Am 6. November 2007 hat die EU-Kommission ein Paket zur „Verstärkung der Terrorismusbekämpfung“ vorgelegt. Seine zentralen Bestandteile sind Vorschläge für ein „System für den Austausch von Fluggastdatensätzen“ (siehe unten) sowie eine Ergänzung des Rahmenbeschlusses zur Terrorismusbekämpfung vom 13. Juni 2002, das die Mitgliedstaaten verpflichten würde, Straftatbestände der „öffentlichen Aufforderung zur Begehung einer terroristischen Straftat“, der „Anwerbung“ und der „Ausbildung zu terroristischen Zwecken“ in ihr nationales Recht einzufügen.[1] Ausweitung der EU-Terrorismusdefinition weiterlesen
Alle Beiträge von Heiner Busch
Terrorlisten vor den EU-Gerichten – Zum Stand der europäischen Rechtsprechung
von Heiner Busch und Jan Wörlein
Seit Ende 2001 haben sich die Gerichte der EU mit einer Reihe von Klagen gegen das Regime der Terror-Listen auseinandersetzen müssen.
Die Entscheidungen des Europäischen Gerichts erster Instanz (EuGI) und des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) als Rekursinstanz lassen sich in zwei Fallgruppen unterscheiden. Terrorlisten vor den EU-Gerichten – Zum Stand der europäischen Rechtsprechung weiterlesen
Staatsgewalt jenseits des Rechts – Der transatlantische Kampf gegen die Menschenrechte
von Heiner Busch und Norbert Pütter
Während die Staatsführungen diesseits und jenseits des Atlantiks nicht müde werden zu betonen, dass der internationale islamistische Terrorismus die größte Gefahr für Demokratie und Freiheit darstelle, wird zusehends deutlicher, dass diese Regierungen selbst Menschen- und Bürgerrechte systematisch und dauerhaft verletzen.
Der neue, nicht nur transatlantische, sondern weltweite Anti-Terrorismus ist durch drei Elemente gekennzeichnet: Erstens wird in seinem Namen eine internationale Infrastruktur der Überwachung geschaffen. Zweitens werden mit ihm Kriege und militärische Operationen begründet. Und drittens wird im anti-terroristischen Kampf ein Instrumentarium entwickelt, das sich den herkömmlichen Kategorien entzieht: Es ist weder Krieg noch Strafverfolgung oder Gefahrenabwehr, es verknüpft militärische, polizeiliche und geheimdienstliche Aktionen; es steht außerhalb des Rechtssystems und stellt die Betroffenen rechtlos; es schaltet Öffentlichkeit und Parlamente aus und verbindet geheime exekutive Praktiken mit einem umfassenden Repertoire an Sanktionen. Staatsgewalt jenseits des Rechts – Der transatlantische Kampf gegen die Menschenrechte weiterlesen
Extraordinary Renditions – Verschleppung und Folter als Programm
von Heiner Busch
Die CIA entführt „Terrorverdächtige“ in eigene geheime Verhörzentren oder in Folterstaaten. Europäische Geheimdienste helfen ihr dabei.
Am 17. Oktober 2006 unterzeichnete US-Präsident George W. Bush den Military Commissions Act.[1] Das Gesetz legalisierte nicht nur die Militärtribunale auf dem US-Stützpunkt in Guantánamo, die der Oberste Gerichtshof noch dreieinhalb Monate zuvor für illegal erklärt hatte. Vielmehr erhielt nun auch das gesamte System der Geheimgefängnisse außerhalb des US-Territoriums einschließlich der Behandlung der dort Inhaftierten eine „ordentliche“ Rechtsgrundlage.
Handelten Militär und Geheimdienste bis dahin aufgrund einer bloßen Anordnung des Präsidenten, so waren sie nunmehr formell vom Kongress ermächtigt, Personen, die sie der Teilnahme an oder Unterstützung von terroristischen Aktionen gegen die USA verdächtigen, als „unlawful enemy combatants“ (illegale feindliche Kombattanten) für unbegrenzte Zeit in einem Gefängnis außerhalb der USA festzuhalten. Für sie soll es selbst elementare Menschenrechte nicht mehr geben, ihr rechtlicher Status ist faktisch ausgelöscht: Anders als normale Kriegsgefangene, für die weiter das Kriegsvölkerrecht gilt, sollen sie sich weder auf die Genfer Konventionen zum Schutz von Kriegsgefangenen berufen noch die Überprüfung ihrer Inhaftierung vor einem ordentlichen Gericht in den USA verlangen können. Extraordinary Renditions – Verschleppung und Folter als Programm weiterlesen
Zweifelhafte türkische Garantien
Am 23. Januar 2007 bewilligte das schweizerische Bundesgericht die Auslieferung von Mehmet Esiyok in die Türkei – vorbehaltlich der ausstehenden Entscheidung über Esiyoks Asylantrag und vorbehaltlich förmlicher „Menschenrechtsgarantien“ der Türkei.
Das Bundesgericht ließ die Auslieferung nur für einen der rund dreißig im türkischen Auslieferungsersuchen enthaltenen Anklagepunkte zu: Danach soll Esiyok 1995 zusammen mit anderen Mitgliedern der PKK die Ermordung eines Dorfwächters angeordnet haben. Alle anderen Tatvorwürfe seien entweder verjährt oder „zu wenig konkretisiert“. Obwohl sie in einem Strafverfahren in der Türkei also nicht berücksichtigt werden dürften, dienen sie dem Bundesgericht als Beleg dafür, dass Esiyok nicht als „legitimer Widerstandskämpfer“ anzusehen sei. Zudem habe der schweizerische Inlandsgeheimdienst, der Dienst für Analyse und Prävention, im einem Gutachten vom März 2006 dargelegt, dass die PKK, deren ZK Esiyok seit 1995 angehörte, seit 1993 in der BRD und später in der EU insgesamt als „terroristische Vereinigung“ verboten gewesen sei. Dass die Schweiz diese Kriminalisierung bewusst nicht nachvollzogen hat, nimmt das Gericht nicht zur Kenntnis. Zweifelhafte türkische Garantien weiterlesen
200 Dollar und ein paar SMS – Ein schweizerischer „Terror-Prozess“
von Heiner Busch
Das erste und bisher einzige „Terrorismusverfahren“, das die schweizerische Bundesanwaltschaft bisher zur Anklage gebracht hat, endete am 28. Februar 2007 mit weitgehenden Freisprüchen. Von den Vorwürfen der Unterstützung für Al Qaida und der Bildung einer kriminellen Organisation blieb nichts übrig.
Die Akten des Verfahrens „Saud“ füllen 290 Ordner. 938.000 Franken (gut 610.000 Euro) Untersuchungskosten, davon 210.000 für Telefonüberwachungen, hatte es bereits verschlungen, als die Bundesanwaltschaft (BA) im September 2006 ihre Anklageschrift beim Bundesstrafgericht in Bellinzona einreichte. Jetzt muss die Bundeskasse zusätzlich für 368.000 Franken Anwaltshonorare und für Haftentschädigungen von zwischen 9.000 und 93.000 Franken für die sieben Angeklagten aufkommen, die bis zu fünfzehn Monate in Untersuchungshaft saßen.[1] Sechs von ihnen verurteilte das Gericht wegen Schlepperei und der damit zusammenhängenden Urkundenfälschung: Sie hatten Personen vorwiegend aus dem Jemen in die Schweiz gebracht und sie mit gefälschten somalischen Papieren ausgestattet. Die meisten Eingeschleusten hatten dann einen Asylantrag gestellt. Eine kriminelle Organisation im Sinne des Art. 260ter Strafgesetzbuch wollte das Gericht nicht erkennen, und es sah auch nicht die von der BA beschworene Verbindung zur Al Qaida. Der angebliche ideologische Kopf der Gruppe, ein ehemaliger Imam aus dem Jemen, erreichte einen kompletten Freispruch. 200 Dollar und ein paar SMS – Ein schweizerischer „Terror-Prozess“ weiterlesen
EU-weites Fingerabdruck-Register?
Ohne jede Erläuterung hat die Kommission in ihrer „jährlichen Strategieplanung für 2008“ die „Schaffung einer zentralisierten Datenbank für Fingerabdrücke“ als eine ihrer innenpolitischen „geplanten Schlüsselaktionen“ aufgelistet. Eine Durchführbarkeitsstudie sei auf dem Weg, bestätigte ein Kommissionssprecher gegenüber der „Times“. EU-weites Fingerabdruck-Register? weiterlesen
Von Prüm nach Brüssel
Spätestens drei Jahre nach seinem Inkrafttreten wollten die Unterzeichnerstaaten des Vertrages von Prüm eine Initiative ergreifen, um den Inhalt des Abkommens in EU-Recht zu überführen. So steht es in der Präambel des im Juli 2005 von sieben EU-Staaten unterzeichneten Textes. Sieben weitere Staaten sind dem Vertrag inzwischen beigetreten.[1] Von Prüm nach Brüssel weiterlesen
Verdeckte Ermittlungen ohne Grenzen
Ende Dezember 2006 legte die deutsche Delegation in der „Multidisziplinären Gruppe Organisierte Kriminalität“ (MDG) einen Entwurf für eine „Intensivierung der Zusammenarbeit bei der Bekämpfung der grenzüberschreitenden Schwerkriminalität durch den vereinfachten grenzüberschreitenden Einsatz von Verdeckten Ermittlern“ (VE) vor. Zweck der Übung: Der Rat solle mit einer Entschließung „die politische Entscheidung herbeiführen“, dass es für den VE-Einsatz außerhalb des eigenen Territoriums einer genaueren EU-weiten rechtlichen Regelung bedürfe. Verdeckte Ermittlungen ohne Grenzen weiterlesen
Geheimdienstrechts-Ergänzungsgesetz – Terrrorismusbekämpfung als Universallegitimation
von Heiner Busch
Die Geheimdienste dürfen weiterhin Auskünfte von Banken, Fluggesellschaften und Telekommunikationsfirmen verlangen. Am 1. Dezember 2006 verlängerte und erweiterte der Bundestag die Befugnisse, die er den Diensten vor fünf Jahren eingeräumt hatte.
Das jetzt beschlossene „Terrorismusbekämpfungsergänzungsgesetz“ (TBEG) ist der deutliche Beweis dafür, dass die Befristung von Sicherheitsgesetzen eine Farce ist. Ende Dezember 2001 hatte das damals von Otto Schily geführte Bundesinnenministerium (BMI) das „Gesetz zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus“ über die parlamentarischen Hürden gepeitscht.[1] Als Zückerchen für den kleinen grünen Koalitionspartner hatte man die darin enthaltenen neuen Befugnisse der Geheimdienste auf fünf Jahre befristet. Vor Ablauf der Frist sollten sie „evaluiert“ werden. Geheimdienstrechts-Ergänzungsgesetz – Terrrorismusbekämpfung als Universallegitimation weiterlesen