Zurück zur Abschottung? Die Zukunft der polizeilichen Fachhochschulausbildung

von Thomas Weidmann

Wie offen darf die Ausbildung von PolizeibeamtInnen sein? Diese alte Frage stellt sich derzeit erneut. Mit der Einführung der „zweigeteilten Laufbahn“ wird der mittlere Dienst, der bisher ausschließlich polizeiintern beschult wurde, abgeschafft. PolizeibeamtInnen werden in Zukunft alle mindestens dem gehobenen Dienst angehören. Die Fachhochschulausbildung wird damit zur Regel. Unterstützt von der Innenministerkonferenz machen sich die Polizeiführungen nun für eigene, interne Fachhochschulen stark, die ihren Einfluß auf die Ausbildung der neuen BeamtInnen sichern.

Wer derzeit in Berlin den gehobenen Polizeidienst anstrebt, wird an zwei Institutionen unterrichtet: Der theoretische Teil der Ausbildung findet an der Fachhochschule für Verwaltung und Rechtspflege (FHVR) statt. In dieser Körperschaft des öffentlichen Rechts, die der Rechtsaufsicht der Senatsverwaltung für Inneres unterliegt, werden – allerdings in strikt getrennten Fachbereichen – auch AnwärterInnen für den gehobenen Dienst in der Rechtspflege, im allgemeinen nichttechnischen Verwaltungsdienst und in der Finanzverwaltung ausgebildet. Der praktische Teil dagegen wird an der Landespolizeischule durchgeführt, die dem Polizeipräsidenten untersteht.

In einer Stellungnahme vom August 1997 hat die Landespolizeischule – quasi stellvertretend für die Polizeiführung – diese Situation kritisiert:[1] Bemängelt wurden einerseits die aus der Aufteilung resultierenden Schnittstellenprobleme zwischen theoretischen und praktischen Semestern. Andererseits hält die Polizei die theoretische Ausbildung an der FHVR für die Vermittlung eines tiefgreifenden Berufsverständnisses und der beruflichen Identifikation nur ansatzweise für geeignet. Berufsethik, Verhaltenstraining und politische Bildung würden zugunsten der juristischen Ausbildung vernachlässigt. Die Vielzahl der Studienfächer behindere – so die Landespolizeischule – das für den Polizeiberuf notwendige Denken und Handeln. Bezweifelt wird auch, ob die ca. 40% der Lehrbeauftragten an der FHVR, die nicht aus der Polizei stammen, überhaupt in der Lage seien, den Studierenden im Rahmen der Ausbildung Hilfestellung und Vorbereitung für die Berufspraxis bei der Polizei zu geben.

Nur durch eine Eingliederung der Fachhochschulausbildung in die Polizei sei die Aus- und Fortbildung einheitlich strukturierbar. „Die fachbezogenen Einflußmöglichkeiten der Behörde“ seien zu erhalten bzw. zu stärken, die Fachhochschule sei dem Polizeipräsidenten zu unterstellen. Die Studienfächer sollten zu folgenden Hauptaufgabenfeldern zusammengefaßt werden:

  • Führungs- und Einsatzlehre/Polizeidienstkunde/Ausbildung für den Einsatz
  • Sicherheits- und Ordnungslehre (Eingriffsrecht)
  • Besondere Ordnungslehre (Versammlungsrecht, Umweltrecht, Ordnungswidrigkeitenrecht)
  • Kriminalitätslehre (Kriminalistik, Kriminologie, Strafrecht)
  • Verkehrslehre (Verkehrsrecht, Verkehrstaktik)
  • Berufsethik und Staats- und Verfassungsrecht/Politische Bildung
  • Verhaltenstraining

Nur durch den Einsatz von Vollzugsbeamten des höheren Dienstes als Dozenten auf Zeit sei „die Verbindung zwischen Wissenschaftlern und Praktikern (und) eine sowohl fachbezogene wie auch praxisorientierte Ausbildung gewährleistet“. Verändern will man auch die Prüfungsordnung: Zwischenprüfungen sollen die Studierenden zu kontinuierlichem Arbeiten motivieren.

Mit diesem Modell folgt die Berliner Polizei dem Beispiel Sachsen-Anhalts und Brandenburgs, wo solche internen Fachhochschulen bereits gegründet wurden.

Daß die Polizeiausbildung zu reformieren ist, steht fest. Die Schaffung eigener interner Fachhochschulen für die Polizei, wie sie auch von den Polizeifachhochschulrektoren gefordert wird,[2] ist aber ein Schritt in die Vergangenheit.

Von der militarisierten Beschulung zu internen Fachhochschulen

Nach dem zweiten Weltkrieg wurde die polizeiliche Ausbildung neu aufgebaut. Neben der Kurzbeschulung wurden in der internatsmäßigen Polizeischule auch Lehrgänge für die leitenden Polizeiangestellten mit einer Dauer von drei Monaten durchgeführt.[3] Im April 1951 wurde in Berlin die Bereitschaftspolizei gegründet. Die Führungskräfte dieser kasernierten Polizeitruppe wurden besonders ausgewählt und beschult. Weit mehr als die Hälfte des ca. 360 Mann umfassenden Führungspersonals rekrutierte sich aus ehemaligen Wehrmachtsoffizieren oder Berufssoldaten. Die Ausbildung war militärisch geprägt: Im Vordergrund stand die Formalausbildung (Exerzieren, Waffenübungen, Abwehr bürgerkriegsähnlicher Zustände, Ausbildung an Maschinengewehren und Granatwerfern), Polizeifachliches war nachrangig. Die ÖTV rügte seinerzeit die „mittelalterlichen Erziehungsmethoden“, und der Beamtenbund kritisierte die abschreckende „Untertanenförderung“ bei der Bereitschaftspolizei. Die militärisch geprägte Organisation und Ausbildung wurde durch die Entspannung zwischen Ost und West sowie den Aufgabenwandel aufgrund der Studentenunruhen in den 60er Jahren immer fragwürdiger.

1969 leitete der damalige Polizeipräsident Klaus Hübner eine Wende ein. Die Demokratisierung der Gesellschaft sollte nicht vor der Polizei haltmachen. Ein modernes Polizeiverständnis erfordere es, das Rückgrat der Beamten gegenüber ihren Vorgesetzten zu stärken, was auch ein Mitspracherecht in bestimmten Situationen umfasse. Die Polizei, so Hübner, müsse sich zur Gesellschaft hin öffnen. Ein neuzuschaffendes Berufsbild des Polizeibeamten als einer Kombination aus Schutzmann und Sozialpädagoge mache eine Neuorientierung der Polizeiausbildung jenseits der paramilitärischen Prägung unverzichtbar.

Die Reformdiskussion in Sachen Polizei und Polizeiausbildung an der Wende zu den 70er Jahren kann nicht isoliert betrachtet werden. Sie fiel zusammen mit einer generellen Verwaltungsreformdiskussion und einer bildungspolitischen Initiative. Bis Anfang der 70er Jahre wurde der gehobene Verwaltungsdienst insgesamt vorwiegend praktisch angeleitet. Die theoretische Ausbildung war nachrangig und konzentrierte sich im wesentlichen auf die Vermittlung von Rechtsfächern. Wirtschafts-, verwaltungs- und sozialwissenschaftliche Inhalte wurden vernachlässigt. An der Verwaltungsausbildung wurde kritisiert, daß es den ausgebildeten Beamten des gehobenen Dienstes schwer falle, in analysierender und systematisierender Weise zu arbeiten und in wirtschaftlichen Kategorien zu denken. Sie zielte eher darauf ab, folgsame Beamte zu erziehen, die Weisungen „von oben“ im Verwaltungsapparat „störungsfrei“ durchführten.[4]

In der Diskussion um die Bildungsreform setzte sich Ende der 60er Jahre die Erkenntnis durch, daß die gestiegenen beruflichen Anforderungen für bestimmte Berufssparten eine wissenschaftsorientierte, aber praxisbezogene Ausbildung erforderlich machen. 1968 wurden zunächst für die Ingenieursausbildung und später auch für andere Bereiche Fachhochschulen errichtet.[5] Um ein vergleichbares Qualifikationsniveau von technischem und nichttechnischem Dienst in der Verwaltung zu gewährleisten, sollte auch die Ausbildung für die allgemeine Verwaltung an Fachhochschulen verlagert werden. Wissenschaftsrat und Beamtenbund empfahlen ein dreijähriges Studium auf wissenschaftlicher Grundlage für Wirtschaft und Verwaltung, das den Überblick „über die Einordnung der beruflichen Tätigkeit in das gesellschaftliche Ganze“ erleichtern sollte. Die Fachhochschulen sollten später in noch zu bildende Gesamthochschulen einbezogen werden, um einen besseren „Kontakt mit der wissenschaftlichen Methodik“ zu gewährleisten.[6]

Am 30. April 1970 beschloß die Innenministerkonferenz zwar, die Ausbildung für den gehobenen Dienst stärker wissenschaftsbezogen auszugestalten und auf Fachhochschulniveau anzuheben. Der „besonderen Praxisnähe“ wegen sollte jedoch die Ausbildung an verwaltungsinternen Einrichtungen stattfinden. Ausschlaggebend für das Festhalten am internen Status der Verwaltungsfachhochschulen waren die Interessen der Verwaltungen, insbesondere der Innenverwaltungen, die den unmittelbaren Zugriff auf die Ausbildung des gehobenen Dienstes nicht verlieren wollten.[7] Gesetzlich abgesichert wurde dies in § 73 Abs. 2 des Hochschulrahmengesetzes (HRG): Danach kann für die verwaltungsinternen Fachhochschulen von den übrigen Vorschriften des HRG abgesehen werden, soweit „die besondere Struktur und Aufgabenstellung dieser Hochschule es erfordern“.[8]

Polizeiausbildung an der FHVR

Am 1. April 1973 hat die Berliner FHVR mit den Fachbereichen „nichttechnischer Verwaltungsdienst“ und „Rechtspflege“ ihre Arbeit aufgenommen, zum 1. April 1974 kam der Fachbereich „Polizeivollzugsdienst“ und ab Februar 1977 der „Steuerverwaltungsdienst“ hinzu. Die Polizeiausbildung für den gehobenen Dienst wurde 1995 durch die Überarbeitung der Studien- und Prüfungsordnung reformiert.[9] Der 116 Seiten umfassende Studienplan gibt für die einzelnen Fächer nur einen Rahmen vor, aktuelle Entwicklungen in Wissenschaft und polizeilicher Praxis sollen flexibel in die Lehre integriert werden. Neben Vorlesungen werden auch Seminare, Projekte, Übungen und Klausurenkurse angeboten. Das Studium soll die Bedeutung der Wissenschaft für die Praxis verdeutlichen. Es soll die Studierenden befähigen, berufliche Aufgaben situationsgerecht unter Anwendung wissenschaftlicher Erkenntnisse und Methoden zu lösen. Selbständige und verantwortungsbewußte Wahrnehmung polizeilicher Aufgaben, methodisches, kritisches und kreatives Denken, fachliche, kommunikative und soziale Kompetenzen, Identifikation mit dem Polizeiberuf, bürgerfreundliches Verhalten – so lauten Ziele der Ausbildung. Sie soll die Bereitschaft wecken, die Aufgaben unter sich wandelnden gesellschaftlichen Rahmenbedingungen bei unbedingter Treue zur Verfassung und zu rechtsstaatlichen Grundsätzen zu erfüllen.

Das Studium umfaßt grundsätzlich vier theoretische und zwei praktische Semester. Der Gesamtumfang der Lehrveranstaltungen beträgt 2.388 Unterrichtsstunden, die sich auf Rechtswissenschaft (31-36%), Polizeiwissenschaft (14-22%), Kriminalwissenschaft (15-28%), Sozialwissenschaft (8%) und ergänzende Lehrveranstaltungen (17%) aufteilen. Bei letzteren sind Wahlmöglichkeiten bezüglich Fachgebieten und anbietenden Dozenten zugelassen. Den Studienplänen für die einzelnen Fächer sind jeweils Studienziele vorangestellt. Mit Ausnahme der Projekte und Seminare handelt es sich dabei um kognitive Ziele. Bei den Rechtsfächern soll die Kenntnis der einschlägigen Rechtsvorschriften insbesondere anhand von Fällen der polizeilichen Praxis nachgewiesen werden, was neben der Prüfung der Rechtmäßigkeit und der Verhältnismäßigkeit auch die analytische Erfassung und systematische Darstellung umfaßt.

Für die Praktika, die unter der Verantwortung der Landespolizeischule durchgeführt werden, sind im Studienplan ebenfalls Lernziele und Rahmeninhalte vorgegeben. Während des Grundpraktikums (2. Semester) sollen die Studierenden an den praktischen Polizeidienst herangeführt werden und die für eine bürgerorientierte Aufgabenerfüllung notwendigen Grundfähigkeiten und -fertigkeiten erwerben. Dazu gehört auch das Training kommunikativer Fähigkeiten sowie der Bewältigung von Konflikten. Von den 22 Wochen des Grundpraktikums entfallen lediglich 5 bis 8 Wochen auf den praktischen Dienst, die andere Zeit umfaßt die fachpraktische Ausbildung (Dienstkunde, Waffen- und Schießausbildung, Fernmelde- und Fahrausbildung sowie Verhaltenstraining).

Das Hauptpraktikum dient der Vertiefung der gewonnenen Kenntnisse und Erfahrungen. Es soll die Studierenden in die Lage versetzen, polizeiliche Aufgaben selbständig wahrzunehmen. Bei der Aufgabenwahrnehmung soll auf die Teamarbeit hingewirkt werden und die Studierenden sollen Übungen bzw. Einsätze selbständig planen und führen. Das Praktikum umfaßt ein Einsatz- und Führungslehreseminar (10 Wochen), Verhaltenstraining und 11 Wochen fachpraktische Ausbildung auf ausgewählten Dienststellen.

Die Studierenden müssen im Studium 10 Leistungsnachweise (Studienprojekt, zwei Seminare, Hausarbeit, fünf Klausuren, Praktikum) erbringen, die zwar Voraussetzung für die Zulassung zur Prüfung sind, aber entgegen den Empfehlungen der Hochschulrektorenkonferenz nicht in die Bewertung eingehen. Durch die Laufbahnprüfung soll festgestellt werden, ob die Studierenden ausreichende Kenntnisse erworben haben und die Fähigkeit besitzen, komplexe Aufgabenstellungen unter Anwendung wissenschaftlicher Methoden und Erkenntnisse rational zu durchdringen und selbständig sinnvolle Lösungsansätze zu erarbeiten. In die Abschlußnote geht das arithmetische Mittel der schriftlichen Prüfung (rechts- und polizeiwissenschaftliche Fächer) zu 70% und der mündlichen Prüfung zu 30% ein. Projekt, Seminare und Hausarbeit werden bei der Prüfung nicht berücksichtigt. Aus dem Bereich der Gesellschafts- und Organisationswissenschaften kann ein Fach in der mündlichen Prüfung ausgewählt werden, wodurch bei entsprechender Auswahl sozialwissenschaftliche Fächer nicht Gegenstand der Prüfung sind.

Problembereiche der Ausbildung für den Polizeivollzugsdienst

Der neue Studienplan von 1995 formuliert wohlklingende Ausbildungsziele, denen das Studium tatsächlich nicht gerecht werden kann. Hauptproblem bleibt dabei die fortbestehende Abschottung der gesamten Ausbildung der PolizeianwärterInnen. Dieses System ist zwar dazu geeignet, Traditionen weiterzutragen und den Nachwuchs in den Polizeiapparat hineinzusozialisieren; es ermöglicht aber nicht, Hergebrachtes zu hinterfragen und neue Erkenntnisse zu erarbeiten. Das im Sinne der Polizei strukturierte Studium der Beamtenanwärter führt dazu, daß die Studierenden kaum zum Dialog mit den von der Polizeiarbeit Betroffenen befähigt werden und ihnen in der Regel auch das Verständnis für deren Situation fehlt. Die Vorstellung der Studierenden ist von dem bloßen Vollzug von Recht und Ordnung geprägt,[10] was dem notwendigen sozialen Einfühlungsvermögen in einem Beruf, in dem der Umgang mit den Menschen dominiert, entgegensteht.[11]

Die materielle Absicherung als BeamtenanwärterInnen trägt ferner dazu bei, daß die Studierenden an der FHVR sich von denen einer normalen Fachhochschule stark unterscheiden. Auch die gegenwärtige Dozentenstruktur bestätigt die Tendenz zur Abschottung und kann nicht als fachhochschulgemäß angesehen werden. In vielen polizeispezifischen Fächern lehren statt Dozenten mit einer wissenschaftlichen Ausbildung nebenamtliche Lehrkräfte, die im Hauptberuf Polizeibeamte des höheren Dienstes sind.[12] Den nebenamtlichen Dozenten fehlen darüber hinaus teilweise die didaktische Befähigung und Motivation.[13]

Im Polizeibereich erfordern zudem die komplexer gewordenen Aufgaben Experten, die ihr Sachgebiet selbständig und mit eigener Verantwortung wahrnehmen. Durch das auf Anpassung und Unterordnung ausgerichtete polizeiliche Studium kann dies aber nicht erreicht werden.[14] Insbesondere für die Aufklärung von modernen Kriminalitätsformen, wie Wirtschafts-, Umwelt- und Computerkriminalität wären Spezialwissen und die Nutzung von Informationstechnik vonnöten.[15] In diesen Bereichen würde die Ausbildung eine Professionalisierung und Spezialisierung erfordern.[16] Für die Vermittlung von Spezialwissen böte sich die Kooperation mit anderen Fachbereichen bzw. Hochschulen an. Derzeit ist es den Studierenden nicht einmal möglich, an Lehrveranstaltungen der anderen Fachbereiche der FHVR teilzunehmen.

In der Polizeiausbildung müssen neben der Vermittlung von Fachwissen besonders die intellektuell-analytischen Fähigkeiten und überfachlichen Qualifikationen gefördert werden, die es ermöglichen, selbständig auf die sich wandelnden Anforderungen zu reagieren. Die Vermittlung von bloßem Fachwissen und Kurzzeitqualifikationen, die dann in der Prüfung abgerufen werden, wird den beruflichen Anforderungen nur unzureichend gerecht. Im Studium müßten deshalb vermehrt Langzeitqualifikationen statt umfangreichem Fachwissen für eine Vielzahl von Tätigkeiten vermittelt werden.[17] Die besondere gesellschaftliche Rolle der Polizei würde es außerdem erfordern, sozialwissenschaftliche Methoden und Inhalte zu vertiefen, da fehlende Kenntnisse über soziale Hintergründe nicht unerheblich zu Übergriffen von Polizeibeamten gegenüber Randgruppen beitragen.[18] Dazu müßten Studium und Prüfung entsprechend angepaßt werden.

Die Kriminalitätsbekämpfung und die Verhinderung von Straftaten war schon bisher nicht und wird in Zukunft immer weniger allein von der Polizei zu bewältigen sein. Schlüsselqualifikationen wie soziale Kompetenz, Kommunikationsfähigkeit und Teamfähigkeit sind daher für die polizeiliche Tätigkeit von besonderer Bedeutung. Sinnvolle Problemlösungen erfordern eine längerfristige und systematische Kooperation der Polizei mit städtischen Ämtern, Justiz, Jugend- und Sozialarbeit.[19] Für eine anforderungsgerechte Fachhochschulausbildung müßten deshalb Unterrichtsformen gewählt werden, die auch diese Qualifikationen unterstützen.[20]

Angesichts der Tatsache, daß die gegenwärtigen Mängel der Ausbildung zu einem großen Teil auf den internen Charakter der Polizeiausbildung an der FHVR zurückzuführen sind, kann die von der Landespolizeischule favorisierte Gründung einer noch abgeschotteteren polizeiinternen Fachhochschule keine Lösung darstellen. Von einer wirklichen Fachhochschule wäre diese noch weiter entfernt, als es die FHVR gegenwärtig schon ist.

Externalisierung – ein verhinderter Modellversuch

Die Probleme der Ausbildung für den gehobenen Polizeivollzugsdienst, so die Ansicht vieler WissenschaftlerInnen[21], können nur durch eine Externalisierung gelöst werden, die in anderen Staaten längst selbstverständlich ist. In den USA beispielsweise werden PolizistInnen, Gefängnispersonal, ResozialisierungsmitarbeiterInnen, GerichtshelferInnen, SozialarbeiterInnen der Jugendbehörden u.a. in einem Studiengang „Criminal Justice“ ausgebildet, bei dem der Anteil der Rechts- und Sozialwissenschaften etwa gleich hoch ist. Auch in Kanada wird zunächst ein berufsvorbereitendes Studium für den Polizeidienst absolviert. Die AbsolventInnen bewerben sich erst anschließend für eine spezielle polizeiliche Tätigkeit, für die sie dann im Rahmen einer internen Ausbildung vorbereitet werden.[22] Eine solche Externalisierung wäre auch in Deutschland möglich. Sie wird aber, wie das Beispiel eines in Bremen geplanten Modellversuchs zeigt, von Polizei und Politik verhindert.

Die Hochschule für Öffentliche Verwaltung in Bremen wollte im Rahmen eines Modellversuchs einen Studiengang für öffentliches und privates Sicherheitswesen einführen, der für Polizeidienst und für Tätigkeiten bei privaten Sicherheitsunternehmen qualifizieren sollte.[23] Bei der Konzeption des Studienganges ging man davon aus, daß eine lückenlose Vorbereitung auf alle Eventualitäten des sicherheitsrelevanten Aufgabenspektrums nicht erreichbar und nicht erforderlich sei. Grundlagen und Methodenkenntnisse sollten daher nach dem Grundsatz des exemplarischen Lernens vermittelt werden, wobei wissenschaftliche Verfahren und Erkenntnisse mit den Anforderungen der Praxis zu verknüpfen seien. Das Studium sollte neben der Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten für die Aufgaben nach Abschluß des Studiums auch Schlüsselqualifikationen vermitteln, die die Grundlage für eine spätere Weiterbildung darstellen sollten.[24]

Der Modellstudiengang hätte nach einem zweimonatigen Vorpraktikum acht Semester umfaßt. Das Grundstudium sollte aus drei theoretischen Semestern bestehen, das vierte Semester sollte als Praxissemester unter Begleitung und Mitwirkung der Hochschule strukturiert sein. Das fünfte Semester war als Theorie-Praxis-Verbund (ca. 60% Praxis und 40% Theorie) in der Form von integrierten Studien geplant, wobei Einsätze von Polizei oder Sicherheitsunternehmen unter fachlicher Begleitung der zuständigen Dozenten erlebt, nachgestellt oder geübt werden sollten. Projekte und Seminare sollten in diesem Semester an einem Tag in der Woche weitergeführt werden. Das sechste Semester war wiederum als Praxissemester geplant, bei dem die Studierenden ihre späteren Aufgabenfelder kennenlernen sollten. Das siebte und achte Semester waren als Schwerpunktstudium ausgestaltet. Zur Vertiefung der Kenntnisse oder der Vermittlung anderer Fachgebiete hätten die Studierenden dabei die Möglichkeit gehabt, drei Seminare mit je sechs Stunden auszuwählen und damit ihre Schwerpunkte individuell zu setzen (u.a. Umweltschutzrecht, Werkschutz, Kommunalrecht, Grundzüge des Brandschutzes, Ausländer und Minderheiten).[25] In die für das achte Semester vorgesehene Prüfung sollten Teile der während des Studiums erworbenen Leistungsnachweise sowie eine Diplomarbeit einberechnet werden. In der Prüfung sollten Problemsituationen umfassend erörtert werden und damit die enge Verzahnung von Theorie und Praxis abbilden. Studium und Prüfungen sollten in den formalen und inhaltlichen Anforderungen so konzipiert sein, daß sie die Anerkennung der Laufbahnbefähigung für den gehobenen Polizeivollzugsdienst gewährleisteten.[26]

Die Ergebnisse des Modellversuchs könnten einen wichtigen Beitrag zur Weiterentwicklung der Ausbildung des Polizeivollzugsdienstes erbringen, so Thomas Feltes, Rektor der Fachhochschule Villingen-Schwenningen – Hochschule für Polizei in seinem Gutachten.[27] Das gemeinsame Studium von Bewerbern für den Polizeidienst und private Sicherheitsdienste führe zu einer Öffnung der verwaltungsinternen polizeilichen Ausbildung und zusätzlich zu einer Professionalisierung der privaten Sicherheitsdienste. Feltes hob u.a. folgende Punkte als positiv hervor:

  • den Vorrang der Vermittlung von Kommunikations-, Konflikt- und Lernfähigkeit sowie praktischer Bürgernähe gegenüber der bloßen Wissensvermittlung
  • die geplante Verzahnung von Theorie und Praxis
  • die Integration wirtschaftswissenschaftlicher Inhalte
  • den hohen Anteil von Projekten und Seminaren (und damit eigenständigem und selbstverantwortlichem Arbeiten)

Trotz dieser positiven Einschätzung wurde das Modellstudium wegen erheblicher Bedenken seitens der Polizei nicht erprobt. Polizei und Innenministerium beharrten einmal mehr auf ihrer Kontrolle über die Ausbildung.

Abschottung oder gesellschaftliche Integration?

Daß die derzeitige polizeiliche Ausbildung verändert werden muß, darüber sind sich fast alle Beteiligten einig. Strittig ist dagegen die Richtung der Veränderung und damit das Ziel, das mit der Ausbildung erreicht werden soll. Will man Befehlsempfänger heranziehen, die eng auf einen Teilbereich polizeilicher Tätigkeit hin ausgebildet werden, so kann dies in einer abgeschotteten polizeilichen Ausbildung durch PolizeibeamtInnen als DozentInnen durchaus besser erreicht werden. Eine Veränderung der „polizeilichen Kultur“ erfordert aber insbesondere die Einbindung der Polizei und der polizeilichen Ausbildung in die gesellschaftlichen Strukturen. Eine polizeiinterne Ausbildung verkürzt fast notwendigerweise die Problemwahrnehmung der zukünftigen PolizistInnen auf eine rein polizeiliche Sichtweise. Will man hingegen eine Ausbildung anbieten, in der gesellschaftliche Probleme thematisiert werden und in der Sicherheit über Kooperation aller Beteiligten erreicht werden soll, dann muß die polizeiliche Ausbildung externalisiert werden.

Thomas Weidmann ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der FU Berlin und Lehrbeauftragter an der FHVR.
[1] Landespolizeischule Berlin: Die Ausbildung der Polizei in der Zukunft, Berlin 1997
[2] Konferenz der Rektoren der Polizeifachhochschulen: Tagung v. 18./19.5.1998
[3] zur Geschichte der Berliner Polizei vgl. Steinborn, N.; Krüger, H.: Die Berliner Polizei 1945 bis 1992, Berlin 1993
[4] vgl. Groth, H.: Verwaltungsfachhochschulen gehören zu uns, in: Godehart, W. (Hg.): Fachhochschule und öffentlicher Dienst, Köln 1988, S. 4-9 (5)
[5] vgl. Vogel, A.: Dokumente zur Entwicklung der Fachhochschulen seit dem 31.10.1968, in: Deutscher Bildungsrat (Hg.): Gutachten und Materialien zur Fachhochschule, Stuttgart 1974, S. 249-361 (260, 262)
[6] vgl. Weidmann, T.: 25 Jahre Fachhochschule für den öffentlichen Dienst, apf Landesbeilage Berlin 1998, H. 1, S. 1-3 und H. 2, S. 9-12
[7] vgl. Dehnhardt, A.: Die Geltung des Hochschulrahmengesetzes für Fachhochschulen für Verwaltung, Deutsches Verwaltungsblatt 1977, H. 15, S. 625-631
[8] vgl. Brinckmann, H.; Hackforth, S.; Teichler, U.: Die neuen Beamtenhochschulen, Frankfurt/Main 1980, S. 22
[9] Studienordnung für den Fachbereich 3 -Polizeivollzugsdienst- der FHVR Berlin v. 15.3.1995 einschließlich des Studienplans (StudOPol 1995), Verordnung über die Fachhochschulausbildung und die Prüfung für den gehobenen Polizeivollzugsdienst -Schutzpolizei, Kriminalpolizei und Gewerbeaußendienst- v. 8.9.1995 (APOgDPol 1995)
[10] vgl. Rothschuh-Wanner, M.: Hochschulstudium für die Polizei, Bürgerrechte & Polizei/CILIP 46 (3/93), S. 47-56 (48)
[11] Krüger, U: Überlegungen zur Reform der Polizeiausbildung an Fachhochschulen aus sozialwissenschaftlicher Sicht, in: Der Kriminalist 1996, H. 5, S. 223-227 (225)
[12] vgl. Wissenschaftsrat (Hg.): Empfehlung zur Weiterentwicklung der verwaltungsinternen Fachhochschulen, Cottbus 1996, S. 141
[13] vgl. Alberts, H.W.: Überlegungen zu Reformkonzepten unter besonderer Berücksichtigung von Aus- und Fortbildung, in: Der Öffentliche Dienst 1994, H. 4. S. 77-80 (78); ähnlich Quambusch, E.: Hochschulausbildung von Polizei und Verwaltung, Kriminalpolitik 1994, H. 5, S. 311-320 (312)
[14] Quambusch a.a.O. (Fn. 13), ebd.
[15] vgl. Ahlf, E.-H.: Orientierungsrahmen für eine Fachhochschulausbildung des gehobenen kriminalpolizeilichen Vollzugsdienstes des Bundes in den 90er Jahren, in: Eilsberger, R; Schmahl, H.-L. (Hg.): Auf dem Weg zur Verwaltungswissenschaft, Köln 1989, S. 223-236 (227)
[16] vgl. Krüger a.a.O. (Fn. 11), S. 223
[17] vgl. Alberts a.a.O. (Fn. 13), S. 229f.; ähnlich Ahlf a.a.O. (Fn. 15), S. 229f.
[18] vgl. Krüger a.a.O. (Fn. 11), S. 225
[19] vgl. Jaschke, H.-G.: Gesellschaftliche Entwicklungen und die Zukunft der Polizei, in: Prümm, H.P. (Hg.): 25 Jahre Lehre und Forschung für die Verwaltung, Berlin 1998, S. 279-287 (285)
[20] vgl. Ahlf a.a.O. (Fn. 15), S. 236
[21] vgl. Teubner, W; Stoephasius, H.-P. v. (Hg.): 10. Glienicker Gespräch, Berlin 1997, S. 4
[22] vgl. Krüger a.a.O. (Fn. 11), S. 223ff.
[23] Hochschule für Öffentliche Verwaltung (Hg.): Öffentliches und privates Sicherheitsmanagement (Entwurf), Bremen 1997, S. 22
[24] ebd., S. 27f.
[25] ebd., Anlage 2b
[26] ebd., S. 30-35
[27] Feltes, T.: Gutachten zum Modellversuchsvorhaben „öffentliches und privates Sicherheitsmanagement“ (Manuskript), Villingen-Schwenningen 1996