TSC, FACI & TCS – Privatisierte Sicherheit im globalen Kontext

von Norbert Pütter

Dass neue, nicht-staatliche Akteure auf dem Sicherheitsmarkt auftauchen, ist ein internationales Phänomen. Ihre grenz­über­schreitende Natur verschärft die mit ihnen verbundenen Probleme: fehlende Öffentlichkeit, rechtliche und politische Unkontrollierbarkeit, Abhängigkeit von den Aufraggebern und – in wechselnden Konstellationen – Arbeit mit, neben oder gegen staatliche Sicherheitsapparate.

Die öffentliche und wissenschaftliche Aufmerksamkeit beschränkt sich nach wie vor auf zwei Bereiche der Privatisierung von Sicherheit: die Übertragung militärischer Aufgaben auf privatwirtschaftlich ausgerichtete Unternehmen auf der einen, die Wahrnehmung einfacher polizeilicher Tätigkeiten wie Streifendiensten oder Bewachungsaufgaben auf der anderen Seite. Zwischen diesen Polen und teilweise sie überlappend existiert und entwickelt sich ein unübersichtliches Feld von „Sicherheitsanbietern“, die mit spezifischen Dienstleistungen „Sicherheit“ für jene zu produzieren versprechen, die dafür zahlen können. Insgesamt ist über diese Märkte wenig bekannt: Anbieter und Nachfrager, Aufgaben und Methoden, Erfolge und Gefahren, Zusammenarbeit mit der oder Konkurrenz zur staatlichen Polizei, Folgen für Gemeinwesen und Bürgerrechte – nur exemplarisch sind bisher einige Aspekte einer neuen „globalen Sicherheitsarchitektur“ kritisch gewürdigt worden.

Im Folgenden werden drei Varianten transnationaler profitorientierter Sicherheitsbranchen vorgestellt. Das zugrunde liegende Material stammt aus dem angloamerikanischen Raum, die Autoren hegen aber keine Zweifel, dass ihre Befunde für die gesamte westliche Welt zutreffen. Denn die beschriebenen Phänomene seien eine direkte Folge der neoliberal forcierten Globalisierung. Auffallend ist, dass es im Exportweltmeisterland Deutschland bisher so gut wie kein Interesse an der globalen Industrie der inneren Sicherheit gibt.

TSC = Transnational Security Consultancies

Mit „TSC“, wörtlich übersetzt: transnationale Beratungsfirmen für Sicherheitsfragen, bezeichnet der Kriminologe Conor O’Reilly jene internationalen Unternehmen, die ein breites Spektrum unterschiedlicher Sicherheitsdienstleistungen anbieten, das über herkömmliche Beratungstätigkeiten hinausreicht.[1] Er nennt neben den im engeren Sinne betriebswirtschaftlichen die folgenden „typischen“ Tätigkeiten:

  • vertrauliche/verdeckte Untersuchungen/Ermittlungen
  • Krisenmanagement, inklusive des Umgangs mit Entführungsfällen
  • Betrugsbekämpfung
  • Analyse von politischen und von Sicherheitsrisiken
  • Schutz von intellektuellem Eigentum und vor Markenpiraterie
  • Ausbildung von Sicherheitspersonal, einschließlich Vorschlägen zur Gestaltung des Sicherheitsbereichs (etwa in Unternehmen)
  • Sicherheit bei Reisen (von Betriebsangehörigen).

Nach O’Reilly begann die Entwicklung der TSC in den 1970er Jahren als Begleiterscheinung der Expansion internationaler westlicher Konzerne in unsichere Regionen der Erde. Als Initialzündung identifiziert er die wachsende Zahl von Entführungen von Mitarbeitern dieser Firmen in Lateinamerika. Entführungen und Lösegeldzahlungen hätten zu einem Markt geführt, auf welchem den Unternehmen nicht nur die „Abwicklung“ des Erpressungsgeschäfts, sondern – in Zusammenarbeit mit Versicherungen – auch die Absicherung dieses Risikos angeboten wurde. Aus diesem punktuellen Problem sei in den folgenden Jahrzehnten ein Industriezweig entstanden, der den gerade genannten weiten Kranz spezialisierter und auf die Kundenwünsche maßgeschneiderter Dienstleistungen anbiete. TSC sind aus dieser Perspektive zugleich Folge wie Voraussetzung weltweiter ökonomischer Expansion. Indem sie den transnational tätigen Unternehmen versprechen, Unsicherheiten und Risiken zu kalkulieren, zu managen und potentielle Schäden zu versichern, übersetzten sie politische und soziale Instabilitäten in wirtschaftlich kalkulierbare Größen. Das bilde die Basis für (weitere) Investitionen in unsicheren Regionen; zugleich werde derart der Markt für TSC ausgeweitet.

Ausmaß und Tätigkeiten der TSC, so O’Reilly, sind unbekannt. Zumindest der öffentliche Eindruck werde dominiert von den Großen der Branche: „Control Risk“, „Dilicence“, „Kroll“, „The Risk Advisory Group“ (TRAG), „Clayton Consulting“ oder „Pinkerton Consulting“. Ein Einblick in die Tätigkeitsprofile werde mit Verweis auf betriebsinterne Vorgänge oder Betriebsgeheimnisse verwehrt, selbst die veröffentlichten Bilanzen seien kaum aussagekräftig, da es sich mitunter um Tochterfirmen handele oder sie in größere Mischkonzerne einverleibt würden. Allein „Control Risk“ (CR), eine der historisch ersten und größten auf dem TSC-Markt verfüge über ein Netzwerk von 27 Niederlassungen auf allen Kontinenten. Den Kunden würden täglich aktualisierte Nachrichten und Analysen angeboten; u.a. diese drei Dienste:

  • „City Brief“: Sicherheitslage und Reiseumfeld für 320 Städte weltweit.
  • „Country Risk Forecast“: Online verfügbare Analyse jüngster Entwicklungen in 200 Ländern in politischer und „operativer“ Hinsicht und in Bezug auf Terrorismus, Sicherheit und Reisebedingungen.
  • „CR24“: Ein rund um die Uhr mit erfahrenen Beratern besetzter Dienst, die die Kunden anlassbezogen bei der Bewertung und Bewältigung von Sicherheitsszenarien unterstützen.

Das Verhältnis zwischen TSC und staatlicher Polizei bezeichnet O’Reilly als „symbiotisch“. Die TSC seien durchsetzt mit ehemaligen Polizisten bzw. Polizeiführern (FPO, Former Police Officer). Es bestünden lose institutionelle Verbindungen, die den informellen Informationsaustausch zwischen privaten und staatlichen Sicherheitsapparaten gewährleisten. Professionelle Sozialisation und gegenseitiges Informieren führten gemeinsam mit der Orientierung an zukünftigen Bedrohungsszenarien und risikoorientierten Bewältigungsstrategien zu einem Konsens über weltweite Sicherheitsgefahren. Die privat-staatliche Sicherheitssymbiose vollziehe sich in verschiedenen Varianten: Sie reichten von Vorteilen, die beide Seiten in gleicher Weise aus der Kooperation zögen, über die „Ausbeutung“ des einen durch den anderen Akteur bis zum unbeeinflussten Nebeneinander. Insgesamt entstehe durch die globalisierten Wirtschaftsbeziehungen und die sie begleitenden TSC ein neuer Ort privater Regulierung im weltweiten Kontext. Zu dieser nicht-staatlichen transnationalen Sicherheitsstruktur trügen nicht nur die Expansion in risikoreiche Weltregionen und die Privatisierung vormals staatlicher Sicherheitsaufgaben in den Nationalstaaten bei, sondern auch der Umstand, dass unter globalisierten Wettbewerbsbedingungen, nicht allein die Unternehmen, sondern mit ihnen die Staaten in Konkurrenz träten. Im Entstehen sei ein „hybrid transnational policing marketplace“, auf dem private wie staatliche Akteure ihre Lösungen anböten. In der Sphäre transnationaler Sicherheitsarbeit („policing“) entwickelten sich Interessen und Ziele von Staat und Markt zunehmend ununterscheidbar.

FACI = Forensic accounting and corporate Investigation

Eine andere Variante transnationaler staatlich-privater Polizei- bzw. Sicherheitsarbeit entwickelte sich nach den Beobachtungen des kanadischen Kriminologen James W. Williams aus der Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität seit den 1970er Jahren.[2] Ausgangspunkt sei gewesen, dass den staatlichen Ermittlern die notwendigen Qualifikationen fehlten, um in Wirtschaftsstrafverfahren ermitteln zu können. Deshalb habe man zunächst Fachleute aus Buchprüfungsfirmen beteiligt, die quasi im Nebenerwerb die wirtschaftlichen Sachverhalte so aufarbeiteten, dass sie in strafrechtliche Kategorien übersetzt werden konnten. Über die Jahre habe sich aus diesen Anfängen ein Markt und eine regelrechte Industrie entwickelt, für die Williams den Ausdruck „FACI“ vorschlägt. FACI könnte man übersetzten als „forensische (= kriminaltechnische) Buchprüfung und unternehmensbezogene Ermittlungen“. Sie bestehe, so zitiert er aus dem Bericht einer kanadischen Kommission von 2002, „aus einer Mischung von betrieblichen und externen forensischen Buchhaltern, Ermittlern, Beratern, Experten zur Prävention von Schadensfällen und Computerspezialisten, die mit Sicherheitsaufgaben befasst sind, u.a. im Auftrag von Banken, Kreditinstituten, Versicherungsgesellschaften, Einzelhandelsgeschäften, Börsen oder von Regierungseinrichtungen“.

Nach Williams besteht die FACI-Industrie aus drei deutlich unterscheidbaren Anbietergruppen: An der Spitze stünden spezialisierte Abteilungen für „forensische Buchprüfung“ innerhalb großer Buchprüfungs- und Beratungsfirmen. Als Beispiele nennt er KPMG, Deloitte & Touch, PriceWaterhouseCoopers, Ernst and Young und Kroll Lindquist Avey. Die kriminalistische Ermittlung und Untersuchung, ausgeführt von ehemaligen Polizisten, privaten Ermittlern für Wirtschaftsdelikte und Computer-Analysten, stellten einen Bereich innerhalb des Angebotsspektrums dieser weltweit tätigen Firmen dar. Auf einer mittleren Ebene existierten Firmen, die sich auf bestimmte Dienstleistungen spezialisiert hätten. Dazu zählten betriebsinterne Ermittlungen, Überwachung von Vermögenswerten und deren Beitreibung im Verlustfall sowie die Gewährleistung gebotener Sorgfaltspflichten. Schließlich gebe es eine dritte Gruppe von Anbietern auf dem FACI-Markt, die aus kleinen Ermittlungsfirmen bestehe. Diese verfügten über spezialisierte Ermittlungsmethoden z.B. in den Bereichen Überwachen von Vermögenswerten, Video- und Audioüberwachung oder industrielle Gegenspionage. Häufig bestünden zwischen dieser letzten und den beiden anderen Gruppen vertragliche Beziehungen über Beschaffung und Weiterleitung von Informationen.

Im Unterschied zu O’Reilly sieht Williams keine staatlich-private Symbiose, sondern eine „Gabelung“ („bifurcation“) in unterschiedliche Kontrollregime. Die FACI-Industrie habe nur deshalb entstehen können, weil sie eine „customized justice“, d.h. eine auf die Unternehmenswünsche maßgeschneiderte Justiz ermögliche. Denn Untersuchungen im Unternehmensauftrag ermöglichten, sowohl die Gegenstände von Ermittlungen als auch die Verwendung von Erkenntnissen zu bestimmen. Polizeilich-strafrechtliche Untersuchungen könnten sich zum einen nur auf rechtlich relevante Sachverhalte beziehen und wären zum anderen von der Gefahr begleitet, dass Unternehmenspraktiken öffentlich würden, die dem Ruf oder der Geschäftstätigkeit des Unternehmens schaden könnten. Wirtschaftsdelikte würden von der Polizei unter rechtlichen Kriterien betrachtet, von FACI und ihren Auftraggebern unter wirtschaftlichen. Dementsprechend stünden nicht die Aufrechterhaltung der Rechtsordnung oder die Abwehr von Schäden für die Allgemeinheit im Vordergrund, sondern die wirtschaftlichen Interessen des Unternehmens.

Die Reaktionen auf Verhalten, das vom Unternehmen als schädigend angesehen wird, ließen sich drei Zielen zuordnen. Primär für die Unternehmen sei, eine aktuelle Schädigung zu stoppen („Stop the Bleeding“), sodann gehe es um eine Wiedergutmachung des entstandenen Schadens („Recovery“) und zuletzt um Strafe und Abschreckung („Retribution/De­terrence“). Während für das erste Ziel Verhandlungen mit dem Beschuldigten und/oder dessen Entlassung aus dem Unternehmen zur Verfügung stünden und der Schadensausgleich auf zivilrechtlichem Weg erreicht werden könnte, komme das Strafrecht und die öffentliche Untersuchung nur im Hinblick auf Strafe und Abschreckung in Betracht – ein Weg, der nur (noch) beschritten werde, wenn er den unternehmerischen Interessen nicht entgegenstehe.

Die rechtlichen und politischen Probleme der FACI sind nach Williams offenkundig: Ermittlungen im privaten Auftrag bedrohten deren Objektivität; es bestehe ein dauerhaftes Spannungsverhältnis zwischen den wirtschaftlichen Interessen der Auftraggeber und den professionellen Standards der FACI-Firmen. Der Einsatz fragwürdiger Ermittlungstechniken – vom illegalen Abhören bis zum Bruch der Privatsphäre – stelle eine Gefahr für Demokratie und Rechtsstaat dar. Die Weitergabe von Erkenntnissen aus dem privaten in den staatlichen Bereich gefährde das Recht auf einen fairen Prozess und die Rechtsstellung von Beschuldigten.

Der Autor sieht fünf zentrale Hindernisse („key barriers“), die einer Regulierung („governability“) der FACI-Industrie entgegenstehen:

  • der Umstand, dass die FACI-Ermittlungen häufig im „privaten“ Bereich der Unternehmen bleiben, sie öffentlich nicht sichtbar werden und die Lösungen nach Unternehmenskalkülen ausgewählt werden,
  • die unterschiedlichen rechtlichen Standards, in die die Tätigkeiten eingebunden sind, sowohl national in der Wahl zwischen zivil- und strafrechtlichen Folgen als auch international in der Auswahl nationaler Rechtsordnungen,
  • die Unüberschaubarkeit des FACI-Marktes (Zahl und Organisation der Anbieter, beteiligte Professionen, professionelle Standards etc.),
  • die Vielzahl der beteiligten Interessen(gruppen): neben Auftraggebern und Anbietern auch die Opfer von Wirtschaftskriminalität, die Aktionäre oder die Öffentlichkeit insgesamt,
  • die Trennung in private und öffentliche Sphären, die dazu führt, dass Wirtschaftsunternehmen wie Privatpersonen behandelt werden, die „ihre“ Angelegenheiten zunächst selbst und ohne staatlichen Eingriff regeln sollen.

Williams interpretiert die institutionalisierte Aufteilung zwischen öffentlicher Polizei und FACI als eine Folge struktureller Probleme der kapitalistischen Ökonomie und ihrer Regulierung: Während der Eingriff in „private“ wirtschaftliche Sachverhalte dem Selbstverständnis der öffentlichen Polizei widerspreche und sie deshalb keine besonderen Anstrengungen in diese Richtung entwickelt habe, böte sich die FACI-Industrie als Anbieter kundenorientierter, rascher und vertraulicher Lösungen an.

TCS = Transnational commercial security

Einen dritten Zugang zu globalisierten Sicherheitsmärkten wählen Les Johnston und Philip C. Stenning. Ihr Ausgangspunkt sind die zunehmenden transnationalen Aktivitäten in Sicherheitsfragen. Ein Element dieser Entwicklung sei die Herausbildung „privater transnationaler“ Firmen, die außerhalb der Reichweite von Regierungen („beyond government“) existierten.[3] Die Branche, die Sicherheit im internationalen Kontext verkaufe, sei, so die Autoren, alles andere als homogen. Sechs Anbietergruppen ließen sich auf dem Markt deutlich unterscheiden:

  1. Sicherheitsabteilungen großer internationaler Unternehmen.
  2. Firmen, die spezialisierte Dienstleistungen anbieten, genannt wird SECOM als Anbieter elektronischer Überwachung.
  3. Neue Anbieter, die auf die durch die Privatisierung vormaliger Staatsaufgaben geschaffenen neuen Märkte drängen, z.B. Sodexho oder Serco für den Strafvollzug.
  4. Firmen, die militärische Dienstleistungen anbieten, z.B. Blackwater oder MPRI (mittlerweile umbenannt bzw. aufgekauft).
  5. Anbieter mit einem weiten Spektrum an Sicherheitsdienstleistungen, wie die britische G4S oder die schwedische Securitas.
  6. Beratungsfirmen in Sicherheitsfragen mit Schwerpunkt auf Risikomanagement, z.B. Kroll oder Control Risk.

In ihren weiteren Ausführungen beschränken sich die Autoren auf die Anbieter der 4. Kategorie, die sie mit dem von ihnen selbst bevorzugten Begriff der „peace and stability operations industry“ bezeichnen. Obgleich es sich von der Unternehmensgeschichte und der Ausrichtung dieser Unternehmen her um private Militärdienstleister handelt, sind die Überschneidungen zu eher polizeilichen Tätigkeiten nicht zu übersehen: Aufrechterhaltung eines Besatzungsregimes, Bewältigung von Konflikten „geringerer Intensität“, Aufrechterhaltung von Sicherheit in Nachkriegsgesellschaften etc. Das Tätigkeitsprofil dieser Firmen deckt denn auch ein breites Spektrum ab: der Bereitstellung eigener Sicherheitsdienste, Reform des öffentlichen Sicherheitssektors und Ausbildung des Personals, Überwachung von Entwaffnungen oder Integration vormaliger Kriegsparteien, Beratungen in Sicherheitsfragen und Risikoanalysen, logistische und operative Unterstützungsleistungen, Umsetzung humanitärer Hilfen.

Johnston und Stenning problematisieren dieses weite Spektrum von bezahlten Sicherheitsdienstleistungen unter dem Aspekt der politischen Regulierung und Verantwortlichkeit („governance and accountability“). Sie spielen Rechtsgrundlage und politische Verantwortlichkeit für fünf Szenarien durch, in denen ein TCS-Anbieter Sicherheit in einem fremden Staat gewährleisten soll, und machen damit deutlich, dass derartige transnationale Arrangements sich der rechtlichen und politischen Kontrolle entziehen.

Die Problemlösung der Autoren bleibt unbefriedigend: Da unter modernen Verhältnissen Sicherheit „pluralisiert“ sei (weil neben den Staat andere Anbieter getreten seien), seien auch „plurale Formen der Regulierung und Verantwortlichkeit“ („plural modes of governance and accountability“) erforderlich. Auch wenn sie selbst Zweifel an der Wirksamkeit „multipler Regime“ äußern, die im Zusammenwirken von Industrie, Zivilgesellschaft und Staat entstehen sollen, sehen sie darin die einzige Perspektive für eine demokratische Kontrolle der TCS.

Vage Schemen

Es gehört zu den Eigenarten des staatlichen Sicherheitssektors, dass er nur das an Öffentlichkeit zulässt, was den eigenen Interessen nützt. Deshalb sind weite Teile der staatlichen Sicherheitsapparate vor öffentlichen Einblicken geschützt. Durch die drei kurz umrissenen Ausprägungen einer transnationalen und auf Marktprozessen beruhenden Sicherheitskomplexes werden die demokratischen und politischen Probleme potenziert.

Die wechselnden Bezeichnungen, die unterschiedlichen Kontexte, in denen ihr Entstehen verortet wird, die verschiedenen Konstellationen zwischen öffentlicher und privater Gewalt deuten nicht nur auf einen empirisch wenig erhellten und sich im raschen Wandel befindenden Gegenstand hin, sondern sie verdeutlichen auch, wie sehr unter globalisierten Bedingungen die herkömmlichen Unterscheidungen ins Rutschen geraten. Das gilt für das vermeintliche Gegenüber von „privat“ und „öffentlich“, das gilt für die Alternative von marktförmiger oder rechtlich-bürokratischer Steuerung, und das gilt für die Illusion nationaler Politiken gegenüber transnationalen Aktivitäten. Es ist naheliegend, dass die bürgerrechtlichen Gefahren nicht kleiner, sondern größer werden, wenn aus den vormals halbwegs getrennten Sphären ein undurchschaubares privat-öffentlich-bürokratisch-marktförmiges-transnationales Sicherheitsnetzwerk entsteht, das uns als moderne „pluralistische“ Sicherheitsarchitektur angepriesen wird. Politisch und bürgerrechtlich dringend nötig wäre, die vagen, eher episodenhaften Einblicke zum Anlass einer systematischen Bestandsaufnahme zu nehmen.

[1] O’Reilly, C.: The transnational security consultancy industry: A case of state-corporate symbiosis, in: Theoretical Criminology 2010, No. 2, pp. 183-210
[2] Williams, J.W.: Governability Matters: The Private Policing of Economic Crime and the Challenge of Democratic Governance, in: Policing & Society 2005, No. 2, pp. 187-211; ders.: Reflection on the private versus public policing of economic crime, in: British Journal of Criminology 2005, No. 3, pp. 316-339
[3] Johnston, L.; Stenning, Ph.C.: Challenges of governance and accountability for transnational private policing, in: Lemieux, F. (ed.): International police cooperation, Portland 2010, pp. 281-297

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