Redaktionelle Vorbemerkung

von Otto Diederichs

Das vor uns liegende ‚Superwahljahr‘ wird – das haben alle etablierten Par-teien bereits verkündet – ganz im Zeichen der Inneren Sicherheit stehen. Mit ihrem ‚Sicherheitspaket 94‘, das in der letzten Februarwoche in den Bundestag eingebracht worden ist, hat die Bundesregierung den Reigen endgültig eröffnet. Noch mehr als sonst üblich, muß man somit darauf gefaßt sein, daß mit Blick auf die Wahlurnen in erster Linie Populismus betrieben wird: Im Sicherheitsbereich heißt dies, daß kommende Entscheidungen und Gesetzes-initiativen zwar nicht an den eigentlichen Problemen orientiert – dafür aber publikums- und medienwirksam präsentiert werden. Für Bedenken bleibt da keine Zeit; auf der Strecke bleiben hierbei erfahrungsgemäß die Bürgerrechte. Beispiele hierfür sind die geplanten Regelungen zum ‚Großen Lauschangriff‘, zum ‚erweiterten Vermögensverfall‘, der vorgesehene Einsatz der Geheimdienste im Rahmen polizeilicher Aufgaben und nicht zuletzt der Entwurf für ein neues Bundesgrenzschutzgesetz (BGSG).

Zum Schwerpunkt:

Im Mai 1951 rückten die ersten 1.800 Mann des neu aufgestellten Bundes-grenzschutzes (BGS) in die Unterkunft St. Hubertus in Schleswig-Holstein ein. Zunächst in Ermangelung eines eigenen bundesdeutschen Heeres als pa-ramilitärische Truppe konzipiert, wandelten sich die Aufgaben des BGS im Laufe der Jahre über den Weg einer jederzeit einsatzbereiten truppenpolizeilichen Eingreifreserve im Inneren immer mehr hin zu einer auf breiter Linie eingesetzten Bundespolizei. An der militaristischen Prägung hat sich dadurch allerdings nur sehr wenig geändert. Bürgerrechte & Polizei/CILIP hat sich bemüht, möglichst facettenreich die Veränderungen und Aufgabenzuwächse des BGS zusammenzutragen und aufzubereiten. Dabei kamen auch einige Dinge zum Vorschein (z.B. die Funkaufklärung für Verfassungsschutz und Bundesnachrichtendienst ; siehe S. 26), die der Öffentlichkeit in dieser Form bisher noch nicht bekannt waren und auf die man künftig wohl mehr achten muß.

Mit dem Bundesgrenzschutz zu beginnen, schien um so nötiger, als die Bun-desregierung – ohne damit allerdings bisher größere Aufmerksamkeit zu erregen – mit der Gesetzesnovelle zu einem neuen BGSG einen Entwurf vorgelegt hat, der es in sich hat. Nach dem ‚Gesetz zur Übertragung der Bahnpolizei und der Luftsicherheit auf den Bundesgrenzschutz’vom 23.1.92 und den damit einhergehenden Strukturveränderungen soll nun der Umbau des Bundes-grenzschutzes vollendet werden. Sofern die im Jahr 1992 von der Landesre-gierung Nordrhein-Westfalens eingebrachte, jedoch noch nicht entschiedene Verfassungsklage gegen die Aufgabenausweitung des BGS auf Bahn- und Luftsicherheit  nicht noch entscheidendes zu verändern vermag, müßte der Bundesgrenzschutz nach der Verabschiedung des neuen BGSG-Entwurfs kon-sequenterweise endgültig in Bundespolizei umbenannt werden. Der alte Traum, den der einstige Bundeskanzler Konrad Adenauer (CDU) mit der Aufstellung des BGS verband, hätte sich damit dann erfüllt.

In seiner nächsten Ausgabe (erscheint Ende Juli) nimmt Bürgerrechte & Po-lizei/CILIP das ‚Superwahljahr‘ zum Anlaß, die Politik Innerer Sicherheit in der neuen Bundesrepublik in breiterer Form unter die Lupe zu nehmen. Der Schwerpunkt des nächsten Heftes wird sich somit den Akteuren und Initiativen der (inneren) Sicherheitspolitik, den diversen Gesetzesvorhaben auf diesem Gebiet sowie den entsprechenden Programmen und Kampagnen der Parteien widmen.

Otto Diederichs ist Redakteur und Mit-herausgeber von Bürgerrechte & Poli-zei/CILIP