von Otto Diederichs
Daß die Bekämpfung von Umweltkriminalität eine polizeiliche Aufgabe ist, wird heute von kaum jemandem noch angezweifelt. Die Polizei selbst beschäftigt sich seit rund 15 Jahren mit der Verfolgung von Umweltdelikten. Zunächst waren es allerdings nahezu ausschließlich die Beamten der Wasserschutzpolizei (WSP), die sich – traditionell – mit Fragen der Gewässerverunreinigung beschäftigten. 1972 wurde an der Wasserschutzpolizeischule in Hamburg dann der erste Lehrgang für Umwelt- und Gefahrgutspezialisten durchgeführt, und 1975 hielt die Polizei-Führungsakademie (PFA) in Hiltrup ihr erstes umweltschutzbezogenes Seminar ‚Maßnahmen der Polizei zur Aufrechterhaltung des Gewässerschutzes, der Abfallbeseitigung und des Naturschutzes‘ ab.
Der Ausgangspunkt für die Befassung mit Gewässerverschmutzungen gründet bei der Wasserschutzpolizei indes nicht in einem frühen umweltschützerischen Bewußtsein, sondern ist in erster Linie die Folge von Schiffsunfällen. Auf dem Rhein z.B., der größten und wichtigsten deutschen Wasserstraße, kam es im Jahre 1964 zu insgesamt 1.115 Havarien, bei denen häufig auch größere Mengen von Treibstoffen freigesetzt wurden.
Die Anfänge polizeilicher Bekämpfung von Umweltdelikten
Neben einer Änderung der Rheinschiffahrtsordnung, die feste Regeln für den Schiffsverkehr einführte, wurde 1972 schließlich bei der nordrhein-westfälischen Wasserschutzpolizei (WSP) eine ‚Ermittlungsgruppe Gewässerschutz‘ gegründet, die sich zudem künftig auch um die sog. „Landeinleiter“ der großen mittelrheinischen Industriegebiete kümmern sollte. Zusätzlich wurden ab Anfang 1972 über dem Rhein regelmäßig Kontrollflüge mit Polizeihubschraubern durchgeführt. Bis zur Hochzeit der Diskussionen um die polizeiliche Verfolgung von Umweltdelikten während der Mitte der 80er Jahre, blieb das aus der WSP-Ermittlungsgruppe hervorgegangene Kriminalkommissariat ‚Umwelt- und Gewässerschutz‘ allerdings das einzige derartige Fachkommissariat in Nordrhein-Westfalen.
In den übrigen Bundesländern war die Situation nicht sehr viel anders. In den meisten Flächenstaaten waren für die Bearbeitung von Umweltdelikten je nach Fallgestaltung die örtliche Kriminalpolizei, die Schutzpolizei, die Wasserschutzpolizei – oder in Baden-Württemberg der Wirtschaftskontrolldienst zuständig.
Im Dezember 1973 erhob die ‚AG Kripo‘ der Innenministerkonferenz (IMK) erstmals die Forderung nach einem zentralen Meldedienst für Umweltdelikte. Rund eineinhalb Jahre später übernahm der AK II der IMK, zuständig für die ‚Öffentliche Sicherheit und Ordnung‘, die Anregung seiner Arbeitsgruppe und empfahl den Innenministern die Einrichtung eines derartigen Meldeverfahrens. Lediglich sieben der damals noch elf Bundesländer hielten einen solchen Meldedienst jedoch für sinnvoll und erklärten sich bereit, dieser Empfehlung zu folgen. (Anfang 1981 weitete eine beim Landeskriminalamt (LKA) Baden-Württemberg bestehende Arbeitsgruppe ‚Informationsaustausch radioaktiver Stoffe‘ die Forderung nach einem einheitlichen Meldeverfahren auch auf radioaktive Stoffe aus).
Zu diesem Zeitpunkt besaß Baden-Württemberg das insgesamt am weitesten fortgeschrittene Konzept. Bereits seit 1975 bestand beim dortigen Landeskriminalamt ein ‚Mobiles Umweltschutzkommando‘ (MUK). Die Hauptaufgabe dieser aus Kriminalbeamten, Technikern des ‚Kriminalistischen Institutes‘ sowie externen Wissenschaftlern zusammengesetzten Spezialeinheit, die – von Fall zu Fall zusammengestellt und der Inspektion Wirtschaftskriminalität zugeordnet wurde – bestand darin, vor Ort fachkundige Voruntersuchungen durchzuführen und möglichst beweissichere Proben zu entnehmen. (Daneben unterhielt das Landesamt für Umweltschutz zudem eine eigene Spezialgruppe, die ‚Mobile Abfall- und Wasser-Einsatzgruppe‘ (MAWEG), die verdächtige Abfallablagerungen überprüfen und bei Giftunfällen die Behörden zu unterstützen hatte.)
Die Veränderungen in den 80er Jahren
Zwar hatte ein Teil der Bundesländer, der IMK-Empfehlung folgend, in der zweiten Hälfte der 70er Jahre einen Meldedienst für Umweltstraftaten eingeführt, der durch eine zentrale Erfassung bestimmter Delikte beim Landeskriminalamt Tatzusammenhänge und Täterhinweise erkennen sollte, andere hingegen folgten diesem Schritt mit jahrelanger Verzögerung. Hessen beispielsweise richtete erst mit zehnjähriger Verspätung Ende 1986 seinen ‚Meldedienst Umweltdelikte‘ beim Landeskriminalamt ein.
Erst mit der Intensivierung der Umweltschutzdiskussion in der ersten Hälfte der 80er Jahre änderte sich auch die polizeiliche Bekämpfung von Umweltdelikten. An der Polizei-Führungsakademie wurden in den Jahren 1981 bis 1983 mehrere spezielle Umweltseminare durchgeführt. Darüber hinaus organisierten die Bundesländer eigene Aus- und Fortbildungsseminare für ihre Beamten.
Im August 1982 wurde schließlich auch der Bundesgrenzschutz (BGS) in den polizeilichen Umweltschutz einbezogen. Mit einem Patrouillenboot auf der Nordsee (dem 1983 ein weiteres Boot folgte) und unterstützt durch eigene Hubschrauber und den Wasserzolldienst übernahm der BGS dabei die Überwachungsaufgaben auf hoher See, während der Zoll für den Küstenbereich zuständig wurde. Im Verbund mit der Wasser- und Schiffahrtsverwaltung und den Wasserschutzpolizeien der übrigen Nordsee-Anrainerstaaten galt die Aufmerksamkeit hauptsächlich illegalen Einleitungen von Öl und dem nichtgenehmigten Fang von Plattfischen in Küstennähe. Koordiniert wurden die Einsätze von einem ‚Zentralen Meldekopf‘ in Cuxhaven, der die anfallenden Erkenntnisse auswertete und weitere Maßnahmen, etwa die Kontrolle von verdächtigen Schiffen beim Einlaufen in deutsche Häfen, veranlaßte.
Im April 1984 stellte der ‚Bund Deutscher Kriminalbeamter‘ als erster eine eigene umfassende Konzeption zur Bekämpfung von Umweltkriminalität vor. Im Oktober des gleichen Jahres kündigte der Kreis Unna (Nordrhein-Westfalen) an, „in Kürze“ eine eigene Umweltpolizei einzurichten. Als erster Schritt sollten hierzu, in Zusammenarbeit mit dem Umweltamt des Kreises, alle im Außendienst tätigen Beamten mit den Umweltschutzgesetzen vertraut gemacht werden. Im November 1984 folgte das hessische Innenministerium mit einem ersten aufeinander abgestimmten Programm. Ziel dieses Programmes war es, 1985 mit dem Aufbau einer „Umwelt-Kripo“ die bisherigen polizeilichen Aktivitäten zusammenzuführen. Vorgesehen war u.a. der (personelle) Ausbau der seit 1974 bestehenden zentralen Stelle ‚Umwelt‘ beim Landeskriminalamt und der Spezialdienststelle ‚Umwelt‘ beim Regierungspräsidenten in Darmstadt sowie die Einrichtung einer weiteren Spezialdienststelle beim Frankfurter Polizeipräsidium. Zwar wurden im Haushalt für das Jahr 1985 tatsächlich 30 Planstellen geschaffen, die weitere organisatorische Umsetzung zog sich dann allerdings hin, so daß das Frankfurter Umweltkommissariat z.B. erst im Februar 1986 tatsächlich eingerichtet wurde.
Ebenfalls im November 1984 lieferte das Land Niedersachsen an alle niedersächsischen Polizeiabschnitte sog. „Wasser- und Abfallprobenkoffer“ aus, 1985 sollten auch die einzelnen Reviere ausgerüstet werden. Die ca. 6.000 DM teuren Koffer enthielten „vom Allesschneider über das Bandmaß, die explosionsgeschützte Stablampe, den Klappspaten und die Einweghandschuhe bis hin zum Prüfsatz für Sauerstoffgehalt, Schöpfgeräten, Müllsäcken, Sicherheitsgurten zum Abseilen und mehreren Zangen (…) alles, was die Exekutive zum Erst-Einsatz benötigt“. Darüber hinaus sollten in Niedersachsen künftig verstärkt auch Beamte der Bereitschaftspolizei mit zur Verfolgung von Umweltdelikten eingesetzt werden und auf Streifengängen in „Wald-, Ausflugs-, Naturschutz- und Gewässerschutzgebieten auf wildes Parken, offenes Feuer, Abfallbeseitigung, Gewässerverunreinigungen, Lärmverursachung, Pflanzen- und Artenschutz achten“.
1986 hatte schließlich auch Bremen seine polizeiliche Konzeption fertiggestellt, um durch eine Reihe personeller und organisatorischer Maßnahmen, „besser als bisher repressiv und präventiv gegen Umweltdelikte vorzugehen“.
Bayern wandelte seine bestehende ‚Arbeitsgruppe Umweltschutz‘ Mitte 1987 in ein eigenes ‚Sachgebiet Umweltdelikte‘ beim LKA um.
Ebenfalls seit 1986 sind auch bei den Staatsanwaltschaften bundesweit Umweltdezernenten angesiedelt. In einzelnen Ballungszentren, z.B. in Berlin, Hamburg und Frankfurt/M., wurden eigene Umweltabteilungen mit mehreren SachbearbeiterInnen eingerichtet.
Auf eine weitere Konzentration, etwa in Form von Schwerpunktstaatsanwaltschaften, wurde hingegen verzichtet, um die Tatortnähe zu gewährleisten, und auch bei den kriminalpolizeilichen Sonderdezernaten war die Zuständigkeit für Umweltstraftaten meist mit anderen Aufgaben gekoppelt.
Als zentrales Element der Strafverfolgung im Umweltbereich kann somit der ‚Umweltkoffer‘ gelten, der – nach niedersächsischen Vorbild – auch bei anderen Polizeien eingeführt worden war und in der Öffentlichkeit zum Symbol polizeilichen Engagements stilisiert wurde. In allererster Linie ging die (Schutz-)Polizei mit diesem Ermittlungsinstrument jedoch auf ‚Bauernfang‘. Sehr viel anderes als z.B. Güllekonzentrationen u.ä. in Bächen nachzuweisen, war damit auch kaum möglich.
Polizeiliche Bekämpfung von Umweltkriminalität in der 90ern
Eigene Dezernate, Sachgebiete und Referate, Umweltschutztrupps u.ä. bestehen unterdessen bei allen Polizeien in der Bundesrepublik, vom Bundeskriminalamt über die Landeskriminalämter bis hinunter zu einzelnen Polizeiinspektionen. Seit etwa 1991/92 auch bei den Polizeien in den neuen Bundesländern.
Die Hamburger Wasserschutzpolizei und das Referat Umweltkriminalität des Berliner Landeskriminalamt (LKA 32) gelten als die erfolgreichsten. Dies ist zum einen darauf zurückzuführen, daß beide für einen regional begrenzten und damit überschaubaren Bereich zuständig sind. Andererseits gehört auch in diesem polizeilichen Bereich ‚Klappern zum Handwerk‘- und dies versteht man in Hamburg und Berlin offenbar am besten.
Die Debatte um eine polizeiliche Bekämpfung von Umweltstraftaten hingegen ist sowohl aus der öffentlichen wie auch der fachinternen Diskussion weitgehend wieder verschwunden und anderen Themen gewichen. Im polizeilichen Alltagsgeschäft werden Umweltreferate routinemäßig eingerichtet oder verstärkt, wenn ein Vorfall über den lokalen Bereich hinaus kurzfristig für Aufmerksamkeit sorgt. Gleiches gilt für den Einsatz von hochwertiger Technik, ohne daß aus solchen Schritten jedoch größere tatsächliche Veränderungen entstünden.
Registrierte Umweltdelikte in den Bundesländern 1996-1990
Bundesland 1996 1995 1994 1993 1992 1991 1990
Baden-Württemberg 1.377 1.248 1.187 1.151 1.264 1.360 1.582
Bayern 1.660 1.843 1.635 1.707 1.689 1.831 1.850
Berlin 2.465 3.020 2.397 2.320 2.353 1.689 1.039
Brandenburg 748 807 1.063 690 387 112 —–
Bremen 163 134 198 139 170 191 176
Hamburg 1.517 1.389 1.401 1.868 1.685 1.945 1.647
Hessen 2.736 3.257 2.280 2.589 2.255 2.342 2.384
Mecklenburg-Vorpommern 1.703 1.806 1.810 1.593 519 89 —–
Niedersachsen 5.281 5.848 4.274 4.197 4.249 4.017 3.849
Nordrhein-Westphalen 5.337 5.013 5.458 5.375 5.348 5.164 4.829
Rheinland-Pfalz 3.034 3.438 2.664 1.909 1.706 1.838 1.687
Saarland 329 769 353 412 256 303 359
Sachsen 1.047 1.152 932 430 181 59 —–
Sachsen-Anhalt 3.916 4.892 2.666 2.079 1.058 221 —–
Schleswig-Holstein 3.787 4.021 3.058 2.661 2.412 2.522 2.010
Thüringen 672 875 706 612 350 134 —–
39.641 35.643 32.082 29.732 23.387 23.2.2 21.412
Die PKS für 1990 gibt noch keine Zahlen für die neuen Bundesländer an; die Zahlen für Berlin umfassen nur den Westteil
Daß auch der Einsatz leistungsstarker Technik nur von sehr bedingtem Nutzen ist, läßt sich am besten an der Tankerüberwachung auf Nord- und Ostsee demonstrieren. So setzt etwa der Bundesgrenzschutz, zusätzlich zu dem bestehenden Fahndungssystem, dessen Aufbau rund 250 Mio. DM gekostet hat, seit dem Sommer 1997 das neuentwickelte Luftüberwachungssystem ‚Medusa‘ ein, mit dem über verschiedenartige Sensoren Chemikalien, Ölen und anderen Schmierstoffen ein eigener ‚Fingerabdruck‘ zugeordnet werden kann. Auf den ersten Blick könnte man also durchaus auf eine gute Beweissituation schließen. Dennoch stellt der Staatsanwalt für Umweltstrafrecht am Hamburger Landgericht, Peter Eschenburg, hierzu fest: „Wir müssen einem Täter mit der erforderlichen Sicherheit nachweisen, daß er die Ölverunreinigung schuldhaft herbeigeführt hat. Das ist aus dem Flugzeug nicht zu machen“. Nach den Regeln des UN-Seerechtsübereinkommens kann die Wasserschutzpolizei gegen den Willen des Kapitäns auf hoher See allerdings nicht ermitteln. Das, was eigentlich schnellstmöglich geschehen müßte, nämlich an Bord Proben zu nehmen, die anschließend mit Gewässerproben der unmittelbaren Umgebung des verdächtigen Schiffes verglichen werden könnten, kann somit erst im nächsten (deutschen) Anlaufhafen durchgeführt werden. Damit bleibt vorsätzlichen Umweltverschmutzern hinreichend Zeit, Leitungen und sonstiges Gerät, das benutzt wurde, um etwa Altöl über Bord zu pumpen, zu demontieren und zu reinigen sowie die Aussagen der Mannschaft aufeinander abzustimmen.
Das Aufklärungsergebnis ist entsprechend: Bundesgrenzschutz, Wasserschutzpolizei, Marine, Fischereiaufsicht und Zoll registrieren vor den deutschen Küsten jährlich rund 400 Gewässerverunreinigungen, überwiegend illegale Öleinleitungen. Im Jahre 1994 konnte davon jedoch nur in 71 Fällen ein „mutmaßlicher Verursacher“ festgestellt werden; von 207 eingeleiteten staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren mußten 161 wegen „Nichtermittlung des Täters“ oder „Mangel an Beweisen“ eingestellt werden. Gerade einmal gegen vier Beschuldigte wurde ein rechtskräftiger Strafbefehl erlassen.
Das Beispiel macht deutlich, daß das Problem der Umweltverschmutzung außerhalb des Bagatellbereiches mit polizeilichen Mitteln selbst bei bestem Willen und bester Technik nur in seltenen Fällen aufzuklären und zu ahnden ist. Derartige Fragen werden heutigentags allerdings gar nicht mehr gestellt. Stillschweigend gehen offenbar alle davon aus, nachdem man die Polizei mit diesen Aufgaben betraut hat, werde sie es schon richten. Das Ergebnis ist bekannt: Polizeiliches Instrumentarium, das vorhanden ist, wird erfahrungsgemäß nicht wieder abgebaut. So geschieht im Bereich der Umweltstraftaten das, was auch bei anderen Delikten, mit deren Bekämpfung, geschweige denn Beseitigung die Polizei überfordert ist geschieht: Sie werden zu einem Zähldelikt in der Polizeilichen Kriminalstatistik.