von Elke Steven
Die Demonstrationsbeobachtungen des Komitees für Grundrechte und Demokratie begannen 1981 in Brokdorf. Seitdem hat das Komitee immer wieder das Geschehen bei Demonstrationen selbst sowie dessen Vorgeschichte und mediale Nachwehen dokumentiert. Auch 20 Jahre nach der Brokdorf-Demonstration wird die Versammlungsfreiheit eingeschränkt und ausgehebelt. Die vermeintlichen Gründe hierfür schaffen Politik und Polizei notfalls selbst – durch Gewaltprognosen ohne konkrete Anhaltspunkte und durch Polizeieinsätze, die gewaltsame Reaktionen erst hervorlocken.
Die Versammlungsfreiheit, die grundrechtlich geschützte kollektive Einmischung, stellt einen Stachel im sonst ungestörten, vom politischen Establishment bestimmten Entscheidungs- und Handlungsablauf dar. Kein Wunder, dass die Versuche, das störende Grundrecht gesetzlich einzuschränken, in den vergangenen Jahrzehnten nie abgerissen sind.
Einschränkungen erfolgen aber nicht nur per Gesetz, sondern vor allem durch politisch-polizeiliche Eskalationsprozesse, die immer wieder nach ähnlichem Muster ablaufen: Demonstrationen werden, gestützt auf pauschale Gewaltprognosen, mit Auflagen versehen oder verboten. Zur Durchsetzung der Verfügungen kontrolliert die Polizei das gesamte Geschehen und demonstriert ihre Macht- und Gewaltmöglichkeiten. Gegen die nichtigste Ordnungswidrigkeit kann nach Belieben und streng legal eingeschritten werden. Von den folgenden polizeilichen Maßnahmen sind jedoch alle BürgerInnen betroffen. Wenn überhaupt, werden meist erst durch die polizeilichen Einschränkungen der Freiheitsrechte Gegenreaktionen auf Seiten einzelner Demonstrierender herausgelockt. Zu Sachbeschädigungen und Steinwürfen kommt es selbst dann nur selten. Diese bieten jedoch die Legitimation für weitere polizeiliche Gewalt – gegen die Demonstration als ganzes und keineswegs nur gegen die einzelnen Steinewerfer. Abschreckung ist das Ergebnis, wenn nicht sogar das Ziel. Aus den Berichten über solche Ereignisse, die häufig von polizeilichen Verlautbarungen geprägt sind und die tatsächlichen Vorgänge entstellen, lassen sich erneut Forderungen nach Einschränkung der Versammlungsfreiheit herleiten.
Demonstrationsbeobachtungen sollen solchen einseitigen „Wahrheiten“ entgegentreten. Sie sollen einerseits verhindern, dass am Ende nur noch begleitende Gewalterscheinungen den Demonstrationszweck verdunkeln und andererseits sicherstellen, dass Gewalterscheinungen nicht nur einer Seite – es sei denn, dies träfe zu – undifferenziert zur Last gelegt werden. Um dies zu erreichen, müssen die Beobachtenden selbst über verlässliche Informationen verfügen. Die Beobachtung einer Demonstration beginnt daher nicht erst beim Abmarsch der Demo, sondern bereits im Vorfeld mit dem Zusammentragen aller Verlautbarungen sowohl der Aufrufenden als auch von Politik und Polizei. Schon zu Beginn der Demonstration selbst müssen viele Beobachtende an den verschiedenen Orten sein, um das etwaige Entstehen von Gewalt und deren Eskalation beschreiben zu können. An den Tagen danach sind die polizeilichen, publizistischen und politischen Reaktionen auszuwerten.
Drei unterschiedliche Demonstrationen hat das Komitee im Jahre 2001 bisher beobachtet: Am 3. März fand in Dortmund eine Demonstration der NPD und eine Gegendemonstration eines breiten Bündnisses statt, an dem Aktive aus dem Umfeld der Antifa beteiligt waren; bei vorausgegangenen antifaschistischen Demonstrationen nicht nur in Nordrhein-Westfalen war die Polizei unverhältnismäßig hart vorgegangen oder hatte die TeilnehmerInnen gar eingekesselt. Vom 24. bis 29. März beobachtete das Komitee – wie auch in den Jahren zuvor – die Proteste gegen den Transport von hochradioaktivem Müll in das Zwischenlager in Gorleben. An der Berliner „Revolutionären 1. Mai-Demonstration“ waren das Komitee und die Berliner Arbeitsgruppe „Gegen Polizeigewalt!“ wie im letzten Jahr mit einer großen Anzahl von Beobachtenden vor Ort.
Demonstrationsverbote
Während Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG), vor allem das Brokdorf-Urteil von 1985 sowie der Beschluss zu den Sitzblockaden, die Versammlungsfreiheit gestärkt haben, wurden auf politischer Ebene ständig Vorstöße zu ihrer gesetzlichen Einschränkung gemacht. Im vergangenen Jahr nahm die CDU zwar die Demonstrationen rechtsextremer Gruppen zum Anlass für einen entsprechenden Gesetzentwurf, aber letztlich ging es auch darin vor allem um die Einschränkung des Grundrechts. „Ein Versammlungsverbot muss bereits schon bei der Gefahr einer nachhaltigen Beeinträchtigung erheblicher, insbesondere außenpolitischer Belange der Bundesrepublik Deutschland möglich sein.“[1] Einmal mehr wurde in diesem Entwurf von der zu schützenden „Würde“ des Ortes gesprochen, die es nötig mache, Plätze zu versammlungsfreien Gebieten zu erklären. Von der Würde der BürgerInnen, vor denen diese Orte „geschützt“ werden sollen, war keine Rede.
Zwar lehnte der Bundestag diesen gesetzlichen Einschränkungsversuch vorerst ab. Schon auf der Basis des bestehenden Rechts aber sind die behördlichen und polizeilichen Eingriffe in die Demonstrationsfreiheit gravierend. Immer erneut verbieten die Ordnungsbehörden Versammlungen oder belegen sie mit unverhältnismäßigen Auflagen. Und immer erneut bleibt dann nur der Weg über die Gerichte. Zwar stützen die entsprechenden Verfügungen ihre Gewalterwartungen nach wie vor auf allgemeine Vermutungen und interessierte Gerüchte. Die vom Brokdorf-Beschluss geforderte Güterabwägung zwischen dem Grundrecht auf Demonstrationsfreiheit und anderen möglicherweise beeinträchtigten Rechten findet meist nur formal und eher zur Schau statt. Trotzdem wird kurzerhand behauptet, die Verfügung, die eine Versammlung bis zur Unkenntlichkeit einschränkt, entspräche den Anforderungen, die das BVerfG im Brokdorf-Urteil aufgestellt hat.
Die Gerichte haben in letzter Zeit einige Verbote bestätigt. Das BVerfG ließ die Allgemeinverfügung der Bezirksregierung Lüneburg gegen die Demonstrationen im Wendland gelten. Auch das generelle Demonstrationsverbot in Kreuzberg am 1. Mai nach 15.00 Uhr blieb bestehen. Dagegen hob das BVerfG alle Verbote von NPD-Versammlungen auf; nur eine Auflage (eine zeitliche Verschiebung) hatte Bestand.
Demonstrationen unter polizeilicher Kontrolle
Zugenommen haben aber nicht nur die willkürlichen Verbote und Auflagen, sondern auch die willkürlichen Eingriffe. Erschreckend ist das Maß, in dem Demonstrationen unter polizeilicher Kontrolle stehen. Zwar beinhaltet die Versammlungsfreiheit, dass BürgerInnen Ort und Zeitpunkt der Demonstration selbst bestimmen, ihre Versammlungen selbst organisieren und ihren Umgang miteinander so regeln, wie sie es wollen. Häufig tritt die Polizei jedoch auf, als ob sie die Versammlung zu organisieren hätte und beschränkt sich nicht auf die notwendige Regelung des Verkehrs. Sie kontrolliert, wer unter welchen Bedingungen Zugang zu einer Demonstration hat. Schon die massive polizeiliche Präsenz stellt eine dauernd legitimationspflichtige Gewalt dar.
Im Wendland galt per Allgemeinverfügung ein Demonstrationsverbot entlang der Transportstrecke. Doch selbst wenn keine Versammlung stattfand, wurden alle, die sich den Schienen näherten, aus diesem Bereich vertrieben. Die Polizei kontrollierte in der Region auch außerhalb der 50-Meter-Grenze, einige Jugendliche wurden auf bloßen Verdacht in Gewahrsam genommen.[2] Fahrzeugkontrollen auf den Hauptzufahrtsstraßen und die Überwachung von Gebäuden starteten lange vor Beginn des Castor-Transports und der Proteste. In Dortmund überprüfte und durchsuchte die Polizei die meisten Jugendlichen, die durch den Bahnhof zur Demonstration kommen wollten. Auch in Berlin wurden von morgens an die Zugänge nach Kreuzberg überwacht und Personen kontrolliert. Dass Demonstrationen videoüberwacht werden, ist selbstverständlich geworden. Von „Beweissicherungswagen“ und Polizeibeamten mit kleinen Handkameras wird die ganze Veranstaltung überwacht. Die informationelle Selbstbestimmung wird mit der vorgeblichen Notwendigkeit „vorbeugender“ Bekämpfung von Straftaten außer Kraft gesetzt.
Im Wendland wurden darüber hinaus die Voraussetzungen zur Wahrnehmung des Versammlungsrechts mit einer Fülle baurechtlicher Auflagen be- und verhindert. Nicht Grundgesetz und Versammlungsrecht bildeten hier den Maßstab des polizeilichen Handelns, sondern eine verwaltungsrechtliche Handhabe gegen Camps.
Individuelle Kontrolle
Zu den Einschränkungen der Demonstrationsfreiheit gehört auch die Vorverlagerung der Kontrolle. Ende November 2000 beschloss die Innenministerkonferenz die Errichtung neuer Dateien „Gewalttäter Rechts“ und „Gewalttäter Links“ beim Bundeskriminalamt. Erfasst werden sollen hierin nicht nur Verurteilte oder Beschuldigte, sondern alle Personen, gegen die Platzverweise ausgesprochen oder deren Personalien festgestellt wurden. Die Daten sollen mindestens fünf Jahre lang gespeichert bleiben.[3]
Mit Hausbesuchen, Ausreiseverboten und Meldeauflagen ging die Polizei bisher gegen vermutete Fußball-Hooligans vor. Seit den Auseinandersetzungen zwischen Demonstrierenden und Polizei in Göteborg wird das im vor einem Jahr geänderten Passgesetz enthaltene Instrumentarium auch gegen Personen eingesetzt, von denen die Polizei annimmt, dass sie zu einer internationalen Demonstration reisen möchten.
Auch vor Demonstrationen im Inland wurden schon Meldeauflagen versandt. Am 8. Juni 2001 schrieb das Ordnungsamt der Stadt Tübingen einer Person, sie müsse sich am „Montag, 11.06.2001 um 10.00 Uhr sowie um 17.00 Uhr beim Polizeirevier Tübingen melden.“ Sollte sie sich dort nicht aufhalten, müsse sie einen „Hinwendungsort“ mitteilen, damit eine andere Polizeidienststelle bestimmt werden könne. Ein Zwangsgeld von 1.000,- DM und polizeilicher Gewahrsam wurden vorsorglich angedroht. In der Begründung wird auf den Transport von abgebrannten Brennelementen nach La Hague hingewiesen. Für alles weitere reichen vage Vermutungen: „Auch für den am 11.06.2001 geplanten Transport ist davon auszugehen, dass insbesondere die süddeutschen Anti-AKW-Aktionsbündnisse wieder zu Aktionen an den KKW Biblis und Philippsburg sowie an der Transportstrecke aufrufen werden. Aufgrund der bisherigen polizeilichen Erfahrungen sind dabei insbesondere Blockadeaktionen im Rahmen der ‚Kleingruppentaktik‘ zu erwarten.“ Die so angesprochene Person wird „verdächtigt“, Straftaten begehen zu wollen. Der Beleg: Sie habe sich bereits einmal – Zeit und Ort werden bis auf den Bahnkilometer genau angegeben – an einem Gleisbett angekettet und ein anderes Mal an einer Sitzblockade teilgenommen. Strafbefehle oder Bußgeldbescheide liegen nicht vor. An der Begehung solcher „Straftaten“ solle sie zukünftig gehindert werden. Das öffentliche Interesse hieran habe Vorrang vor ihrem „privaten Interesse“ an „uneingeschränkter Freizügigkeit“. Die in der Verfügung als Straftaten gewerteten Handlungen wurden allerdings vor Gericht bisher als Ordnungswidrigkeiten geahndet und mit niedrigen Bußgeldern belegt. Vor vier Jahren ist ein Verfahren wegen Ankettens an die Gleise bei einem Castor-Transport vom Landgericht Lüneburg gegen Zahlung einer Geldbuße eingestellt worden.[4] Gegen viele SitzblockiererInnen sind in der Vergangenheit nicht einmal Strafbefehle erlassen worden.
Ingewahrsamnahme
Geringfügige Regelverstöße einzelner werden häufig als Begründung weitreichender Eingriffe der Polizei genutzt. Einkesselungen und Ingewahrsamnahmen richten sich dabei gegen die Versammlungen insgesamt. Sowohl die möglichen Gründe als auch die Dauer solcher „Ingewahrsamnahmen“ sind im Polizeirecht der Länder in den letzten Jahren weiter gefasst worden. Der „Unterbindungsgewahrsam“ wird nicht zur Abwehr konkreter Gefahren oder zur Strafverfolgung verhängt, sondern vorbeugend. In Niedersachsen beträgt die maximale Dauer vier, in anderen Ländern sogar 14 Tage. In der Praxis werden die Betroffenen genau so lange in Haft behalten, dass keine richterliche Überprüfung erfolgt.
Im Dezember 2000 kesselte die Polizei in Dortmund fast 650 vorwiegend jugendliche DemonstrantInnen ein, die gegen den Aufmarsch der NPD protestierten, und nahm sie in Gewahrsam. Bei klirrender Kälte mussten sie zunächst auf der Straße ausharren, ehe sie in Gefangenensammelstellen gebracht und in Käfige gesperrt wurden. Genauso war es im Oktober 2000 ebenfalls in Dortmund 350 Anti-NPD-Demonstrierenden ergangen. Im Eilverfahren entschied das Oberverwaltungsgericht Münster am 2.3.2001, dass „die Einkesselung friedlicher Demonstranten … ohne vorherige Auflösung der Versammlung rechtswidrig“ sei.[5] Im Wendland fanden über 1.400 Ingewahrsamnahmen statt.[6] Bis auf eine Ausnahme wurden alle Festgenommenen nach einigen Stunden und der Personalienüberprüfung entlassen. Jochen Stay, Mitorganisator der explizit gewaltfreien Sitzblockade von X-tausendmal-quer, wurde – richterlich bestätigt – bis zum Ende des Transportes in Unterbindungsgewahrsam belassen. In allen anderen Fällen, in denen Gerichte entschieden, mussten die Betroffenen sofort entlassen werden, da die Gründe für eine Fortdauer des Gewahrsams nicht reichten.
In Berlin brüstete sich Innensenator Werthebach damit, dass insgesamt 616 BürgerInnen am Nachmittag und Abend des 1. Mai festgenommen worden waren. Vor allem friedliche BürgerInnen, die zur falschen Zeit am falschen Ort waren, wurden hier ihrer Freiheit beraubt. Viele BesucherInnen des Straßenfestes auf dem Mariannenplatz, aber auch einige DemonstrationsbeobachterInnen wurden in den Abendstunden des 1. Mai eingekesselt und in Gewahrsam genommen.
Der sonnige Tag hatte an diesem 1. Mai viele BerlinerInnen ins Freie gelockt. Ab 15.00 Uhr war jedoch jede öffentliche Versammlung unter freiem Himmel in Kreuzberg untersagt. Und so begann die Polizei ab ca. 16.00 Uhr überall dort, wo zu viele Personen beieinander standen, gegen „Ansammlungen“ einzuschreiten, sie auseinander zu treiben, wegzuprügeln und Straßenzüge abzusperren. Aus den von diesen Maßnahmen betroffenen Gruppen kam es dann auch zu Flaschen- und Steinwürfen in Richtung Polizei, später auch zum Entzünden von Containern und Autos. Während die Polizei gegen die Steinewerfer einige Zeit kaum einschritt, trieb sie viele andere BürgerInnen vor sich her, hetzte sie auf den Mariannenplatz, auf dem schon den ganzen Tag das besagte Fest mit vielen Ständen stattfand, und kesselte dort eine große Gruppe ein.
Rechtlosigkeit im Polizeigewahrsam
An diesem Kreuzberger 1. Mai standen gegen 16.30 Uhr auf und an der Kreuzung Oranienstraße/Adalbertstraße viele Leute herum. Die Polizei betrachtete dies als Versammlung und forderte sie auf, den Platz zu verlassen. Vor allem aber drängte sie schnell alle Herumstehenden weg und nahm zwei oder drei Personen fest. Darunter Wolf-Dieter Narr, Professor an der FU Berlin und Mitherausgeber dieser Zeitschrift. Narr war mit Ausweis und gelbem Schal deutlich als Demonstrationsbeobachter gekennzeichnet. Fünfeinhalb Stunden befand er sich im „Gewahrsam“ der Polizei, andere waren dort noch einige Stunden länger.
Für die Betroffenen einer solchen Festnahme ist die völlige Rechtlosigkeit eine entscheidende Erfahrung. Nur und erst dann, wenn ein Richter hinzugezogen wird, kommen Rechte ins Spiel. Die Erfahrungen aus dem Wendland zeigen, dass dann in fast allen Fällen die sofortige Freilassung erfolgt. Zwar hat nach den meisten Polizeigesetzen eine „sofortige“ richterliche Überprüfung zu erfolgen. Häufig wird jedoch bewusst der rechtsfreie Raum vor der richterlichen Überprüfung genutzt, weswegen die Polizei den Betroffenen auch weder Anschuldigungen vorhält oder Fragen zur Tat stellt noch sie über ihre Rechte belehrt. Der Zeitpunkt der möglichen Kontrolle wird herausgezögert. Einkesselungen und die daran anschließenden Ingewahrsamnahmen großer Gruppen dauern meist viele Stunden. Die drei Gefangenen aus dem Kreuzberger Beispiel saßen zweieinhalb Stunden in einem Polizeibus und blieben auch danach in Zellen im Landeskriminalamt ohne rechtliches Gehör. Erst insgesamt fünf Stunden nach seiner Festnahme erhielt unser Beobachter die Möglichkeit eines Telefonats.
Eine wesentliche Erfahrung ist für die Festgenommenen, dass sie zum Objekt schikanöser Kontrollen und Maßnahmen werden. Bei einer ersten Durchsuchung werden bereits alle mitgeführten Gegenstände abgenommen. Damit hat es aber nicht sein Bewenden. Bei jeder Verlegung vom Gefangenentransporter in die Sammelstelle und später in die Zelle werden die Festgenommenen erneut durchsucht; man tastet sie ab, untersucht ihre Schuhe und nimmt ihnen „zur eigenen Sicherheit“ Schnürsenkel und Gürtel ab. Hinzu kommt häufig – insbesondere bei jüngeren Personen – der erniedrigende Blick in die „Körperöffnungen“. Gegen die erkennungsdienstliche Behandlung kann zwar Widerspruch eingelegt werden, durchgeführt wird sie in fast allen Fällen trotzdem.
Alle diese Erfahrungen mit polizeilicher Gewalt können davon abschrecken, das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit in Anspruch zu nehmen. In einem demokratischen Rechtsstaat müsste man sich jedoch frei von Angst vor staatlicher Sanktion oder Benachteiligung am Prozess öffentlicher Meinungs- und Willensbildung beteiligen können. Statt dessen werden Demonstrationen weiter verpolizeilicht und polizeiliche Eingriffsbefugnisse im Stile einer Vorwärtsverrechtlichung erweitert. Die trotzdem stattfindenden Demonstrationen gegen weltweite Ausbeutung, Rassismus und Umweltzerstörung sind demokratische Zeichen, die auf eine Jugend hoffen lassen, die sich weder in Zynismus zurückzieht noch in die weit aufgespannte Gewaltfalle tappt.