von Detlef Nogala
Ob „Lauschangriff“, DNA-Datenbanken, Videoüberwachung öffentlichen Raums u.ä.m. – wie die Debatten um neuere polizeiliche Initiativen und entsprechende gesetzliche Befugniserweiterungen in den vergangenen Monaten und Jahren zeigen, ist organisierte soziale Kontrolle in der spätmodernen Gesellschaft zunehmend zur Angelegenheit von Indienstnahme technologischen Potentials geworden. Nicht allein aus aktuellen Anlässen befaßt sich dieser Themenschwerpunkt daher (wiedereinmal) mit dem technischen Stand der Überwachungskunst und den damit verbundenen bürgerrechtlichen Konsequenzen.
Es ist in bürgerrechtlicher Hinsicht zweifellos bemerkenswert, daß im laufenden Jahr ein rundes Jubiläum bisher von der Publizistik nicht nennenswert aufgegriffen wurde, wo die Feuilletons doch sonst jede Gelegenheit zur Erinnerung an mehr oder weniger bedeutende kulturelle Ereignisse ergreifen: vor 50 Jahren, im Jahre 1948, wurde George Orwells Roman „1984“ veröffentlicht. Der ‘Große Bruder’ als Allegorie auf eine nicht zuletzt mit technischen Mitteln verwirklichte Überwachungsdiktatur war im „Orwelljahr“ 1984 noch gängige Münze in der politischen Diskussion – heute, an der Schwelle des 21. Jahrhunderts und nach einer neoliberalen Welle der ideologischen ‘Entstaatlichung des Staates’, scheint diese negative Utopie an normativer Orientierungskraft – das es so nicht werden sollte – zu verlieren. Dies ist um so erstaunlicher, da die gegenwärtig eingesetzte und praktisch verfügbare Überwachungstechnologie die Orwellschen Visionen als vom technischen Stand her längst überholte Vorstudien erscheinen läßt. Schließlich zählen neben den schon seit vielen Jahren thematisierten polizeilichen Datenbanken und Informationsnetzen mittlerweile Begriffe wie Videoüberwachung, Lauschangriff(mittels diverser Abhörgeräte), Wärmesichtgeräte,Fingerabdruckscanner, DNA-Analysen und Gen-Datenbanken sowie Drogentests in industriellen Größenordnungen zum gängigen Beschreibungsrepertoire der (internationalen) Medien. Mehr noch: Die Funktionsweise und der „Erlebnisraum“ spätmoderner Gesellschaften werden nicht zuletzt im Bereich sozialer Kontrolle durch einen technischen Fortschritt und Entwicklungsstand bestimmt, dem das hochentwickelte Rüstzeug für eine permanente Überwachung schon längst zuhanden und zur Normalität geworden ist. Allein, auf den erwarteten ‘Großen Bruder’ Orwellscher Vision hat man – bisher, hierzulande – vergeblich gewartet. Moderne Überwachungstechnologien – Zum Stand der Kunst weiterlesen →