Archiv der Kategorie: CILIP 070

(3/2001) Terrorismusbekämpfung – alte und neue Irrwege

Nichts zu verbergen? Datenschutz, Sicherheitsgesetze, Rasterfahndung

von Heiner Busch

Die Rasterfahndung – jetzt zur Suche nach „Schläfern“ praktiziert – ist eine jener polizeilichen Befugnisse, die die informationelle Selbstbestimmung der Betroffenen durchlöchern. Woher nimmt der Bundesinnenminister die Idee, wir hätten „vielleicht … im Datenschutz etwas übertrieben“?[1]

Das Zweckbindungsgebot ist ein zentraler Grundsatz des Datenschutzes. Es besagt, dass Daten nur zu dem Zweck bearbeitet werden dürfen, für den sie auch erhoben wurden. Die Rasterfahndung steht diesem Prinzip diametral entgegen. Die Methode, der sich die deutsche Polizei seit den 70er Jahren bedient, besteht darin, Datenbestände anderer Verwaltungen oder privater Stellen nach einem bestimmten Muster miteinander abzugleichen. Im Falle der Anfang Oktober gestarteten Rasterfahndungen bedeutet das: Daten von Personen aus Ländern des Nahen Ostens, die bei Melde- und Ausländerbehörden, Hochschulen, Energie- und „Entsorgungs“-Unternehmen, bei Nah- und Fernverkehrsunternehmen oder „Kommunikationsdienstleistern“, bei Reinigungs- und Cateringfirmen oder Sicherheitsdiensten, bei öffentlichen und privaten Stellen, die sich mit Atomenergie sowie chemischen und biologischen Gefahrenstoffen befassen, bei Flughafengesellschaften, Flugschulen und Luftfahrtfirmen gespeichert sind, werden zweckentfremdet.[2] Sie dienen nicht mehr der Verwaltung von Hochschulangelegenheiten oder der korrekten Abrechnung der zustehenden Löhne, sondern einem polizeilichen Zweck, für den sie nicht erhoben wurden. Die Betroffenen haben die Kontrolle über ihre Daten verloren. Nichts zu verbergen? Datenschutz, Sicherheitsgesetze, Rasterfahndung weiterlesen

§ 129b und Kronzeugenregelung – Alte Instrumente in neuem Gewand

von Albrecht Maurer

Schon mit dem ersten Anti-Terror-Paket hat die Bundesregierung entschieden, das politische Strafrecht rund um den § 129a des Strafgesetzbuchs (StGB) auszubauen. Erneuern will sie auch die 1999 ausgelaufene Kronzeugenregelung.

„Die §§ 129 und 129a gelten auch für Vereinigungen im Ausland.“ Dies ist der ganze Text des geplanten § 129b StGB, mit dem die Bundesregierung das Instrumentarium, das seit den 70er Jahren gegen den inländischen Terrorismus aufgebaut wurde, nun auch gegen den internationalen nutzbar machen will.[1] Grund genug, dieses Instrumentarium noch einmal unter die Lupe zu nehmen.

Der § 129a – terroristische Vereinigung – wurde 1976 eingeführt. Bis dahin hatte sich die „Terrorismusbekämpfung“ in der BRD auf § 129 – kriminelle Vereinigung – gestützt, der mit leichten Veränderungen und kurzen Unterbrechungen seit Kaisers Zeiten galt. Der Straftatbestand der „terroristischen“ Vereinigung ist ein schwererer und mit härteren Strafen bedrohter Fall der „kriminellen“. Die „Zwecke“ und „Tätigkeiten“ der terroristischen Vereinigung sollen nicht auf die Begehung von Straftaten allgemein, sondern auf bestimmte schwere Straftaten gerichtet sein, die in einem Katalog festgehalten sind. Dazu gehörten zunächst Mord, Totschlag, Völkermord, Geiselnahme und erpresserischer Menschenraub sowie Brandstiftung, seit einer Verschärfung 1986 auch weitere „gemeingefährliche Straftaten“ wie „gefährliche Eingriffe in den Bahnverkehr“ oder „Störung öffentlicher Betriebe“. Neben terroristischen Straftaten im engeren Sinne waren nun auch Formen des militanten sozialen Protests – etwa das Absägen von Strommasten – erfasst. § 129b und Kronzeugenregelung – Alte Instrumente in neuem Gewand weiterlesen

Anti-Terror-Programme der Länder – Mehr Geld, mehr Stellen, neue Gesetze

von Marion Knorr

Fast alle Bundesländer haben seit September Sicherheitspakete geschnürt oder sind gerade dabei. Hier ein Überblick.

Bayern will bis 2006 zusätzliche 391 Mio. DM in die Sicherheit investieren: Die Polizei erhält 650 neue Stellen, das Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) 50, die Justiz – d.h. die Staatsanwaltschaft und die Gefängnisaufsicht – 80, die Finanzprüfung der Steuerverwaltung 50, die Ausländerbehörden erhalten 40. Allein 147 Mio. DM will die bayerische Regierung für polizeiliche Technik ausgeben: Videoüberwachung, gepanzerte Fahrzeuge, operative Einsatztechnik, DNA-Analyse. Hessen spendiert – verteilt über drei Jahre – 400 Mio. DM. Die Polizei bekommt 350 neue Stellen (Wachpolizei 250, Verwaltungsangestellte 100), das LfV 20. In neue polizeiliche Informationstechnik fließen 250 Mio. DM. Anti-Terror-Programme der Länder – Mehr Geld, mehr Stellen, neue Gesetze weiterlesen

Mit Schily in den Überwachungsstaat – Kampf gegen Terror lässt Sicherheitsträume wahr werden

von Katina Schubert

Es vergingen nur Stunden nach den Terroranschlägen in New York und Washington am 11. September, bis der sozialdemokratische Bundesinnenminister Otto Schily der bundesdeutschen Öffentlichkeit mitteilte, die bestehenden Gesetze reichten zur Bekämpfung von Terrorismus nicht aus. Ein ganzes Arsenal neuer gesetzlicher Maßnahmen sei notwendig. Eine Antwort auf die Frage, was diese zur Bekämpfung von derartigen Anschlägen beitragen können, blieb er bislang schuldig.

Flugs präsentierte er als Sofortmaßnahmen zwei gesetzliche Initiativen, die längst in den ministerialen Schubladen gelagert waren: 1. die Ergänzung des Strafgesetzbuchs um einen § 129b. Dieser soll die Mitgliedschaft, Werbung und Unterstützung in einer weltweit tätigen terroristischen Vereinigung unter Strafe stellen, auch wenn weder die verdächtigen Personen noch die entsprechenden Organisationen in der Bundesrepublik aktiv sind. 2. Ein Gesetz zur Abschaffung des Religionsprivilegs im Vereinsrecht. Damit sind religiöse Vereinigungen nicht mehr vor Verboten geschützt, wenn von ihnen Aufrufe zu Gewalt oder vermeintliche oder tatsächliche verfassungsfeindliche Bestrebungen ausgehen. Mit Schily in den Überwachungsstaat – Kampf gegen Terror lässt Sicherheitsträume wahr werden weiterlesen

Bundeswehr im Innern – Die Union rüstet erneut zum Kampf

von Stefan Gose

Die Ruinen des World Trade Centers loderten noch, da rüsteten Konservative bereits zum militärischen Kampf im eigenen Lande. Diese Notstandsträume sind nicht neu.

13. September: Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) fordert Bundeswehrsoldaten zur Flughafensicherung und einen Nationalen Sicherheitsrat. 14. September: Der ehemalige Verteidigungsminister Rupert Scholz (CDU) wiederholt seinen langjährigen Wunsch, die Bundeswehr im Innern einzusetzen. 25. September: Berlins Innensenator Erhart Körting (SPD) wähnt den inneren Notstand und will Soldaten für den Objektschutz in der Hauptstadt. 4. Oktober: Christian Schmidt (CSU) wiederholt die Scholz-Forderung von 1997, die Bundeswehr solle nach dem Vorbild der US-Nationalgarde zu einer internen Eingreiftruppe umgestaltet werden. Die CDU-Vorsitzende Angela Merkel fordert ein „Bundessicherheitsamt“ unter Beteiligung von Bundeswehr, Polizei und Geheimdiensten. 9. Oktober: Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion formuliert einen Antrag zur Grundgesetzänderung, der „in besonderen Gefährdungslagen“ den zivilen Objektschutz durch Soldaten vorsieht. Wolfgang Bosbach, stellvertretender Vorsitzender der Unionsfraktion, nennt als solche Objekte: Chemiewerke, Atomanlagen, Trinkwasser-Talsperren oder Tankstellen.[1] Bundeswehr im Innern – Die Union rüstet erneut zum Kampf weiterlesen

Zusammenarbeit mit den USA

Im Zusammenhang mit der Strafverfolgung und der Terrorismusbekämpfung solle die EU ihre Datenschutzbestimmungen überdenken. Das ist eine von über 40 Forderungen, die US-Präsident George W. Bush am 16. Oktober in einem Brief an den Präsidenten der EU-Kommission erhoben hat. Neben dem weiteren Abbau des Datenschutzes will Bush u.a. eine schnelle und informelle Kooperation von Polizei- und Justizbehörden beider Seiten – inklusive Europol und Eurojust. Dringende Rechtshilfegesuche sollen „wenn irgend möglich“ mündlich gestellt werden können, die schriftliche Fassung könne nachgeliefert werden. Die USA möchten beim EU-Haftbefehl einbezogen werden. Zusammenarbeit mit den USA weiterlesen

Ausbau des Schengener Informationssystems (SIS)

Der Input von Daten ins SIS sei zu verbessern. Diese Forderung findet sich unter Punkt 45 des Anti-Terror-Fahrplans der EU.[1] Was damit gemeint ist, ergibt sich aus einem Vorschlag der belgischen Präsidentschaft vom 15. Oktober dieses Jahres, der von der SIS-Arbeitsgruppe bereits zustimmend zur Kenntnis genommen wurde.[2]

Zum einen soll der technische Umbau des SIS zu einem „SIS der zweiten Generation“ dazu genutzt werden, das System um eine Visa-Datei zu ergänzen. Ausbau des Schengener Informationssystems (SIS) weiterlesen

Lauschangriffe 2000

Bereits zum dritten Mal veröffentlichte die Bundesregierung am 6.8.2001 den Bericht über die akustische Wohnraumüberwachung durch die Polizei.[1] Erneut wurden nur die Überwachungsmaßnahmen veröffentlicht, die nach § 100c Nr. 3 StPO durchgeführt wurden, nicht aber jene, die auf polizeirechtlicher Grundlage erfolgten. Laut Bericht wurden im Jahr 2000 36 Wohnungen in neun Bundesländern abgehört. Achtzehnmal waren Mord, Totschlag oder Völkermord, zwölfmal Drogendelikte die Anlasstat für die Überwachung. In zwei Fällen wurde wegen Bestechung ermittelt, in je einem Fall wegen Geldwäsche, Raub oder räuberischer Erpressung, Geld- oder Wertpapierfälschungen, Erpressung im besonders schweren Fall und einer Straftat gegen die persönliche Freiheit. Lauschangriffe 2000 weiterlesen

LIMO, AUMO, REMO – „Gewalttäter“-Dateien des BKA

Wer in einer der „Gewalttäterdateien“ des Bundeskriminalamts registriert ist, muss mit Reisebeschränkungen, Meldeauflagen oder sog. Gefährderansprachen, d.h. Hausbesuchen der Polizei rechnen. Im Anschluss an die Fußball-WM 1998 in Frankreich war zunächst eine Datei „Gewalttäter Sport“ eingerichtet worden. Im Sommer 2000 kamen Über­legungen zu einer Datei für das rechte Spektrum auf. Da Bayern darauf bestand, Linke und Rechte gleich zu behandeln, beschloss die Innenministerkonferenz (IMK) am 24. November 2000 den Aufbau von drei Dateien: „REMO“ für rechte, „AUMO“ für politisch motivierte nichtdeutsche und „LIMO“ für linke GewalttäterInnen. LIMO, AUMO, REMO – „Gewalttäter“-Dateien des BKA weiterlesen

TASER: „Wunderwaffe aus den USA“ in Erprobung

Seit April dieses Jahres wird in Deutschland die von der US-amerika­nischen Firma „Taser International“ hergestellte Elektroschock-Waffe „Advanced Air Taser“ erprobt (Stückpreis etwa 800 DM). Am 14.8.2001 wurde der Taser erstmals zum Einsatz gebracht. Ein „Lebensmüder“ wur­de von einem SEK-Beamten in einem Hinterhof in Berlin-Kreuzberg durch den Taser niedergestreckt. Seither gilt der Taser als „Lebensretter“. TASER: „Wunderwaffe aus den USA“ in Erprobung weiterlesen