Darf’s sonst noch was sein? Schweiz: Neues Polizeirecht für den Bund

von Viktor Györffy und Heiner Busch

Ende November 2009 hat das schweizerische Justizministerium, das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement (EJPD), den Vorentwurf für ein Polizeiaufgabengesetz des Bundes (PolAG) vorgelegt. Geregelt werden darin auch die verdeckten Methoden der Bundeskriminalpolizei.

Das PolAG solle „die Zersplitterung des heutigen Polizeirechts des Bundes“ überwinden, so heißt es in zwei amtlichen Pressemitteilungen sowie in dem rund 100 Seiten langen erläuternden Bericht zu dem Gesetzentwurf.[1] Die Polizeiaufgaben des Bundes seien derzeit in „zahlreichen Bundesgesetzen“ und in einer „Vielzahl von verstreuten Einzelnomen“ geregelt. Das sei nicht nur unübersichtlich, sondern stehe in einem „gewissen Kontrast“ zu der organisatorischen Konzentration der polizeilichen Dienste auf eidgenössischer Ebene im Bundesamt für Polizei, das sich seit einigen Jahren neumodisch als „fedpol“ abkürzt. Das PolAG bringe keine grundsätzlichen Änderungen, es fasse bloß die vorhandenen Bestimmungen zusammen und konkretisiere sie da, wo es nötig sei.

Das EJPD wollte offensichtlich den Ball flach halten und möglichst wenig öffentliche Aufmerksamkeit erregen. Die Strategie scheint vorerst aufgegangen zu sein. Bis zum 16. März 2010 konnten sich interessierte Gruppen zu dem Vorhaben äußern. Die eingegangenen Stellungnahmen und die wenigen Medienberichte zeugen von einem eher mageren öffentlichen Interesse.

Zu Unrecht, denn eine ausführliche Debatte um die Rechtsgrundlagen und die organisatorische Struktur der Polizeidienste des Bundes wäre dringend angebracht. Das EJPD beklagt zwar die „Rechtszersplitterung“, aber nur um die Einzelteile nun in einem umfassenden Gesetzentwurf zusammenzuführen und noch einiges draufzusetzen. Im erläuternden Bericht ist eine kritische Reflexion des seit Anfang der 90er Jahre andauernden chaotischen Gesetzgebungsprozesses nicht zu finden. Der betraf die bestehenden und die neu aufgebauten Informationssysteme, die seit der Verabschiedung des Datenschutzgesetzes 1992 eine gesetzliche Grundlage benötigten, die sehr selektiv verrechtlichten verdeckten Polizeimethoden sowie die polizeiliche Organisation.

Fedpol mit seinen heute über tausend MitarbeiterInnen spielte vor zwei Jahrzehnten noch eine untergeordnete Rolle. Die wichtigsten Polizeidienste des Bundes waren damals noch der Bundesanwaltschaft angegliedert. 1992 wurde zunächst das Zentralpolizeibüro ins Bundesamt für Polizei verlagert und erlebte seit dem Umzug einen rapiden Ausbau und ständige Reorganisationen. Mit dem 1994 verabschiedeten Gesetz über kriminalpolizeiliche Zentralstellen des Bundes (ZentG) erhielten diese die Kompetenz zur Führung eigener Informationssysteme. Zusätzlich zu den bestehenden Zentralstellen (Drogen, Falschgeld, Pornographie und Menschenhandel) wurde eine weitere zur „Bekämpfung der organisierten Kriminalität“ geschaffen. Die im ZentG vorgesehene deliktspezifische Gliederung entsprach allerdings nie der Realität.

Im Mai 1999 wurden die Zentralstellendienste erneut reorganisiert und bildeten nun als Bundeskriminalpolizei (BKP) eine Hauptabteilung des fedpol. Bei gerichtspolizeilichen und Vorermittlungen unterstehen sie seitdem der Leitung des Bundesanwalts. Im Dezember 1999 verabschiedete das Parlament die „Maßnahmen zur Verbesserung der Effizienz und Rechtsstaatlichkeit in der Strafverfolgung“: Die Bildung „krimineller Organisationen“ (Art. 260ter StGB), die Geldwäsche sowie Kor­ruptionsdelikte wurden nun zu Angelegenheiten der Bundesgerichts­bar­keit. Die Ermittlungskompetenzen in diesen Fällen liegen seitdem nicht mehr bei den kantonalen Strafverfolgungsbehörden, sondern immer bei Bundesanwaltschaft und BKP, die zudem Fälle von Wirtschaftskriminalität an sich ziehen können. Die „Effizienzvorlage“ sorgte für einen erneuten Ausbauschub bei der BKP. Regionale Büros in Zürich, Genf und im Tessin wurden eröffnet, eigene Observationsteams, eine Dienststelle für verdeckte Ermittlungen und weitere Spezialeinheiten aufgebaut.

Nachdem im Juli 1998 das Bundesgesetz über Maßnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit (BWIS) in Kraft getreten war, wurden 1999 auch der für die Sicherheit von Personen und Objekten der Bundesverwaltung sowie von Botschaften zuständige Bundessicherheits­dienst sowie die Bundespolizei (BUPO), die Zentrale des Staatsschutzes, von der Bundesanwaltschaft ins fedpol verlagert. Die BUPO musste nun ihre Kompetenzen für gerichtspolizeiliche Ermittlungen ganz an die BKP abgeben und wurde umbenannt in Dienst für Analyse und Prävention (DAP).[2] War dessen Arbeit während der Debatte um das BWIS noch als „präventivpolizeilich“ beschrieben worden, so redet nun auch das EJPD von eine „nachrichtendienstlichen“ Tätigkeit, bei der – so der erläuternde Bericht – „Informationen im Zusammenhang mit politisch-ideolo­gisch motivierten Gefährdungen der staatstragenden Institutionen der Schweiz“ bearbeitet werden.

Im Oktober 2008 verabschiedete das Parlament das „Bundesgesetz über die Zuständigkeiten im Bereich des zivilen Nachrichtendienstes“. Der DAP wurde nun ins Verteidigungsministerium verlagert und mit dem ebenfalls dort untergebrachten „zivilen“ (!) Auslandsgeheimdienst (Strategischer Nachrichtendienst) zum „Nachrichtendienst des Bundes“ (NDB) vereinigt. Das fedpol sei nun ein „reines Polizeiorgan“, das mit dem PolAG eine einheitliche polizeirechtliche Grundlage erhalten solle.

Kriminalpolizei: Polizeirecht oder Strafprozessrecht?

Wer aber nun erwartet, dass der Entwurf eines Polizeiaufgabengesetzes auf die grundlegende polizeiliche Aufgabennorm, die Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, abstellen würde, sieht sich getäuscht. Der Grund für dieses Fehlen ist offensichtlich. Der Bund hat im Bereich des eigentlichen Polizeirechts nur eingeschränkte Kompetenzen, nämlich da, wo es um den Personen- und Objektschutz für Bundesverwaltung und Botschaften geht.

In allen anderen Bereichen stehen seine Aufgaben im Zusammenhang der Strafverfolgung: Da kommen ihm erstens originäre Aufgaben zu, soweit die entsprechenden Straftaten der Bundesgerichtsbarkeit unterstehen. Zweitens nimmt die Bundesanwaltschaft und dementsprechend die BKP in ihrer Rolle als Zentralstelle Ermittlungsaufgaben in Fällen des internationalen oder interkantonalen Handels mit Betäubungsmitteln vor. Drittens hat der Bund Zuständigkeiten bei der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen, also in Bezug auf die Strafverfolgung durch einen anderen Staat. Und viertens nimmt er Koordinationsaufgaben wahr – etwa bei der Fahndung oder durch die Führung von Informationssystemen.

Weil gerade hier die eigentlichen polizeirechtlichen Kompetenzen fehlen, wartet der PolAG-Entwurf (Art. 2 Bst. b, Art. 8 und 9) mit einer völlig unbestimmten Definition „kriminalpolizeilicher Aufgaben“ auf, die im „Erkennen, Bekämpfen und Verfolgen“ von Straftaten bestehen sollen. Diese Aufgaben, die in ähnlicher Form bereits im ZentG von 1994 enthalten waren, fallen aber – wenn überhaupt – in den strafprozessualen Bereich und haben mit Polizeirecht nichts zu tun: Das Verfolgen von Straftaten, für die der Bund Ermittlungskompetenzen hat, muss sich künftig nach der im Oktober 2007 verabschiedeten bundeseinheitlichen Strafprozessordnung (StPO) richten, die demnächst in Kraft treten soll.[3] Eine Festlegung zusätzlicher neuer Befugnisse im PolAG ist hier ausgeschlossen. Da wo die BKP nur die Strafverfolgung der Kantone koordiniert, kann sie selbst keine eigenen Eingriffsbefugnisse beanspruchen. Diese liegen in diesem Fall bei den Kantonen und richten sich demnächst ebenfalls nach der neuen StPO. Die BKP kann hier allenfalls die Polizei- und Untersuchungsbehörden der Kantone durch das Vorhalten und Auswerten sowie den Austausch von Informationen unterstützen. Insofern sind hier statt der bisherigen Blankovollmachten klare datenschutzrechtliche Regeln gefragt, die das informationelle Handeln begrenzen. Eine anders geartete „Erkennung“ von Straftaten kann es nicht geben. Worin schließlich die über die Strafverfolgung hinausgehende „Bekämpfung“ bestehen sollte, ist weder aus dem Entwurf selbst noch aus dem erläuternden Bericht ersichtlich.

Zu den wesentlichen Neuerungen des PolAG-Entwurfs gehört, dass auf diese „Aufgabendefinition“ nun auch detaillierte Befugnisse zu verdeckten Ermittlungsmethoden abgestützt werden. Diese entsprechen im Wesentlichen jenen, die im Entwurf zur Verschärfung des BWIS aus dem Jahre 2007 für den DAP vorgesehen waren („BWIS II“).[4] Das Parlament hat diese Vorlage im vergangenen Jahr zurück gewiesen; das nun für den Geheimdienst zuständige Verteidigungsministerium will in der kommenden Legislaturperiode eine neue bringen. Die Schweiz hätte damit drei Rechtsquellen für geheimpolizeiliche Methoden: eine definitiv geheimdienstliche (BWIS), eine scheinbar polizeirechtliche für die BKP nach dem PolAG und eine dritte für den Bereich der Strafverfolgung, die sich heute aus dem 2005 in Kraft getretenen Bundesgesetz über verdeckte Ermittlungen (BvE) ergibt und in der StPO eingegrenzt wurde. Im BvE hatte man nur den Einsatz von Verdeckten Ermittlern (VE), also von Polizeibeamten oder temporär von der Polizei angestellten Personen geregelt, die unter einer Legende am Rechtsverkehr teilnehmen. In der StPO kam eine Regelung über Observationen hinzu.

Der PolAG-Entwurf kommt nun mit dem vollen Programm: von der Observation über InformatInnen und V-Personen bis hin zum VE. Schon die Regelungen im BvE und in der StPO beziehen sich praktisch auf einen Bereich der Strafverfolgung, bei der die Kriminalisierung des Vorfeldes wie etwa beim Art. 260ter StGB (Bildung krimineller Organisationen) schon in den strafrechtlichen Normen selbst angelegt ist. Die nun im PolAG enthaltenen Befugnisnormen für längerfristige und gezielte Observationen und den begleitenden Einsatz technischer Mittel sowie für private polizeiliche Spitzel sollen an die Aufgabe der „Erkennung und Bekämpfung des organisierten und international tätigen Verbrechens“ geknüpft werden. Das bedeutet, dass sie noch im Vorfeld des strafrechtlichen Vorfeldes angesiedelt wären. Wo dieses beginnt und wo es in ein Strafverfahren mündet, entscheidet letztlich die Polizei selbst.

Während die Observation nach Art. 282 StPO immerhin an ein Ermittlungsverfahren und an das Vorliegen „konkreter Anhaltspunkte“ für ein vorausgegangenes Vergehen oder Verbrechen gebunden ist, kann der PolAG-Entwurf, gerade weil sich die Polizei hier im Vorfeld bewegt, keine Eingriffsvoraussetzungen benennen. Die Zielperson kann ohne einen konkreten Verdacht mindestens einen Monat lang unter einer intensiven Beobachtung stehen, bei der all ihre Lebensäußerungen, sofern sie sich nicht in privaten Räumen abspielen, festgehalten werden dürfen – inklusive des gesprochenen Wortes. Diese Überwachung spielt sich zwar im öffentlich zugänglichen Raum ab, wozu aber beispielsweise auch Kneipen und Restaurants gehören. Vertrauliche Gespräche an solchen Orten könnten somit abgehört werden. Wenn diese also keineswegs harmlose „Beobachtung“ einen Monat lang keine Ergebnisse gebracht hat, soll sie nicht etwa abgebrochen werden müssen, sondern kann wiederum durch eine polizeiliche Instanz, nämlich den fedpol-Direktor verlängert werden – jeweils um einen Monat, was bedeutet, dass sie letztlich auf unbestimmte Zeit fortgesetzt werden kann. Auch das „Ergebnis“, das nur in einem verdichteten Tatverdacht bestehen könnte, bedeutet nicht das Ende der Observation, sondern ermächtigt die Polizei – bzw. nach einem weiteren Monat die Staatsanwaltschaft – zur Fortsetzung der Operation, nun auf der Grundlage der StPO.

Nebenamtliche Spitzel

Der Verzicht auf eine Verrechtlichung des Einsatzes von V-Personen und Informanten im BvE und danach in der StPO sollte dem Spitzelwesen den Anstrich der Seriosität verleihen. Bundesanwaltschaft und BKP nahmen dennoch die Hilfe solcher dubioser „Privatpersonen“ gerne in Anspruch. Dies zeigt der Fall des in den USA zu einer lebenslänglichen Haftstrafe verurteilten kolumbia­nischen Drogenhändlers José Manuel Ramos, der schließlich zum Sturz von Bundesanwalt Valentin Roschacher im Juni 2006 führte. Ramos, der von einer „Task Force“ der Bundesanwaltschaft und der BKP geführt wurde, soll insbesondere Informationen zum Drogenhandel geliefert, aber auch zu den Geldwäsche-Ermittlungen gegen den Financier Oskar Holenweger beigetragen haben.[5] Aber auch jenseits solcher großen Fälle sind V-Leute praktisch bei jedem Einsatz eines VE mitgedacht, weil sie in der Regel notwendig sind, um den legendierten Polizeibeamten in die jeweilige Szene einzuführen oder an die Zielperson heranzuspielen. Bezeichnenderweise wird im erläuternden Bericht zum PolAG-Entwurf die Tätigkeit der Spezialdienststelle für verdeckte Ermittlungen der BKP nicht einmal erwähnt.

Der PolAG-Entwurf unterscheidet zwischen InformantInnen, die „aus eigenem Antrieb regelmäßig oder sporadisch“ Informationen liefern, und V-Personen, die „zur gezielten Beschaffung von Informationen auf Anweisung“ tätig werden. Diese „Privatpersonen“ müssen letztlich selbst in eine kriminelle Szene verstrickt sein, um Informationen beschaffen zu können. Das Verbot, Straftaten zu begehen oder sie zu provozieren, nutzt hier wenig. Dass solche „Privatpersonen“ auch über den angebotenen Judaslohn hinaus eigene Interessen verfolgen könnten, scheint den Verfassern des Entwurfs gar nicht in den Sinn zu kommen.

Der Versuch, Informanten und V-Personen im Vorfeld strafrechtlicher Ermittlungen zu normieren, muss notwendigerweise in einer schiefen und ungenauen Regelung resultieren: Wie im Falle der Observation können auch hier Eingriffsvoraussetzungen letztlich nicht benannt werden. Der Entwurf fordert nur, dass andere Maßnahmen der Informationsbeschaffung aussichtslos oder unverhältnismäßig erschwert sein müssen – eine Leerformel, weil das Ziel der Informa­tions­beschaffung mangels Tatverdachts nicht benannt werden kann.

Die Übergänge zu strafrechtlichen Ermittlungen sind auch hier fließend. Der erläuternde Bericht redet von einem „gewissen Spannungsfeld“ zu den Rechten der Verteidigung im Strafprozess, will aber dennoch nicht darauf verzichten, den Spitzeln Vertraulichkeit zuzusichern. Im Ergebnis läuft das darauf hinaus, dass entweder die durch die V-Person beschafften Informationen für das spätere Verfahren so aufbereitet werden, dass ihr Einsatz nicht mehr erkennbar ist, oder dass anstelle des Spitzels seine Führungsperson im Strafverfahren als Zeuge auftritt. Beide Lösungen sind für ein faires Strafverfahren inakzeptabel.

Hauptamtliche Spitzel

Den Einsatz von Verdeckten Ermittlern soll zwar auf die gerichtspolizeiliche Tätigkeit der BKP begrenzt sein und richtet sich damit künftig nach der StPO. Allerdings strebt das EJPD über die Hintertüre des PolAG die Wiedereinführung des noch im BvE enthaltenen zweistufigen Verfahrens an, das in der StPO ausdrücklich abgeschafft wurde. In der Botschaft zur StPO (der bundesrätlichen Begründung für den endgültigen, dem Parlament vorgelegten Entwurf)[6] heißt es dazu: „Im Unterschied zum BvE unterscheidet die Strafprozessordnung nicht zwischen zwei Phasen der verdeckten Ermittlung: jener im Strafverfahren (Art. 14 ff. BVE) und jener in der Phase, in welcher die Verfahrensleitung noch nicht bei den Strafverfolgungsbehörden liegt.“ Die Regelung des BvE sei „widersprüchlich“, weil sie in dieser ersten Phase „davon ausgeht, dass eine Katalogtat abzuklären ist. Dies setzt jedoch den Verdacht auf eine Katalogtat voraus, was gleichzeitig die Voraussetzung für die Eröffnung eines Strafverfahrens ist. Anders ausgedrückt: Sind die Voraussetzungen für die verdeckte Ermittlung vor einem Strafverfahren erfüllt, so sind auch die Voraussetzungen erfüllt, dass ein Strafverfahren zu eröffnen ist. Für die Phase der verdeckten Ermittlung vor einem Strafverfahren … bleibt somit genau besehen kein Platz.“

Um dennoch diese Vorfeldphase wieder einführen zu können, bedient sich das PolAG einiger Kunstgriffe: Aus dem Einsatz vor dem Strafverfahren wird eine „vorbereitende Legendierung“. Der Deliktkatalog wird nicht mehr ausdrücklich zitiert; er ist nur noch in dem zitierten Artikel der StPO enthalten, aber im PolAG selbst nicht mehr direkt erkennbar. Und die richterliche Genehmigung nach Art. 7 BvE wird ersetzt durch eine Ernennung durch den fedpol-Direktor.

Zur Begründung verweist der erläuternde Bericht einerseits einmal mehr auf die „Strukturermittlungen“ und zum andern auf die Zeit, die für eine glaubwürdige Ausstattung der Legende erforderlich sei. Von der Legende dürfe aber vor der richterlichen Genehmigung kein Gebrauch gemacht werden. Praktisch bedeutet das aber nichts anderes, als dass der Verdeckte Ermittler gegenüber dem Kreis der Zielpersonen aufgebaut werden soll. Er muss sich dafür bereits in der Szene tummeln, sich entsprechend präsentieren und Kontakte herstellen. Gebrauch von der Legende macht er in dieser Phase nur insofern noch nicht, als er noch keine Scheingeschäfte eingeht.

Rechtliche Allround-Absicherung

Mit dem PolAG beabsichtigt das EJPD eine umfassende Verrechtlichung der Tätigkeiten des fedpol und insbesondere der BKP. Deren Ergebnisse im Bereich der Strafverfolgung erwiesen sich in den vergangenen Jahren als mager. Die bei der Verabschiedung der „Effizienzvorlage“ im Jahre 1999 gemachte Ankündigung, man werde dem Bundesstrafgericht jährlich etwa dreißig größere Fallkomplexe aus dem Bereich des „organisierten Verbrechens“ zur Aburteilung vorlegen, erwies sich als Schaumschlägerei. Faktisch bleibt die BKP bei ihren Ermittlungen weitgehend im Vorfeld der Strafverfolgung stecken.

Der PolAG-Entwurf zieht daraus unausgesprochen die Konsequenz: Er wertet das nicht fassbare „Erkennen und Bekämpfen“ von Straftaten zur „kriminalpolizeilichen Aufgabe“ auf und räumt der BKP die entsprechenden geheimpolizeilichen Vorfeldbefugnisse ein. Dass die Verrechtlichung solcher Methoden nur zu unklaren Normen führen kann, versteht sich fast von selbst.

[1] sämtliche Dokumente und Stellungnahmen unter www.fedpol.admin.ch/fedpol/de/
home/dokumentation/information/2010/2010-03-16.html
[2] zu den Wandlungen des Staatsschutzes s. Györffy, V.: Von der Fiche zum Informationssystem, in: Bürgerrechte & Polizei/CILIP 94 (3/2009), S. 73-80
[3] sämtliche Dokumente zum Gesetzgebungsprozess unter www.ejpd.admin.ch/ejpd/de/
home/themen/sicherheit/ref_gesetzgebung/ref_strafprozess.html
[4] s. Botschaft zur Änderung des Bundesgesetzes über Massnahmen zur Wahrung der Inneren Sicherheit v. 5.6.2007, www.admin.ch/ch/d/ff/2007/5037.pdf
[5] zum Fall Ramos siehe m.w.N.: Nationalrat: Überprüfung der Funktion der Strafverfolgungsbehörden des Bundes. Bericht der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrats v. 5.9.2007, S. 2019-2039, www.parlament.ch/d/dokumentation/berichte/berichte-auf
sichtskommissionen/geschaeftspruefungskommission-GPK/berichte-2007/Documents/
1979.pdf
[6] Botschaft zur Vereinheitlichung des Strafprozessrechts v. 21.12.2005, S. 1255 f., www.ad
min.ch/ch/d/ff/2006/1085.pdf