Die Sicherung der deutschen Ostgrenze – Der Bundesgrenzschutz vor neuen Aufgaben

von Otto Diederichs

Etwa um 1985 – mit Beginn der Bestrebungen der europäischen Staaten, im Rahmen des „Schengener Abkommens“[1] die innerstaatlichen Grenzen langfristig aufzuheben – begann der Bundesgrenzschutz (BGS) erstmals in seiner Geschichte, sich um den weiteren Bestand ernstliche Sorgen zu machen. Sicherheitspolitiker und Polizeiplaner gingen sogar daran, mit dem Programm „BGS 2000“ zwanghaft neue Aufgaben für die tannengrüne Truppe zu finden.[2] Mit dem Zerfall des sog. „Ostblocks“ schwanden die Befürchtungen dann dahin: Mit der Sicherung der neuentstandenen Grenzen zu Polen und der ehemaligen Tschechoslowakei ist der BGS heute mehr als ausgelastet.

Deren Sicherung obliegt dem Grenzschutzpräsidium (GSP) Ost in Berlin mit seinen Grenzschutzämtern Frankfurt/Oder (für die Grenze zu Polen) und Pirna (für den Bereich der sächsisch-tschechischen Grenze). Für den bayerisch-tschechischen Abschnitt ist das GSP Süd in München zuständig, das diese Aufgaben im April 1992 von der Grenzpolizei des Freistaates übernahm.[3] Insgesamt sind hierfür unterdessen 2.463 Polizeikräfte und 1.100 ZollbeamtInnen eingesetzt.[4] Auf der Ostsee werden sie unterstützt durch die 3. Flottille des „BGS See“ mit 135 Mann (verstärkt durch eine weitere Flottille des Stützpunktes Neustadt).[5] Die Sicherung der deutschen Ostgrenze – Der Bundesgrenzschutz vor neuen Aufgaben weiterlesen

Vom Einheitlichen Binnenmarkt zum Gemeinsamen Abschiebungsraum – Politische Grenzsicherung in Europa

Mit der Schaffung des EG-Binnenmarktes haben die Exekutiven die bis dahin nationalen Abschottungspolitiken auf europäisches Niveau gehoben. Die Außengrenzen der EG sollen danach insbesondere gegen „unkontrollierte Zuwanderung“ abgeschirmt werden. Im folgenden wird die Vorgeschichte dieser europäischen „Harmonisierung“ und die Folgen dieser Vertragspoltik – auch für die Nachbarländer – näher untersucht.

Seit Anfang der 80er Jahre kamen sich die Länder des nördlichen Westeuropas mit ihrer Abschottungspolitik gegen Flüchtlinge und ImmigrantInnen immer wieder in die Quere. Man verfolgte zwar das gleiche Ziel, die Begrenzung oder Verhinderung von Zuwanderung vor allem aus der Dritten Welt, betrieb dies aber nach dem St. Florians-Prinzip: Hauptsache, die eigenen Grenzen blieben dicht und die eigenen Asylverfahren wurden nicht überlastet. Die Wirkungen auf den Nachbarstaat, in den die jeweiligen Fluchtbewegungen umgeleitet wurden, und noch mehr: das Schicksal der unmittelbar Betroffenen, interessierten nicht. Europa begann sich zum Verschiebebahnhof für Menschen auf der Flucht zu entwickeln. Das Problem der „refugees in orbit“, der umherirrenden Flüchtlinge, die mit ihrem Antrag auf Anerkennung in keinem Land eine wirkliche Chance hatten, begann sich nach und nach zu vergrößern. Vom Einheitlichen Binnenmarkt zum Gemeinsamen Abschiebungsraum – Politische Grenzsicherung in Europa weiterlesen

Wie fremdenfeindlich kann Statistik wirken? AsylbewerberInnen: ein Problem der großen Zahl?

von Roland Appel

Die Zahl der statistisch erfaßten Asylanträge ist 1992 auf angeblich über 400.000 gestiegen, 1991 wurden ca. 256.000 und 1990 etwa 193.000 Anträge registriert, 1989 waren es 121.000 und 1988 rund 103.000.[1] Der propagandistische Aufschrei im Rahmen der Asyldebatte nach einer Begrenzung solcher „Fluten“ ist allerdings zweifelhaft angesichts der Tatsache, daß die Statistiken keine exakten Rückschlüsse darauf zulassen, wieviele Menschen sich denn nun real hinter diesen Anträgen verbergen. Ob jemand erstmalig in der Bundesrepublik um Asyl nachsucht oder nach zwischenzeitlicher Verschärfung der Situtation im Heimatland einen Asyl-Folgeantrag stellt, wird ebensowenig berücksichtigt wie – mit Inkrafttreten der neuen Familienasylregelungen – die Miterfassung der Angehörigen.

Grundsätzlich muß vor der Illusion gewarnt werden, Migration in der Migrationsgesellschaft statistisch exakt zu erfassen. Die These von der „Asylantenflut“, die dumpf an nationalistische Überfremdungsgefühle appelliert, beruht auf dem Illusionstrick einer nur teilweise ausgeleuchteten Bühne. So kamen von 1989-91 in die Bundesrepublik Deutschland: Wie fremdenfeindlich kann Statistik wirken? AsylbewerberInnen: ein Problem der großen Zahl? weiterlesen

Redaktionelle Vorbemerkung

von Otto Diederichs

Die in der letzten Ausgabe geäußerte Befürchtung, daß das Thema Rechtsradikalismus/Rechtsextremismus die politische Entwicklung in der Bundesrepublik noch für längere Zeit dominieren würde, hat sich leider bewahrheitet. Mehr noch, mit dem fürchterlichen Brandanschlag in Solingen am 29. Mai (und den Folgeanschlägen) wurde zudem ein neuer Höhepunkt erreicht. Um so wichtiger erschien es uns, die vorgeblichen Ursachen von Fremdenfeindlichkeit sowie den politischen und polizeilichen Umgang mit Ausländern in diesem Heft näher zu untersuchen. Redaktionelle Vorbemerkung weiterlesen

Summaries

An Editorial Comment
by Otto Diederichs
On July 1st a new “refugee policy compromise” has gone into effect in the FRG, arrived at by the governing coalition and the SPD opposition, which make refugee entry into the country more difficult. Refugees and persons who had entered the country illegally were immediately effected by this new legislation at midnight on the day it went into effect: more than 100 along Germany’s borders with Poland and the Czech Republic were expelled back across the border. This issue of CILIP is a sequel to the discussion of currently relevant right-wing radicalism and xenophobia in Germany which began last issue. Summaries weiterlesen

45 (2/1993) Polizei und Ausländer

CILIP_045

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Redaktionelle Vorbemerkung
Otto Diederichs

Wie fremdenfeindlich kann Statistik wirken?
Roland Appel
Vom Einheitlichen Binnenmarkt zum Gemeinsamen Abschieberaum
Heiner Busch
Die Sicherung der deutschen Ostgrenze
Otto Diederichs
Ausländererfassung in der Bundesrepublik
Thilo Weichert
Wie wird die Bundesrepublik mit illegaler Zuwanderung fertig?
Alexander Müller
Die „Arbeitsgruppe Ausländer“ bei der Berliner Polizei
Otto Diederichs
Die Polizei muß ihren Schutzauftrag erfüllen!
Dokumentation
Asylpolitik in den Niederlanden
Wil van der Schans
Spanien, die Grenze nach Süden
Heiner Busch

Die Novellierung des Niedersächsischen Polizeigesetzes – ‘Rot-Grüne Gefahrenabwehr’
Rolf Gössner
Grüne Kriminalpolitik im Schweizer Kanton Zug
Martin Herrnkind

Chronologie
Kea Tielemann
Literatur
Summaries
Impressum

Das Polizeidebakel von Rostock – Versuch einer analytischen Würdigung

von Otto Diederichs

Was in der Nacht des 22. August 1992 im Rostocker Stadtteil Lichtenhagen begann, hat fraglos die innenpolitische Entwicklung der Bundesrepublik nachhaltig verändert: Ohne daß sich die Polizei in der Lage gesehen hätte, ihnen ernsthaft Widerstand entgegen zu setzen, griffen ca. 150-200 zumeist jugendliche Randalierer – beklatscht von Eltern und Nachbarn – die inmitten einer für die frühere DDR typischen Plattenbau-Siedlung liegende ‚Zentrale Anlaufstelle für Asylbewerber (ZASt)‘ mit Steinen und Molotow-Cocktails an. Am Abend des 23.8. versuchten sie, inzwischen auf ca. 500 angewachsen, erneut, die ZASt zu stürmen. Bis in die frühen Morgenstunden des folgenden Tages dauerten die Auseinandersetzungen. Am Abend des gleichen Tages erreichte die Gewalt ihren Höhepunkt: die (unterdessen geräumte) ZASt sowie ein danebenliegendes (bewohntes) Wohnheim für Vietnamesen wurden in Brand gesetzt. Erst am Dienstag, den 25.8.1992 gegen 3.00 Uhr morgens ebbten die Kämpfe ab.

Zwar hatte es rund ein Jahr vorher im sächsischen Hoyerswerda eine ähnliche Aktion gegeben. Diese war jedoch bei weitem nicht so spektakulär und dementsprechend weniger beachtet worden. Die Bilder von Rostock indessen gingen um die Welt. Das Polizeidebakel von Rostock – Versuch einer analytischen Würdigung weiterlesen

SPUDOK-„Rostock“ – Kommentar zur Errichtungsanordnung

Nicht erst seit der Welle rechter Gewalt setzen die Staatsschutzabteilungen der Kriminalpolizei sog. Spurendokumentationen (SPUDOK) ein. In den 80er Jahren waren es vor allem die politischen Aktivitäten von links, die mit Hilfe dieses elektronischen Instrumentariums bearbeitet wurden. Am bekanntesten wurden dabei Fälle aus Niedersachsen: 1981 und 1986 versuchte eine Sonderabteilung des Staatsschutzes die Göttinger Besetzerszene auszuleuchten, 1985 ging es um die Erfassung von Aktivitäten und Personen im Zusammenhang mit dem Widerstand gegen die Gorlebener Atomfabrik. Auch wenn es nun gegen rechts geht – die Datenschutzprobleme sind weitgehend dieselben.

Üblicherweise werden SPUDOK-Verfahren als kurzfristig einzurichtende Dateien „zur temporären Dokumentation und Recherche“ (2.2) betrachtet, die mit Abschluß des größeren Ermittlungsfalles oder -komplexes wieder aufgelöst werden. Die Daten sollen dabei entweder gelöscht oder – falls sie noch erforderlich, genauer gesagt nützlich sind – in eine polizeiliche Arbeitsdatei überführt werden. Im Staatsschutzbereich ist dies die vom Bundeskriminalamt geführte ‚Arbeitsdatei PIOS Innere Sicherheit (APIS)‘. SPUDOK-„Rostock“ – Kommentar zur Errichtungsanordnung weiterlesen

Institut für Bürgerrechte & öffentliche Sicherheit e.V.