Chronologie

zusammengestellt von Tim E. Braun

Juli 2002

01.07.: Akte Achidi J. ist geschlossen: Der Tod des 19-jährigen Kameruners nach einem Brechmitteleinsatz in Hamburg ist nach Ansicht der Staatsanwaltschaft auf ein schweres Herzleiden des mutmaßlichen Drogendealers zurückzuführen. „Strafrechtlich relevantes Verhalten der an dem Einsatz beteiligten Personen“ wird verneint.

Algerier in Stuttgart festgenommen: Ein in seiner Abwesenheit in Frankreich zu fünf Jahren Haft wegen Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung zur Vorbereitung eines Terroranschlags verurteilter GIA-Aktivist wird festgenommen. Die Generalstaatsanwaltschaft beantragt beim Stuttgarter Oberlandesgericht (OLG) vorläufige Auslieferungshaft.

03.07.: Polizist erschossen – Urteil rechtskräftig: Der Bundesgerichts­hof (BGH) verwirft die Revision eines heute 27-Jährigen, der vom Wiesbadener Landgericht wegen Totschlags, versuchten Totschlags und gefährlicher Körperverletzung zu einer Haftstrafe von 12 Jahren verurteilt worden war. Der Mann hatte Ende Juni 2000 bei einer Kontrolle einem Polizisten die Dienstwaffe entrissen, einen Beamten getötet sowie dessen Kollegen schwer verletzt. (Az.: 2 StR 175/02)

Razzia gegen „militante Islamisten“ in Hamburg: Wegen des Verdachtes „auf der Grundlage eines aggressiven militanten islamischen Fundamentalismus Anschläge zu begehen“ vernehmen Beamte des Landes- und des Bundeskriminalamtes (BKA) sechs Männer aus Afghanistan, Ägypten und Marokko und durchsuchen deren Wohnungen sowie eine Buchhandlung.

04.07.: Berliner „RZ-Prozess“: Weil sie es nicht ertragen kann, „dass jemand anders für etwas beschuldigt wird, das ich getan habe“, gesteht die von der Verteidigung präsentierte „Überraschungszeugin“ Barbara W. 16 Jahre nach der Tat, dem damaligen Leiter der Berliner Ausländerbehörde, Harald Hollenberg, in die Beine geschossen zu haben.

05.07.: Stasi-Unterlagengesetz geändert: In Zukunft sind Informationen zur zeitgeschichtlichen Rolle, Funktion oder Amtsausübung Prominenter wieder zugänglich.

09.07.: Tod eines Libanesen: Weil er sich seiner Verhaftung wegen Handtaschendiebstahls entziehen will, wird in Berlin ein 31-Jähriger von drei Polizisten gezwungen, sich auf den Bauch zu legen. Kurz nachdem ihm Handschellen angelegt werden, stirbt er. Gegen die drei Polizisten wird wegen fahrlässiger Tötung ermittelt. Wie sich bei der Obduktion herausstellt, starb Abbas A. höchstwahrscheinlich an Kokainvergiftung in Verbindung mit einer Herzerkrankung. Fremdverschulden könne mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden, so ein Justizsprecher.

Tödlicher Unfall nach BGS-Kontrolle: Mit einem als gestohlen gemeldeten Fahrzeug versuchen zwei 17 und 27 Jahre alte Polen, sich einer Bundesgrenzschutz-Kontrolle zu entziehen und rasen in einen als Straßensperre quergestellten Einsatzbus. Dabei stirbt der Jüngere der beiden mutmaßlichen Fahrzeugdiebe, der Ältere sowie ein BGS-Beamter werden schwer verletzt.

11.07.: Länder halten Informationen zu V-Leuten zurück: Die Innenminister von Bund und Ländern einigen sich darauf, im NPD-Verbotsverfahren dem Bundesverfassungsgericht keine weiteren als die sechs bisher genannten V-Personen des Verfassungsschutzes preiszugeben.

15.07.: Flüchtiger stirbt nach Polizeischuss: Nach dem Durchbrechen einer Polizeikontrolle in Hamburg flüchtet sich ein betrunkener Mann in ein Parkhaus. Bei dem Versuch, den Mann von einer Brüstung zu ziehen, löst sich ein Schuss aus der Waffe des Polizisten. Der Flüchtende wird getroffen und stürzt vom Parkdeck. Er erliegt wenig später seinen Sturzverletzungen.

Zuwanderungsgesetz in Karlsruhe: Die unionsgeführten Landesregierungen Bayerns, Baden-Württembergs, Hessens, des Saarlands, Sachsens und Thüringens reichen eine Normenkontrollklage vor dem Bundesverfassungsgericht gegen die Rechtmäßigkeit des Zustandekommens des Gesetzes ein. Am 18.12. erklärt der zweite Senat das Gesetz für nichtig. (Az.: 2 BvF 1/02)

16.07.: „Mehmet“ darf nach Deutschland zurückkehren: Das Bundesverwaltungsgericht gibt der Klage Muhlis A., der 1998 allein in die Türkei abgeschoben wurde, statt. Die Münchner Behörden hätten den Schutz von Minderjährigen nicht ausreichend gewürdigt, so die Begründung.

Richteranordnung auch für Abschiebehaft notwendig: Das Bundesverfassungsgericht gibt der Klage eines gambischen Staatsbürgers statt, der in polizeilichen Abschiebegewahrsam genommen wurde, ohne dass ein Richter darüber entschieden hatte. (Az.: 2 BvR 2292/00)

Razzia gegen Rechtsextreme: Im Zuge der Ermittlungen gegen 29 mutmaßliche Mitglieder des neonazistischen Netzwerkes „Hammerskins“, werden in sieben Bundesländern mehr als 40 Wohnungen durchsucht und zahlreiche Beweismittel sichergestellt.

17.07.: „Lagebild Organisierte Kriminalität 2001“ veröffentlicht: Aus dem von Bundesinnenminister Otto Schily vorgelegten Bericht geht hervor, dass die Sicherheitsbehörden im vergangenen Jahr in 787 (2000: 854) Fällen gegen 15.237 (2000: 9.421) Tatverdächtige ermittelt haben. Die Schadenshöhe belief sich den Angaben zufolge auf 2,3 Milliarden DM (2000: 7,28 Milliarden DM, davon ein Großverfahren über 4,6 Milliarden DM). Bei 242 Ermittlungsverfahren wurden Vermögenswerte von 200 Millionen DM sichergestellt (2000: 538 Millionen DM).

Bundesverfassungsgericht untersagt pauschale Beschlagnahme: Das Gericht gibt einer Klage zweier Anwälte statt, die sich gegen die Pauschal-Beschlagnahme von Datenträgern und Computern in ihrer Kanzlei zur Wehr gesetzt haben. Die Staatsanwaltschaft Hamburg hatte zuvor Ermittlungen gegen ein drittes Kanzlei-Mitglied eingeleitet. (Az.: 2 BvR 1027/02)

21.07.: V-Mann-Affäre Berlin/Brandenburg: Nach einer Razzia gegen Rechtsextreme enttarnt die Berliner Polizei den für den Brandenburger Verfassungsschutz tätigen Toni S. Dieser, so wird am 11.8. bekannt, sowie der vom Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) in Sachsen eingesetzte V-Mann Mirko H., sollen sich mit der Herstellung bzw. dem Vertrieb der rechtsextremistischen CD „Noten des Hasses“ strafbar gemacht haben, letzterer offenbar mit Wissen des BfV. Toni S. wird vom Berliner Landgericht am 11.11. wegen Volksverhetzung, Gewaltdarstellung und Verbreitung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen zu zwei Jahren Haft auf vier Jahre Bewährung verurteilt. Das Landgericht Dresden verurteilt am 21.11. Mirko H. zu vier Jahren Haft wegen Volksverhetzung, Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen und Gewaltverherrlichung.

22.07.: Anklage wegen Spionage zurückgenommen: Weil der weiteren Verfolgung der beiden angeklagten Syrer überwiegende öffentliche Interessen in Bezug auf die Bekämpfung des internationalen Terrorismus entgegenstünden (der syrischen Führung werden beste Informationen über Al-Qaida nachgesagt), stellt Generalbundesanwalt Kay Nehm das Verfahren vor dem Oberlandesgericht Koblenz ein.

23.07.: Brandenburgs Justizminister tritt zurück: Wegen umstrittener Immobiliengeschäfte in den 90er Jahren verzichtet Kurt Schelter (CDU) auf sein Amt. Seine Nachfolgerin wird Barbara Richstein (CDU).

25.07.: Rechtsextreme Brandstifter verurteilt: Acht Monate nach dem Anschlag auf eine Asylunterkunft im schwäbischen Aystetten verurteilt die Jugendkammer am Landgericht Augsburg drei rechtsgerichtete Jugendliche im Alter von 15, 17 und 19 Jahren zu Haftstrafen von je sechs Jahren wegen versuchten Mordes und Brandstiftung bzw. zu drei Jahren wegen Beihilfe.

26.07.: Aus für exekutives Ehrenamt: Mit dem Inkrafttreten des Haushaltsentlastungsgesetzes wird auch der Freiwillige Polizeidienst (FPD) in Berlin aufgelöst. Zukünftig sollen hoheitliche Aufgaben nur noch von PolizeibeamtInnen ausgeführt werden.

28.07.: Polizeilicher Todesschuss: Ein Polizist erschießt im thüringischen Nordhausen einen Automatenknacker, der sich der vorläufigen Festnahme widersetzt. Die Staatsanwaltschaft Mühlhausen geht von Notwehr aus.

Polizeibeamter bei Schießerei getötet: Bei einem Polizei-Einsatz in Bad Godesberg entreißt ein offenbar psychisch kranker Mann einem Polizisten die Dienstwaffe und schießt. Ein 40-jähriger Polizeikommissar wird tödlich, sein gleichaltriger Kollege lebensgefährlich verletzt.

29.07.: Zunahme antisemitischer Straftaten: Wie aus der Antwort der Bundesregierung auf eine parlamentarische Anfrage der PDS hervorgeht, sind von April bis Juni 319 Straftaten (127 im 1. Quartal) registriert worden, darunter 60 Propaganda- und drei Gewaltdelikte. Gegen 148 Verdächtige wurde ermittelt.

August 2002

05.08.: Prozess-Beginn gegen Neonazis: Sieben Mitglieder der verbotenen rechtsextremistischen Gruppe „Skinheads Sächsische Schweiz“ müssen sich vor dem Dresdner Landgericht wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung, schweren Landfriedensbruchs und schwerer Körperverletzung verantworten. Am 8.11. weist das Verwaltungsgericht Dresden eine Klage von drei der Angeklagten über die Nennung von V-Leuten des sächsischen Verfassungsschutzes ab.

Vereinsverbot gegen Al-Aqsa: Innenminister Otto Schily verbietet den in Aachen ansässigen Spenden-Sammelverein mit der Begründung, dieser überweise gesammeltes Geld an Hamas-Organisationen zur Unterstützung der Familien palästinensischer Selbstmordattentäter. Die rechtliche Grundlage für das Verbot bietet die Novellierung des Vereinsgesetzes als Folge des ersten „Sicherheitspaketes“. Am 30.9. wird bekannt, dass Al-Aqsa e.V. vor dem Bundesverwaltungsgericht gegen seine Auflösung klagt. Der Verein sei kein Ausländerverein, der unter die besonderen Regelungen falle, so die Begründung.

08.08.: Weniger Drogentote im ersten Halbjahr: Nach Angaben der Drogenbeauftragten der Bundesregierung ist die Zahl der Rausch­gift­opfer im Vergleich zum Vorjahr um 30 Prozent von 821 auf 586 Tote zurückgegangen.

09.08.: Illegal Abgehörtes kann verwendet werden: Nach einem Urteil des OLG Koblenz kann der Inhalt eines von Privatleuten rechtswidrig abgehörten Telefongesprächs als gerichtliches Beweismittel verwertbar sein. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. (Az.: 8 U 1967/99)

19.08.: Auch das Tragen von unbekannten NS-Zeichen ist strafbar: Der BGH hebt damit eine Entscheidung des Berliner Landgerichts auf, das für den Straftatbestand einen gewissen Bekanntheitsgrad für den „Mann auf der Straße“ als Voraussetzung ansah. (Az.: 3 StR 495/01)

20.08.: Geiselnahme in der Botschaft Iraks: Fünf bewaffnete Mitglieder der Gruppierung „Demokratische Irakische Opposition Deutschlands“ besetzen die irakische Vertretung in Berlin und nehmen die Botschaftsangehörigen als Geiseln. Gegen Abend stürmt die Polizei das Gebäude und beendet die Geiselnahme unblutig.

23.08.: Rechtsextreme Jugendliche nach Brandanschlag verurteilt: Das Dessauer Landgericht ordnet wegen versuchten Mordes in acht Fällen Haftstrafen zwischen 33 Monaten und sechs Jahren für fünf Jugendliche zwischen 17 und 22 Jahren an. Die jungen Männer hatten in Jeßnitz Molotowcocktails in den Asia-Shop eines bewohnten Hauses geschleudert.

28.08.: Sicherungsverwahrung für Gewaltverbrecher: Das Gesetz zur Ausweitung der Sicherungsverwahrung für gefährliche Straftäter tritt in Kraft. Die neuen Bestimmungen lassen den Freiheitsentzug für Gewalttäter nach der Verbüßung der Haftstrafe auch dann zu, wenn ihre Gefährlichkeit erst während der Haft festgestellt wird.

September 2002

03.09.: Prügelnder Polizist verurteilt: Das Amtsgericht Tiergarten verhängt eine Geldstrafe von 4.950 Euro gegen einen 38-jährigen Polizisten wegen Körperverletzung im Amt. Der Beamte hatte am Rande der 1. Mai-Demonstrationen in Berlin grundlos auf einen bereits festgenommenen und am Boden liegenden Demonstranten eingeschlagen.

05.09.: Anschlag auf KZ-Gedenkstätte: Einen Tag vor Beginn des jüdi­schen Neujahrsfestes verüben Unbekannte einen Brandanschlag auf die Gedenkstätte des Todesmarsches der KZ-Häftlinge im Belower Wald bei Wittstock. Ein Gebäudeteil brennt dabei nahezu aus.

06.09.: Mutmaßliches Terroristenpaar in Haft: Aufgrund von FBI-Hinweisen und der Aussage einer Zeugin nimmt die Polizei bei Heidelberg eine Frau und deren Lebensgefährten fest, die im Verdacht stehen, am 11.9. in Heidelberg einen Anschlag auf US-Einrichtungen geplant zu haben. Am 17.9. erklärt die Staatsanwaltschaft die Terror-Vorwürfe für unbegründet, der Stand der Ermittlungen lasse keine Rückschlüsse auf derartige Pläne zu.

10./11.09.: Razzien im Schatten des 11.9.: In Schleswig-Holstein und Hamburg durchsuchen 250 Beamte des BKA, des BGS sowie der Landeskriminalämter die Wohn- und Geschäftsräume einer deutsch-syrischen Unternehmerfamilie, die der Unterstützung eines „internationalen, fundamental-islamistischen Terror-Netzwerks“ verdächtig ist. Da konkrete Hinweise fehlen, werden keine Haftbefehle erlassen.

16.09.: Rückübernahmeabkommen mit Jugoslawien unterzeichnet: Demnach können ab 1. November ausreisepflichtige Jugoslawen in ihre Heimat zurückgeschickt werden. Bundesinnenminister Otto Schily verspricht sich von den Regelungen die Beschleunigung der Rückführungsverfahren sowie eine Arbeitserleichterung für die Ausländerbehörden.

AStA von Verfassungsschutz bespitzelt: Es wird bekannt, dass das niedersächsische Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) von Mai 1999 bis April 2001 eine Studentin als V-Person in das Pressereferat der Studentenvertretung an der Universität Hannover eingeschleust hatte.

Polizisten des Betruges verdächtig: Weil sie über Jahre hinweg fingierte Arztrechnungen beim Landesverwaltungsamt eingereicht und so einen Schaden von rund 610.000 Euro verursacht haben sollen, ermittelt die Berliner Staatsanwaltschaft gegen acht Polizisten wegen Untreue, Bestechung sowie Bestechlichkeit.

18.09.: 100 Männer im Visier des Verfassungsschutzes: Das Hamburger LfV beobachtet nach eigenen Angaben 100 Islamisten wegen möglicher Verbindungen zu militanten Gruppen.

19.09.: Vereinsverbote: Begleitet von bundesweit angelegten Durchsuchungen und Beschlagnahmen verbietet Bundesinnenminister Schily in fünf Bundesländern 16 Vereine, die im Verdacht stehen, Teilorganisationen des islamistischen „Kalifatsstaat“ zu sein. Am 28.11. bestätigt das Bundesverwaltungsgericht in einem Grundsatzurteil das vom Bundesinnenministerium im Dezember 2001 ausgesprochene Vereinsverbot. Auf der Grundlage der verschärften Sicherheitsgesetze nach dem 11.9. war das Verbot der Organisation unter der Führung des inhaftierten Metin Kaplan mit Verstößen gegen die verfassungsmäßige Ordnung und einer Gefährdung der inneren Sicherheit der Bundesrepublik begründet worden. (Az.: 6 A 1.02)

24.09.: Hertha Däubler-Gmelin tritt zurück: Nach harscher Kritik aus dem In- und Ausland wegen ihres Bush-Hitler-Vergleichs verzichtet die bisherige Justizministerin auf ihr Amt. Am 22.10. wird die bisherige Staatssekretärin im Bundesinnenministerium, Brigitte Zypries, zu ihrer Nachfolgerin ernannt.

Milde Strafen für „Germanen“: Das Berliner Jugendschöffengericht Moabit verurteilt vier Berliner Rechtsextremisten aus dem Umfeld der neonazistischen „Kameradschaft Germania“, die 1999 eine Gruppe Fußball spielender Punks überfielen, zu je 1.500 Euro Geldstrafe bzw. 60 Stunden gemeinnütziger Arbeit. Lediglich ein einschlägig vorbestrafter 22-Jähriger erhält eine Freiheitsstrafe von 26 Monaten.

27.09.: Korruptionsregister gescheitert: Der Bundesrat versagt dem im Juli vom Bundestag verabschiedeten Gesetz zur Einrichtung eines Registers über unzuverlässige Unternehmen seine Zustimmung. Dadurch hätten Firmen wegen Betrug, Korruption, Schwarzarbeit und wettbewerbswidrigen Verhaltens von der Vergabe öffentlicher Aufträge ausgeschlossen werden können.

Oktober 2002

01.10.: Elfjähriger ermordet: In der Nähe von Frankfurt findet die Polizei die Leiche des entführten Bankierssohn Jakob von Metzler. Am 14.10. gesteht ein 27-jähriger Jura-Student, den Jungen trotz des Erhalts der geforderten 1 Million Euro Lösegeld erstickt zu haben.

05.10.: Schadensersatz für ungerechtfertigte Festnahme: Das Landgericht Potsdam spricht zwei Mitgliedern der „Kampagne gegen Wehrpflicht, Zwangsdienste und Militär“ Schadensersatz in Höhe von jeweils 125 Euro zu. Sie waren im Sommer 2000 ungerechtfertigt festgenommen worden, als sie am Eingang der Internationalen Luft- und Raumfahrtmesse ein Transparent mit der Aufschrift „Sommer, Sonne, Blutbad“ anbrachten.

06.10.: Fünf Festnahmen aus Angst vor Anschlägen: Offenbar als Reaktion auf einen Focus-Bericht über bevorstehende Anschläge durchsucht die Polizei im Auftrag der Bundesanwaltschaft in Brandenburg, Hessen und Baden-Württemberg elf Wohnungen und nimmt fünf der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung Verdächtige fest. Vier der Männer werden wenig später wieder entlassen, die Ermittlungen gegen sie laufen weiter.

09.10.: „Hetzjagd-Urteil“ revidiert: Knapp zwei Jahre nach dem Urteil des Cottbusser Landgerichtes gegen eine Gruppe Rechtsextremer, die im Februar 1999 in Guben einen algerischen Asylsuchenden zu Tode gehetzt haben und wegen fahrlässiger Tötung bzw. gefährlicher Körperverletzung zu bis zu drei Jahren Haft verurteilt wurden, spricht der BGH acht der Täter wegen versuchter Körperverletzung mit Todesfolge für schuldig. Das Strafmaß hingegen bleibt unverändert. (Az.: 5 StR 42/02)

10.10.: Mehr Rechte für Brandenburger Verfassungsschutz zur Terrorbekämpfung: Der brandenburgische Landtag verabschiedet eine Änderung des Verfassungsschutzgesetzes, durch die das Amt mit zusätzlichen Rechten bei der Informationsgewinnung bei privaten Unternehmen, Banken und Fluggesellschaften ausgestattet wird.

Marokkaner wegen Terror-Verdachts verhaftet: Nach einer belastenden Zeugenaussage, die den Verdacht zumindest der Unterstützung der Hamburger Terrorzelle erhärtet, erlässt die Bundesanwaltschaft einen Haftbefehl gegen den 29-jährigen Abdelghani M.

11.10.: Verwirrte Polizistin nach Mord festgenommen: Nach dem gewaltsamen Tod einer 48-jährigen Frau in einer Kirche bei Bonn wird eine schon seit Monaten dienstunfähige Polizistin unter dem Verdacht festgenommen, die Frau erwürgt zu haben.

18.10.: Geiselnahme in Schule: Ein mit einer Pistole bewaffneter 16-Jähriger nimmt in einer Schule im baden-württembergischen Waiblingen vier Schüler für mehrere Stunden als Geiseln. Nach Verhandlungen mit der Polizei gibt der Geiselnehmer auf und lässt die Schüler frei.

22.10.: Mutmaßlicher „Statthalter“ der Todespiloten vor Gericht: Vor dem 3. Strafsenat des Hanseatischen Oberlandesgerichtes beginnt das erste deutsche Verfahren gegen Drahtzieher des 11.9. Der bereits seit November inhaftierte Marokkaner Mounir El Motassadeq ist als mutmaßliches Mitglied des Hamburger „Terror-Netzwerkes“ unter anderem wegen Beihilfe zum Mord in mindestens 3.116 Fällen angeklagt.

25.10.: Thüringens Innenminister tritt zurück: Als Konsequenz aus der Affäre um eine verschwundene CD mit vertraulichem Material des Thüringischen LfV legt Christian Köckert (CDU) sein Amt nieder. Sein Nachfolger wird der bisherige Finanzminister Andreas Trautvetter (CDU).

Big-Brother-Awards 2002: Zum dritten Mal wird der von Datenschutz- und Bürgerrechtsorganisationen ausgeschriebene „Negativ-Preis“ vergeben. In der Kategorie „Kommunikation“ geht er an den Bundesrat, der durch seinen Beschluss vom Mai 2002 die umfassende Speicherung von Nutzungs- und Verbindungsdaten erlauben wollte, die bei der Telekommunikation anfallen. In der Kategorie „Verwaltung/Behörden“ erhält das BKA die Auszeichnung für die Einrichtung dreier „Präventiv-Datenbanken“ zur Erfassung links- und rechtsgerichteter Gewalttäter sowie politisch motivierter Ausländerkriminalität. In der Rubrik „Politik“ geht der Preis an den hessischen Innenminister Volker Bouffier wegen der hessischen Polizeirechtsnovelle zur Rasterfahndung. Den „Regional“-Award erhält sein NRW-Kollege Fritz Behrens wegen der Ermöglichung von Videoüberwachung öffentlicher Plätze.

30.10.: Keine Tabus beim Großen Lauschangriff: Durch Presseberichte wird erst jetzt bekannt, dass mit der im September vorgenommenen Novellierung des saarländischen Verfassungsschutzgesetzes die Möglichkeit geschaffen wurde, wie in Bayern, Hessen und Thüringen auch Presse und Ärzte abzuhören. Am 27.11. verabschiedet die Hamburger Bürgerschaft ebenfalls Änderungen des Verfassungsschutzgesetzes zur Terrorbekämpfung. Künftig dürfen die Wohnungen Terrorverdächtiger sowie bei „dringender Gefahr“ deren Kontaktleute vom LfV abgehört werden; Ärzte, Journalisten, Anwälte, Geistliche und Abgeordnete dürfen nur dann belauscht werden, wenn sie selbst verdächtig sind.

31.10.: Panne bei Telefonüberwachung: Offenbar bedingt durch einen Computerfehler finden sich auf den Rechnungen von 47 Kunden des Mobilfunkanbieters O2 Hinweise zu Abhöraktionen von Polizei und Geheimdiensten. Den Belauschten wurden die Beträge für parallel zu ihren Gesprächen stattfindende „abgehende Mailbox-Verbindungen“ in Rechnung gestellt. Aus Presseberichten vom 1./2.11. geht hervor, dass es sich bei den sieben vom BKA und 40 von LKA und Verfassungsschutz Abgehörten vorwiegend um Verdächtige aus dem Bereich der „Organisierten Kriminalität“ und anderer Straftaten, nicht aber aus dem des internationalen Terrorismus handelte.

November 2002

01.11.: Protest gegen Castor bleibt straffrei: Das Amtsgericht Dannenberg stellt das Verfahren gegen die 17-jährige Schülerin Marie Steinmann ein, die sich im März 2001 vor einem Castor-Transport nach Gorleben im Gleisbett angekettet hatte. Die Jugendliche muss jedoch 50 Stunden gemeinnützige Arbeit leisten, um straffrei zu bleiben.

02.11.: Festnahme trotz Kirchenasyl: In Schleswig-Holstein nimmt die Polizei eine Kurdin fest, die zusammen mit ihrer Familie seit mehreren Monaten in einer evangelischen Kirche Schutz vor ihrer drohenden Abschiebung gesucht hatte.

11.11.: Verbot hält Castor-Gegner nicht von Demo ab: Rund 5.000 DemonstrantInnen setzen ihren Protest gegen den bisher größten Atom­müll-Transport entlang der Strecke nach Gorleben trotz eines kurz zuvor vom OLG Lüneburg bestätigten Demonstrationsverbotes fort.

13.11.: Sicherungsverwahrung für Sexualstraftäter erleichtert: Nach einer Entscheidung des BGH zu einem Urteil des Landgerichts Mainz kann ein Täter schon nach dem ersten Rückfall in Sicherungsverwahrung genommen werden, wenn er wegen früherer Taten zu mindestens drei Jahren Haft verurteilt worden war. (Az.: 2 StR 261/02)

16.11.: Kollegen-Prügel: Bei einer Soli-Demonstration in Hamburg gegen die Räumung des Bauwagenplatzes „Bambule“ schlagen Thüringer Polizisten zwei schleswig-holsteinische „Aufklärer“ in Zivil krankenhausreif.

17.11.: Todesflucht vor Polizei: Ein 39-jähriger Mosambikaner springt aus Angst vor seiner Festnahme wegen nicht bezahlter Bußgeldbescheide aus der 7. Etage eines Berliner Wohnhauses.

Mord aus nichtigem Anlass: In einer Jauchegrube im brandenburgischen Potzlow finden Jugendliche die Leiche eines seit Juli vermissten 17-Jährigen. Am 20.11. legen drei Rechtsextreme im Alter von 17 bis 23 Jahren ein Geständnis ab, Marinus S. am 12.7. allein wegen seines äußeren Erscheinungsbildes zu Tode gequält zu haben.

18.11.: Palästinenser wegen Billigung von Anschlägen verurteilt: Das Amtsgericht Berlin-Tiergarten verurteilt einen palästinensischen Asylsuchenden zu fünf Monaten Haft auf Bewährung und 300 Stunden gemeinnütziger Arbeit. Er hatte auf einer Pro-Palästina-Demonstration in Berlin im April seine drei Kinder mit Sprengstoff-Attrappen ausgestattet. Das Gericht sah darin eine Billigung von Selbstmordattentaten gegen Israelis. Am 29.11. wird bekannt, dass Mohamed El-R. Berufung gegen das Urteil einlegt.

24.11.: Rechte verüben Brandanschlag: Die Polizei verhaftet im niedersächsischen Wolfenbüttel fünf Rechtsextreme, die in der Nacht zuvor, am 10. Jahrestag des Brandanschlags von Mölln, versucht hatten, mit Molotow-Cocktails eine Moschee in Brand zu setzen.

Tim E. Braun studiert Politische Wissenschaft an der FU Berlin.