Zu Lande, zu Wasser und in der Luft – Terrorismusbekämpfung als Ermächtigungspolitik

von Norbert Pütter

In seinen Grundlinien bleibt sich der deutsche Anti-Terrorismus treu: Mit „streng rechtsstaatlichen Gesetzen“ wird das beschnitten, was Demokraten bislang für rechtsstaatlich selbstverständlich hielten. Wo das nicht reicht, weil die politischen Mehrheiten fehlen, findet man praktische Lösungen, um die Arbeit der Exekutiven zu „verbessern“.

Mit drei gesetzgeberischen Schnellschüssen hatte der Bundesgesetzgeber auf die Anschläge vom 11. September 2001 reagiert: Er strich das „Religionsprivileg“ aus dem Vereinsgesetz, erhöhte Steuern, um zusätzliche Gelder für den Anti-Terror-Kampf zu beschaffen, und beschloss mit dem „Terrorismusbekämpfungsgesetz“ eine Vielzahl von Maßnahmen, die sich vor allem auf die Kontrolle von AusländerInnen bezogen und die deutschen Geheimdienste mit neuen Befugnissen ausstatteten.[1] In den vergangenen dreieinhalb Jahren versuchte man, Gefahrenabwehr und Strafverfolgung des Terrorismus durch weitere Gesetze zu verbessern.

Nach langjährigem Vorlauf wurde im August 2002 ein neuer § 129b in das Strafgesetzbuch eingeführt, der die Mitgliedschaft in und die Unterstützung einer terroristischen Vereinigung, die ihren Sitz im Ausland hat, unter Strafe stellte.[2] Ende 2003 folgte eine Novellierung der §§ 129a und 129b, die den EU-Rahmenbeschluss zur Terrorismusbekämpfung in deutsches Recht umsetzte: Man stellte die Systematik der Paragrafen um und passte Katalogtaten sowie Strafrahmen den europäischen Vorgaben an, d.h. erweiterte bzw. erhöhte sie.[3]

Ebenfalls im August 2002 wurde das Geldwäschegesetz durch das „Geldwäschebekämpfungsgesetz“ novelliert.[4] Wie bei der terroristischen Vereinigung folgte die Novelle europäischen Vorgaben. Das Gesetz verschärfte im Allgemeinen die Identifizierungs- und Verdachtsmeldepflichten für die Finanzinstitute. Außerdem wurde – ebenfalls nach langjährigen Auseinandersetzungen – eine „Zentrale Analyse- und Informationsstelle für Verdachtsanzeigen“ im Bundeskriminalamt (BKA) eingerichtet. Für die Bekämpfung der Geldwäsche durch terroristische Vereinigungen sieht das Gesetz nun einige Sonderbestimmungen vor: Die Identifizierungspflicht wurde auf alle Zahlungen – unabhängig von der Höhe – ausgedehnt, die Finanzinstitute sind verpflichtet, bei allen Transaktionen, die der Finanzierung terroristischer Vereinigungen dienen könnten, Verdachtsmeldungen zu erstatten, und die Bundesministerien des Innern und der Finanzen wurden ermächtigt, per Verordnung sowohl eine Liste der Länder mit unzureichenden Anti-Geldwäsche-Aktivitäten als auch eine Aufstellung „typisierter Finanztransaktionen“ vorzulegen, die regelmäßig von den Instituten zu melden sind. Seit Ende 2003 darf das Bundesamt für Finanzdienstleistungsaufsicht, Finanzinstituten Transaktionen von Konten untersagen, die im Verdacht stehen, terroristischen Vereinigungen zu dienen.[5]

Das dritte erfolgreich verabschiedete Gesetz ist das „Luftsicherheitsgesetz“ vom 14.1.2005.[6] Es fasst eine Reihe von Bestimmungen zum Schutz des Luftverkehrs vor Entführungen, Anschlägen etc. zusammen und regelt Zuständigkeiten von Aufsichts- und Kontrollbehörden. Besonders umstritten ist die neue Befugnis des Bundesverteidigungsministers, den Abschuss eines Zivilflugzeugs anzuordnen – sofern dies das „einzige Mittel zur Abwehr“ „eines besonders schweren Unglücksfalles“ darstellt. Der Bundespräsident hat das Gesetz zwar unterschrieben, aber eine Überprüfung durch das Bundesverfassungsgericht empfohlen.

Mehr vom Selben: CDU/CSU-„Alternativen“

Die Vorschläge, die die Unionsparteien in den vergangenen Jahren zur Gesetzesreife gebracht haben, unterscheiden sich von denen der Regierungsparteien nicht in der grundsätzlichen Ausrichtung, sondern darin, dass sie konsequenter demokratisch-rechtsstaatliche Errungenschaften im Windschatten des Anti-Terrorismus aufgeben. Bemerkenswert sind hier nicht nur die kleineren Vorstöße – etwa für ein Anti-Trittbrett­fah­rer-Gesetz[7] oder für die Einführung eines U-Haftgrundes „Eskalationsgefahr“[8]. Die Hauptaufmerksamkeit der Unionsparteien gilt vielmehr drei Bereichen, in denen sie die Terrorismusbekämpfung effektivieren wollen:

  • Erstens indem sie das erneut vorschlagen, was sie selbst und die Ermittlungsbehörden schon lange wollen: Ausweitung der Telefonüberwachung, Legalisierung der Herstellung von Bewegungsbildern, Legalisierung von Straftaten Verdeckter Ermittler, erhöhte Strafandrohungen und die Kriminalisierung von Vorfeldhandlungen.[9]
  • Zweitens, auch eine alte Unionsforderung, soll die Kronzeugenregelung für terroristische Straftaten (und für solche der organisierten Kriminalität) wieder eingeführt werden.[10]
  • Drittens wollen CDU und CSU die Grundgesetz-Artikel 35 (Amtshilfe) und 87a (Einsatz der Bundeswehr) so ändern, dass der Einsatz der Bundeswehr im Innern bei Bedrohungen durch terroristische Angriffe und bei der Abwehr von Gefahren aus der Luft und von See her erlaubt wird.[11]

Angesichts der Mehrheitsverhältnisse sind diese Vorstöße spätestens im Bundestag abgelehnt worden. Dort scheiterte auch der Versuch, per Gesetz eine gemeinsame „Islamistendatei“ der deutschen Polizeien und Geheimdienste zu schaffen.[12] Neben den parteitaktischen Spielereien besteht die eigentliche Bedeutung derartiger Forderungen in den Entgrenzungen des Anti-Terror-Diskurses: Nach der Stärkung der Geheimdienste steht jetzt die Aufwertung des Militärs als innere Ordnungsmacht an. Demselben Zweck – das Spektrum des als normal Empfundenen zu verschieben – dienen auch die Vorschläge des SPD-Innen­politi­kers Dieter Wiefelspütz, den Nachrichtendiensten direkten Zugang zu den Buchungsunterlagen von Reisebüros oder Autovermietungen zu gewähren.[13]

Was vor der Tür steht

Regierungs- bzw. koalitionsamtlich angekündigt und teilweise heftig diskutiert sind Vorschläge, das rechtliche Instrumentarium in Kürze um folgende Elemente zu erweitern:

  • Am 2.4.2004 beschlossen Bundesinnen- und Bundesverkehrsminister die Einrichtung eines neuen Küstenwachzentrums in Cuxhaven. Das Zentrum, so Schily, „ermöglicht im Bedarfsfall die rasche Einleitung operativer Maßnahmen auch zur Abwehr eines terroristischen Angriffs auf See.“[14] Bereits im März war der Entwurf eines Seesicherheitsgesetzes bekannt geworden. Nach diesem Entwurf soll die Bundeswehr bei „besonders schweren Unglücksfällen“ auf See eingesetzt werden können; als letztes Mittel soll auch der Einsatz von Waffen legalisiert werden.[15] Vermutlich wartet die Regierung das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Luftsicherheitsgesetz ab, bevor sie den Entwurf veröffentlicht.
  • Heftig in der Öffentlichkeit diskutiert wird die Vorrats-Speicherung sämtlicher bei der Telekommunikation anfallender Daten, die die Bundesregierung einführen möchte. Obwohl der Rechtsausschuss des Bundestages am 26.1.2005 den entsprechenden Entwurf eines Rahmenbeschlusses der EU abgelehnt und die Bundesregierung aufgefordert hat, diese Position in den EU-Verhandlungen einzubringen,[16] hält das Innenministerium einstweilen an seinen Plänen einer einjährigen Speicherungspflicht fest.[17]
  • Ebenfalls vermittelt über die EU werden Pässe mit biometrischen Merkmalen eingeführt werden. Ab 2006 müssen neue Pässe mit digitalisierten Fotos und ab 2008 mit digitalisierten Fingerabdrücken ausgegeben werden.[18]
  • Offen ist gegenwärtig noch das Schicksal der Anti-Terror-Datei. Grundsätzlich befürwortete die Innenministerkonferenz im Sommer 2004 eine von allen Sicherheitsbehörden zu nutzende Datei über den internationalen Terrorismus. Strittig ist allerdings, ob das BKA und damit eine Polizeibehörde oder der Verfassungsschutz die Datei führen soll und ob es sich um Index-, Projekt- oder Volltextdateien handeln soll.[19]

Praxis

Am 14.12.2004 nahm das „Gemeinsame Terrorismusabwehrzentrum“ in Berlin-Treptow seine Arbeit auf.[20] Nachdem in den 90er Jahren das Trennungsgebot von Polizei und Geheimdiensten in ein Zusammenarbeitsgebot umdefiniert wurde, arbeiten nun hier zwei formal getrennte Informations- und Analysezentren des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) und des BKA zusammen. Das Zentrum soll als „Relaisstelle der Bund-Länder-Zusammenarbeit“ fungieren. Neben den unmittelbar beteiligten Polizeien des Bundes und der Länder und den Verfassungsschutzämtern sollen der Bundesnachrichtendienst (BND), das Zollkriminalamt, der Militärische Abschirmdienst und das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge am Informationsaustausch beteiligt werden. Täglich finden Lagebesprechungen der beteiligten Behörden statt, in denen „tagesaktuell polizeiliche und nachrichtendienstliche Erkenntnisse ausgetauscht“ werden. Anlassbezogen sollen BfV, BKA und BND gemeinsame „Gefährdungsbewertungen“ verfassen. Dreimal wöchentlich tagt die gemeinsame „Arbeitsgruppe Informationsaustausch“, zu der „weitere Mitarbeiter anderer Behörden“ eingeladen werden können. – Es geht also auch ohne neue Gesetze!

[1] s. Bürgerrechte & Polizei/CILIP 70 (3/2001), S. 4-48
[2] Vierunddreißigstes Strafrechtsänderungsgesetz – § 129b StGB, BGBl. I, S. 3390
[3] Gesetz zur Umsetzung des Rahmenbeschlusses des Rates vom 13. Juni 2002 zur Terrorismusbekämpfung und zu anderen Gesetzen v. 27.12.2003, BGBl. I, S. 2836
[4] BGBl. I 2002, S. 3105
[5] Zweites Gesetz zur Änderung des Zollverwaltungsgesetzes und anderer Gesetze v. 5.11.2003, BGBl. I 2003, S. 2146
[6] BGBl. I 2005, S. 78
[7] Gesetz zur Verbesserung des Schutzes der Bevölkerung vor angedrohten und vorgetäuschten Straftaten, BT-Drs. 14/7616 v. 26.11.2001
[8] Gesetz zur Änderung der §§ 121, 122 StPO und weiterer Vorschriften, BR-Drs. 459/03 v. 2.7.2003
[9] s. BT-Drs. 14/6834 v. 29.8.2001 und BR-Drs. 1014/01 v. 27.11.2001
[10] BT-Drs. 15/2333 v. 13.1.2004, BR-Drs. 958/03 v. 18.12.2003 und BR-Drs. 896/02 v. 6.12.2002
[11] BT-Drs. 15/4658 v. 18.1.2004, BR-Drs. 181/04 v. 5.3.2004, BT-Drs. 15/2649 v. 9.3.2004, BR-Drs. 657/04 v. 1.9.2004
[12] Gesetz zur Errichtung einer gemeinsamen Datei der deutschen Sicherheitsbehörden zur Beobachtung und Bekämpfung des islamistischen Extremismus und Terrorismus, BR-Drs. 657/04 v. 1.9.2004
[13] Frankfurter Rundschau v. 29.3.2005
[14] Bundesministerium des Innern: Pressemitteilung v. 2.4.2004
[15] s. tageszeitung v. 21.3.2005
[16] BT-Drs. 15/4748 v. 26.1.2005
[17] s. Süddeutsche Zeitung v. 15.3.2005
[18] s. Bürgerrechte & Polizei/CILIP 79 (3/2004), S. 86
[19] Frankfurter Rundschau v. 22.11.2004
[20] s. Würz, W.: Die Zusammenarbeit der (Bundes-)Sicherheitsbehörden im Phänomenbereich islamistischer Terrorismus, in: Kriminalistik 2005, H. 1, S. 10-14; s. dazu auch S. 104 f. in diesem Heft