Grüne Kriminalpolitik im Schweizer Kanton Zug

von Martin Herrnkind

Ist die hergebrachte Kriminalpolitik veränderungsfähig? Hanspeter Uster, als Kandidat der ‚Sozialistisch Grünen Alternative (SGA)‘ zum Polizei- und Justizdirektor des schweizer Kantons Zug avanciert, sucht den Nachweis zu erbringen. Seit Anfang 1991 bekleidet der 34jährige Jurist das Amt eines Regierungsrates, das mit dem deutschen Innenminister vergleichbar ist. Von Anbeginn setzte er Akzente durch eine Konzentration auf die Wirtschaftskriminalität, die Einrichtung einer Umweltpolizei, eine konsequente Ahndung von Verkehrsdelikten und die Auflösung des Staatsschutzes.

Der Anspruch, grüne „Polizei-Programmatik“ in realpolitische Verantwortung einzuflechten, muß zwangsläufig in Nagelproben münden. Uster bestand sie bisher alle. Das verdient um so mehr Beachtung, als er sich im deutschsprachigen Raum als erster Grüner längere Zeit auf diesem politischen Hochseil halten konnte. Grüne Kriminalpolitik im Schweizer Kanton Zug weiterlesen

Die Novellierung des Niedersächsischen Polizeigesetzes – ‚Rot-Grüne Gefahrenabwehr‘

von Rolf Gössner

Nach den skandalträchtigen achtziger Jahren (Affären um den Agenten Mauss, SoKo ‚Zitrone‘; geheimpolizeiliche Verstrickungen), sowie wegen struktureller Unzulänglichkeiten und gesellschaftlicher Erfordernisse soll die Polizei im rot-grün regierten Niedersachsen einer grundlegenden Reform unterzogen werden. Das Ziel: „eine betont grundrechtsorientierte und bürgerfreundlich arbeitende Polizei (Bürgerpolizei)“. Darauf hatten sich Grüne und SPD in ihrer Koalitionsvereinbarung geeinigt. Eine eigens einberufene Polizei-Reform-Kommission legte kürzlich ihre Arbeitsergebnisse vor. Auch die Novellierung des geltenden Polizeigesetzes der CDU-Ära befindet sich in der parlamentarischen Beratung; mit der Verabschiedung ist in der zweiten Hälfte dieses Jahres zu rechnen.

Einen ersten Entwurf zur Novellierung des Polizeigesetzes hatte das niedersächsische Innenministerium im Juni 1992 vorgelegt. Nach Kritik und politischem Druck des grünen Koalitionspartners wurde der Referenten-Entwurf umfassend überarbeitet. Die neue Fassung, die danach in den Landtag eingebracht wurde, enthält nun interessante Regelungsansätze, die in der Bundesrepublik einmalig sein dürften. Die Novellierung des Niedersächsischen Polizeigesetzes – ‚Rot-Grüne Gefahrenabwehr‘ weiterlesen

Spanien, die Grenze nach Süden – Die Folgen von Schengen

Nicht nur an ihren Ostgrenzen steht die ‚Festung Europa‘ vor Problemen. Auch die Südflanke macht den Festungsbauern zu schaffen. Die südlichen EG-Staaten (mit Ausnahme Frankreichs) befinden sich dabei in der eigentümlichen Situation, daß sie selbst bis vor kurzem noch Auswanderungsländer waren.

Für Spanien begann sich der Migrationssaldo etwa 1985 umzudrehen. Aber noch 1990 lebten weitaus mehr Spanier im Ausland als Ausländer in Spanien: den 1,7 Mio. emigrierten Spaniern standen nur 475.000 legal und ca. 300.000 illegal in Spanien lebende Ausländer gegenüber.[1] 1985 wurde in Spanien erstmals ein Ausländergesetz verabschiedet. Mit diesem Gesetz reagierte der Staat indes nicht auf innere Probleme: Ausländische Arbeitskräfte leisteten gute Dienste in der Textil- und Bauindustrie und als Saisonarbeiter in der Landwirtschaft. Das Gesetz reagierte auf den Druck der EG-Staaten, zu denen auch die spanische Regierung ihr Land gesellen wollte.[2]

Dieses Ausländergesetz wurde in den folgenden Jahren immer rigider angewendet. Nur ein verhältnismäßig geringer Teil der Nicht-EG-Ausländer konnte den Weg in die Illegalisierung verhindern und die Vorteile der Amnestie annehmen, die die Einführung des Gesetzes begleitete. Die Zahl der Ausweisungen stieg massiv an. Von 4.739 Personen waren im Jahre 1989 4.275 ausschließlich wegen ihres illegalen Status ausgewiesen worden. Spanien, die Grenze nach Süden – Die Folgen von Schengen weiterlesen

Asylpolitik in den Niederlanden

von Wil van der Schans

Jährlich werden von der niederländischen Regierung 500 Menschen offiziell ‚eingeladen‘ und erhalten ohne weiteres Verfahren den Flüchtlingsstatus. Parallel dazu wurde für all jene, die nicht zu dieser kleinen exklusiven Gruppe gehören, sondern auf eigene Faust in die Niederlande flüchten, eine Reihe äußerst restriktiver Maßnahmen eingeführt, die selbst die schlimmsten Befürchtungen noch übertreffen. „Schlicht – doch human“, so umschreibt Justizstaatssekretär Kosto die von ihm betriebene Asylpolitik in den Niederlanden. Die große Zahl von Zwischenfällen bei der Aufnahme von Asylsuchenden während des vergangenen Jahres hat jedoch ein großes Fragezeichen hinter die Humanität dieser Politik gesetzt. Dennoch ist die Botschaft der Regierung deutlich: Holland ist voll! Der Strom der Asylsuchenden muß eingedämmt werden!

Ebenso wie im übrigen Europa hat auch in den Niederlanden die Zahl der Asylsuchenden rapide zugenommen. Suchten hier 1982 noch 1.214 Menschen Asyl, waren es 1992 insgesamt 20.346. Da der überwiegende Teil der Anträge jedoch abgewiesen wurde, fällt das derzeitige Zahlenverhältnis zu den Einheimischen mit einem Asylbewerber auf 544 Niederländer immer noch eher niedrig aus. Verglichen mit anderen europäischen Ländern ist dies wenig: So betrug das Verhältnis im Jahre 1990 in Deutschland 1:520, in Belgien 1:388 und in Frankreich 1:289. Dänemark führte diese Liste seinerzeit mit 1:154 an. Asylpolitik in den Niederlanden weiterlesen

Die Polizei muß ihren Schutzauftrag erfüllen!

Gemeinsame Forderungen von ‚Forum Buntes Deutschland e.V. – SOS Rassismus‘, Bundesarbeitsgemeinschaft ‚Kritische Polizisten und Polizistinnen‘, Institut für Bürgerrechte & öffentliche Sicherheit e.V./ Bürgerrechte & Polizei/CILIP, Berlin

Nach rund einem halben Jahr scheinbarer Beruhigung sind am 29.5.93 in Solingen erneut Menschen durch Rechtsextremisten getötet worden. Insgesamt starben bei rechtsradikal motivierten Gewalttaten in den vergangenen zwei Jahren 22 Menschen. Die gesellschaftlichen Ursachen von Rechtsextremismus und Rassismus sind der Polizei nicht zugänglich; sie ist für die Lösung dieser Probleme die falsche Institution. Von der Polizei muß jedoch erwartet werden, daß sie ihre elementare Aufgabe, Leib und Leben von Menschen zu schützen, mit Nachdruck erfüllt. Die Polizei muß ihren Schutzauftrag erfüllen! weiterlesen

Die „Arbeitsgruppe Ausländer“ der Berliner Polizei – Eine Sondereinheit mit Doppelfunktion

von Otto Diederichs

Der Grundstein der ersten polizeilichen Sondereinheit zur Bearbeitung von Ausländerangelegenheiten wurde 1971 in der damaligen Polizeiinspektion Wedding mit drei Beamten gelegt. Schnell wurde das Modell auch auf die anderen Berliner Bezirke ausgedehnt und 1979 schließlich ein eigener Ermittlungstrupp mit Koordinierungsfunktion bei der Landespolizeidirektion eingerichtet,[1] deren Leiter, der Polizeihauptkommissar (PHK) Klaus-Dieter Reichert, Anfang Juli diesen Jahres zudem zum polizeilichen Ausländerbeauftragten bestellt wurde.[2]

Aus den ursprünglich drei Beamten sind unterdessen 61 geworden, die sich alle freiwillig zu diesem Einsatz meldeten. Ursprüngliche Pläne, in Stuttgart und Frankfurt/M. ähnliche Einheiten einzurichten,[3] sind dem Vernehmen nach nicht verwirklicht worden, und über diejenigen in Hamburg oder München ist wenig bekannt, allerdings sollen sie mit der Berliner Einheit nur bedingt vergleichbar sein.

Ihren Namen hat die Gruppe unterdessen geändert. Hieß sie zunächst „Arbeitsgebiet gezielte Ausländerüberwachung“,[4] so wurde daraus schließlich – neutraler – die „Arbeitsgruppe Ausländer“.[5] Stets gleich geblieben sind das polizeiliche Kürzel „AGA“ und die Aufgabenstellung. Diese besteht zum einen darin, den Kontakt zum ausländischen Bevölkerungsanteil Berlins zu suchen, um so Vertrauen zur Polizei zu schaffen, und andererseits, illegal in der Stadt aufhältige Personen zu ermitteln und die entsprechenden „aufenthaltsbeendenden Maßnahmen“ einzuleiten. Die „Arbeitsgruppe Ausländer“ der Berliner Polizei – Eine Sondereinheit mit Doppelfunktion weiterlesen

Wie wird die Bundesrepublik mit illegaler Zuwanderung fertig? Die Lage nach der Änderung des Art. 16 GG

von Alexander Müller

Die am 1. Juli 1993 in Kraft getretene Änderung des Grundgesetzartikels 16 und die verabschiedeten Begleitgesetze bedeuten eine einschneidende Veränderung der Ausländer- und Asylpolitik in der Bundesrepublik Deutschland. Gleichzeitig markieren sie einen weitreichenden Bruch mit dem bundesrepublikanischen Selbstverständnis über Flüchtlings- und Einwanderungspolitik. Obwohl in den letzten Jahren eine wachsende öffentliche Diskussion über Flüchtlingspolitik zu verzeichnen war, so konnte doch davon ausgegangen werden, daß das in der Verfassung festgeschriebene Grundrecht auf Asyl für politisch Verfolgte im Grundsatz anerkannt war. Die Kritik an mangelhaften und zu langsamen Asylverfahren, die Frage, wievielen Menschen Asyl in der Bundesrepublik gewährt werden könne, die Forderung nach weiteren Hilfen für Armutsflüchtlinge in den Herkunftsländern und der Ruf nach einem einheitlichen europäischen Asylrecht stellten insgesamt den Artikel 16 GG nicht in Frage.

Bis vor wenigen Jahren konnte davon ausgegangen werden, daß in unserer Gesellschaft nicht nur ein weitreichender Konsens über die Aufnahme von politisch Verfolgten als historische Verpflichtung der Bundesrepublik existierte, sondern daß auch die Notwendigkeit einer gesteuerten Zuwanderung politisch auf der Tagesordnung stand. Die Erfahrung eines jahrzehntelangen Zusammenlebens mit Nichtdeutschen, die kulturelle Bereicherung der bundesrepublikanischen Gesellschaft und auch die ökonomischen Notwendigkeiten – nicht zuletzt vermittelt durch die seit Jahren bekannte Tätigkeit von ‚Gastarbeitern‘ – fanden ihren Niederschlag im Konzept einer multikulturellen Gesellschaft. Wie wird die Bundesrepublik mit illegaler Zuwanderung fertig? Die Lage nach der Änderung des Art. 16 GG weiterlesen

Ausländererfassung in der Bundesrepublik – Die informationelle Sonderbehandlung von ImmigrantInnen und Flüchtlingen

von Thilo Weichert

Der Einsatz konventioneller oder automatisierter Datenverarbeitung zur Ausgrenzung gesellschaftlicher Minderheiten hat in Deutschland unrühmliche Tradition. Die Erfassung nach Rassen und Nationalitäten diente den Nationalsozialisten der Ausgrenzung und differenzierten Behandlung, der gewalttätigen Unterdrückung, Deportation (Evakuierung) und Vernichtung, aber auch der „Effektivierung“ der Rohstoff- und Arbeitskräfteplanung für die Vorkriegs- und die Kriegswirtschaft.[1]
Erstaunlicherweise sahen die Mütter und Väter des Grundgesetzes, welche bestrebt waren, bei der Schaffung einer demokratischen bundesdeutschen Verfassung Lehren aus dem Nationalsozialismus zu ziehen, keine Veranlassung, aus der informationellen Sonderbehandlung von Minderheiten rechtliche Konsequenzen abzuleiten.[2]

Die Kontinuität des Ausländerrechts währte bis 1965.[3] Die Erfassung der Ausländerinnen und Ausländer wurde aber auch danach nicht gesetzlich, sondern in exekutiven Bestimmungen über die Führung von Ausländerkarteien geregelt.[4] Die mangelnde Beachtung dieses Themas durch den Gesetzgeber erlaubt jedoch nicht den Schluß, daß die Erfassung ausländischer Personen nicht stattfand, daß ihr keine Funktion zukam. Das Gegenteil ist vielmehr richtig: Schon 1953 wurde eine alle in der Bundesrepublik lebenden Nichtdeutschen erfassende zentrale Datei, das Ausländerzentralregister (AZR), eingerichtet. Ausländererfassung in der Bundesrepublik – Die informationelle Sonderbehandlung von ImmigrantInnen und Flüchtlingen weiterlesen

Institut für Bürgerrechte & öffentliche Sicherheit e.V.