Strafverfolgungsbehörden in Österreich und Deutschland haben nach einem Bericht des Standard Ermittlungen gegen AktivistInnen wegen wegen Verdachts auf „Schlepperei“ aufgenommen. Laut der in Österreich erscheinenden Tageszeitung geht es dabei unter anderem um einen Autokonvoi, der Geflüchtete am 6. September auf der sogenannten Balkanroute nach Wien brachte. Unter dem Motto „Schienenersatzverkehr für Flüchtlinge“ trafen sich FluchthelferInnen in mehr als hundert Bussen und Fahrzeugen an einem Sonntag am Praterstadion, um Geflüchtete aus Budapest zu chauffieren. Die Aktion war unter anderem auf Facebook angekündigt worden. In einem Aufruf hieß es, HelferInnen sollten auch Kindersitze, Medikamente und warme Kleidung mitbringen.
Der Konvoi fand später viele NachahmerInnen, die teils auf eigene Faust, aber auch organisiert Geflüchtete in Serbien und Kroatien abholten. Die Aktionen führten schließlich dazu, dass die Regierung in Wien die Einreise von Ungarn nach Österreich und Deutschland erleichterte. Gleichzeitig wurden aber auch die Personenkontrollen an der Grenze zu Ungarn wieder eingeführt. Kurz darauf gab auch die deutsche Bundesregierung die Wiedereinführung von Grenzkontrollen bekannt.
www.fluchthelfer.in im Fokus
Nun ermittelt die Staatsanwaltschaft Wien gegen drei Teilnehmende des Konvois. Ein ähnliches Verfahren wird laut dem Standard bei der Staatsanwaltschaft Linz geführt. Im Fokus steht die Webseite www.fluchthelfer.in, die für private Fluchthilfe wirbt und rechtliche Einschätzungen gibt. Derzeit läuft das Verfahren gegen Unbekannt. Auf der Webseite ist kein Impressum angegeben, sie wird laut einer Whois-Anfrage in den USA gehostet. Ein Pressekontakt verweist jedoch zum Künstlerkollektiv Peng! In Berlin. In der Meldung des Standard heißt es, das Verfahren werde womöglich an deutsche Behörden abgegeben, die ebenfalls gegen die Webseite ermittelten – allerdings nicht wegen Schlepperei, sondern wegen des Aufforderns zu Straftaten.
Internetauftritte zur Fluchthilfe stehen seit rund einem Jahr im Fokus internationaler Behörden. Die EU-Grenzagentur Frontex warnt, dass außer Sozialen Medien sogar Apps kursieren würden, um Informationen über Schiffe oder Boote und deren Abfahrtsorten abzurufen. Laut Frontex könnten darüber auch „Bedingungen in verschiedenen Zielländern abgerufen“ werden“. Belege für solche digitalen Helferlein präsentiert Frontex nicht. Entsprechende Internetauftritte sind auch weniger von kommerziellen FluchthelferInnen, wohl aber von politischen Gruppen bekannt.
Europol besorgt die Entfernung von Internetinhalten
Im Juli hatten die EU-Mitgliedstaaten eine „Meldestelle für Internetinhalte“ (EU-IRU) bei der Polizeiagentur Europol eingerichtet. Eigentlich sollte die Abteilung die Bekämpfung von Terrorismus durch Entfernung entsprechender Postings besorgen. Inzwischen wurde der Tätigkeitsbereich der „Meldestelle“ auf Inhalte erweitert, mit denen FluchthelferInnen ihre Kunden „anlocken“ könnten. Gemeint sind vor allem Soziale Netzwerke, über die Fluchtwillige Fluchthilfe suchen. Europol soll die Entfernung der Inhalte bei Facebook, Google oder Youtube beantragen. Die Polizeiagentur verlangt von den Providern weitere Informationen über die betreffenden Accounts, um diese in grenzüberschreitenden Ermittlungen zu nutzen. Hierfür hat Europol mittlerweile ein „Europäisches Zentrum zur Bekämpfung der Migrantenschleusung“ eingerichtet. Ein ähnliches Zentrum entsteht bei der internationalen Polizeiorganisation Interpol in Lyon.
Zuletzt hat Europol am Dienstag einen Schlag gegen kommerzielle FluchthelferInnen in Polen und Spanien koordiniert. Tags darauf führten 570 deutsche PolizistInnen in drei Bundesländern Razzien gegen mutmaßliche „Schleuser“ durch.
30.000 Personen wegen angeblicher „Schleusungskriminalität“ in Polizeidatenbank gespeichert
Laut dem Bundesinnenministerium seien von Januar bis September diesen Jahres 2.653 „tatverdächtige Schleuser“ festgestellt worden, die meisten an den Grenzen zu Österreich, Polen und der Tschechischen Republik. Angeführt wird die Liste von Staatsangehörigen aus Ungarn, Rumänien, Syrien, Bulgarien und Deutschland. Gegen alle wurde ein Ermittlungsverfahren „im Zusammenhang mit Schleusung bzw. Beihilfe zur unerlaubten Einreise“ eingeleitet. Allein in Bayern saßen im September 800 Verdächtige in Haft. Informationen zu den Strafverfahren erhält auch das Bundeskriminalamt, das diese „analysiert und bewertet“ und an Europol weiterleitet. Europol speichert Verdächtige in einer Datensammlung namens „Checkpoint“, bereits 30.000 Personen sind dort wegen angeblicher „Schleusungskriminalität“ aktenkundig.
Laut deutscher Rechtssprechung gelten Personen als „Schleuser“, wenn sie für die Dienstleistung einen Vorteil erhalten oder mehrmals Fluchthilfe leisten. Im Falle einer Verurteilung drohen bis zu fünf Jahre Gefängnis. In der Mitteilung des Bundesinnenministeriums heißt es, die Bundesregierung verfolge das Ziel, die aktuelle Flüchtlingsbewegung „nach Möglichkeit zu steuern und organisatorisch zu bewältigen“. Jegliche „Schleusungsaktivitäten“ würden diesem Ziel entgegenwirken. Daher sei eine „verstärkte Abschreckung erforderlich“. Aus diesem Grund habe die Koalition die Anhebung des Strafrahmens für „Schleusungsdelikte“ auf eine Mindeststrafe von drei Monaten vorgeschlagen.
Wir sind auf dem Wege zurück in die Steinzeit