Literatur – Rezensionen und Hinweise

Literatur zum Schwerpunkt

Periodika

Die monatliche Zeitschrift des Bundesgrenzschutzes gehört zu den Schmal-spurerzeugnissen im polizeilichen Blätterwald. Sie veröffentlicht neben seichten Darbietungen über Kontrollerfolge an den Grenzen, Besuchen aus-ländischer Politiker und Polizisten, Polizeisportereignissen u. dgl. vor allem Minister- und Staatssekretärsreden. In der Regel ist nur die Ausgabe wirklich interessant, die den jährlichen Tätigkeitsbericht bringt. Dieser findet sich ebenfalls im BMI-Blatt ‚Innere Sicherheit‘.
Kern der Berichte sind die Grenzkontrollstatistiken. Ebenfalls aufgelistet werden die Zahl der Asylanträge an den Grenzen, die Zwangs- und Bußgelder für Transportgesellschaften, die Personen ohne Visa ins Land bringen, die Zahl der Auslandsaufenthalte zwecks Rückführung von abgeschobenen Flüchtlingen und Instruktion von Flugpersonal, die Ausgaben des BGS und die Personalsituation.
Während im Tätigkeitsbericht die Grenzkontrollstatistiken nur auf recht hoch aggregiertem Niveau präsentiert werden, finden sich in der Grenzpolizeilichen Tätigkeits- und Erfolgsübersicht, herausgegeben von der Grenzschutzdirektion in Koblenz, Tabellen, die einen erheblich genaueren Überblick über die Grenzkontrollen und ihre Wirkungen vermitteln können. Diese Übersichten erscheinen jeweils für das erste Halbjahr und zum Jahresende.

Geschichte und Allgemeines

Werkentin, Falco: Die Restauration der Deutschen Polizei, Frankfurt/ New York (Campus) 1984
zeigt insbesondere die Rolle des BGS in der am Notstand orientierten Poli-zeikonzeption bis Anfang der 70er Jahre; im Anhang ein tabellarischer Über-blick über die Manöver und militärischen Übungen des BGS (und z. T. der Bereitschaftspolizeien) bis 1980.

Dierske, Ludwig: Der Bundesgrenzschutz. Geschichtliche Darstellung seiner Aufgabe und Entwicklung von der Aufstellung bis zum 31. März 1963, Regensburg u.a. (Walhalla u. Praetoria Verlag) 1967
Der ehemalige Freikorps-Mann Dierske war im Bundesinnenministerium für den BGS zuständig. Sehr begriffslos geschriebén, als Quelle aber tauglich.

Walter, Bernd: BGS – Polizei des Bundes, Polizei aktuell Bd. 34, Stuttgart etc. (Boorberg) 1983
Walter – seinerzeit noch Polizeioberrat im BGS, heute Direktor – gehört in der polizeilichen Fachpresse zu den wichtigsten Autoren aus und über den BGS. Das Buch bietet einen offiziösen Überblick über Geschichte, gesetzliche Grundlagen des BGS und die einzelnen Teile seiner Organisation. Eine ernsthafte Auseinandersetzung mit der Rolle dieses Apparats findet nicht statt.

Bundesministerium des Innern (Hg.): Der Bundesgrenzschutz – Die Polizei des Bundes, Bonn 1987
Nützlich sind allenfalls die Organisationspläne sowie die Aufstellung der Personalstärken von 1951-1986.

Gewerkschaft der Polizei: In Sachen Bundesgrenzschutz – Eine Dokumentation, Hilden Mai 1973
Die GdP gehörte lange Zeit zu den schärfsten Kritikerinnen der Militarisierung des BGS. Anläßlich einer gemeinsamen Übung von BGS und US-Streitkräften im Jahre 1964, bei der es zur Mißhandlung von BGS-Angehörigen kam, wird nicht nur die Rolle eines besonders scharfen Ausbilders, sondern generell die innere Situation des BGS beleuchtet.

Radek, Jörg: BGS – nach 40 Jahren auf neuen Pfaden, in: Deutsche Polizei, 1991, H. 6, S. 4-6
Die Titelgeschichte der GdP-Zeitschrift zum 40. Jahrestag der BGS-Gründung zeigt vor allem den Wandel der GdP-Position. Die in der Dokumentation von 1973 eindringlich beschriebenen Phänomene der Militarisierung werden nur noch als Einzelfälle dargestellt. Überhaupt scheint für den Autor die Zwischenlage des BGS zwischen Militär und Polizei, die die GdP jahrelang kritisiert hatte, auf „Mißverständnissen“ und aufgeladenen Emotionen zu beruhen.

BGS-Ost, Neuorganisation und Aufgabenübertragungsgesetz

Aufgabenübertragungsgesetz – Gesetz zur Übertragung der Aufgaben der Bahnpolizei und der Luftsicherheit auf den Bundesgrenzschutz vom 23.1.1992, Bundesgesetzblatt – Teil 1, 1992, S. 178
Die mit der Einsetzung einer Arbeitsgruppe beim BMI 1987 begonnene intern geführte Diskussion um die Ausweitung der Aufgaben und die Neuorganisation des BGS wurde hier abgeschlossen.

Werkentin, Falco: Bundesgrenzschutz im Aufwind – die Okkupation neuer Aufgaben, in: Bürgerrechte & Polizei/ CILIP 38, 1991, H. 1, S. 40-46
Stellt die Diskussion um die ‚Sinnkrise‘ und Zuweisung neuer Aufgaben seit 1987 dar und geht sowohl auf die Vorschläge der BMI-Arbeitsgruppe wie auch auf den Effekt der Vereinigung ein.

BMI (P II 1 – 630 114-3/7): Organisation des Bundesgrenzschutzes – Bericht der vom Bundesminister des Innern eingesetzten Arbeitsgruppe, Bonn, 21.9.1991
Der Bericht schlägt die Verstärkung der einzeldienstlichen Anteile beim BGS vor, u.a. die Übernahme von Luftsicherheits- und Bahnpolizeiaufgaben, die bereits in den neuen Ländern erfolgt war. Zu diesem Zweck sollte auch die Organisation runderneuert und eigenständige „Mittelbehörden“, d.h. die neuen GS-Präsidien, gebildet werden. Im Gegensatz zu den jeweils auf Anforderung der Länder wahrgenommenen truppenpolizeilichen Aufgaben und der Präsenz des Einzeldienstes an der Grenze ergibt dies eine flächendekkende Organisation des BGS.

Franke: Luftsicherheit – auf dem Gebiet der ehemaligen DDR seit dem 3. Oktober Aufgabe des GSE, in: Zeitschrift des BGS 1991, H. 5, S. 11-13 und 32

Walter, Bernd: Die historische Herausforderung – der Aufbau des Bundes-grenzschutzes in den neuen Bundesländern, in: Die Polizei, 1993, H. 4, S. 77-84
Stellt die organisatorischen Schwierigkeiten u.a. bei der Personalüberprüfung und -gewinnung beim Aufbau des BGS-Ost dar.

Runge, Philipp O.: Zur Entstehungsgeschichte und Zielsetzung des Aufga-benübertragungsgesetzes, in: Zeitschrift des BGS, 1992, H. 3-4, Beilage
Runge war Mitglied der BMI-Arbeitsgruppe. Er verdeutlicht, daß das Gesetz nicht in erster Linie Ausfluß der Vereinigung war, sondern an die genannte Arbeitsgruppe anknüpfte. Das Gesetz wurde im Bundestag nicht einmal dis-kutiert. Nur im Bundesrat kündigte NRW eine Verfassungsklage an. Ein ungewöhnlich informativer Beitrag in dieser Zeitschrift. Dies gilt auch für die Ausgabe insgesamt, die u.a. den Organisationserlaß und Beiträge über die zukünftige Organisation in den Untergliederungen des BGS sowie Planungen für die Bahnpolizei und den Bereich der Luftsicherheit enthält.
Zu den neuen Aufgaben Bahnpolizei und Luftsicherheit siehe auch die Beiträge von:

Heesen, D.: Bahnpolizei – eine neue Aufgabe für den Bundesgrenzschutz, in: Die Polizei, 1992, H. 8, S. 194-203
ders.: Luftsicherheit – eine neue Aufgabe des Bundesgrenzschutzes, in: Die Polizei, 1993, H. 5, S. 105-117

Eine weitere Erläuterung der Neuorganisation nimmt der seinerzeitige BMI höchstselbst vor:

Seiters, Rudolf: Neue Aufgaben und neue Organisationen für den BGS, in: Die Polizei, 1992, H. 10, S. 237-239

BGS und Ostgrenze

Neben der Übernahme von Bahnpolizei und Luftsicherheit bewirkte die Kontrolle der Ostgrenze den Bedeutungszuwachs des BGS in der polizeilichen Landschaft der Neu-BRD. Tatsächlich hat der BGS durch die Grenze zu Polen und der Tschechischen Republik zum ersten Mal in seiner Geschichte tatsächlich in größerem Maße Grenzpolizei-Aufgaben zu verrichten.

Diederichs, Otto: Die Sicherung der deutschen Ostgrenze – der Bundesgrenz-schutz vor neuen Aufgaben, in: Bürgerrechte & Polizei/ CILIP 45, 1993, H. 2, S. 24-29

Halt, Adalbert: Stationen einer bitteren Reise, in: Deutsche Polizei, 1993, H. 7, S. 19-27
Bericht einer GdP-Delegationsreise an die Ostgrenze.

Hitz, Fredi: Grenzlagebild – Lageentwicklung und Zusammenarbeit der Si-cherheitsbehörden, in: Die Polizei, 1993, H. 6, S. 148-151

Initiative gegen das Schengener Abkommen (Hg.): Der Domino-Effekt. Materialien zum Export der Politik der Inneren Sicherheit und der Flüchtlingsabwehr nach Osteuropa, Bonn 1993
Enthält u.a. Auszüge aus dem Bundeshaushalt betr. elektronische Grenzsi-cherung, grenzpolizeiliche Unterstützungskräfte u.a.

Schutz von Bundesorganen

Harnischmacher, Robert: Der Schutz von Bundesorganen – wahrgenommen duch die Grenzschutzabteilung (GSA) Bonn II, in: Die Bayerische Polizei, 1986, H. 6, S. 2-4

Semerak, Arved F.: Der Schutz der Bundesorgane durch den Bundesgrenzschutz, in: Die Polizei, 1991, H. 1, S. 10-17
Beide Beiträge sind weitestgehend auf die juristische Seite der Tätigkeit des BGS orientiert.

GSG 9
Trotz der Bedeutung der GSG 9 finden sich kaum Beiträge zu diesem Thema in der Polizeifachpresse, (siehe den Artikel auf S.47)

Tophoven, Rolf: GSG 9. Kommando gegen Terrorismus, Bonn/ Koblenz (Bernhard & Graefe) 1977
Immer noch das ‚Standardwerk‘ zur GSG 9, allerdings auch recht karg an In-formationen.

GSG 9 – Soldaten oder Polizisten, in: Bürgerrechte & Polizei/CILIP 3, 1979, H. 2, S. 9f.

Harnischmacher, Robert: GSG 9 – Profis combat terrorism, in: Police Journal, 1985, No. 4, S. 304-307

Wegener, Ulrich: Eine Spezialtruppe mit Elitestatus (Interview), in: Süd-deutsche Zeitung, 24.8.1986, S. 9

20 Jahre GSG 9 – Ein Spezialverband feiert Jubiläum, in: Zeitschrift des Bundesgrenzuschutzes 1992, H. 11, S. 3-15

Auslandseinsätze des BGS

Die Beiträge zu diesem Thema in den Fachblättern oszillieren zwischen Lo-beshymnen der (un)verantwortlichen Politiker und platten Erlebnisschilderungen der beteiligten Grenzschützer. Reflexion auf die Rolle des BGS als Blauhelmtruppe findet nicht statt:

Lintner, Eduard: UNO-Friedenseinsatz des BGS in Kambodscha beendet, in: Innere Sicherheit, 1993, H. 5, S. 14-16

Dreyer, Bernd: Kambodscha – kein Land für Abenteurer, in. Zeitschrift des BGS, 1993, H. 10, S. 10-12

BGS in Namibia – Erste Schritte in Afrika, in: Zeitschrift des BGS, 1989, H. 10, S. 33f

EDV beim BGS

Die EDV-Ausrüstung des BGS fand in den Fachzeitschriften wenig Aufmerksamkeit. Wer genaueres erfahren will, muß in den Berichten des Bundesda-tenschutzbeauftragten nachschlagen. Die Tätigkeitsberichte des BGS listen jährlich die Zahl der per Terminal oder Telex an INPOL angeschlossenen Grenzübergänge auf und enthalten seit 1990 kurze Hinweise über die Einführung des neuen Grenzterminalsystem beim Grenzschutzeinzeldienst. 1988 wurde der Aufbau eines Bürokommunikationssystems projektiert, das mittlerweile beim GSP West in der Erprobung ist:

Langneff, Bernd: Einführungsverfahren für moderne Informationstechnik beim BGS, in: Polizei-Verkehr-Technik, 1988, H. 9, S. 270-278

Schmalkoke, Erwin: Einzug der Informationstechnik beim Bundesgrenzschutz, in: Polizei-Verkehr-Technik, 1993, H. 4, S. 97-101
(Heiner Busch)

Sonstiges

Gegenüber den derzeit immer neuen Gesetzesvorschlägen zum ‚Kampf gegen‘ nehmen sich die hier vorzustellenden Veröffentlichungen geradezu angenehm antiquiert aus. Die rot-grün regierten Landesregierungen Hessens und Niedersachsens haben jeweils eine Expertenkommission zur Reform von Straf- und Strafprozeßrecht berufen, die im Herbst 1992 ihre Vorschläge präsentierten:

Albrecht, Peter-Alexis u.a.: Strafrecht – ultima ratio. Empfehlungen der niedersächsischen Kommisssion zur Reform des Strafrechts und des Strafver-fahrensrechts, Baden-Baden (Nomos) 1992, 101 S., DM 36,-
ders. u.a.: Rechtsgüterschutz durch Entkriminalisierung. Vorschläge der Hessischen Kommission ‚Kriminalpolitik‘ zur Reform des Strafrechts, Baden-Baden (Nomos) 1992, 133 S., DM 38,-
Wie aufgrund der teilweise personellen Identität beider Kommissionen kaum anders zu erwarten, gehen beide Berichte in dieselbe Richtung, wenn auch unterschiedlich weit. Strafrecht wird als „ultima ratio“ verstanden und seine politische Überfrachtung strikt abgelehnt. Beide Kommissionen fordern eine Entkriminalisierung in den Bereichen des Straßenverkehrsrechts, des Betäu-bungsmittelrechts und der Eigentums- und Bagatelldelikte. Die hessische Kommission setzt sich daneben mit den Versuchen auseinander, das Strafver-fahren durch Abbau von Verfahrensgarantien zu straffen, anstatt die Überla-stung der Justiz durch eine Entkriminalisierung zu beheben. Die Niedersachsen fordern zusätzlich eine Reform des Sexualstrafrechts, eine Herabstufung des Nötigungsparagraphen zum Antragsdelikt, eine Reform der lebenslangen Freiheitsstrafe und eine weitgehende Streichung des politischen Strafprozeß-rechts, wie es in den 70er Jahren eingeführt wurde. Alles in allem werden hier keine revolutionären Vorschläge gemacht, selbst im Bereich des Btm-Rechts geht es um einen vorsichtigen Ausstieg aus der ohnehin undurchsetzbaren Prohibition. Im gegenwärtigen Rahmen der Kriminal- und Sicherheitspolitik sind die Vorschläge nichtsdestoweniger radikal. Da sie im Rahmen der Landespolitik und noch dazu von unabhängigen und daher einflußlosen Kommissionen formuliert wurden, kann kaum mit einer Durchsetzung gerechnet werden.

Kampmeyer, Eva/ Neumeyer, Jürgen (Hg.): Innere Unsicherheit. Eine kritische Bestandsaufnahme, München (AG SPAK) 1993, 211 S., DM 24,80
Die Beiträge in diesem Band sind von einer ähnlichen Perspektive bestimmt. In mehreren Aufsätzen (Cremer-Schäfer, Reuband, Lehne) wird die Umdefinition gesellschaftlicher zu Kriminalitätsproblemen kritisiert und damit zu-sammenhängend die These von der wachsenden Kriminalität hinterfragt. Seifert, Hassemer und Bachmaier warnen davor, den „Lauschangriff zu führen“. Den HerausgeberInnen muß bescheinigt werden, daß sie mit ihrem Band alle wesentlichen aktuellen Fragen der Politik Innerer Sicherheit aufgegriffen ha-ben. Dazu gehört auch die Frage der ‚Organisierten Kriminalität‘. Während Manns einen kurzen Abriß der OK-Diskussion und der Geschichte des OrgKG von 1992 gibt und Hess die allfälligen Warnungen vor der Mafia mit der Realität des „desorganisierten Verbrechens“ konfrontiert, werden von Raith leider erneut acht Seiten für den x-ten Aufguß seiner Horrorszenarien über die Mafia und ihren Export nach Deutschland vergeudet. Schade.
(Heiner Busch)

‚Organisierte Kriminalität‘

Kaiser, Günther: Kriminologie, 9. Aufl., Heidelberg (UTB) 1993
Kerner, Hans-Jürgen: Kleines Kriminologisches Wörterbuch, 3. Aufl., Heidelberg (UTB) 1993
Schwind, Hans-Dieter: Kriminologie, 5. Aufl., Heidelberg (Kriminalistik Verlag) 1993
Schneider, Hans Joachim: Einführung in die Kriminologie, 3. Aufl., Berlin/ New York (de Gruyter) 1993

Lehrbücher und Fachlexika sollen den Stand einer Wissenschaftsdisziplin do-kumentieren. Von kriminologischen Darstellungen werden Aufschlüsse über aktuelle kriminalpolitische Themen erwartet. Die ‚OK‘-Debatte stellt eines der prominentesten dieser Themen dar. Die 1993 in Neuauflage erschienenen kriminologischen Lehrbücher zeigen jedoch: Diese in Deutschland nach wie vor überwiegend als Anhängsel der Strafrechtsausbildung betriebene Disziplin übt sich hier weiterhin in Abstinenz, sie überläßt das Feld polizeilichen und journalistischen Alltagstheorien.
Die Quintessenz der genannten Publikationen lautet: ‚OK‘ ist ein prgmatisches, polizeilichen Bedürfnissen entsprechendes Konzept (Kaiser), dessen begriffliche Schärfe an der Vielfalt der Erscheinungen leidet (Kaiser, Schwind), die am ehesten mit einer Reihe von Indikatoren zu erfassen sind (Kaiser, Schwind, Schneider). Gleichwohl soll das aus den USA übernommene (Kaiser, Kerner) ‚OK‘-Konzept heuristischen Wert haben (Schneider). Die vorliegenden Versuche lassen daran zweifeln.
Kaiser entwirft das Bild von „gewinnorientierten solidarischen Interessenge-meinschaften“, die sich durch Verwendung moderner Technik, Mobilität und Internationalität auszeichnen und sich von traditioneller Gruppenkriminalität dadurch unterscheiden, daß der Kunde die Tat bestimmt. Sowohl straff geführte Organisationen wie lockere Straftäterverflechtungen hält er für typisch, obgleich er verfestigte Strukturen als Abgrenzungskriterium gegenüber Banden verwendet.
Schwind übernimmt Kaisers Konzeption, dokumentiert jedoch gleichzeitig unkritisch die polizeiliche OK-Definition. Bei Schwind findet sich das klassi-sche Verständnis des organisierten Verbrechens als von Sizilien nach Amerika exportierte Erscheinung, die nun auch in Deutschland ihre Stützpunkte bilde. Die breite Kritik an dieser „alien conspiracy“-Theorie bleibt unberück-sichtigt. Bei der Beschreibung der Situation in Deutschland arbeitet Schwind nach dem gängigen Muster, bestimmte Kriminalitätsbereiche als Inbegriff von OK zu behandeln, gleichzeitig das ‚organisierte Verbrechen‘ als dunkle Macht hinter diesen Delikten darzustellen.
Schneider stützt seine Abhandlung auf eine breite Literaturauswertung, ins-besondere amerikanischer Autoren. Für ihn ist das Konzept ‚organisiertes Verbrechen‘ ein Idealtyp. Tatsächlich sei von einem Kontinuum der Organi-siertheit, von gesellschaftlichen Lernprozessen von Berufsverbrechern auszu-gehen, die durch subkulturelle Normen auf Dauer miteinander verbunden sind. Wenn sich Schneider jedoch dem deuschen Lagebild zuwendet, taucht die Frage auf, inwieweit (illegale) Geschäftsbeziehungen noch mit dem Konzept einer ggf. nur „geringorganisierten“ Gruppe sinnvoll erfaßt werden können. Nicht einleuchtend ist, wenn er z.B. von der internationalen Verbreitung gestohlener Waren auf die Urheberschaft „internationaler Verbrecherorganisationen“ schließt.
Allein Kerner stellt das durch Al Capone-Klischees geprägte Verständnis von „organized crime“ in Frage. Er betont stärker als andere die Erklärung von OK als Angebot von illegalen Gütern und Dienstleistungen. Er kommt zu dem Schluß, das Modell einer „militärisch organisierten Gewaltorganisation“ sei nicht erforderlich, um ein „betriebswirtschaftlich straff organisiertes System örtlicher Niederlassungen, das durch ein Netzwerk informeller Bekanntschaften und persönlicher Geschäftsbeziehungen kanalisiert wird“, zu begreifen.
(Klaus von Lampe, Dipl.-Pol. und  Rechtsanwalt in Berlin, promoviert zum Thema ‚OK‘)

Sonstige Neuerscheinungen

Gallwas, Hans-Ullrich: Polizei und Bürger. Rechtsfragen zu polizeilichem Handeln, München (Beck-Rechtberater im DTV) 1993, 149 S., DM 9,90
Verglichen mit den diversen Beratungsbroschüren, die in der Linken seit ge-raumer Zeit kursieren, ist das vorliegende Buch von geringem Wert. Wer wissen will, wie man sich z.B. bei einer Festnahme zu verhalten hat, benötigt nicht in erster Linie eine Darstellung über die verschiedenen rechtlichen Formen der Freiheitsentziehung oder -beschränkung, sondern klare auf die Situation zugeschnittene Rezepte. Daß der Autor den fundamentalen Hinweis vergißt, daß bei Festnahmen nur Angaben zur Person, aber nicht zur Sache gemacht werden müssen, zeigt den geringen praktischen Wert dieses Bandes.
(Heiner Busch)

Murck, Manfred; Schmalzl, Hans Peter; Zimmermann, Hans-Martin (Hg.): Immer dazwischen: Fremdenfeindliche Gewalt und die Rolle der Polizei. Hilden (Verlag Deutsche Polizeiliteratur) 1993, 256 S., DM 32,-
Der Titel des Buches macht neugierig, er läßt auf eine Diskussion über die Rolle der Polizei in der Auseinandersetzung mit fremdenfeindlicher Gewalt hoffen. Klärungsbedarf gibt es zuhauf – vom zögerlichen Einsatz gegen rassi-stische Gewalt (siehe Rostock) über den Vorwurf der Blindheit auf dem rechten Auge und rechtsextremistischen Strömungen innerhalb der Polizei bis hin zum polizeilichen Auftreten bei Konfrontationen zwischen rechten Veranstaltungen und linken Gegendemonstranten.
Ist ‚immer dazwischen‘ dort, wo sich die Polizei gerne verortet: in der neu-tralen Vermittlerposition in gesellschaftlichen Konflikten, quasi über den po-litischen Dingen stehend, wie die Herausgeber im Einführungsaufsatz wünschen? (S. 36) Statt hierauf einzugehen, präsentiert der größte Teil des Buches sozialwissenschaftliche Erklärungsansätze von Fremdenfeindlichkeit in der Bevölkerung, von rechtsradikalem Protestpotential und seinen gesell-schaftspolitischen Einschätzungen. Also Themen, die man auch in vielen anderen Veröffentlichungen finden kann. Zum anderen werden polizeiliche Strategien und operative Taktiken gegen fremdenfeindliche Kriminalität präsentiert.
Neben Sozialwissenschaftlern, Verfassungschützern und Polizisten kommen auch Ignatz Bubis (Zentralrat der Juden in Deutschland) und Herbert Leuninger (‚Pro Asyl‘) zu Wort. Leuninger benennt dabei eines der Dilemmata: „Beamte schützen nachts Flüchtlinge vor Übergriffen, die am nächsten Morgen um 5.30 Uhr von den Kollegen zur Abschiebung festgenommen werden“ (S. 202).
(Martin Winter, Sozialwissenschaftler in Halle)

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