von Johanna Blumbach, Ina Eberling, Fabian de Hair und Sigrid Richolt
Neben sachlichen Informationen twittern deutsche Polizeibehörden immer wieder Alltagsanekdoten. Sie kommunizieren damit Plattform-spezifisch eine „Normalität“ polizeilichen Alltags, die ein signifikantes, aber neuartig mediatisiertes Bild von Polizei sowie ihrem Verhältnis zur Gesellschaft konzipiert.
Die Nutzung sozialer Medien durch deutsche Polizeibehörden rückt seit einigen Jahren zunehmend in den Fokus der kriminologischen Forschung und des öffentlichen Interesses. Die Plattformen Facebook, Twitter, Instagram, YouTube und TikTok gehören mittlerweile zum Standardrepertoire moderner Polizeiarbeit.[1]Scheinbare Banalität – Die polizeiliche Alltagskommunikation auf Twitter weiterlesen →
Kann man zugleich vor den Gefahren des Feuers warnen und selbst neues Brennholz zur Verfügung stellen? Eindeutig „ja“, wenn der Blick auf die Innen- gleich Polizeiminister*innen, auf die Polizeipräsident*innen und -funktionär*innen fällt: Vormittags warnen sie öffentlichkeitswirksam vor den Gefahren, die der „freiheitlichen demokratischen Grundordnung“ und einer liberalen Gesellschaft durch Extremismen und „Fremdenfeindlichkeit“ drohen. Und am Nachmittag haben sie kein Problem damit, mit dem Kampf gegen die „Clankriminalität“ einen rassistischen Diskurs mit quasi staatsoffiziellen Würden zu versehen. Dass dieser Begriff weder kriminologisch noch einen kriminalistischen Sinn macht, ist offenkundig. Inwiefern er wenigstens geeignet ist, einzelne Phänomene kriminellen Verhaltens beschreibend „auf den Begriff“ zu bringen, darf bezweifelt werden. Eindeutig ist hingegen: „Clankriminalität“ ist von hohem inszenatorischem Wert: Der Feind, das sind die „Fremden“ – arabisch-libanesische Groß- bzw. Riesenfamilien mit undurchschaubaren Verflechtungen, abgeschottet von „uns“, deren Freiheit und Reichtum sie durch ihr skrupellos-raffiniertes kriminelles Handeln bedrohen. „Die“ und „Wir“, unterschieden durch ethnische Zuschreibungen: das ist die klassische Dichotomie des Rassismus. Die, die sie nutzen, haben auch kein Problem damit, dass ihre Verwendung notwendig alle jene trifft, die dem ethnisch definierten „Die“ zugerechnet werden. So werden nicht nur gesellschaftlich wirkmächtige Feindbilder erzeugt, sondern zugleich werden die vermeintlichen „Clanmilieus“ zum Objekt besonderer staatlicher Überwachung und Schikane. Bereits die Razzia (nicht deren Ergebnis) bestätigt das Feindbild aufgrund dessen sie initiiert wurde. Die verheerenden Folgen derartiger Feinderklärungen – für die Integration, für das friedliche Zusammenleben, für eine vor ungerechtfertigten und unverhältnismäßigen Staatseingriffen geschützte Gesellschaft – nehmen die Propagandist*innen der „Clankriminalität“ sehenden Auges in Kauf. Zu nützlich scheint das Konzept, die je eigenen Interessen zu befördern. Literatur weiterlesen →
The Myth of “Clan Crime“
by Tom Jennissen und Louisa Zech
The article provides an introduction to the current main topic “clan crime“. The discourse on “clan crime“ leads to racist control practices and the weakening of constitutional principles. It serves to project crime onto the supposedly “foreign” and is politically exploited. Summaries weiterlesen →
In ihrem Koalitionsvertrag hatten sich SPD, Bündnis90/Die Grünen und FDP auf die Erhebung einer „Überwachungsgesamtrechnung“ verständigt. Der Begriff geht auf die rechtswissenschaftliche Debatte um das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Vorratsdatenspeicherung von 2010 zurück. Das Gericht hatte angemahnt, dass der Gesetzgeber bei der Einführung neuer Datenspeicherungspflichten seinen Blick „auf die Gesamtheit der verschiedenen schon vorhandenen Datensammlungen“ zu richten habe (1 BvR 256/08, Rn. 218). Überwachungs-Gesamtrechnung sucht Ministerium weiterlesen →
Im Rahmen eines neuen Einreise-/Ausreisesystems (EES) müssen sämtliche Reisende beim Übertritt einer EU-Außengrenze demnächst vier Fingerabdrücke und das Gesichtsbild abgeben.[1] Die biometrischen Daten landen in einem „Gemeinsamen Speicher für Identitätsdaten“, der im Projekt „Interoperabilität“ mit weiteren Datenbanken verschmolzen wird. Die für Ende September geplante Inbetriebnahme des EES dürfte sich allerdings weiter verzögern. Probleme machen laut der französischen Ratspräsidentschaft der globale „Mangel an Chips“ sowie die Schulung des Personals, das für die Abnahme der biometrischen Daten an den Außengrenzen zu Land, Wasser und in der Luft zuständig ist.[2] Verantwortlich dafür sei ein Konsortium der Firmen IBM, Atos und Leonardo, das von der Agentur für das Betriebsmanagement von IT-Großsystemen (eu-LISA) mit der Umsetzung des EES beauftragt wurde. Die Firmen haben der Agentur zufolge „die Komplexität der Arbeiten zur Entwicklung und Einführung des EES erheblich unterschätzt“. [3] Dem Personal fehle es an „relevantem Fachwissen“. Einreise-/Ausreisesystem mit Verspätung weiterlesen →
Trotz Brexit bleibt die britische National Crime Agency Mitglied in einer Ständigen Gruppe der Leiter von Abhörabteilungen, die bei Europol angesiedelt ist.[1] Großbritannien ist damit das einzige Drittland in der Gruppe, die ansonsten ausschließlich aus EU-Mitgliedern und den Schengen-Staaten Norwegen, Schweiz und Island besteht. Die Arbeitsgruppe der Abteilungen zur Telekommunikationsüberwachung war einst auf Initiative des deutschen Bundeskriminalamtes als eine strategische „Expertengruppe 5G“ gegründet worden.[2] Sie sollte den Behörden Zugang zu dem neuen, grundsätzlich verschlüsselten Telefonstandard 5G ermöglichen. Nachdem dies in europäischen und internationalen Standardisierungsgremien erfolgreich durchgesetzt wurde, erhielt die Gruppe im Oktober 2021 einen neuen Namen und neue Aufgaben. Großbritannien stimmt in EU-Abhör-Arbeitsgruppe mit weiterlesen →
Der Rat und das Parlament haben sich in nur wenigen Wochen auf eine neue Verordnung von Eurojust geeinigt.[1] Zukünftig soll die EU-Agentur auch Beweismaterial zu in der Ukraine begangenen Kriegsverbrechen, Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit speichern und verarbeiten. Dafür wird ein eigenes Fallbearbeitungssystem für digitale Beweismittel errichtet, das als „automatisierte Datenverwaltungs- und -speicheranlage“ bezeichnet wird. Enthalten sind Satellitenbilder, Fotos, Videos, Tonaufnahmen, DNA-Profile und Fingerabdrücke. Eurojust-Verordnung im Eilverfahren weiterlesen →
Die EU-Grenzagentur hat nach eigenen Angaben mindestens 13.000 Geflüchtete mit Drohnen entdeckt und an die zuständigen Küstenwachen gemeldet.[1] Das Gros dürfte auf das Konto einer „Heron 1“ gehen, die seit Mai des vergangenen Jahres in Malta stationiert ist. Den Auftrag für die Steuerung und Wartung der Langstreckendrohne des israelischen Rüstungskonzerns IAI erhielt der deutsche Ableger des Airbus-Konzerns in Bremen, der auch vier „Heron 1“ für die Bundeswehr in Mali fliegt. Nach Malta folgt ein Einsatz in Griechenland, kündigte Frontex an. Frontex entdeckt 13.000 Geflüchtete mit Drohne weiterlesen →
Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat im Mai 2022 einen zweiten „Lagebericht Rechtsextremisten und ‚Reichsbürger‘ in Sicherheitsbehörden“ vorgelegt. Der 1. Lagebericht vermeldete allein für den Bereich Rechtsextremismus für den Zeitraum 1.1.2017 bis 31.3.2020 insgesamt 377 Verdachtsfälle bei den Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern und 1.064 Verdachtsfälle bei der Bundeswehr. Der zweite Bericht[1] über den Zeitraum 1.7.2018 bis 30.6.2021 gibt die Zahl der Prüffälle von Rechtsextremist*innen und „Reichsbürgern“ in Sicherheitsbehörden mit 860 an, 327 davon ergaben tatsächliche Anhaltspunkte (Verdachtsfall). Die neue Terminologie von „Prüffall“ und „Verdachtsfall“ – im ersten Bericht ist nur von „Verdachtsfällen“ die Rede, im zweiten gelten nur noch die „Prüffälle“, die tatsächliche Anhaltspunkte ergeben, als „Verdachtsfall“ – erschwert einen Vergleich der Zahlen, noch dazu sind die Erhebungszeiträume überlappend. Rechte und Reichsbürger in Sicherheitsbehörden weiterlesen →
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