Literatur

Polizeiforschung in England und Frankreich –
einige aktuelle Literaturhinweise

Die Polizeien der EG-Länder sollen enger zusammenrücken; die Mitgliedsländer des Schengen-Abkommens wollen den „europäischen Fahndungsraum“ entwickeln, allenthalben gibt es Ansätze einer verstärkten Kooperation zwischen den Polizeien Westeuropas.
Daß es sich auch für jene lohnt, die mit Skepsis den weiteren Ausbau der nationalen Polizeien und die West-Europäisierung der Politik sog. Innerer Sicherheit beobachten, auf die Polizeientwicklung und -diskussion in anderen westeuropäischen Ländern zu schauen, dafür versucht die folgende kleine Literaturübersicht über Polizeiforschung und -diskussion in England und Frankreich Interesse zu wecken. Anders als in der Bundesrepublik, in der Polizeiforschung vorrangig unter dem Gesichtspunkt der Effektivitätssteigerung und Rationalisierung der bestehenden Apparate betrieben wird, ist in der Polizeiforschung Englands und Frankreichs auch die Frage nach den Bedingungen und Voraussetzungen einer Demokratisierung der Polizei eine der herausragenden Fragestellungen.

England:

Das polizeiliche Vorgehen im Verlauf der Unruhen in Brixton, Manchester, Birmingham und weiteren englischen Städten im Jahre 1981 und des Bergarbeiterstreiks von 1984 in den Kohlerevieren von Mittelengland hat die Diskussionen über die Rolle der Polizei in der englischen Gesellschaft nachhaltig beeinflußt und politisiert. Zentrale Bezugspunkte dieser Diskussionen sind einerseits die Sicherung der Bürgerrechte gegenüber staatlichen/ polizeilichen Einschränkungen und Übergriffen (Kontrollstellenpraxis etc.), andererseits die Verbesserung und Demokratisierung der vorhandenen institutionellen Kontrollmechansimen gegenüber den lokalen und kommunalen Polizeiorganisationen. Als besonders kritisch wird insbesondere die Position der nahezu allmächtigen Chief Constables angesehen, die im englischen Polizeisystem eine herausgehobene organisatorische Stellung einnehmen. So sind vor allem diese rechtlich völlig autonom in ihren Einsatzplanungen und -strategien. Die gewählten Police Authorities haben in dieser zentra-len Frage keinerlei Kontrollbe-fugnisse.

Die gewaltsamen Übergriffe der Polizei 1981 in Brixton und 1984 beim Bergarbeiterstreik und die Ausweitung der präventiven Kontrollstrategien führten zu einem erheblichem Vertrauensverlust in der Bevölkerung, der das traditionelle „policing by consent“ nachhaltig erschüttert hat.
Vor diesem Hintergund der Politisierung der englischen Polizei-Diskussion sind eine Reihe von Veröffentlichungen entstanden, die sich eingehend mit der Frage der
Legitimität der Polizei in der englischen Gesellschaft beschäftigen und einen Strukturwandel des Polizeisystems im Zusammenhang mit den neuen rechtlichen Kontrollmöglichkeiten (Police and Criminal Evidence Act 1984) und den organisatorischen Veränderungen (Spezialeinheiten, Riot control-Ausrüstung, Bewaffnung der Polizei etc.) in den achtziger Jahren analysieren.

So haben sich im April 1982 an der Universität Leicester Soziologen, Politologen, Polizeioffiziere und Sozialarbeiter zu einer Konferenz mit Thema „Scarman and after“ getroffen, um den von Lord Scarman vorgelegten Untersuchungsbericht zu den Unruhen 1981 in Brixton (vgl. CILIP 13, S.45 ff.) zu diskutieren. Ein Teil der Vortragsmanuskripte liegen nun als Sammelband vor:

Benyon, John (ed.)
Scarman and After, Oxford Pergamon Press 1985, 292 p.

Das Buch gliedert sich in fünf Teile. In den ersten beiden Teilen werden die Implikationen und Interpretationen des Scarman Reports analysiert. Vornehmlich werden hier die Fragen nach den sozialen Ursachen und Bedingungen der Ausschreitungen diskutiert. Teil 3 beschäftigt sich hauptsächlich mit den polizeilichen Reaktionen und den Einsatzkonzepten im Vorfeld der Unruhen. Teil 4 untersucht detailliert und materialreich die sozialen Räume und die Ursachen für die Desintegration der ethnischen Minderheiten in Brixton aus unterschiedlichen Perspektiven. Als zentrales Problem, das zu den Unruhen führte, wird die mangelnde Integration der lokalen politischen Institutionen und der Polizei in Brixton benannt. Der Herausgeber Benyon kommt zu dem Schluß, daß dieses Problem weiter bestehen wird, wenn sich die sozialen Bedingungen in diesem Stadtteil nicht verändern lassen. „The war against deprivation and injustice in the cities and against unemployment, crime and undisciplined policing is a daunting one which requires unflinching determination.“(S.242)
Ein anderer Sammelband versucht die Ereignisse während des Bergarbeiterstreiks 1984 zu beleuchten:

Fine, B./ Millar, R. (eds.)
Policing the Miners‘ Strike, London 1985, Cobden Trust, 243 p.

In den verschiedenen Beiträgen werden die veränderte Kontrollstellenpraxis sowie die rechtlichen, personellen, technischen und die organisatorischen Veränderungen im englischen Polizeisystem untersucht und diskutiert. Auf der organisatorischen Ebene untersucht Martin Kettle (S.23 ff.) die Rolle des National Reporting Center (NRC) als zentraler Koordinationsstelle für die gesamten Polizeieinsätze. Er widerspricht in seiner materialreichen Studie einleuchtend der vorschnellen These von einer zentralstaatlich organisierten Polizei, die das kommunale Polizeisystem durch die Hintertür des NRC abgelöst hätte. „It ist plainly wrong to say that the existence of the Centre means that there is now a national police force in Britain.“(S.32). Paul Gordon (S.161 ff.) formuliert Parallelen zwischen den polizeilichen Einsatzkonzepten gegenüber ethnischen Minderheiten in den innerstädtischen Problemgebieten und der Repression und den Kontrollen in den Wohnvierteln der Bergarbeiter. Cathie Lloyd (S.65 ff.) untersucht die Spezialsierung und Ausbildung von Sondereinheiten für den Einsatz bei Demonstrationen, Streiks und sozialen Unruhen. Louise Christians ( S.120 ff.) beschreibt das Verhältnis von Polizei und Justiz unter besonderer Berücksichtigung der polizeilichen Kontrollstellenpraxis in Nottinghamshire und ihrer gerichtlichen Kontrolle.
Obwohl die Beiträge – die hier nicht alle vorgestellt werden – sehr unterschiedlich in ihren theoretischen Implikationen und Interpretationen sind, handelt es sich um ein lesenswertes Buch, das eine Reihe von wichtigen Informationen und Analysen zum Thema „Polizei und Streik“ vermittelt. Den Herausgebern muß allerdings in ihrer sehr ökonomisch determinierten Analyse der gesellschaftlichen Funktion der Polizei im Kapitalismus widersprochen werden. Gleiches gilt für die im Schlußkapitel vertretene These der Militarisierung der Polizei, die m.E. einer genauen Prüfung nicht standhalten kann.
Wer sich mit den sozioökonomischen und politischen Hintergründen der Konflikte aus Anlaß des Bergarbeiterstreiks vertraut machen möchte, dem sei empfohlen:

Beynon, Huw (ed.)
Digging Deeper, London 1985, Verso, 252 p.

Eine umfassende Analyse und detailliertes Material zum Bergarbeitetrstreik ist auch zu finden in:

McCabe, Sarah/ Wallington, Peter/ Alderson, John et.al.
The Police and the Public Order & Civil Liberties. Legacies of the Miners‘ Strike, London 1988 (Routledge), 209 p.

Diese Untersuchung war ursprünglich als Bericht einer unabhängigen Untersuchungskommission des National Council of Civil Liberties (NCCL) geplant. Interne Differenzen führten dazu, daß die Autoren sich entschlossen haben, ihre Arbeit als Privatpersonen fortzuführen und einen unabhängigen Bericht zu erstellen. Im ersten Teil wird grundsätzlich das Problem der polizeilichen Eingriffe in die Bürgerrechte im Zusammenhang mit der Streikbewegung diskutiert, insbesondere die einseitige Parteinahme des Staates für diejenigen Kollegen, die entgegen der gewerkschaftlichen Beschlüsse in bestreikten Zechen arbeiten wollten. Im zweiten Teil wird die Rolle der Regierung, der Unternehmervereinigung, der Polizei, der Bergarbeiter und ihrer Gewerkschaft im Arbeitskonflikt nachgezeichnet. Im Vordergrund steht die Bewertung der polizeilichen Maßnahmen (Kontrollstellen, Übergriffe bei Demonstrationen etc.) sowie die strafrechtliche Verfolgung von Bergarbeitern, die an Streikdemonstrationen teilgenommen haben. Im dritten Teil werden die polizeilichen Einsatzkonzepte und die neuen rechtlichen (PACE 1984) Möglichkeiten im Zusammenhang mit der Funktion der Polizei als zentraler staatlicher Institution für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung diskutiert. Die funktionale Differenzierung zwischen „riot control“ und Arbeitskämpfen wurde anläßlich des Bergarbeiterstreiks aufgegeben und konnte von den Autoren auch beim Druckerstreik 1986/87 in London beobachtet werden. „The separation of industrial conflict from riot control may however have reemerged in police thinking over the two years following the strike …; this is perhaps one of the key lessons of the experience of the strike.“ (S.125) Angesichts der Dysfunktionalität der institutionellen Kontrollmechanismen gegenüber der polizeilichen Omnipotenz während des Streiks, fordern die Autoren im Schlußkapitel die Einsetzung einer Royal Commission, die die Funktion der Polizei in der englischen Gesellschaft neu bestimmen soll. Darüber hinaus halten die Autoren eine geschriebene Verfassung für notwendig, die die Bürgerrechte gegenüber staatlichen/ polizeilichen Übergriffen besser schützen könnte.
Daß ein Verfassungsdokument per se noch keinen Schutzwall um die bürgerlichen Freiheitsrechte legt, dies läßt sich allerdings mit einer Fülle von Beispielen aus der bundesrepublikanischen Entwicklung zeigen. Insofern hat diese Forderung etwas ohnmächtiges und voluntaristisches gegenüber eines sich tendenziell verselbständigten staatlichen Sicherheitskomplexes.

Um Polizei und Arbeitskampf geht es auch in der folgenden Studie:

Grary, Roger
Policing Industrial Disputes 1893 – 1985, Cambridge University Press 1985, 171 p.

Der Autor versucht, die polizeilichen Einsatzkonzeptionen bei Arbeitskämpfen in einen größeren historischen Rahmen zu stellen und zu systematisieren. Nach seiner Ansicht sind die anfänglichen spontanen Mobilisierungsstrategien und die gewaltsamen Auseinandersetzungen bei Arbeitskämpfe vor Ort im ausgehenden 19. Jahrhundert über eine zunehmende organisatorische Einbindung der Arbeiterbewegung in die verschiedenen Gewerkschaften diszipliniert und pazifiziert worden. Dieser pazifizierenden und ordnenden Funktion der Gewerkschaften korrespondiert auf der Seite des staatlichen Gewaltmonopols die Ablösung und Ausdifferenzierung sowie die Spezialisierung der Polizei als zentraler Ordnungsmacht für den inneren Frieden gegenüber dem Militär – vom Niederkartätschen der streikenden Arbeiter 1893 in Featherstone durch das Militär zum „pushing und shooving“ der Polizei in Saltley 1972. Diese durchaus plausible These wird allerdings aus einer etwas – vorsichtig formuliert – eigenwilligen methodischen Auswahl der historischen Ereignisse und des Quellenmaterials entwickelt, die das Buch zum Ärgernis machen.

Vor dem Hintergrund der Ereignissen in Brixton und im englischen Kohlerevier und angesichts der Durchsetzung konservativer Sicherheits- und Ordnungsvorstellungen, die unter dem Stichwort „law and order“ zusammengefaßt werden können, versucht der folgende Sammelband eine interdisziplinäre Aufarbeitung und Systematisierung der Debatte um „law and order“ in Großbritannien.

Norton, Philip (ed.)
Law and Order and British Politics, Gower Publishing 1984, 224 p.

Im ersten Teil wird von Dixon und Fishwik (S.21 ff.) die gegenwärtige Debatte historisch aufgearbeitet. Im zweiten Teil spricht Lambert (S.63 ff.) von einer polizeilichen Legitimitätskrise. Der Vertrauensverlust der Polizei in der englischen Bevölkerung könne u.a. nur über klare und eindeutig rechtlich begrenzte polizeiliche Befugnisse, unabhängigen Untersuchungskommissonen, die die Beschwerden aus der Bevölkerung über polizeiliches Fehlverhalten bearbeiten, und eine demokratische institutionelle Kontrolle der polizeilichen Einsatzkonzepte aufgefangen werden. „All of these should help to build public cnfidence and contribute to more effective policing.“(S.78) Schließlich werden die unterschiedlichen Sicherheits- und Ordnungsvorstellungen im englischen Parteiensystem untersucht. Die These von der Transformation des britischen Wohlfahrtstaats zum Polizeistaat, in dem die ausgebeuteten und verarmten Massen nur noch mittels verstärkter Repression unter Kontrolle gehalten werden können, kann in dieser Plattheit allerdings nicht überzeugen.

Daß die moderne Polizei eine große und komplex bürokratisch strukturierte Organisation ist, die recht unterschiedliche Funktionen erfüllt, zeigt

Weatheritt, Mollie
Innovations in Policing, Beckenham (Croom Helm) 1986, 165 p.

Es werden insbesondere die organisatorischen und operationalen Umstrukturierungsprozesse im Bereich der vorbeugenden Verbrechensbekämpfung vorgestellt und anhand von Beispielen aus unterschiedlichen Polizeibezirken diskutiert. Für die Autorin ist das zentrale Problem die Integration der betroffenen Bevölkerung als Informationsressource für die Verbrechensbekämpfung: „good practice on the basis of good information, and of encouraging forces to develop such practice themselves …“. (S.115)

Die Integration der Bevölkerung in die laufende Polizeiarbeit ist auch für die Autoren der folgenden Studie der zentrale Bezugspunkt:

Shapland, Joanna/ Vagg, Jon
Policing by the Public, London Routledge 1988, 226p.

Sie untersuchen und vergleichen die untershiedlichen sozialen Kontrollformen in ländlichen und städtischen sozialen Räumen. „There is policing by the public – and it will continue to create and maintain social order. There is policing by the police, imposed upon the public. Perhaps one day there will be joint accountability.“(S.192)
(MW)

Frankreich:

In Frankreich war die Polizei über lange Zeit kaum Objekt sozialwissenschaftlicher Forschung. Anfang der achtziger Jahre hat sich dies geändert und in der Zwischenzeit liegen eine ganze Reihe politisch bemerkenswerter und empirisch interessanter Arbeiten vor. Die Auseinandersetzung mit der französischen Polizeiforschung lohnt nicht nur wegen deren empirschen Resultate. Die Frage nach einer Reform der „blockierten Institution“ Polizei – eine Formulierung von Jean-Claude Monet – gab der Polizeiforschung von vorneherein auch eine politische Stoßrichtung.

Monet, Jean-Claude
Une administration face à son avenir: police et sciences sociales, in: Sociologie du travail, XXVII, 1985, 4, p.370 ff.

Wie muß – so die Frage der 1981 an die Macht gekommenen Sozialisten – eine reformierte „republikanische Polizei“ aussehen? Nicht zuletzt dieser politische Bezug dürfte dann 1986 dafür ausschlaggebend gewesen sein, daß die Konservativen die staatliche Förderung von Forschungen zur Polizei wieder einstellten. Die 1988 an die Macht gekommene sozialistische Regierung Rocard versucht nun wiederum, an die alten Reformansätze anzuknüpfen, wenn auch in modifizierter Form. Sie fördert deshalb erneut die sozialwissenschaftliche Beschäftigung mit der Polizei. Seit Sommer dieses Jahres existiert nun sogar ein vom Innenministerium getragenes „Institut des Hautes Etudes de la Sécurité Interieure“.
Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, daß die Polizei in Frankreich in stärkerem Maße als in der Bundesrepublik in die politikwissenschaftliche Diskussion geraten ist und zu entsprechenden Publikationen geführt hat.

Journès, Claude (Hg.)
Police et politique, Presses Universitaires de Lyon 1988,

Dieser Sammelband enthält u.a. einen Beitrag von Gilles Bollenot über das Modell der französischen Geheimpolizei zu Beginn des 19. Jh.s und einen Artikel über die Interpretation und die Umsetzung der Regelungen zum Schußwaffengebrauch in der Polizei von Renauld Dulong. Herausgeber Claude Journès plädiert gar in diesem, dem anspruchsvollen Titel kaum gerecht werdenden Sammelband „für eine politische Wissenschaft der Polizei“.
Theoretisch und emprisch gehaltvoller ist ein weiterer Sammelband:

Boismenu, Gérard/ Gleiszal, Jean-Jacques (Hg.)
Les Mécanismes de Régulation sociale. La Justice, l’administration, la police, Montréal, Lyon 1988

In diesem Buch über die „Mechanismen der sozialen Regulation: Justiz, Bürokratie und Polizei“ werden sowohl theoretische Fragen nach der veränderten Funktion von Polizei gestellt als auch Probleme einer Politik der Demokratisierung der Polizei behandelt.

Empirisch interessante Arbeiten, welche die Polizei und Fragen „Innerer Sicherheit“ betreffen, entstanden in den letzten Jahren vor allem im Kontext des soziologischen Forschungszentrums zu Fragen des Rechts und der strafrechtlichen Institutionen „CESDIP“ (Centre de recherches sociologiques sur le droit et les institutions pénales (CESDIP), 4, rue du mondovi, 75001 Paris).
Zu nennen ist hierbei insbesondere die Arbeit von René Levy, der unter dem Titel „Vom Verdächtigen zum Schuldigen“ die Arbeit der „police judiciaire“ in den Jahren 1979-81 in verschiedenen Kommissariaten und mit Hilfe einer systematischen Auswertung von Anzeigen untersucht hat:

Levy, René
Du Suspect au Coupable: Le Travail de Police Judiciaire, Editition Médecine et Hygiène. Meridiens Klicksieck, Genève 1987

Auffällig an dieser Studie ist aus bundesrepublikanischer Sicht zunächst die Tatsache, daß trotz der im Vergleich zur Kriminalpolizei sehr viel stärkeren Betonung der justiziellen Kontrolle im französischen System der Strafverfolgung auch René Levy im Ergebnis eine große Autonomie der Polizei konstatiert. Er stützt diese Aussage auf seine detaillierte Untersuchung der polizeilichen Aktions- und Ermittlungsverfahren über mehrere Stufen hinweg. In einem ersten Teil analysiert er die unmittelbaren polizeilichen Aktions- und Reaktionsmuster und arbeitet dabei auch den begrenzten Stellenwert proaktiver Handlungsmuster heraus. In einem zweiten Teil wird das polizeiliche Ermittlungsverfahren sowie das Verhältnis von Polizei und Staatsanwaltschaft untersucht und die Selektivität polizeilicher Prozeduren der Strafverfolgung herausgearbeitet (insbesondere gegenüber den Immigranten aus Nordafrika).

Tournier, Pierre/ Robert, Philippe (avec la collaboration de Leconte, Besie et Couton, Pierre – Jean)
Les etrangers dans les statistiques penales – constitution d`un corpus et analyse critique des données, Deviance et Controle Social, CESDIP, No 49, Paris, Janvier 1989.

Die Autoren belegen die Diskriminierung der Ausländer durch eine kritische Analyse der polizeilichen Kriminal-, der Justiz- und der Strafvollzugsstatistik. Sie stellen fest, daß zwar jeder vierte Gefängnisinsasse ein Ausländer ist, währendessen im polizeilichen Ermittlungsverfahren nur jeder sechste Tatverdächtige aus dem Ausland, zumeist eben aus Nordafrika, kommt.
Die demographische Analyse der sich im Strafvollzug befindlichen Population insgesamt ist einer der Arbeitsschwerpunkte des CESDIP. Eine Bibliographie der neueren Arbeiten findet sich in:

Barre, Marie Danièle/ Tournier, Pierre (avec la collaboration de Leconte, Bessie)
La mesure du temps carceral. Observation suivie d`une cohorte d`entrants. Deviance & Controle social, CESDIP, No 48, Paris 1988

Von Interesse sind schließlich noch drei weitere im Kontext des CESDIP entstandene Arbeiten:

Ocequteau, Frédéric/ Perez Dias, Claudine
Justice Pénal, Délinquances, Déviances. Evolution des représentations dans la société francaise. Deviance & Controle social, CESDIP No. 50, Paris 1989

Ocequeteau und Peres Diaz versuchen in Fortführung früherer Studien in einer repäsentativen Befragung die Einstellungen der Franzosen gegenüber Delinquenz und dem System der Strafverfolgung zu erfassen.

Godefroy, Thierry/ Laffargue, Bernard
Les Couts Du Crime En France. Données 1984, 1985, 1985 et 1987, Etudes et Données Penales, No. 59, CESDIP, Paris 1989

Die Autoren geben in ihrer Berechnung der Kosten der Kriminalität auch einen Überblick über die Ausgaben für die Polizei und Gendarmerie.

Chevalier, Gérard
Consensus et Clienteles: Les politiques socio-preventives locales en 1985 et 1986, Etudes et Données Penales, No 58, CESDIP, Paris 1989

In dieser Arbeit wird über die Versuche der sozialistischen Regierung Fabius in den Jahren 1985 und ’86 berichtet, auf kommunaler Ebene neue Formen einer „sozial-präventiven Intervention“ zu finden, die sich weniger auf die Polizei als auf die Kooperation lokaler Instanzen und Gruppierungen stützen sollten.
(AF)

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