Literatur – Rezensionen und Hinweise

Burghard, Waldemar/ Hamacher, Hans-Werner/ Herold, Horst/ Howorka, Horst/ Kube, Edwin/ Schreiber, Manfred/ Stümper, Alfred (Hg.): Kriminalistik Lexikon, 3. Auflage, Heidelberg (Kriminalistik Verlag) 1996, 363 S., DM 38,-
Rupprecht, Reinhard (Hg.): Polizei Lexikon, 2. Auflage, Heidelberg (Kriminalistik Verlag) 1995, 607 S., DM 48,-Seit der ersten Auflage im Jahre 1984 ist das ‚Kriminalistik-Lexikon‘ um 120 Seiten gewachsen. Dies geht darauf zurück, so die Herausgeber in ihrem Geleitwort, daß in größerem Umfange „neue Methoden und Verfahren der Kriminalistik und der Forensischen Wissenschaften nun kurz definiert und verständlich erläutert“ werden. „Auch die deutsche Vereinigung und darüber hinaus die weitere Gestaltung der Europäischen Union haben (…) viel Neues mit sich gebracht und dazu beigetragen …“. Dies trifft in einigen Teilen auch zu; etwa wenn die Erläuterungen zur Polizeiorganisation (S. 236-241) um die Darstellung der fünf neuen Bundesländer erweitert worden ist. Wer jedoch nach polizeirelevanten Begriffen der ersten Nachwendejahre (z.B. Gemeines Landeskriminalamt (GLKA), Personalauswahlkommission (PAK) u.ä.) sucht, wird dies vergebens tun. Ähnliches gilt für den EU-Bereich; so umfassen bspw. die Informationen zu EUROPOL trotz aller Weiterentwicklungen lediglich eine knappe Spalte (S. 98).

„Beim genaueren Durchlesen erweist sich dieses Lexikon kaum als eine systematische Präsentation des vorhandenen kriminalistischen Wissensstandes, sondern als eine bunte, kaum durchdachte Anhäufung von Beiträgen unterschiedlicher Länge und Qualität (…)“; diese Einschätzung der Rezension der 1. Auflage des ‚Kriminalistik Lexikons‘ (vgl. Bürgerrechte & Polizei/CILIP 18 (2/84), S. 104) gilt auch heute noch unverändert.
Kaum viel besser geht es einem mit dem ‚Polizei Lexikon‘. Auch hier ein begriffliches Allerlei, dessen Definitionsfülle und -umfang sich offenbar allein aus dem persönlichen Wissensstand der jeweiligen Autoren ergibt. Dabei will das ‚Polizei Lexikon‘ nach Darstellung des Herausgebers „mit den (…) Lexika der Kriminalistik und der Kriminologie zusammen eine Trilogie bilden“. Diese Absicht soll anscheinend durch entsprechende Querverweise unterstrichen werden, die in der Regel jedoch nur dazu dienen, die eigenen Informationen, z.B. bei der Polizeiorganisation (S. 415), abzukürzen. Ist ein solches Vorgehen schon als Verkaufsförderung für die übrigen Bände eher fragwürdig, für den Anspruch eines Lexikons ist es unakzeptabel.

Nützlich sind beide Bücher allenfalls für den Laien, der Erklärungen für bestimmte polizeiliche/kriminalistische Fachausdrücke sucht.

Froese, Kerstin/ Scholzen, Reinhard: GSG 9. Innenansichten eines Spezialverbandes des Bundesgrenzschutzes, Stuttgart (Motorbuch Verlag), 175 S., DM 49,80In diesem Jahr jährt sich der ‚Deutsche Herbst‘ zum zwanzigsten Male. Zu solchen Anlässen wird traditionell immer viel erinnert. Ein solcher Rückblick fand Anfang April im ‚Haus der Geschichte‘ in Bonn statt, als Ex-Innenminister Hans-Dietrich Genscher und Ex-GSG 9-Kommandeur Ulrich K. Wegener der Öffentlichkeit ein Buch vorstellten. „In diesem Buch gewährt die GSG 9 Einblicke in Bereiche, die bisher der Allgemeinheit verwehrt blieben“. So ganz richtig ist dieser Satz aus dem Klappentext nicht. Richtig ist vielmehr, daß das Buch von Rolf Tophoven: ‚GSG 9 – Kommando gegen Terrorismus‘ nach 19 Jahren nun fortgeschrieben wurde. Ebenso wie 1978 ist es erwartungsgemäß wieder ein Jubelband geworden. Doch während Tophoven überwiegend noch mit Schwarz-Weiß-Fotos auskommen mußte, feiert man sich heute durchgehend vierfarbig. Da Jubiläumsbände bekanntlich dem hellen Licht verpflichtet sind, werfen Skandale an solchen Stellen nur sehr kurze Schatten. So verwundert es denn auch nicht, daß die Verfasser Froese (PR-Beraterin) und Scholzen (Redakteur der Ballermann-Postille ‚Visier‘) Einsätzen wie in Mogadischu (1977) oder gegen die Rockergruppe der ‚Bones‘ (1988) u.ä. recht breiten Raum geben, das Desaster von Bad Kleinen (1993) jedoch flugs abhandeln (S. 32-34) und zu dem Ergebnis kommen, eine unzureichende technische Ausstattung sei vor Ort (S. 134) und eine „wankelmütige, unkoordinierte Informationspolitik der für Bad Kleinen verantwortlichen Stellen“ (S. 33) sei bei der Nachbereitung für den mißlungenen Einsatz verantwortlich gewesen.
Daß es der GSG 9 allerdings auch in Zukunft nicht an Aufgaben fehlen soll, macht das Buch ebenfalls deutlich: „Gegen die osteuropäische Mafia taugen die Mittel der Länderpolizeien nur noch bedingt.“ Oder: „Seit Anfang der 90er Jahre hat das Bedrohungspotential des Terrorismus deutlich zugenommen. In Afrika, Asien, Nord-, Mittel- und Südamerika, aber auch in Europa stellen politische, soziale, religiöse und wirtschaftliche Probleme einen idealen Nährboden für terroristische Gruppierungen dar“ (S. 171). Wem das an Gegnern noch nicht reicht, auch der wird bedient: „Gerade die Seeräuberei feierte in den 80er und 90er Jahren fröhliche Urständ. Als ihre Kernzonen kristallisierten sich das Südchinesische Meer sowie die Küstengewässer Afrikas und Südamerikas heraus. Dort gehören Akte der Piraterie inzwischen fast schon so zur Tagesordnung wie zu Schwarzbarts Zeiten“ (S. 94). GSG 9 weltweit!

Dennoch ist es ein wichtiges Buch, denn es enthält über solchen Stuß hinaus eine Menge an Detailinformationen, die ansonsten nur mit großem Aufwand zusammenzutragen sind. Ein gutes Buch ist es deshalb noch lange nicht.
(sämtlich: Otto Diederichs)

Franzke, Bettina: Was Polizisten über Polizistinnen denken. Ein Beitrag zur geschlechtsspezifischen Polizeiforschung (Wissenschaftliche Reihe, Bd. 88), Bielefeld (Kleine Verlag) 1997, 216 S., DM 35,-Frauen stellen auch heute noch eine Minderheit in der Polizei dar. Ihr Anteil beträgt zwanzig Jahre nach der allgemeinen Öffnung des (Schutz)Polizeidienstes für Frauen je nach Bundesland gerade einmal drei bis 13%. Forschungsarbeiten über Frauen in der Polizei sind – zumindest im deutschsprachigen Raum – ebenso selten wie die Polizistinnen selbst. Diese Forschungslücke will Bettina Franzke mit ihrer qualitativen empirischen Untersuchung füllen, die sie als Lehrbeauftragte an der Fachhochschule der Polizei in Villingen-Schwenningen zusammen mit (überwiegend männlichen) Studierenden durchgeführt hat. Ihr Ansatz dabei ist es, herauszufinden, wie Polizisten die Einstellung von Frauen in den Polizeidienst erleben, welche Erwartungen sie an ihre Kolleginnen haben und welche Erfahrungen sie bereits gemacht haben. Bewußt will sie sich mit dieser „männlichen Perspektive“ von früheren Studien absetzen, die „lediglich“ die Situation von Polizistinnen am Männerarbeitsplatz Polizei aus der Sicht der Frauen selbst thematisierten oder gar von den „Tauglichkeitsuntersuchungen“ über Frauen wie die sog. „Erfahrungsberichte über die Eignung von Frauen für die Schutzpolizei“ der Innenministerkonferenz. Allerdings resultiert Franzkes Ansatz weniger aus konzeptionellen Vorüberlegeungen als aus der Not der Untersuchung. Denn im empirischen Teil des Buches erfährt der/die LeserIn, daß die ursprünglich gedachte Gegenüberstellung von Interviews mit Schutzpolizistinnen nicht zustande kam, da die fast ausschließlich männlichen Interviewer nicht in der Lage waren, mit den Frauen verwertbare Interviews zu führen.
In der ersten Hälfte des Bandes, dem theoretischen Teil, erhält der/die LeserIn einen knappen Überblick über die Ergebnisse der Geschlechterforschung über Männer und der geschlechtsspezifischen Polizeiforschung (Studien zur Einstellung von Männern gegenüber Frauen und deren Berufstätigkeit, Geschichte von Frauen in der Polizei, männliche Polizeikultur). Im zweiten Teil werden die Ergebnisse der eigentlichen empirischen Untersuchung vorgestellt. In fünf offenen, teilstandardisierten Leitfadeninterviews befragten die Polizei-StudentInnen Polizeibeamte nach ihren subjektiven Einschätzungen über Frauen in der Polizei, werteten sie inhaltsanalytisch aus und überprüften die zuvor aufgestellten Hypothesen. Die deskriptiven und interpretativen Analysen dieser fünf Interviews lesen sich etwas holprig, was wohl daran liegen mag, daß sie von verschiedenen StudentInnen verfaßt wurden. Dem Inhalt tut das allerdings keinen Abbruch, obwohl die Aussagen der Polizeibeamten mitunter recht wohlwollend interpretiert wurden.
Die Ergebnisse der Studie sind bezeichnend für eine Männerdomäne wie die Polizei und lassen sich mit dem bekannten ‚Ja, aber‘ umschreiben. Gegen Frauen in der Polizei sei im Prinzip nichts einzuwenden, aber – sie werden schwanger oder seien körperlich weniger belastbar. Neben den altbekannten (Vor-)Urteilen fördert die Studie aber auch gravierende Statusängste bei den Polizisten zutage: Frauen in der Polizei würden bevorzugt und veränderten das Arbeitsklima. Anders ausgedrückt: Frauen bedrohen den Männerbund Polizei.
In ihren Schlußfolgerungen hebt Franzke denn auch vor allem auf die männliche Polizeikultur ab: „Die Maskulinität von Polizisten darf nicht länger ignoriert, legitimiert oder erklärt werden, sondern muß in Frage gestellt und als Problem für die weiblichen Kolleginnen, die Bürger/-innen und überhaupt für die Polizeiarbeit erkannt werden“ (S. 94). Schließlich sollten männliche Beamte in Aus- und Fortbildungsveranstaltungen für die Gleichstellung der Geschlechter sensibilisiert werden.
Insgesamt ein durchaus gelungenes, wenn auch kein feministisch inspiriertes Buch. Die Perspektive der Polizeibeamtinnen darf nicht unterschlagen werden, denn gerade von den Polizistinnen lassen sich Wirkungsweisen des Männerbundes Polizei erfahren. Ärgerlich hingegen ist, daß der Forschungsstand keiner kritischen Würdigung unterzogen wird und männliche Geschlechtsstereotypen nicht als Konstruktionen von Männlichkeit entlarvt werden. Kostprobe: Männliche Denkstrukturen seien geprägt von Sachlichkeit, Objektivität, Logik, analytischem Vorgehen usw. Das entspringt wohl eher männlichem Wunschdenken.
(Martina Kant)

Schmitz, Monika: Rechtliche Probleme des Einsatzes Verdeckter Ermitter, Europäische Hochschulschriften Bd. II/1864, Frankfurt am Main u.a. (Peter Lang Verlag) 1996, 166 S., DM 65,-Gegenstand der juristischen Dissertation von 1995 ist die strafprozessuale Verrechtlichung verdeckter Ermittler, die 1992 durch das OrgKG geschaffen wurde. Das Fazit der Autorin ist eindeutig: „Mithin kann zusammenfassend nur die Verfassungswiedrigkeit der Regelung des Einsatzes Verdeckter Ermittler in § 110a I StPO festgestellt werden; die Vorschrift ist daher nichtig, was gegebenenfalls durch das Bundesverfassungsgericht auszusprechen wäre“ (S. 135). Darüber hinaus kritisiert sie fehlende Rechtsgrundlagen für alle unter einer Legende ermittelnden Polizeibeamten und für die Zusammenarbeit mit V-Personen. In beiden Fällen werde in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung eingegriffen. Da der Gesetzgeber bei der „Parallelproblematik“ des VE ein Gesetz geschaffen, für jene Tätigkeiten aber bewußt auf ein solches verzichtet habe, müsse nicht nur deren „Unzulässigkeit“ festgestellt, sondern ihr Einsatz könne „auch nicht mehr für eine Übergangszeit toleriert werden“ (S. 162).
Die Sympathie für die Ergebnisse der Untersuchung und die Anerkennung für den Mut der Autorin, in klaren Worten die Position abweichender juristischer Bewertungen zu entwickeln, können jedoch die Probleme der Argumentation nicht aufwiegen. Erstens: Unbestimmtheit und Unverhältnismäßigkeit der VE-Bestimmungen führen zur Diagnose ihrer Verfassungswidrigkeit. Zu unbestimmt sind nach Schmitz‘ Auffassung die materiellen Einsatzvoraussetzungen mit den bekannt schwammigen Formulierungen „Straftaten von erheblicher Bedeutung“ oder der sonstigen organisierten Begehungsweise (S. 84). Unverhältnismäßig sei die VE-Norm allein deshalb, weil keine gesetzliche Höchstdauer im Gesetz vorgesehen ist (S. 132). Ein schaler Geschmack bleibt zurück, stellt man sich vor, der Gesetzgeber beherzigte diese Kritik und schaffte etwa eine der Fernmeldeüberwachung analoge Regelung: Rechtlich wäre dann alles in Ordnung, aber politisch? Zweitens: Die Autorin wählt einen engen juristischen Bezugsrahmen. Z.B. handele es sich bei dem nicht gezielten VE-Einsatz um keinen Eingriff, deshalb bedürfe er auch keiner gesetzlichen Grundlage (S. 37). Daß ein ungezielter VE-Einsatz bürgerrechtlich bedenklicher sein kann als ein gezielter, gerät so vollkommen aus dem Blick. Drittens: In der juristischen Erörterung geht die Autorin mitunter sehr ‚großzügig‘ vor: Die Verwertung von VE-Erkenntnissen „für präventive Zwecke“ hält sie nur deshalb für vom Gesetz ausgeschlossen (S. 90), weil sie deren mittelbare Nutzbarmachung unterschlägt. Soll steter Tropfen der Kritik den Stein herrschender Rechtsauffassung höhlen, dann müßte sie schärfer und konsequenter verfahren. Und statt der „Besorgnis“ am Ende hätten wir uns einige Vorschläge gewünscht, ob und welche Chancen die Autorin sieht, die „rechtlichen Probleme“ rechtsstaatlich-demokratisch angemessen zu lösen.

Mayerhofer, Christoph/ Jehle, Jörg-Martin (Hg.): Organisierte Kriminalität. Lagebilder und Erscheinungsformen. Bekämpfung und rechtliche Bewältigung, Neue Kriminologische Schriftenreihe Bd. 103, Heidelberg (Kriminalistik Verlag) 1996, 306 S., DM 138,-Der Band dokumentiert eine Fachtagung der ‚Neuen Kriminologischen Gesellschaft‘, die 1995 in Wien stattfand. Die Beiträge sind zu fünf Themenkomplexen gebündelt: Ausbreitung der OK, International organisierte Kriminalität, OK im Bereich der Wirtschaft, Vorbeugen und Bekämpfen und rechtliche Bewältigung der organisierten Kriminalität. Obgleich an keiner Stelle des Bandes thematisiert, lassen sich Differenzen und Widersprüche quer durch die 300 Seiten nachweisen. Während etwa Sika im Situationsbericht Österreich davon ausgeht, daß nur noch „Träumer und Zweifler“ die Existenz von OK leugneten (S. 12), spricht Pieth für die Schweiz lediglich von einigen „pathologischen Fällen“, die eher zu der Frage Anlaß gäben, warum es nicht mehr OK in der Schweiz gebe (S. 42). Sielaff sieht „den Kampf (der nationalen Staaten) schon verloren, bevor er überhaupt begonnen wurde“ (S. 151), um ihnen dann doch noch eine Chance zu geben: „Ohne ernsthafte und nachdrückliche Anstrengungen auf nationaler und internationaler Ebene wird der Kampf gegen die Organisierte Kriminalität verlorengehen“ (S. 155). Auch im Beitrag Siebers stehen die bekannten Forderungen seines OK-Logistikprojekts lediglich additiv nebeneinander. Wer einräumt, daß vermehrte Repression auf illegalen Märkten nicht nur erfolglos bleiben muß, sondern auch noch unerwünschte Nebenwirkungen produziert, der entwertet seine eigenen Einsichten, wenn er gleichzeitig VEs und VPs, Lauschangriffe und „spezielle Vorfeldermittlungen“ fordert (S. 216ff.) Insgesamt zeichnen sich die Beiträge dadurch aus, daß sie bürgerrechtliche Kriterien vollständig ausblenden. Selbst in den eher etwas von der OK-Euphorie distanzierten Beiträgen sucht man derartiges vergebens. Gropp beschließt seine Übersicht über die deutsche Anti-OK-Gesetzgebung mit dem Wunsch, der Lauschangriff möge mit „Transparenz und Kontrolle“ eingeführt werden (S. 257). Der Frankfurter Generalstaatsanwalt Schaefer plädiert für die Verrechtlichung der VPs in der StPO (S. 167) und hofft, zukünftig möge „eine Veränderung unseres bisherigen bewährten rechtsstaatlichen Strafverfolgungssystems“ vermieden werden (S. 172) – so als ob Gesetzgebung und Praxis in den letzten 10 Jahren stillgestanden hätten. Daß die Effektivierung der OK-Bekämpfung nicht um jeden Preis betrieben werden kann, erfahren wir aus den Worten eines Schweizer Staatsanwalts. Sofern „in Politik und Gesellschaft ein Grundkonsens vorhanden“ seien, böten „sich hierfür Lösungen (…), die gerade auch im Interesse unseres Rechtsstaates und etwa einem ’sauberen‘ Finanzplatz liegen (!), durchaus an“ (S. 295).

Claussen, Hans Rudolf: Korruption im öffentlichen Dienst, Köln u.a. (Carl Heymanns Verlag) 1995, 211 S., DM 48,-In den Kampf gegen die Korruption reitet mit diesem Band auch der frühere Bundesdisziplinaranwalt Claussen. Im Anhang ergänzt um einige verwaltungsinterne Regelungen zur Annahme von Geschenken sowie um drei Schilderungen lokaler Korruptionsfälle von anderen Autoren (Nachdruck früherer Veröffentlichungen), liefert Claussen auf 52 Seiten eine verwaltungsrechtliche Erörterung der Korruptionsproblematik. Die außerrechtlichen einleitenden Bemerkungen zur Korruption kann man getrost überlesen: Weder zum Ausmaß noch zu den Ursachen finden sich ernstzunehmende Überlegungen. Die behauptete „neue Dimension“ der Korruption (S. 1) wird nirgendwo belegt; und der Verweis auf den Verfall der Moral (S. 14 und 19) ist so alt wie die Menschheit. Für die Auslegung der (beamten)rechtlichen Bestimmungen kommt Claussen nicht umhin, auf seinen eigenen Kommentar zur Bundesdisziplinarordnung zu verweisen. Offen bleibt deshalb, an wen die Veröffentlichung sich richtet: Der Praktiker wird im Zweifelsfall auf den Kommentar zugreifen, während die am Phänomen Korruption Interessierten zwischen Allgemeinplätzen und beamtenrechtlichen Details hin- und hergeworfen werden.

Kniesel, Michael/ Kube, Edwin/ Murck, Manfred (Hg.): Handbuch für Führungskräfte der Polizei – Wissenschaft und Praxis -, Lübeck (Schmidt-Römhild) 1996, 1433 S., DM 79,-Auf 1.433 eng und somit leseunfreundlich bedruckten Seiten versprechen die Herausgeber in 40 Einzelbeiträgen einen „ständigen Begleiter auf allen Aufgabenfeldern“ für die polizeilichen Führungskräfte. Das Handbuch will der „Informationsvermittlung und dem Erfahrungsableich“ dienen, es soll zugleich „Orientierungen, Anregungen und Hilfen bei der täglichen Aufgabenbewältigung geben“ (S. 7). Um diese ehrgeizigen Ziele zu erreichen, haben die Herausgeber eine Vielzahl durchweg renommierter Autoren und Autorinnen, vor allem aus der Polizei selbst, gewonnen. Auf den ersten Blick ist die thematische Vielfalt beeindruckend: Von der Polizeigeschichte bis zur Leistungsbeurteilung, von der Arbeitszufriedenheit bis zur Verkehrssicherheit, von der polizeilichen Führung bis zur föderalen Zusammenarbeit der Parteien. Bei genauerem Hinsehen fallen dann die Lücken ins Auge: Unter dem Stichwort „Übergriffe“ verweist uns das Register auf eine Textstelle über die „schwarzen Schafe“ bei der Polizei. Ist die Mißhandlung von Ausländern durch deutsche Ordnungshüter kein Thema für die Polizeiführer? Auch zur körperlichen Gewalt und zum polizeilichen Schußwaffengebrauch fehlen mehr als nur rechtliche Hinweise. Daß das Handbuch in der Regel Bekanntes reproduziert, kann ihm nicht vorgeworfen werden. Ärgerlich wird dieses Verfahren jedoch in jenen Teilen, in denen das Publikum Altvertrautes zum x-ten Male aufgetischt bekommt. Zachert zur OK ist und bleibt eine überflüssige Lektüre; Storbecks Nachrichten über Europol kann man fast wöchtlich nachlesen etc. Neben schlicht unverständlichen Beiträgen, wie den über die „Polizeiliche Berufsethik“ (Beese), gibt es informative und überzeugende Beiträge, die den Ansprüchen eines Handbuches – einen bestimmten Komplex präzise darzustellen – gerecht werden: Feltes‘ Kritik polizeilicher Effizienz, Steffens Erörterung der Kriminalitätserfassung oder Wiesels Übersicht über die Stand von INPOL-neu. Trotz dieser Lichtblicke mangelt es dem Handbuch an einer strukturierenden Konzeption. Hinter der vermeintlichen Vielfältigkeit werden erhebliche blinde Flecken sichtbar.
(sämtlich: Norbert Pütter)

Paul, Gerhard/ Mallmann, Klaus Michael (Hg.): Die Gestapo – Mythos und Realität, Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt, 1995, 580 S., DM 98,-Die Palette an Forschungsergebnissen ist weit gespannt, die mit diesem Sammelband, zu dem 28 Autoren und Autorinnen beigetragen haben, vorgestellt wird. Nahezu alle Autoren sind einer sozialgeschichtlich orientierten Zugangsweise verpflichtet, deren Erkenntnisträchtigkeit die beiden Herausgeber bereits 1991 mit ihrer Monographie ‚Herrschaft und Alltag: Ein Industrierevier im Dritten Reich‘ beeindruckend vorgeführt haben. In Abkehr von traditionell institutionengeschichtlichen Studien zur Gestapo, in denen die Wechselbeziehungen zwischen der Gesellschaft und dieser Institution bürokratisch organisierten Terrors kaum ins Blickfeld geraten, steht im Zentrum der überwiegenden Zahl der Beiträge das Verhältnis von Gesellschaft und Gestapo. Die Herausgeber haben die Aufsätze unter folgenden thematischen Schwerpunkten rubriziert: Die Organisation, Mitarbeiter – Zuträger – Partner, Staatspolizeiliche Praxis, Die Gestapo in Europa. Weitere Beiträge diskutieren methodische Fragen und die Herausbildung des Gestapo-Mythos, d.h. des Bildes einer allwissenden und omnipotenten Bürokratie, die die Gesellschaft nahezu perfekt im Griff des ‚Bösen‘ hatte, so daß Widerstand nur um den Preis der Selbstaufgabe möglich gewesen wäre. Darin, so die Herausgeber, lag auch der geschichtspolitische Sinn des von der Nachkriegsgesellschaft gepflegten Gestapo-Mythos. Er half, sich und anderen verständlich zu machen, warum die deutsche Gesellschaft nicht aus eigener Kraft in der Lage gewesen war, sich der nationalsozialistischen Diktatur zu entledigen. Diverse Beiträge verdichten die empirischen Belege für die herausragende Bedeutung, die seit Reinhard Manns Studie über die Stapo-Leitstelle Düsseldorf und den bahnbrechenden Arbeiten von Gellately und den Herausgebern dieses Bands der Denunziation als zentrale Herrschaftsressource der Gestapo beigemessen wird.
Über die Rolle von Juristen als Blutrichter und -staatsanwälte des NS-Regimes gibt es inzwischen eine nahezu unüberschaubare Literatur. In einem seiner Aufsätze (Ganz normale Akademiker, S. 236ff.) arbeitet Paul heraus, in welchem Maße auch in der Gestapo karrierebewußte juristische Jungakademiker als regionale Chefs zu Exekutoren des verbrecherischen Regimes wurden, zusammen mit traditionellen ‚Fachbeamten‘ aus den Reihen der politischen Polizei der Weimarer Republik. Es waren keineswegs dämonische Fanatiker, die diese Maschinerie betrieben. Hierfür die Ursache im rechtspositivistischen Denken zu orten, wie es Paul im Anschluß an Radbruch macht, ist allerdings eine Erklärung, der seit längerem mit guten Argumenten widersprochen worden ist (vgl. Kritische Justiz, 1988, S. 263ff.). Verschiedene Beiträge, so u.a. Peter Nitschke (Polizei und Gestapo), erinnern daran, daß die Gestapo nicht nur auf Denunzianten angewiesen war, sondern gleichermaßen auf die bereitwillig geleistete Amtshilfe der Polizei und anderer bürokratischer Institutionen moderner Verwaltung.
Der Sammelband trägt nicht nur zu einem besseren Verständnis der Herrschaftsmethodik der nationalsozialistischen Diktatur bei. Er steckt auch voller impliziter Anregungen für die Forschung zum SED-Herrschaftssystem, zeigt er doch, welcher Erkenntnisgewinn zu erwarten ist, wenn auch SED, MfS und Gesellschaft in regionalgeschichtlichen Studien in den Blickwinkel genommen und dem Wechselspiel zwischen bürokratischen Apparaten der Herrschaftssicherung und Gesellschaft nachgespürt würde.
Aber auch für die Gegenwart enthält der Sammelband beunruhigende Befunde. Er verdeutlicht die Fähigkeit der Mitarbeiter solcher fanatisch-herrschaftstreu wirkender Behörden, wie es Geheimdienste und politische Polizeien diktatorischer Regime zu sein scheinen, gleichsam über Nacht neuen Ideologien oder politischen Prinzipien dienen zu können – in diesem Band demonstriert sowohl beim Wechsel von der Weimarer Republik zur NS-Diktatur wie beim erneuten Wechsel von Gestapo-Mitarbeitern in Chef-Positionen der bundesdeutschen Polizei und Geheimdienste (Zwischen Selbstmord, Illegalität und neuer Karriere, S. 529ff.).
Zum anderen verweist der Band darauf, daß die ‚conditio sine qua non‘ politischen Denunziantentums der öffentlich-rechtliche Auftraggeber ist, dessen Nachfrage das Angebot schafft. Diese Nachfrage hat weder mit der NS-Diktatur begonnen, noch endete sie mit der Niederlage des NS-Regimes. Hier liegt das Problem, nicht in der Verführbarkeit des einzelnen Menschen.
(Falco Werkentin)