotypischen Merkmalen, insbesondere der Hautfarbe, polizeilichen Maßnahmen unterzogen werden. Trotz aller Kritik bleibt es eine ständige Praxis der Polizei.

Den Begriff Racial Profiling und die Diskussionen darüber kennen viele vor allem aus den USA, aber auch in Deutschland und allen anderen europäischen Ländern gibt es sie. Allerdings hat Racial Profiling in Deutschland eine andere Grundlage als in den USA. Hier geht es seltener darum, Drogendelikte festzustellen, sondern in der Regel um Migrationskontrolle, also darum illegale Einreisen, unerlaubte Grenzübertritte festzustellen. Eine zentrale Rechtsgrundlage sind dabei die §§ 22 und 23 des Bundespolizeigesetzes (BPolG), die es der Bundespolizei erlauben, nicht nur an Grenzen, sondern insbesondere an Bahnhöfen, Flughäfen und in Zügen Menschen zu kontrollieren.[1] Racial Profiling in Deutschland: Keine Frage individuellen Fehlverhaltens weiterlesen

Auf dem Weg zur Bürgerpolizei? Niedersachsen bringt neues Polizeirecht auf den Weg

von Michael Schütte

Die rot-grüne Landesregierung in Hannover will das Polizeigesetz novellieren. Seit September 2014 liegt ein Entwurf aus dem Niedersächsischen Ministerium für Inneres und Sport vor.

„Niedersächsisches Gesetz über die Abwehr von Gefahren“ (NGefAG) soll das Gesetz künftig heißen, der Begriff der „öffentlichen Ordnung“ wird damit aus der Aufgabennorm des Gesetzes gestrichen. Diesen Weg hatte bereits die erste rot-grüne Koalition bei der Novellierung des Polizeirechts in den 90er Jahren beschritten. 2003 hatte eine CDU-geführte Landesregierung das Rad zurück gedreht. Das Gesetz hieß nun wieder „Niedersächsisches Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung“ (Nds. SOG), und die „öffentliche Ordnung“ war wieder zum Schutz­gut der polizeilichen Generalklausel erhoben worden. Angstkonstrukte im Kontext eines diffusen bürgerlichen Sicherheitsempfindens konnten der Polizei damit wieder als Begründung für ein Einschreiten gegen Unordnungszustände jedweder Art dienen. Im Berufsverständnis einer Bürgerpolizei soll damit unter Rot-grün nun wieder Schluss sein. Auf dem Weg zur Bürgerpolizei? Niedersachsen bringt neues Polizeirecht auf den Weg weiterlesen

Polizeiliche Kriminalstatistik Berlin 2012: Mehr Racial Profiling, weniger aufgeklärte Fälle

von Angelina Weinbender

Die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) für das Jahr 2012[1] schien wieder einmal zu bestätigen, dass die Kriminalität zugenommen habe und dafür vor allem die „nicht-deutschen Tatverdächtigen“ verantwortlich seien. Was bleibt von den Gewissheiten, wenn man die Statistik richtig liest?

Die PKS ist ein jährlich vom Polizeipräsidenten herausgegebener Bericht, der polizeiliche Tätigkeitsdaten enthält. Der Bericht für das Jahr 2012 umfasst über 200 Seiten mit über 200 Tabellen und Diagrammen. Er bedarf fünf Seiten an „Vorbemerkung und Begriffserläuterungen“ und bietet eine fünfseitige Zusammenfassung der Kernaussagen.

Im Allgemeinen ist die PKS ein Instrument zur Regulation von Verwaltungshandeln, mit dem Polizeihandeln dokumentiert und zukünftiges Handeln legitimiert werden kann. Die überwiegend tabellarische Darstellung erfordert eine besondere Lesekunst (und ein besonderes Leseinteresse), die auf ein begrenztes Lesepublikum trifft. Polizeiliche Kriminalstatistik Berlin 2012: Mehr Racial Profiling, weniger aufgeklärte Fälle weiterlesen

Die gesetzliche Diskriminierungsfalle:  Diskriminierende Kontrollen und Aufenthaltsgesetzgebung

von akj-berlin

Im Oktober 2012 erklärte das Oberverwaltungsgericht (OVG) Rheinland-Pfalz die „anlasslose Kontrolle“ eines Studenten durch die Bundespolizei für rechtswidrig, weil dessen Hautfarbe ausschlaggebendes Kriterium gewesen sei. Seitdem kommt endlich auch das Diskriminierungsverbot von Art. 3 Abs. 3 GG in der Polizeiarbeit zur Geltung. Die Frage ist jedoch, wie die Polizei die in vielen Bundes- und Landesgesetzen enthaltenen aufenthaltsrechtlichen Kontrollbefugnisse wahrnehmen soll, ohne dabei nach zugeschriebenen Merkmalen rassistisch zu rastern. Wer ein Ende des Racial Profiling will, kommt daher nicht um die Forderung nach der Abschaffung der Sondergesetzgebung für Nichtdeutsche herum.

Das Verhältnis zwischen Menschen mit Migrationshintergrund und PolizistInnen ist nicht nur aufgrund rassistischer Übergriffe belastet.[1] Insbesondere im Zusammenhang mit Personenkontrollen genügt es schon, dass die Polizei von ihren Befugnissen in einem Umfang Gebrauch macht, der zwar rechtlich zulässig ist, aber doch gegenüber der weißen „biodeutschen“ Mehrheitsgesellschaft üblicherweise nicht für notwendig erachtet wird.[2] Solche diskriminierenden Vorgänge gehören nicht allein deshalb zur Lebenswirklichkeit vieler Menschen, weil die BeamtInnen aus bewusst oder unbewusst rassistischer Motivation heraus handeln. Die gesetzliche Diskriminierungsfalle:  Diskriminierende Kontrollen und Aufenthaltsgesetzgebung weiterlesen

Identitätskontrollen in Frankreich: Diskriminierung festgestellt, Reform ausgeschlossen?

von Fabien Jobard und René Lévy

Ohne zu übertreiben lässt sich sagen: Die Frage der polizeilichen Identitätskontrollen hat einen zentralen Stellenwert in den Debatten über den Platz der Minderheiten in der französischen Gesellschaft, über die Diskriminierungen, denen sie ausgesetzt sind, und das, was der Staat tut , um sie zu reduzieren.

Die dramatischen Ereignisse, die die Vorstädte in den letzten Jahren erschüttert haben, haben die Bedeutung dieser Frage noch verstärkt: Es war eine simple Identitätskontrolle wenige hundert Meter von ihrer Wohnung entfernt, vor der zwei Kinder im Oktober 2005 flohen und den Tod fanden, weil sie Unterschlupf in einem Transformatorenhäuschen suchten. Der Vorfall löste eine Welle des Aufruhrs aus, die innerhalb von drei Wochen nicht weniger als 300 Städte erfasste.[1] Identitätskontrollen in Frankreich: Diskriminierung festgestellt, Reform ausgeschlossen? weiterlesen

Anlasslose Kontrollen der Bundespolizei: Das Verbot rassistischer Diskriminierung ist absolut

von Hendrik Cremer

„Niemand darf wegen … seiner Rasse … benachteiligt oder bevorzugt werden“, heißt es in Artikel 3 Absatz 3 des Grundgesetzes (GG). Diese Fundamentalnorm der Verfassung lässt Polizeikontrollen, die auf einer Methode des „Racial“ oder „Ethnic Profiling“ beruhen, nicht zu. Die Polizei darf unveränderliche Merkmale, die das äußere Erscheinungsbild eines Menschen prägen, nicht als Auswahlkriterium für anlasslose Personenkontrollen heranziehen.

§ 22 Abs. 1a des Bundespolizeigesetzes (BPolG) ermächtigt die Bundespolizei, Personen in Bahnhöfen, Zügen und Flughäfen zum Zweck der Migrationskontrolle ohne konkreten Anlass und ohne konkreten Verdacht zu kontrollieren. Die Bundespolizei kann demnach jede Person anhalten, befragen und Ausweispiere verlangen sowie mitgeführte Sachen in Augenschein nehmen. Die Bestimmung ist zwar dem Anschein nach neutral, führt aber zu rassistischen Diskriminierungen und verstößt damit gegen das Diskriminierungsverbot.[1]

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