Bundeswehr auf Piratenjagd

von Mark Holzberger

Der Bundestag hat im Dezember 2008 die Beteiligung deutscher Streitkräfte an der ersten Marineoperation der EU (NAVFOR/ATALANTA) beschlossen. Mit sechs Fregatten und drei Überwachungsflugzeugen sollen die rund 1.200 EU-SoldatInnen Piraten vor der Küste Somalias bekämpfen. Die EU-Mission löst die NATO-Operation „Allied Provider“ ab, bei der seit Ende Oktober 2008 Schiffe mit Nahrungsmittellieferungen des „World Food Programme“ nach Somalia eskortiert wurden.

Marineeinsatz ohne Bundespolizei

Vor allem militärische Kreise hatten seit Frühjahr 2008 erklärt, für die Pirateriebekämpfung durch die Bundesmarine müsse das Grundgesetz geändert werden. Auf einen solchen ersten Schritt zur Legalisierung des inneren quasi-polizeilichen Einsatzes der Bundeswehr hat die Bundesregierung verzichtet. Es werden auch keine Angehörigen der Bundespolizei (BPOL) auf den Schiffen der Bundesmarine mitfahren, wie dies z.B. der Frankfurter Polizeioberrat Peter Aldenhoff vorgeschlagen hatte. Ein solcher Einsatz unter „Amtshilfe“ der Marine hätte der BPOL die Festnahme, Vernehmung bzw. Überstellung verdächtiger Personen erlauben sollen.

Die Bundesregierung stellt jedoch für die operative Beteiligung an der EU-Mission ausschließlich SoldatInnen zur Verfügung. Zwar ist „seewärts des deutschen Küstenmeeres“ nach § 6 Bundespolizeigesetz (BPOLG) eigentlich die BPOL für strafprozessuale Maßnahmen zur Erfüllung völkerrechtlicher Verpflichtungen zuständig. Sie ist aber schon von ihrer Ausrüstung her nicht imstande, einen Einsatz zur Pirateriebekämpfung vor Somalia eigenständig durchzuführen.

Die von der Bundesregierung gewählte Konstruktion des Marine-Einsatzes soll sich auf das bestehende nationale und internationale Recht stützen. Grundsätzlich verpflichtet Art. 100 des UN-Seerechtsübereinkommens (SRÜ) alle Staaten zur „größtmöglichen Zusammenarbeit“ bei der Bekämpfung der Seeräuberei. Art. 105 und 107 erlauben das „Aufbringen“ und die „Beschlagnahme“ eines Piratenschiffes auf Hoher See sowie die „Festnahme“ von Verdächtigen – auch durch Kriegsschiffe. Art. 24 Abs. 2 GG ermöglicht es, dass Deutschland sich zur Wahrung des Friedens in ein „System gegenseitiger kollektiver Sicherheit einordnet.“ Diese Voraussetzungen gelten mit den Resolutionen 1814, 1816, 1838, 1846 und 1851 des UN-Sicherheitsrates als erfüllt. Sie erlauben (mit Zustimmung der somalischen Übergangsregierung) die Piratenbekämpfung auch in somalischen Hoheitsgewässern bzw. auf somalischem Territorium.

Auch § 6 BPOLG steht einem Einsatz der Marine nicht entgegen, denn die Aufgabenzuweisung an die BPOL gilt „unbeschadet“ einer konkurrierenden „Zuständigkeit der Streitkräfte“. Mit dem Bundestagsbeschluss hat die Bundeswehr nun das Parlamentsmandat, um fortan bei der Pirateriebekämpfung nicht mehr im Zustand einer von ihr selbst konstatierten „Rechtsunsicherheit“ – insbesondere hinsichtlich der „Nothilfe“ zugunsten überfallener Handelsschiffe – agieren zu müssen.