Das ‚Bürgerkommitee 15. Januar‘ e.V. – Verein zur Aufarbeitung der Stasi-Vergangenheit

von Uwe Boche

Das Bürgerkomitee 15. Januar e.V. ist ein gemeinnütziger Verein mit etwa 40 Mitgliedern. Er wurde Anfang 1991 gegründet und ist aus dem ‚Bürgerkomitee Normannenstraße‘, der ‚Arbeitsgruppe Sicherheit des Zentralen Runden Tisches‘ der DDR und ihrer Operativen Gruppe sowie verschiedenen anderen Bürgerrechtlern und Sympathisanten hervorgegangen. Der Name ’15. Januar‘ verweist dabei auf jenen Tag im Jahre 1990, an dem die Bürger und Bürgerinnen der damaligen DDR die Tore der Zentrale des ‚Ministeriums für Staatssicherheit‘ (MfS) – kurz Stasi genannt – in der Berliner Normannenstraße öffneten. Der Verein ist mit dem Ziel angetreten, den Machtmißbrauch durch die ehemalige Staatspartei SED und die sie stützenden Organisationen, insbesondere die Stasi, aufzudecken und einen Beitrag zur Aufarbeitung der DDR-Geschichte zu leisten.

Mit der Besetzung eines Gebäudes in der Normannenstraße im September 1990, begleitet von einem Hungerstreik, hatten die Gründungsmitglieder des Bürgerkomitees, die während der Wendezeit aktiv an der Auflösung der Stasi beteiligt waren, – zusammen mit anderen – seinerzeit eine Schließung der Stasi-Archive verhindert.
Sehr schnell wurde den Komitee-Mitgliedern klar, daß es bei dem Umfang der anfallenden Arbeit nicht möglich sein würde, dem selbstgewählten Anspruch allein mit ehrenamtlicher Arbeit gerecht zu werden. Deshalb startete das Bürgerkomitee im September 1991 ein Projekt, das auf der Basis des Ar-beitsförderungsgesetzes finanziert wurde. Nach verschiedenen Umstrukturie-rungen und einer Reduzierung der Mitarbeiterzahl läuft dieses modifizierte Projekt noch heute. Die wichtigsten Resultate der bisherigen Arbeit sind der Aufbau eines Dokumentationszentrums, die Herausgabe der Zeitschrift ‚Horch und Guck‘ und die Durchführung von Veranstaltungen.

Das Dokumentationszentrum

Das Dokumentationszentrum versteht sich dabei als eine erste Anlauf- und Beratungsstelle für alle Menschen, Initiativen oder Institutionen, die in ir-gendeiner Form etwas mit politisch-historischer Bildungsarbeit zu tun haben; aber auch für Leute, die für das Verständnis ihrer eigenen Biographie be-stimmte Dinge oder Zusammenhänge klären möchte. Für diese Interessenten besteht die Möglichkeit, sich in einer umfangreichen Dokumentensammlung vor allem zu dem Thema Stasi, deren Struktur, Arbeitsweise und Auflösung zu informieren. Möglichst umfassend werden außerdem alle anderen Materialien zur Macht- und Repressionsausübung in der ehemaligen DDR in die Sammlung eingearbeitet. Dem Dokumentationszentrum sind weiterhin eine Bibliothek mit weit über 1.000 Büchern, eine Videodokumentation mit über 850 Fernsehsendungen und eine Zeitungs- und Zeitschriftendokumentation mit über 20.000 Artikeln angegliedert. Die letztgenannten Teile des Doku-mentationszentrums gehen in ihrer Thematik über die Stasi und die DDR hinaus: Geheimdienste im allgemeinen sowie in der Bundesrepublik im besonderen, Rechts- und Linksextremismus sowie Macht-, Herrschafts- und Gewaltentstehung in der Gesellschaft sind einige der Stichworte, zu denen archiviert wird.
Sämtliche Unterlagen und Materialien sind nach einem Thesaurus von ca. 1.150 Stichworten geordnet, der einen schnellen Zugriff ermöglicht. Bei der Benutzung des Dokumentationszentrums steht den Besucher und Besucherinnen immer auch ein/e MitarbeiterIn für Fragen zur Verfügung.

Die Zeitschrift

‚Horch und Guck‘ ist die historisch-literarische Zeitschrift des Bürgerkomi-tees. Erstmals herausgegeben im Mai 1992, sind bisher insgesamt 14 Hefte erschienen. Das Hauptaugenmerk liegt natürlich auch hier bei den bereits ge-nannten Themen. Weitere Schwerpunkte sind die kritische Begleitung der Bürgerbewegungen und der ehemaligen DDR-Opposition bei ihren politischen Bemühungen im vereinten Deutschland sowie die Zusammenarbeit mit Gesellschaften und Initiativen in osteuropäischen Ländern, die sich ebenfalls mit der jüngsten Vergangenheit auseinandersetzen.

Ein besonderes Anliegen der Redaktion ist es, eine Zeitschrift zu machen, die neben den wissenschaftlichen Texten auch eine Vielzahl von literarischen, kulturellen, humoristischen und satirischen Beiträgen veröffentlicht, damit die Lektüre nicht zu ‚trocken‘ wird. Auch wenn die meisten Beiträge eigens für ‚Horch und Guck‘ geschrieben werden, wird auf den Nachdruck wichtiger Artikel anderer Zeitschriften nicht verzichtet. Für die nächsten Hefte sind zudem Sonderseiten geplant, die im Rahmen der Jugendbildungsaktivitäten des Bürgerkomitees gemeinsam mit den Jugendlichen entstehen sollen.

Der Club

Das ‚jüngste Kind‘ des Bürgerkomitees ist der Club ‚Die Akte‘. Nachdem in den vergangenen Jahren Veranstaltungen nur sporadisch durchgeführt werden konnten, ist es jetzt gelungen, diesen Mangel zu beheben. Hauptsächlich ist der Club in Zusammenarbeit mit Schulen, Freizeiteinrichtungen und Jugendklubs in der außerschulischen Jugendbildung tätig. Im Club oder, soweit nötig oder gewünscht, auch in größeren Räumen werden Vorträge, Lesungen, Diskussionen u.ä. zu den unterschiedlichsten Themen angeboten. Dieses Angebot gilt auch für Erwachsene, für die (in Zusammenarbeit mit der Landeszentrale für Politische Bildung) Abendveranstaltungen entweder im Club oder – vor größerem Publikum – außerhalb unseres Hauses stattfinden.

Mit seinen Aktivitäten verfolgt das Bürgerkomitee Ziele wie die Förderung des Demokratieverständnisses und eines gewaltfreien Zusammenlebens von Menschen verschiedener Herkunft und unterschiedlicher Auffassungen sowie die Förderung des sozialen Engagements der Jugendlichen. Dazu gehört nach Auffassung der Vereinsmitglieder auch, auf die Abschaffung aller Geheimdienste, die prinzipiell als antidemokratisch betrachtet werden, hinzuwirken. So schließt das Statut des Bürgerkomitees denn auch jede Zusammenarbeit mit Geheimdiensten der unterschiedlichsten Couleur aus und verwehrt konsequent allen offiziellen und inoffiziellen MitarbeiterInnen gewesener und be-stehender Dienste die Mitgliedschaft.

Uwe Boche ist Mitglied des Bürgerkomitees 15. Januar e.V. und Mitarbeiter der Zeitschrift ‚Horch und Guck‘.
Bürgerkomitee 15. Januar e.V., Seelower Straße 14, 10439 Berlin