Schlagwort-Archive: Black Lives Matter

Gesucht: eine andere Polizei. Zur Debatte um Polizei und Polizeigewalt in Frankreich

Interview mit Fabien Jobard

„In einem so zentralistischen und autoritären Staat wie Frankreich erscheint schon die bloße Vorstellung, dass man auf die Polizei ver­zichten könnte, reichlich exotisch“, sagt der Polizeiforscher Fabien Jobard. Heiner Busch fragte ihn nach den Konsequenzen von Black Lives Matter- (BLM) und Gelbwestenbewegung auf die neuere Diskussion um Polizei und Polizeigewalt.

Fabien Jobard, hat es denn in Frankreich auch eine Black Lives Matter-Be­wegung gegeben?

Ja, aber sie war weniger mit dem Namen von George Floyd, sondern vor allem mit dem von Adama Traoré verbunden. Am 19. Juli 2016 war die­ser 24-jährige Schwarze Mann in Beaumont-sur-Oise, einer Stadt in der entfernteren Pariser Banlieue, von Gendarmen angehalten worden, konnte aber zunächst entkommen. Als sie ihn dann in der Wohnung eines Kollegen fanden, legten sie ihm Handschellen an und fixierten ihn am Boden – in der gleichen Stellung, in der einige Jahre später auch George Floyd festgehalten wurde. Adama Traoré erstickte, aber anders als im Falle George Floyd gab es hier niemanden, der seine Agonie filmte. Die Familie Traoré, vor allem Adamas Schwester Assa, organisierte schon 2016 Proteste. Floyds „I can’t breathe“ bewirkte 2020 eine zweite Welle der Mobilisierung. Als die BLM-Bewegung in den USA auf­tauchte, war die Sozialarbeiterin Assa Traoré schon eine sehr bekannte Person, die es mehrmals auf die Frontseiten der Tages- und Wochenpresse geschafft hatte. Gesucht: eine andere Polizei. Zur Debatte um Polizei und Polizeigewalt in Frankreich weiterlesen

#Polizeiproblem abschaffen? – Einführende Skizzen zur Kritik der Polizei

von Benjamin Derin und Michèle Winkler

Kritik an der Polizei ist so alt wie die Institution selbst und reicht von Reformvorschlägen über das Nachdenken über Alternativen bis zu Forderungen nach ihrer Abschaffung. Der Artikel skizziert die Ausgangspunkte anhand einiger zentraler Ansätze und wagt einen perspektivischen Ausblick.

Im Juli 2014 starb Eric Garner an einem polizeilichen Würgegriff. Seine letzten Worte „I can‘t breathe“ wurden zum Slogan gegen tödliche Polizeigewalt und zur Metapher für den Druck, der auf Schwarze Leben wirkt und ihnen die Luft zum Atmen nimmt. Auch George Floyd äußerte im Mai 2020 mehrmals vergeblich, dass er nicht atmen könne, bevor er unter dem Knie eines US-Polizisten starb. Das Video der grausamen Be­handlung Floyds ging um die Welt. Massive Proteste in den USA folgten. Die Black Lives Matter (BLM)-Bewegung forderte weitreichende Polizeireformen bis hin zur Abschaffung der Polizei. Einer der meistgenutzten Slogans war „Defund the police“ (Streicht der Polizei die Mittel!). Die Proteste fanden einen globalen Resonanzraum, in Deutschland beteiligten sich über 200.000 Demonstrant*innen, viele von ihnen Schwarz und People of Color (PoC). Die Dimensionen verdeutlichen: Es scheint mittlerweile ein gewisses öffentliches und mediales Problembewusstsein für (rassistische) Polizeigewalt zu geben. Es zeigt sich ein wachsendes Interesse an kritischen Perspektiven auf die Polizei, an Überlegungen zu abolitionistischen Ansätzen und zu Übertragungsmöglichkeiten von „De­­fund the police“ auf den deutschen Kontext. #Polizeiproblem abschaffen? – Einführende Skizzen zur Kritik der Polizei weiterlesen

Protest erscheint als Aufstand, der mit aller Macht unterdrückt werden muss

Bernard E. Harcourt erklärt im Interview den Zusammenhang zwischen der „expositorischen Gesellschaft“, in der die Menschen sich der Preisgabe persönlicher Informationen im Internet kaum noch entziehen können, moderner Aufstandsbekämpfung und der Militarisierung der US-Polizei.

Interview von Carl Melchers

Bernard Harcourt (geb. 1963) ist Juraprofessor und Direktor des Columbia Center for Contemporary Critical Thought an der Columbia Law School in New York City. Zuvor war er Professor für Politikwissenschaft an der Universität Chicago. Außerdem vertritt er als Menschenrechtsanwalt Mandanten in Alabama und vor dem Obersten Gericht der USA, die zum Tod oder zu lebenslangen Haftstrafen ohne Bewährung verurteilt wurden. Protest erscheint als Aufstand, der mit aller Macht unterdrückt werden muss weiterlesen