§129a – Anmerkungen zum „PKK“-Verfahren

von Katharina Kümpel *

Wahrscheinlich Ende des Jahres beginnt beim OLG Düsseldorf das bisher größte 129a-Verfahren in der Geschichte der Bundesrepublik. Die Anklage wirft 20 KurdInnen vor, mitgliedschaftlich bzw. unterstützerisch an Straftaten „terroristischer Teilvereinigungen“ beteiligt gewesen zu sein. Erstmalig wird hier der 129a StGB auf eine nationale Befreiungsbewegung angewandt.

1. Die Anklage

Die Bundesanwaltschaft (BAW) wirft den KurdInnen in ihrer Anklage vom 20.10.88 vor, als Mitglieder bzw. Unterstützer Straftaten der „Teilvereinigungen“ begangen zu haben. Laut Anklage handelt es sich dabei u.a. um ein „Europäisches Zentralkomitee“, einen „europäischen Arbeitsbereich Parteisicherheit, Kontrolle und Nachrichtendienst“ oder auch „Gruppen für spezielle Arbeiten“ und um „Parteiuntersuchungskommissionen“. Diese sollen sich innerhalb der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), der Nationalen Befreiungsfront Kurdistans (ERNK) und der Volksbefreiungsarmee Kurdistans (ARKG) gebildet haben und in der BRD selbständig tätig gewesen sein. Neben diesem zentralen Vorwurf werden gegen einzelne Beschuldigte noch Vorwürfe von seit 1983 angeblich im Zusammenhang mit der „terroristischen Vereinigung“ begangener sonstiger Delikte, von Urkundenfälschung bis hin zu drei angeblichen Morden, erhoben.

2. Beispiele für die Verfolgung ausländischer Organisationen bis Ende 1986

Grundsätzlich gibt das Ausländergesetz der Bundesregierung die Möglichkeit, die politische Tätigkeit von Ausländern zu verfolgen: So bestimmt Art. 6 AuslG, daß die politische Betätigung (…) untersagt werden kann, wenn die Abwehr von Störungen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung oder von Beeinträchtigungen der politischen Willensbildung der Bundesrepublik oder sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik (es) erfordern.“ Organisationen können aufgrund entsprechender Bestimmungen des Vereinsgesetzes verboten werden. Die erste Verbotsverfügung erfolgte 1972 gegen die palästinensische Organisationen GUPA (Paläst. Arbeiterverein) und GUPS (Paläst. Studentenverein); die Verbotsbegründung verweist hier auf die Gefährdung der inneren Sicherheit der BRD. 1983 folgte das Verbot der türkischen Organisation DEV SOL. In der Verbotsverfügung wurde in Bezug auf deren Agitation festgestellt, sie richte sich „zunehmend gegen Bestandteile deutscher Politik“.

Ein Verbot der PKK, einer Partei, könnte nur auf Antrag durch das Bundesverfassungsgericht nach dem Parteigesetz und dem GG erfolgen.

3. Rechtsgrundlage für die strafrechtliche Verfolgung ausländischer Befreiungsbewegungen

Die strafrechtliche Verfolgung nach 129a wird durch Grundsätze des Völker- bzw. Kriegsvölkerrechts, beide von der BRD anerkannt, eingeschränkt: Es handelt sich zum einen um den Grundsatz der Nichteinmischung in die Angelegenheiten fremder Staaten. Zwar ermöglicht das sog. „Weltrechtsprinzip“ Abweichungen von diesem Grundsatz, der 129a fällt aber nicht unter dieses Prinzip. Zum anderen handelt es sich um eine Bestimmung, nach der Kriegshandlungen i.S.d. Kriegsvölkerrechts strafrechtlich nicht verfolgt werden dürfen. Zu diesen gehören auch „bewaffnete Konflikte, in denen Völker gegen Kolonialherrschaft und fremde Besetzung (…) in Ausübung ihres Rechts auf Selbstbestimmung kämpfen, wie es in der Charta der Vereinten Nationen (…) verbürgt ist.“ (Zusatzprotokoll zu den Genfer Abkommen vom 12.12.1987, Art.1 Abs.4).

Die Strafverfolgung nach 129a ist daher nur bei Straftaten möglich, die in der BRD begangen werden. Auch der BGH hat diesen Grundsätzen bisher Rechnung getragen: So führte er z.B. aus, „daß das deutsche Strafrecht als innerstaatliches Ordnungsrecht in erster Linie zum Schutz inländischer Belange berufen ist. (…) Es ist vor allem nicht Aufgabe des deutschen Strafrechts, ausländische Staaten gegen Angriffe auf ihre Souveränität zu schützen, weil das womöglich zu Einmischungen in die inneren Angelegenheiten fremder Staaten führen kann.“ (BGHSt 22, 282 ff.) 1982 hat er in einem Verfahren gegen die „Wehrsportgruppe-Ausland“ entschieden, daß diese nicht wegen Vergehens nach 129a zu verfolgen sei, weil diese Organisation über keine „Teilorganisationen“ in der BRD verfüge. „Nur dann, wenn das Rechtsgut der inneren Sicherheit und Ordnung durch eine im Geltungsbereich (des GG, d.V.) bestehende Personenvereinigung berührt ist, greift die Strafbarkeit (…)ein.“ (BGHSt 30, 328 ff.)
Nach bis Ende 1986 geltenden Rechtsgrundlagen erstreckte sich die Ermittlungstätigkeit der Generalbundesanwaltschaft also nicht auf ausländische Befreiungsorganisationen mit Sitz im Ausland.

4. Die Neufassung des 120 GVG und das „PKK“-Verfahren

Am 31.10.86 bringen CDU/CSU und FDP einen Gesetzentwurf zur „Bekämpfung des Terrorismus“ ein (BTDrs. 11/6286). In der Begründung heißt es: „Durch Änderung des Gerichtsverfassungsgesetzes soll die Zuständigkeit der OLGs und des Generalbundesanwalts für die Verfolgung von terroristischen Gewalttaten erweitert werden“ auf „terroristische Vereinigungen“, die „die Sicherheit seiner (der BRD, d.V.) nichtdeutschen Vertragsstaaten“ – also der NATO-Staaten – bedrohen. (Art.2)

In der seit Anfang 1987 gültigen Fassung des 120 GVG, der zusammen mit den 74a und 142a die Verfolgungszuständigkeit des Generalbundesanwalts regelt, heißt es, daß die OLGs zuständig sind „bei Mord (…) und den in 129a Abs.1 Nr.2,3 StGB bezeichneten Straftaten, wenn ein Zusammenhang mit der Tätigkeit einer nicht oder nicht nur im Inland bestehenden Vereinigung besteht, deren Zweck oder Tätigkeit die Begehung von Straftaten dieser Art zum Gegenstand hat, und der Generalbundesanwalt wegen der besonderen Bedeutung des Falls die Verfolgung übernimmt.“

Ende 1987 hat sich der BGH dann erstmals zu der Frage geäußert, wann bei Straftaten von Ausländern in der BRD der Staatsschutz tangiert ist. In seinem Beschluß zur Frage, ob Straftaten der „sog. Militärabteilung der ‚Liberation Tigers of Tamil Eelam‘, Sektion Deutschland“ nach 129 zu verfolgen sind, heißt es: „Nach den bisherigen Erkenntnissen steht die LTTE in einem politischen Gegensatz zu der Regierung der Republik Sri Lanka und ist dort in schwere Kämpfe bürgerkriegsähnlichen Charakters verwickelt. (…) Unterstützt eine solche kriminelle Ausländervereinigung unmittelbar oder mittelbar vom Boden der Bundesrepublik Deutschland aus den bewaffneten Kampf gegen die Regierung eines Staates, so kann dies die außenpolitischen Belange der Bundesrepublik in hohem Maße berühren, namentlich wenn diese mit dem betroffenen Staat diplomatische Beziehungen unterhält. (…) Einer konkreten Gefährlichkeit der Aktionen (…) für die innere oder äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer gegen deren verfassungsmäßige Ordnung gerichteten Zielsetzung bedarf es nicht.“ (Strafverteidiger 8/88, S. 331)

5. Schlußfolgerungen

Durch die Konstruktion sog. selbständig in der BRD arbeitender „terroristischer Teilvereinigungen“ hat die Bundesanwaltschaft die Ermittlungszuständigkeit. Erstmals könnte die Bundesregierung nun eine Auslandsvereinigung, die einen Befreiungskampf führt, in der BRD als „terroristisch“ verfolgen – würde die Anklage zugelassen. Mit dem Gebilde „Teilvereinigungen“ innerhalb einer nach den Prinzipien des demokratischen Zentralismus aufgebauten Partei knüpft sie an die strafrechtliche Verfolgung von KPD-, FDJ- etc. Mitglieder der 50er und 60er Jahre an. Die aus diesen Verfahren bekannten Beweisprobleme hatte Ex-Innenminister Zimmermann sicher im Auge, als er am 27.9.1988 forderte: „Möglich werden muß ferner die Anwendung von Vorschriften des 129 StGB auf ausländische kriminelle Vereinigungen mit Sitz im Ausland.“ (Bulletin der BR, 30.9.1988)

Daß es um mehr geht, nämlich die Sicherheit der „auswärtigen Belange“, einer Generalklausel für die jeweiligen außenpolitischen Interessen der BRD, zeigt sich auch daran, daß im Rahmen dieses Verfahrens auch Maßnahmen wie disziplinarische Verfahren in einem Lager der PKK im Libanon, strafrechtlich verfolgt werden sollen.

6. Politisches Resummee

Die Bedeutung der PKK für die „auswärtigen Belange“ der BRD: Der türkischen Regierung ist es seit dem Militärputsch bis heute nicht gelungen, trotz massiver militärischer Unterdrückung, den kurdischen Befreiungskampf gegen die Kolonialmacht Türkei in Türkisch-Kurdistan zu unterdrücken. Die BRD, wichtigster Handelspartner der Türkei, hat wie auch die EG massive Interessen an der Türkei. Sie ist das Zugangsland zu den Rohstoffquellen des Vorderen und Mittleren Orients. Ein stärkerer politischer Einfluß in der Türkei würde der BRD aber auch der EG ein größeres politisches Gewicht bei der Machtverteilung in dieser Region verschaffen. Die mit diesem Verfahren eingeleitete strafrechtliche Amtshilfe für die türkische Regierung soll die Infrastraktur der PKK in der BRD zerstören und somit die Gesamtpartei schwächen.

* Mitarbeiterin am Fachbereich Germanistik der Universität Hannover

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