Zur Gesetzgebungsgeschichte der Geheimdienstgesetze

Daß das Bundesamt für VfS und die parallelen Landesämter personenbezogene Informationen nicht nur aus eigener Ermittlungstätigkeit gewinnen, sondern ihre staatsschützerische Neugier auch mit Informationen befriedigen, die die Länderpolizeien, die Grenzkontrollbehörden (Bundesgrenzschutz, Bayer. Grenzschutz, Zoll), Staatsanwaltschaften etc. liefern, prägte die Arbeit dieser Ämter von Beginn an. In verschiedenen untergesetzlichen Regelungen, beginnend mit den sog. Unkeler Richtlinien von 1953, fortgesetzt u.a. mit den „Zusammenarbeitsrichtlinien“ von 1973, sind die beteiligten Staatssicherheitsbehörden auch entsprechend „in die Pflicht“ genommen worden.

Daß sonstige staatliche Behörden, aber auch nicht-staatliche Organisationen wie der DGB, dessen Referat „Feinde der Demokratie“ bereits 1951 mit dem Bundesamt für VfS zur Abwehr von Kommunisten Namenslisten austauschte, ohne rechtlichen Zwang sich an diesem Informationsverbund beteiligten, ist gleichfalls bereits aus den 50er Jahren sattsam bekannt.

In den siebziger Jahren wurde diese Praxis zum einen nachhaltig ausgeweitet, da der sog. Radikalenerlaß von 1972 mit der Regelanfrage beim VfS für Bewerber um Stellen im öffentlichen Dienst und die Verdoppelung bis Verdreifachung des Personalbestandes der VfS-Ämter die personellen Kapazitäten und Anlässe für diese Praxis systematisch erweiterten. Zum zweiten reagierte eine aufmerksamer werdende Öffentlichkeit auf diese sich qualitativ ausweitende Praxis mit wachsender Sensibilität und Empörung. Als Folge des „Radikalenerlasses“ und der offenen Berufsverbotspraxis wurde über die entsprechenden Anhörungen von Bewerbern für den öffentlichen Dienst zudem etwas transparenter, in welchem Umfang die VfS-Ämter personenbezogene Daten sammelten und wer alles als Zuträger sich anheischig gemacht hatte, respektive welche Behörden und Verwaltungen als Lieferanten in die Pflicht genommen worden waren – selbstverständlich von der Polizei bis zu uni-versitären Immatrikulationsbüros, selbstverständlich von den Melderegistern bis hin zur AOK; von Denunzianten aus Leidenschaft, wie die „Nofu – Notgemeinschaft Freie Universität“, noch abgesehen.

Nachhaltige Spuren im öffentlichen Bewußtsein hinterließ auch die 1978 bekanntgewordene Praxis, daß der BGS anhand von Publikationslisten, die das Bundesamt für VfS lieferte, Vermerke über Lesegewohnheiten von Reisenden an das Bundeamt weiterleitete. Daß diese Praxis nicht aufgegeben wurde, zeigt die jüngste Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der Fraktion der GRÜNEN im Bundestag (vgl. Kästchen). Ein großes öffentliches Echo rief auch die 1979 bekanntgewordende Praxis hervor, daß der BGS-Einzeldienst auch für den BND an der Grenze zuarbeitete – dies auf Grundlage einer von Bundesinnenminister Maihofer 1975 erlassenen „Sonderanweisung über die Erfas-sung bestimmter Erkenntnisse bei grenzpolizeilichen Kontrollen (SOK-GK)“. Sie wurde 1981 von Innenminister Baum durch die „Dienstanweisung zur Durchführung des Amtshilfeersuchens für die VfS-Behörden und den BND“ ersetzt.

Ergebnis dieser Skandale und der Fortentwicklung der datenschutzrechtlichen Diskussion, in der sich die Position festigte, daß auch die Erhebung von personenbezogenen Informationen rechtlich als Eingriff zu qualifizieren sei, entsprechend also gesetzlicher Grundlagen bedürfe, war die Forderung nach einem „Amtshilfe-Gesetz“, das die Informationsströme zwischen den diversen „Sicherheitsbehörden“ regeln sollte. Das Volkszählungsurteil von 1983 statuierte schließlich die Pflicht des Gesetzgebers zur gesetzlichen Regelung von Datenerhebung, Speicherung und Weitergabe.

Das Anfang der 80er Jahre diskutierte Amtshilfe-Gesetz wandelte sich im Laufe der Jahre zum „Zusammenarbeitsgesetz der Sicherheitsbehörden des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Staats- und Verfassungsschutzes“ – kurz ZAG -, dessen 1. Entwurf diese Zeitschrift im Nov. 1985 öffentlich machte (Nr.21, S.95).

Als Querschnittsgesetz formulierte das ZAG Zusammenarbeitspflichten zwischen dem Bundesamt für VfS, dem MAD, dem BKA, dem BGS, den Landesämtern für VfS und den Länderpolizeien. Die zweite, 1986 dem Bundestag vorgelegte ZAG-Fassung (dok. in CILIP Nr.23) bezog auch die Staatsanwaltschaften und den BND in diese Zusammenarbeitspflichten mit ein und unterschob dem neuen Entwurf zudem einen Paragraphen 15, der als BND-Aufgaben- und Befugnisnorm ausgegeben wurde.

Simitis, Hessens Datenschützer, formulierte in seiner Stellungnahme vom 22.1.86, daß mit Verabschiedung dieses Gesetzes „zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik das Tor für die Geheimpolizei offen stünde“.

Nun – soweit diese These am Informationsverbund zwischen den Staatsschutz-Apparaten festgemacht wird – war diese weniger eine Prognose als die Qualifizierung des Ist-Zustandes.

Der Versuch, diesen Entwurf zusammen mit weiteren Gesetzesentwürfen (VfS-Gesetz, MAD-Gesetz, Bundesdatenschutz-Gesetz, Verwaltungs-Verfahrens-Gesetz) möglichst schnell durch den Bundestag zu jagen, schlug fehl. Die Detailfreude des ZAGs, in dem für die je konkreten Praktiken der informationellen Zusammen- und -zuarbeit aller Sicherheitsbehörden Einzelregelungen formuliert waren, erwies sich als allzu verräterisch und damit skandalisierbar.

Im Januar 1988 lege Bundesinnenminister Zimmermann ein überarbeitetes Paket sog. „Sicherheitsgesetze“ mit denselben Regelungsbereichen wie im Paket von 1985/86 vor.

Zu den Retuschen, mit denen der bisherigen Kritik begegnet werden sollte, zählte eine Umbenennung des alten ZAG. Es hieß nun „VfS-Mitteilungsgesetz“ (dok. in CILIP Nr.29, S.36 ff.). Aus dem Geltungsbereich des ZAG-Entwurfs wurden die Staatsanwaltschaften wieder herausgenommen. Ihre Mitteilungspflichten sollte ein Justizmitteilungsgesetz gesondert regeln (Vorentwurf dokumentiert in CILIP 29, S.61 ff.).

Gesetzgebungstechnisch wurde der Entw. des VfS-Mitteilungs-Gesetzes – bei unverändert gleichbleibenden Intentionen – drastisch verändert, indem auf Einzelregelungen für den Datenfluß zwischen den einzelnen Si-cherheitsapparaten verzichtet und die Zulässigkeit respektive die Ver-pflichtungen zur wechselseitigen Zuarbeit abstrakter formuliert wurden. Wie beim ZAG enthielt auch dieser Entwurf in 10 Sätze, die in der Kommentierung als Aufgaben- und Befugnisnorm für den BND ausgegeben wurden. Verzichtet wurde schließlich auf Blendwerk, mit dem noch das ZAG geschmückt war (so dem Hinweis auf das Trennungsgebot von Polizei und Geheimdiensten, so die ausdrückliche Einschränkung der Übermittlung von Daten Minderjähriger und die Unterscheidung der Mitteilungspflichten auf und ohne Ersuchen).

Parallel zu den Bemühungen des BMI arbeitete das Bundesminsterium für Justiz daran, die StPO den Datenerhebungs- und Verarbeitungsbefugnissen der Polizei anzupassen. Die Innenministerkonferenz meldete polizeiliche Bedürfnisse in diversen „Musterentwürfen für ein einheitl. Polizeigesetz des Bundes und der Länder“ an (Dokumentation/Kritik in CILIP 29).

Daran zu erinnern ist insoweit notwendig, als zum einen der Polizei der Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel (vgl. insb. den 8c ME, „besondere Formen der Datenerhebung“, CILIP 24, S.76) zugebilligt werden soll, also geheimdienstliche Mittel. Diese Angleichung der Methoden und Mittel von Polizei und Geheimdiensten macht andererseits die in 6 Abs.1 des BVerfSchG-Entw. formulierte Einschränkung praktisch obsolet, daß die Dienste der Polizei nur jene personenbezogenen Informationen abverlangen dürfen, die sie auch aus eigener Zuständigkeit erheben dürften; in dem Maße, wie sich die Polizei „aus eigenem Recht“ geheimdienstlicher Methoden und Mittel bedient, werden die damit gewonnenen personenbezogenen Informationen auch den Diensten zugänglich.

Aus dem nun vom Bundestag am 28.4. d.J. in 1. Lesung verabschiedeten Gesetzes-Paket sind – wie gesagt – ZAG und Mitteilungsgesetz als eigenständige Querschnittsgesetze in Gänze verschwunden.

Als neue Lösung wurde der Weg gewählt, entsprechende Zusammenar-beitspflichten in den Gesetzen zu verstecken, die die Aufgaben und Befugnisse der einzelnen beteiligten Geheimdienstbehörden regeln (BVerfSchG, dem MAD- und dem BND-Gesetz). Da ein Querschnittsgesetz entfallen ist, in dem bisher jeweils eine BND-Aufgaben- und -Befugnisnorm hineingeschoben worden war, ergab sich die Notwendigkeit, nun auch ein eigenständiges BND-Gesetz zu formulieren.

Der Regelungsbereich des ZAGs und des folgenden VfS-Mitteilungsgesetzes ist gesetzgebungstechnisch nicht verschwunden, sondern auf eine Fülle von Einzelparagraphen in einer Reihe von Einzelgesetzen verteilt. Im Kern lassen sich ZAG und Folgeentwurf nun finden in den 12-18 des vorliegenden BVerfSchG, jetzt durchmischt – und damit noch unübersichtlicher – mit Befugnissen des Bundesamtes für VfS zur Datenabforderung gegenüber Stellen außerhalb des staatsschützerischen Sicherheitsverbundes. Im MAD- und BND-Gesetz wird nur noch auf die parallelen Regelungen im BVerfSchG verwiesen.

Dieser Systematik folgend, liegt das Schwergewicht unserer Detailkritik beim BVerfSchG. Soweit das MAD- und BND-Gesetz jenseits der Aufgabennormen auf das BVerfSchG verweist, bitten wir, dieser Logik folgend, unsere dortige Kommentierung anzuschauen.