von Andrea Kretschmann
Vorab inszenierte Sicherheitsrisiken boten während der Europameisterschaft (EM) die Legitimation für altbewährte und neue Interventionsformen. Bei der Sorge um die Sicherheit ging es nicht nur um eine erweiterte europäische Kooperation, sondern auch um die Absicherung neoliberaler Profitinteressen.
Die kommerzielle Ausrichtung der „drittgrößten Sportveranstaltung der Welt“[1] barg neben unmittelbaren ökonomischen Motivationen und dem Versprechen, den Standort Österreich aufzuwerten, auch die Option, staatliche Souveränität unter Beweis zu stellen, etwa durch ein erfolgreiches Management der sich zunehmend erhöhenden infrastrukturellen und sicherheitspolitischen Anforderungen. Begeisterungen zu ermöglichen, die den disziplinierten Alltag unterbrechen, stellte also in vielerlei Hinsicht eine Attraktion dar. Doch „Begeisterung überfällt einen nicht, man muss sie herstellen“.[2] Der interessengeleiteten Zusammenarbeit verschiedener staatlicher und privater Akteure bei dem Versuch, der nur mäßig fußballbegeisterten österreichischen Bevölkerung die EM als „Fest“ anzupreisen, kam deshalb ein besonderer Stellenwert zu. Governing Emotions – Fußball-Europameisterschaft 2008 in Österreich weiterlesen →
von Heiner Busch
Hunderttausend PolizistInnen, zehntausend Angestellte privater Sicherheitsdienste, eine wie immer unbekannte Zahl von Geheimdienstleuten und siebentausend Soldaten proben zur Fußball-WM den Ausnahmezustand.
„Hochsicherheitstrakt Berlin“, titelte die Berliner Morgenpost am 26. Mai letzten Jahres. Einen Tag zuvor hatten sich die Innenminister des Bundes und der Länder auf das „Nationale Sicherheitskonzept“ zur Fußball-Weltmeisterschaft geeinigt. Die Auswirkungen auf die Hauptstadt schienen selbst dem Blatt aus dem Hause Springer zu weit zu gehen. Umso mehr, als die Höhe der von Bund und Ländern zu tragenden Kosten für den Sicherheitsaufwand völlig unklar blieb. Von „mehreren Hundert Millionen Euro“ war die Rede. „Kosten zu nennen, wäre unseriös“, zitiert die Morgenpost den damaligen Bundesinnenminister Otto Schily. „Es gibt derzeit keine realistische Kalkulation.“ Die gab es auch im Oktober noch nicht, als Berlins Innensenator Ehrhart Körting die Landesplanungen für die WM-Sicherheit präsentierte und nur angeben konnte, dass bezahlt werde, aber weder wie viel noch aus welcher der leeren Kassen seiner Stadt.[1] Eine Gesamtschau der Sicherheitskosten fehlt nach wie vor. Und ob die in den Haushalten von Bund und Ländern veranschlagten Einzelposten wirklich ausreichen, ist sehr zu bezweifeln. Gäste im Hochsicherheitstrakt – Wie sich die Staatsgewalt auf die WM vorbereitet weiterlesen →
von padeluun, FoeBuD e.V.
Was könnte es Besseres geben für die Befürworter eines Überwachungsstaates als ein Riesen-Fußball-Ereignis mit Millionen begeisterter Menschen, die für ihren Fußball wirklich alles tun würden – auch ohne nachzudenken sich freiwillig überwachen zu lassen. Das Ticket-System der WM macht’s möglich.
Zur Weltmeisterschaft wartet das Organisationskomitee der FIFA – sprich der Deutsche Fußballbund (DFB) – mit einem elektronischen Ticketsystem auf. Die Karten sind mit einem RFID-Chip versehen, der beim Eintritt ins Stadion ausgelesen wird und sie eindeutig einer bestimmten Person zuordnet. Die dafür nötigen Daten lieferten die Fans selbst: Sie mussten bei der Kartenbestellung einen umfangreichen Fragebogen ausfüllen. Glaubt man den Fußballfunktionären, dann soll dieses System zwei Funktionen erfüllen: Erstens sicherstellen, dass bekannte „Hooligans“ und Gewalttäter keinen Zugang zu den Stadien erhalten, und zweitens den üblichen Schwarzmarkt ausschalten. Das System bedient jedoch nicht nur den völlig überdrehten Sicherheitswahn, sondern vor allem die Werbeinteressen der Sponsoren, die zumindest einen Teil der Kundendaten erhalten werden. Trittbrett für Datenkraken – Mit Fragebögen und RFID-Tickets zum Daten-Weltmeister weiterlesen →
von Wilko Zicht
Ein Rückblick auf die Europa- und Weltmeisterschaften der letzten zwanzig Jahre zeigt: Wenn ein Turnier positiv verlaufen soll, dann dürfen Fans und ihre Interessen nicht nur als Sicherheitsrisiken wahrgenommen werden.
„Kultur ist nichts für Fußballfans, die verstehen nur den Polizeiknüppel.“ Das war die kurze und prägnante Antwort eines hohen DFB-Funktionärs auf die Frage, wie die vielen zur Europameisterschaft 1988 erwarteten Fans empfangen werden sollten.[1] Dementsprechend sahen die Empfangskomitees vor den Bahnhöfen aus: Behelmte Hundertschaften nahmen sich der BesucherInnen aus England, den Niederlanden und aus Italien an und spielten für sie während des gesamten Aufenthalts in Deutschland die Rolle des Gastgebers. Herzlich willkommen? Behandlung von Fußballfans bei internationalen Turnieren weiterlesen →
von Matthias Bettag
Für die einen sind sie eine Gefahr, für die anderen die notwendige Kulisse, von der der Fußball lebt. Kaum ein Begriff wird im Zusammenhang der Weltmeisterschaft so undifferenziert und beliebig benutzt wie der des „Fußballfans“.
Für den Generalsekretär des Deutschen Fußballbundes und Vizepräsidenten des WM-Organisationskomitees, Horst R. Schmidt, ist „jeder Zuschauer ein Fußballfan und jeder Fußballfan ein Zuschauer“.[1] Für den ehemaligen Bundesinnenminister Otto Schily sind „Fußballfans keine Gewalttäter und Gewalttäter keine Fußballfans“.[2] Beide Aussagen sind symptomatisch für die Instrumentalisierung von Fußballfans.
Schmidt macht es mit seiner pragmatischen Definition vor allem dem Marketing recht: Der Profifußball – und das gilt vor allem für die WM – ist ein kommerzielles Großereignis mit hohen Profiterwartungen. Aufgrund der Sponsoreninvestitionen sowie massiver direkter und indirekter Unterstützung aus Steuergeldern ist der Fußball ein Milliardengeschäft, welches jedoch für sich in Anspruch nimmt, dem Gemeinwohl zu dienen. Sponsoren zahlen enorme Summen für exklusive Werberechte, wenn die zu bewerbende Zahl der Zuschauer hoch ist. Zwischen Werbestatist und Hooligan – Die Instrumentalisierung der Fans durch die Profiteure des Fußballgeschäfts weiterlesen →
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