Archiv der Kategorie: CILIP 080

(1/2005) Anti-Terrorismus – eine Zwischenbilanz

Geheimverfahren gegen Terroristen? G8-Modelle auch für die EU

von Tony Bunyan

„Besondere Ermittlungsmethoden“ und geheimdienstliche „Erkenntnisse“ als Beweismittel: Die Gruppe der sieben stärksten Industriestaaten plus Russland (G8) will im „Krieg gegen den Terror“ neue globale Standards durchsetzen und findet damit – zumindest teilweise – Anklang in der EU.

Seit dem 11. September 2001 hat die G8 eine führende Rolle in der Politik „innerer Sicherheit“ übernommen. Als „globale“ Gruppierung unter der Führung der USA setzt sie globale Standards. Die ersten Forderungen hat die EU bereits übernommen: Die Einführung biometrischer Pässe ist beschlossen, die Speicherung von Telekom-Verbindungsdaten steckt im Gesetzgebungsverfahren des Rates der EU-Innen- und Justizminister, und auch mit der Weitergabe von Flugpassagierdaten haben sich die USA durchgesetzt. Geheimverfahren gegen Terroristen? G8-Modelle auch für die EU weiterlesen

Der „war on terrorism“ der USA – Eine Zwischenbilanz im vierten Jahr

von Albrecht Funk

Ob der Krieg gegen den Terror zu dem führt, was seine Kriegsherren verheißen, private Gewaltunternehmer zu vernichten und eine „pax americana“ herzustellen, ist eine Frage, die in den USA kaum ein Politiker mehr zu stellen wagt. Wer am Sinn des Krieges zweifelt, erntet – wie Präsidentschaftskandidat John Kerry im Wahlkampf – nur Verachtung für den Mangel an Siegesgewissheit.

Der Rest der Welt tut gut daran, den Krieg nicht nur als eine Metapher zu begreifen. Die USA sehen sich im Krieg und führen ihn deshalb auch mit realer kriegerischer Gewalt: Vernichtung der Feinde, Ausschaltung der Gruppen und Staaten, die diese unterstützen, Präventivschläge gegen Akteure, die nach Einschätzung der Regierung eine (terroristische) Gefahr darstellen. Nach bald vier Jahren „war on terrorism“ steht nicht mehr zur Debatte, ob Krieg herrscht, sondern nur noch, wo er stattfindet und in welcher Form er die internationale Ordnung und die politische und gesellschaftliche Normalität der USA verändert hat. Der „war on terrorism“ der USA – Eine Zwischenbilanz im vierten Jahr weiterlesen

Britisches Anti-Terror-Recht – Von „Notstandsbefugnissen“ zu „Kontrollanordnungen“

von Ben Hayes

Mit der Verabschiedung eines neuen „Prevention of Terrorism Act“ im März 2005 hat Großbritannien einen (vorläufigen) Höhepunkt in der 30-jährigen Geschichte seines Anti-Terror-Rechts erreicht.

Diese Geschichte begann im November 1974 mit dem „Prevention of Terrorism (Temporary Provisions) Act“ (PTA), den die Regierung nach einer ausgedehnten Anschlagsserie der IRA in nur einem Tag durchs Parlament paukte. Der damalige Labour-Innenminister Roy Jenkins sprach seinerzeit von einer „Kombination von drakonischen Befugnissen, die es so in Friedenszeiten noch nie gegeben hat.“[1] Der PTA enthielt im Wesentlichen drei Punkte: das Verbot der IRA und die Kriminalisierung ihrer Mitglieder, die Möglichkeit, Terrorismusverdächtige ausweisen zu können, sowie die Befugnis der Polizei, Personen auf Anordnung des Innenministers sieben Tage festhalten zu können. Die Ermächtigungen von 1974 glichen in vielerlei Hinsicht den zu Beginn des Zweiten Weltkriegs erlassenen Notstandsgesetzen. Britisches Anti-Terror-Recht – Von „Notstandsbefugnissen“ zu „Kontrollanordnungen“ weiterlesen

Mit Rückenwind der EU – Die spanische Anti-Terror-Politik

von Peio M. Aierbe

Der 11. September 2001 hat die spanische Anti-Terror-Politik nicht grundsätzlich verändert. Eine willige öffentliche Meinung und die gewachsene Kooperationsbereitschaft anderer Staaten ermöglichten der Regierung vielmehr ein schnelleres Tempo auf dem bereits vorgezeichneten Kurs.

Die Anti-Terror-Politik der spanischen Regierung verfolgt seit Jahrzehnten ein grundsätzliches Ziel: die Bekämpfung der bewaffneten baskischen Organisation ETA und ihres Umfeldes. Die dafür notwendigen polizeilichen und geheimdienstlichen Strukturen, rechtlichen Grundlagen und politischen Bündnisse sind seit langem fest etabliert. Mit Rückenwind der EU – Die spanische Anti-Terror-Politik weiterlesen

Alarmstufe „Rot“ – Terrorwarnungen in Deutschland und was davon blieb

von Anja Lederer

Nach dem 11. September 2001 blieben auch in der Bundesrepublik „Terrorwarnungen“ nicht aus. Die Palette der Schreckensmeldungen abseits von der immer aufs Neue bemühten „abstrakten Gefahr“ reichte von drohenden Flugzeug- und Schiffsentführungen über angeblich geplante Anschläge auf Forschungsreaktoren bis zum „Virenalarm“.

Am 5. September 2002 stürmte ein Sondereinsatzkommando der Polizei die Wohnung des türkischen Staatsangehörigen Osman P. und seiner US-amerikanischen Freundin Astrid E. in Walldorf.[1] Wenige Tage zuvor hatten Bundesinnenminister Otto Schily und seine „Sicherheitsbehörden“ angesichts des kommenden Jahrestages der Anschläge in den USA vor einer „hohen Gefährdung für Deutschland“ gewarnt. Was die Polizei in der Walldorfer Wohnung fand, schien diese Gefahr zu untermauern. Alarmstufe „Rot“ – Terrorwarnungen in Deutschland und was davon blieb weiterlesen

Zu Lande, zu Wasser und in der Luft – Terrorismusbekämpfung als Ermächtigungspolitik

von Norbert Pütter

In seinen Grundlinien bleibt sich der deutsche Anti-Terrorismus treu: Mit „streng rechtsstaatlichen Gesetzen“ wird das beschnitten, was Demokraten bislang für rechtsstaatlich selbstverständlich hielten. Wo das nicht reicht, weil die politischen Mehrheiten fehlen, findet man praktische Lösungen, um die Arbeit der Exekutiven zu „verbessern“.

Mit drei gesetzgeberischen Schnellschüssen hatte der Bundesgesetzgeber auf die Anschläge vom 11. September 2001 reagiert: Er strich das „Religionsprivileg“ aus dem Vereinsgesetz, erhöhte Steuern, um zusätzliche Gelder für den Anti-Terror-Kampf zu beschaffen, und beschloss mit dem „Terrorismusbekämpfungsgesetz“ eine Vielzahl von Maßnahmen, die sich vor allem auf die Kontrolle von AusländerInnen bezogen und die deutschen Geheimdienste mit neuen Befugnissen ausstatteten.[1] In den vergangenen dreieinhalb Jahren versuchte man, Gefahrenabwehr und Strafverfolgung des Terrorismus durch weitere Gesetze zu verbessern. Zu Lande, zu Wasser und in der Luft – Terrorismusbekämpfung als Ermächtigungspolitik weiterlesen

Zurück zum Fremden-Polizeirecht? Anti-Terror-Gesetzgebung im Zuwanderungsgesetz

von Marei Pelzer

Schon die Anti-Terrorpakete nach dem 11. September 2001 schränkten vor allem die Rechte hier lebender MigrantInnen und Flüchtlinge ein. Mit dem Zuwanderungsgesetz wurde der gesetzgeberische Aktionismus fortgesetzt.

Das Zuwanderungsgesetz, das am 1. Januar 2005 in Kraft getreten ist, enthält massive sicherheitspolitische Verschärfungen.[1] Darauf hatte vor allem die CDU/CSU gedrängt, die ihren Einfluss aufgrund der Zustimmungsbedürftigkeit des Gesetzes im Bundesrat geltend machen konnte. Die Ausprägung des „Ausländerrechts“ als Gefahrenabwehrrecht wurde nicht nur beibehalten, sondern sogar noch ausgeweitet. Statt ein modernes Einwanderungsgesetz zu schaffen, wurde der Charakter eines „Fremden-Polizeirechts“ vordemokratischen Gepräges ausgebaut. Zurück zum Fremden-Polizeirecht? Anti-Terror-Gesetzgebung im Zuwanderungsgesetz weiterlesen

Außer Spesen nichts gewesen? Eine Bilanz der Rasterfahndung nach dem 11.9.2001

von Martina Kant

Die Daten von insgesamt rund 8,3 Millionen Menschen wurden im Zuge der bundesweiten Rasterfahndung nach den Anschlägen vom 11. September 2001 erhoben, verarbeitet und gerastert. Damit wurde bei jedem zehnten Bewohner dieses Landes in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung eingegriffen. Und wofür? Dass die Rasterfahndung von Pleiten, Pech und Pannen begleitet war, offenbart nun auch ein Bericht des Bundeskriminalamtes (BKA).

„Das eigentliche Ziel, weitere ‚Schläfer‘ in Deutschland zu entdecken, wurde bisher nicht erreicht.“ Zu diesem ernüchternden Fazit kommt eine unter Verschluss gehaltene Evaluation der Kommission Staatsschutz des BKA von August letzten Jahres.[1] Die Kommission Staatsschutz hatte den Auftrag, die Erfahrungen mit den Länderrasterfahndungen und der sog. Informationsverdichtung – dem eigentlichen Datenabgleich – durch das BKA nach dem 11.9.2001 zu untersuchen. Anhand des Berichtes lässt sich nicht nur der Ablauf rekonstruieren, sondern es werden auch die massiven Probleme bei der Durchführung sichtbar. Die Schlussfolgerungen, die das BKA daraus zieht, gehen nicht etwa dahin, zukünftig auf die Rasterfahndung zu verzichten. Im Gegenteil: Für die Bürgerrechte, insbesondere für das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, ist nichts Gutes zu erwarten. Außer Spesen nichts gewesen? Eine Bilanz der Rasterfahndung nach dem 11.9.2001 weiterlesen