Archiv der Kategorie: CILIP 077

(1/2004) Polizeiliche Statistik

DDR-Kriminalstatistik – Immer mit Blick Richtung Westen

von Falco Werkentin

Wer zu DDR-Zeiten sich kundig machen wollte über kriminalstatistische Daten im ersten deutschen Arbeiter- und Bauernstaat, suchte nahezu vergeblich.

Zwar gab es in den statistischen Jahrbüchern der DDR seit den 50er Jahren zunächst eine Rubrik „Rechtsprechung“ und danach eine mit dem Titel „Kriminalität und Zivilprozesssachen“, die dann Mitte der 60er Jahre in „Rechtspflege“ umbenannt wurde. Doch blieben die Angaben so hoch aggregiert, dass ihr Aussagewert gegen Null ging. Veröffentlicht wurden fast ausschließlich Insgesamt-Angaben über festgestellte Straftaten und verurteilte Personen sowie Angaben zu wenigen ausgewählten Deliktgruppen aus den Bereichen der Gewalt-, Eigentums- und Sexualkriminalität und Verkehrsdelikte. Seit 1978 waren es immerhin 25 Deliktgruppen, zu denen Jahreszahlen vorgelegt wurden. Zeitweilig, in den Jahrbüchern 1973-1977, hatte man selbst die Veröffentlichung dieser aggregierten Daten eingestellt. Sonstige statistische Fachserien und Publikationen – vergleichbar etwa der Rechtspflege- oder der polizeilichen Kriminalstatistik der BRD – gab es nicht. DDR-Kriminalstatistik – Immer mit Blick Richtung Westen weiterlesen

Polizeiliche Lagebilder – Professionelle Polizeiarbeit oder Augenwischerei?

von Norbert Pütter

Lagebilder, so die offizielle Sicht, bilden die „Voraussetzung für zielgerichtetes polizeiliches Handeln“. Sie dienten „dem Erkennen, der Analyse und der Prognose polizeirelevanter Ereignisse und Entwicklungen“, und sie bildeten die Basis jeder polizeilichen Strategie.[1] Liest man polizeiliche Lagebilder, so sind allerdings Zweifel angebracht, ob sie diesen Ansprüchen gerecht werden.

Lagebilder sind nach der Definition der „Polizeidienstvorschrift (PDV) 100“ die zu einem bestimmten Zeitpunkt zusammengeführten, polizeilich bedeutsamen Erkenntnisse. Hinsichtlich ihrer Zweckbestimmung werden drei Arten von Lagebildern unterschieden: Sie können erstens unter taktischen Gesichtspunkten erstellt werden, sofern sie zur polizeilichen Bewältigung eines bestimmten Ereignisses beitragen sollen. Derartige Lagebilder sind bei jedem polizeilichen Einsatz denkbar, dessen zeitlicher Ablauf eine „Informationsphase“ erlaubt – von der aktuellen Geiselnahme bis zu Fußballspielen oder Demonstrationen. Während sich diese taktische Dimension auf einen konkreten Einzelfall bezieht und ihr nur ein begrenzter Zeithorizont zugrunde liegt, dienen zweitens strategisch angelegte Lagebilder der Entwicklung mittel- und langfristiger Ziele und Strategien. Sie gelten nicht einem singulären Ereignis, sondern einem dauerhaften oder immer wiederkehrenden Phänomen. Berichte, die der Kontrolle (oder Bekämpfung) bestimmter Deliktsbereiche gelten, fallen in diese Kategorie. Polizeiliche Lagebilder – Professionelle Polizeiarbeit oder Augenwischerei? weiterlesen

Polizei betreibt City-Pflege – Polizeiliche Aufenthaltsverbote in der Stadt Bern

von Karin Gasser

Die Schweizerische Bundeshauptstadt Bern ist bekannt für ihr mittelalterliches Stadtbild und die grüne Aare, die sich um die Altstadt windet. In dieser scheinbar so friedlichen Stadt nehmen Themen wie Sauberkeit, Sicherheit und Ordnung im öffentlichen Raum seit einigen Jahren eine zentrale Position in der stadtpolitischen Diskussion ein.

Die Polizei hat maßgeblich dazu beigetragen, dass sich dieser Sicherheitsdiskurs unabhängig von realen Bedrohungen verselbständigt und verstärkt hat. Seit fünf Jahren praktiziert sie regelmäßig Wegweisungen aus bestimmten Zonen der Innenstadt und bringt sich damit im ganzen Land in die Schlagzeilen – und verletzt Grundrechte. Wegweisungsverfügung heißt das Zaubermittel, das ihr zur Verfügung steht, seitdem der Kanton Bern 1998 sein neues Polizeigesetz in Kraft setzte. Diese polizeiliche Praxis hat in der Schweiz Pilotcharakter – Nachahmungen anderer Städte sind absehbar, denn die Praxis genießt eine breite politische Unterstützung. Wie ist eine solch neue Strategie in einem gesamtgesellschaftlichen Kontext zu verstehen? Worauf zielt sie im Grunde genommen ab und wie ist sie entstanden? Polizei betreibt City-Pflege – Polizeiliche Aufenthaltsverbote in der Stadt Bern weiterlesen

Editorial

von Heiner Busch

„Frieden, das ist nur Schlamperei, erst der Krieg schafft Ordnung. Die Menschheit schießt ins Kraut im Frieden. Mit Mensch und Vieh wird herumgesaut, als wärs gar nix … Wie viele junge Leut und gute Gäul diese Stadt da vorn hat, weiß kein Mensch, es ist niemals gezählt worden. Ich bin in Gegenden gekommen, wo kein Krieg war vielleicht siebzig Jahr, da hatten die Leut überhaupt noch keine Namen, die kannten sich selber nicht. Nur wo Krieg ist, gibt’s ordentliche Listen und Registraturen, kommt das Schuhzeug in Ballen und das Korn in Säck, wird Mensch und Vieh sauber gezählt und weggebracht, weil man eben weiß: Ohne Ordnung kein Krieg.“ Editorial weiterlesen

Die Polizei und ihre Statistik – Instrument der Erkenntnis, der Planung oder der Politik?

von Heiner Busch

Fünfzig Jahre Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) sind fünfzig Jahre vorprogrammierter Missverständnisse. Die Polizei weiß heute, dass die PKS nur eine Anzeigenstatistik ist. Diese Erkenntnis hält weder sie davon ab, PKS-Daten zur Basis von Lagebildern oder Einsatzplanungen zu machen, noch bewahrt es die Öffentlichkeit vor den alljährlichen Schockmeldungen über gestiegene Kriminalität.

Am Anfang, 1953, war da ein dünnes Heftchen. Heute ist die Polizeiliche Kriminalstatistik der Bundesrepublik Deutschland ein Wälzer von über 250 Seiten Definitionen, Erklärungen und Analysen und mehr als 170 Seiten Tabellen. Hinzu kommen oft ebenso dicke Bände aus den Bundesländern. Der Umfang der erfassten Merkmale und der Auswertungen ist erheblich gewachsen. Die Polizei, so ließe sich daraus schließen, weiß heute erheblich mehr über die bundesdeutsche Gesellschaft und ihre Kriminalität als noch vor 50 Jahren. Die Polizei und ihre Statistik – Instrument der Erkenntnis, der Planung oder der Politik? weiterlesen

Summaries

Statistics as police instrument
by Heiner Busch
Germany’s police crime statistics (PKS) is fifty years old. The initially meagre file has turned into a tome. Today, police know that PKS is not a representation of crime reality but merely a statistics of reports received by the police. This, however, does not prevent politicians to abuse the regular „increase in crime“ for their political propaganda, nor does it stop the police from using registered crime data for operational purposes. Summaries weiterlesen

Europol-Arbeitsdateien

Im Dezember 2003 betrieb Europol 19 Arbeitsdateien zu Analysezwecken. Darin waren insgesamt 146.183 Personen erfasst. Dies ergibt sich aus einer nachträglichen Antwort des Staatssekretärs im Bundesinnenministerium, Fritz Rudolf Körper, auf eine Anfrage der PDS-Abgeord­neten Petra Pau. Es ist das erste Mal, dass eine solche – wenn auch knappe – Zusammenstellung der Analyseprojekte und -dateien von Europol veröffentlicht wird. Wie Körper bereits während der Fragestunde des Bundestages am 24. September 2003 erklärte, musste er für die Bekanntgabe der Zahl gespeicherter Personen eigens die anderen Mitgliedstaaten um Zustimmung ersuchen. Europol habe „inzwischen mitgeteilt“, dass dem „keine Hindernisse“ im Wege stünden, heißt es in dem Nachbericht vom 15. Januar dieses Jahres. Europol-Arbeitsdateien weiterlesen

Anti-Terror-Beschlüsse der EU

Wie nach dem 11. September 2001 haben auch die Anschläge in Madrid am 11. März 2004 hektische Aktivitäten der EU-Gremien hervorgerufen. Am 18. März legte die Kommission ein „action paper“ vor. Am 19. März trafen sich die Innen- und Justizminister zu einer Sondersitzung. Eine Woche danach tagten die Staats- und Regierungschefs und beschlossen eine „Erklärung zum Kampf gegen den Terrorismus“.[1] Anti-Terror-Beschlüsse der EU weiterlesen