Redaktionelle Vorbemerkung

von Otto Diederichs

In den letzten beiden Ausgaben hat sich Bürgerrechte & Polizei/CILIP aus-führlich mit Fragen des polizeilichen Umgangs mit dem wachsenden Rechts-radikalismus/-extremismus sowie mit der Rolle der Polizei im Spannungsfeld der Ausländer- und Asylpolitik beschäftigt. An der dort beschriebenen Situation hat sich in der Zwischenzeit zwar nichts geändert, dennoch müssen wir uns mit dem nun vorliegenden Heft wieder anderen Fragen zuwenden. Außerhalb des jeweiligen Schwerpunktes wird uns das Thema aber auch in den kommenden Ausgaben immer wieder beschäftigen (müssen).

Zum Schwerpunkt:

Nach den umfassenden Strukturreformen in den 70er Jahren steht der deutschen Polizei ggw. unter dem Schlagwort „Polizei 2000“ eine neuerliche Strukturreform ins Haus. Die Notwendigkeit dieses ebenso umfangreichen wie ehrgeizigen Projektes ist weitgehend unstrittig und wurde am 22.5.92 von der Innenministerkonferenz grundsätzlich anerkannt und beschlossen.  Wichtigstes Element dieser Reform ist die Einführung der ‚Zweigeteilten Laufbahn‘ unter Wegfall des mittleren Dienstes als bisherige Einstiegslaufbahn in den Polizeiberuf. Dies erfordert u.a. schon aus beamtenrechtlichen Gründen eine qualifiziertere Ausbildung der künftigen PolizeibeamtInnen. Dies reichte allein schon aus, sich die ggw. Polizeiausbildung einmal etwas genauer anzusehen.

Hinzu kommt jedoch ein weiterer, für die BürgerInnen erheblich bedeutenderer Umstand. Nach jahrelangen Problemen in der Nachwuchswerbung hat sich die Situation nun umgekehrt, und die Polizei konnte bei den BewerberInnen ‚aus dem Vollen schöpfen‘. In sämtlichen Bundesländern sind die Ausbildungsplätze nahezu vollständig besetzt worden. Dieser Zustand wird sich voraussichtlich noch einige Zeit halten, denn, so ein niedersächsischer Polizeisprecher, „wenn es der Wirtschaft schlecht geht, geht es der Polizei gut.“ Bedenkt man dabei auch die innenpolitische Stimmungslage, läßt sich sagen, daß eine Vielzahl der künftigen PolizeischülerInnen einen eher rechtsorientierten Hintergrund haben wird. Während dies in anderen Berufen in erster Linie ein Problem für die KollegInnen werden kann, wird es im Sicherheitsbereich zu einem gesamtgesellschaftlichen, das in hohem Maße im Rahmen der Ausbildung aufgefangen werden müßte.

Darauf angesprochen, erkennen Polizeivertreter das Problem zwar grundsätzlich an, zeigen ansonsten jedoch überwiegend eine erschreckende Naivität beim Umgang mit dem Thema. Auch dies war ein Grund, sich mit der Polizeiausbildung wieder einmal  intensiver zu beschäftigen. Ein wichtiger Aspekt hierbei, die ‚Politische Bildung‘ bei der Polizei, mußte allerdings ausgeklammert bleiben. Einerseits waren aussagekräftige Materialien zu diesem Bereich nicht zu beschaffen und andererseits auch keine AutorInnen zu finden, von denen verwertbare Informationen außerhalb der üblichen Polizeipropaganda zu erwarten gewesen wären. Bürgerrechte & Polizei/CILIP wird sich bemühen, dies in einer der nächsten Ausgaben nachzuholen.

In der nächsten Ausgabe (erscheint Ende März 1994) wird Bürgerrechte & Polizei/CILIP die Frage der Struktur- und Organisationsveränderungen in der deutschen Polizei weiterverfolgen. Als erstes werden wir dabei den Bun-desgrenzschutz, der mit den UNO-Einsätzen in Namibia, Kambodscha und der Westsahara seine ersten Auslandseinsätze hinter sich hat, einmal genauer betrachten.

Otto Diederichs ist Redakteur und Mit-herausgeber von Bürgerrechte & Poli-zei/CILIP