Schlagwort-Archive: BKA

Biometrische Identifizierungssysteme – Auf dem Weg zur automatischen Überwachung

von Martina Kant und Heiner Busch

In Ausweispapiere und Visa sollen biometrische Daten eingetragen werden. So sieht es das Anfang des Jahres in Kraft getretene „Terrorismusbekämpfungsgesetz“ vor. Verfahren zur automatisierten Wiedererkennung körperlicher oder verhaltensspezifischer Merkmale haben nach dem 11. September verstärkt Konjunktur, obwohl keines der Systeme bisher technisch ausgereift ist.

Personen anhand unveränderlicher körperlicher Merkmale zu identifizieren, gehört seit langem zum Geschäft der Polizeibehörden. Die Vermessung von Körper und Kopf, die Anthropometrie bzw. Bertillonage (benannt nach ihrem Erfinder, dem französischen Arzt Auguste Bertillon), bildete die Grundlage der ersten Messkartenzentralen, die diverse europäische Polizeien seit den 70er Jahren des 19. Jahrhunderts aufbauten. Nur dreißig Jahre später begann die Daktyloskopie den Erkennungsdienst zu revolutionieren. Bereits 1925 verfügten alle Polizeien Europas über Fingerabdruckregister. Diktaturen leisteten sich den „Luxus“, nicht nur Verdächtige und Fremde, sondern gleich die gesamte Bevölkerung zu erfassen: Seit seiner Einführung unter Franco im Jahre 1940 enthält der spanische Personalausweis einen Fingerabdruck.

Im Unterschied zu diesen traditionellen Techniken der Identifizierung geht es bei biometrischen Verfahren um eine automatische Wiedererkennung. Die Identifizierung besorgt nicht mehr ein menschlicher Kontrolleur, der z.B. das Gesicht einer vor ihm stehenden Person mit dem Bild auf dem Ausweis oder dem Fahndungsfoto vergleicht, sondern ein Computer. Biometrische Identifizierungssysteme – Auf dem Weg zur automatischen Überwachung weiterlesen

Rasterfahndung – Gegenwärtige Gefahr für die Grundrechte

von Heiner Busch

Sich widersprechende Gerichtsurteile, eine von Land zu Land unterschiedliche Praxis, massenhaft Daten, aber keine Ergebnisse – das ist die Bilanz nach rund einem halben Jahr der Rasterfahndungen.

Ausländischen Studenten ist es zu verdanken, dass eine der gefährlichsten Ermittlungsmethoden der deutschen Polizei rechtlich hinterfragt wird: Aufgrund ihrer Klagen entschieden die Landgerichte Berlin und Wiesbaden am 15. Januar bzw. 6. Februar 2002, dass eine „gegenwärtige Gefahr“ nicht bestehe und die Ende September letzten Jahres begonnenen Rasterfahndungen daher unzulässig seien.[1] Die beiden Gerichte stützten ihre Beschlüsse pikanterweise auf Erklärungen der Bundesregierung, „wonach keine Anzeichen dafür ersichtlich sind, dass die Verübung terroristischer Anschläge in der Bundesrepublik Deutschland bevorsteht“. Dies habe sich auch nach der Entscheidung des Bundestages, deutsche Soldaten nach Afghanistan zu entsenden, nicht geändert. Sogenannte Schläfer – so heißt es in dem Wiesbadener Beschluss – seien in der BRD zwar entdeckt worden, „fortgeschrittene Planungen konkreter Anschläge konnten ihnen jedoch nicht nachgewiesen werden.“ Rasterfahndung – Gegenwärtige Gefahr für die Grundrechte weiterlesen

Terrorismusbekämpfungs-Gesetz in Kraft – Der Ausbau der Sicherheitsapparate geht voran

von Norbert Pütter

Lediglich sechs Wochen benötigte der Bundesgesetzgeber, um das „Gesetz zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus“[1] in Kraft zu setzen. In 22 Artikeln verschärft das Gesetz eine Reihe von rechtlichen Bestimmungen, die von A wie „Ausländerrecht“ bis Z wie „Zentralregister“ reichen. Ob die neuen Kontroll- und Erfassungsbefugnisse tatsächlich der „Bekämpfung“ des Terrorismus dienen, steht in den Sternen. Sicher ist in jedem Fall, dass sie das Überwachungspotential der Sicherheitsapparate stärken.

Die nachhaltigen Veränderungen im Bereich des Ausländer- und Asylrechts haben wir bereits in der letzten Ausgabe dargestellt.[2] Sie betreffen insbesondere die Ausweitung der Versagungsgründe bei der Visaerteilung, die Beteiligung der Nachrichtendienste, des Zollkriminalamtes und des Bundeskriminalamtes am Visumverfahren, die Verschlechterung des Rechtsschutzes gegen Ausweisungen, die Aufnahme biometrischer Merkmale in die Aufenthaltsgenehmigung und den Ausweisersatz, die Anfertigung von Sprachaufzeichnungen im Asylverfahren, die Angabe der Religionszugehörigkeit im Ausländerzentralregister etc.

Zwei Bestimmungen gehen deutlich über die als Terrorismusbekämpfung getarnte Migrationskontrolle hinaus: Zum einen werden das „Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge“ und die Ausländerbehörden der Länder verpflichtet, die „die ihnen bekannt gewordenen Informationen einschließlich personenbezogener Daten“ an die Ämter für Verfassungsschutz zu übermitteln, sofern sie vermuten, dass diese Daten für die Ämter erforderlich sind. Mit dieser Bestimmung werden die Ausländerbehörden zu flächendeckenden Sammelstellen der deutschen Inlandsgeheimdienste. Terrorismusbekämpfungs-Gesetz in Kraft – Der Ausbau der Sicherheitsapparate geht voran weiterlesen

Internet-Streifen – Recherchen ohne Verdacht im weltweiten Datennetz

von Martina Kant

Virtuelle „Streifenfahrten“ im Internet gehören mittlerweile zu den Standardmaßnahmen beim Bundeskriminalamt (BKA), bei der bayerischen Polizei und den Verfassungsschutzbehörden. Unausgesprochenes und auch unerreichbares Ziel dabei ist es, sämtliche Äußerungen im World Wide Web, im Chat und in Newsgroups auf ihre strafrechtliche Relevanz bzw. „Verfassungsfeindlichkeit“ zu überprüfen.

Bereits seit dem 1. Februar 1995 werten PolizeibeamtInnen des bayerischen Landeskriminalamts (LKA) und des Polizeipräsidiums München anlass­unabhängig das Internet nach strafbaren Inhalten aus. Nach einem vierjährigen Pilotprojekt wurde das Sachgebiet „Netzwerk­fahndung“ im Februar 1999 als dauerhafte Zentralstelle für Bayern mit neun BeamtInnen beim LKA angesiedelt. Wie uns die Pressestelle des Polizeipräsidiums München Ende März mitteilte, recherchieren auch neun BeamtInnen des dortigen Kommissariats 343 weiterhin ohne Anlass im Netz. Internet-Streifen – Recherchen ohne Verdacht im weltweiten Datennetz weiterlesen

TKÜ – Wer darf wann was. Eine Kurzübersicht

von Norbert Pütter

Das Recht der Telekommunikationsüberwachung ist unübersichtlich. Die Regelungen sind auf verschiedene Gesetze und Verordnungen verstreut; die ausufernde Gesetzessprache versteckt die Ausweitung der Überwachung häufig hinter Querverweisen und Schein-Konkretisierungen; und vermehrt treten Ort und Umstände der Kommunikation in das Zentrum der Überwachung. Im Folgenden können nur einige Grundzüge aus diesem Geflecht aufgezählt werden.

Die gesetzlichen Bestimmungen unterscheiden sich nach den Behörden, die die Telekommunikation (TK) überwachen dürfen. Das sind in Deutschland die Polizei, der Zoll und die drei Geheimdienste. In den jeweiligen Gesetzen wird zudem unterschieden zwischen der Überwachung der Kommunikationsinhalte und der Überwachung der sonstigen Daten, die bei der TK anfallen. Außerdem dient die TK zunehmend als Mittel der Ortung von Personen und der Identifizierung von TK-Anschlüssen. TKÜ – Wer darf wann was. Eine Kurzübersicht weiterlesen

Cybercrime – Die Zukunft elektronischer Überwachung

von Albrecht Funk

Die neuen digitalen Informationstechnologien, mit deren Hilfe wir in der virtuellen Realität des Internets kommunizieren und konsumieren, recherchieren und Geschäfte abwickeln, haben ihre Unschuld verloren. Polizei und Geheimdienste wittern hinter der angeblichen Anonymität des Netzes Kriminelle und fordern neue Überwachungsmöglichkeiten.

Nicht mehr die neue Ökonomie der Informationsgesellschaft macht Schlagzeilen, sondern Kriminelle, die bei der Tatbegehung von den Segnungen digitaler Telekommunikation profitieren: Päderasten, die Kinderpornographie in internationalen Usergroups austauschen, Drogenschmuggler, die ihre Geschäfte über Mobiltelefon nur noch verschlüsselt betreiben und dabei die neueste Krypto-Software verwenden – und natürlich Terroristen, die – so die Vermutung von „Experten“ – geheime Botschaften in unschuldige Webseiten postierten und so weltweite Netzwerke steuern. Auch die Hacker und Cyberpunks, die in der Vergangenheit die Rolle der Bösewichte, die das Gute fördern, spielten, büßen ihren Robin-Hood-Nimbus ein. Cybercrime – Die Zukunft elektronischer Überwachung weiterlesen

Nichts zu verbergen? Datenschutz, Sicherheitsgesetze, Rasterfahndung

von Heiner Busch

Die Rasterfahndung – jetzt zur Suche nach „Schläfern“ praktiziert – ist eine jener polizeilichen Befugnisse, die die informationelle Selbstbestimmung der Betroffenen durchlöchern. Woher nimmt der Bundesinnenminister die Idee, wir hätten „vielleicht … im Datenschutz etwas übertrieben“?[1]

Das Zweckbindungsgebot ist ein zentraler Grundsatz des Datenschutzes. Es besagt, dass Daten nur zu dem Zweck bearbeitet werden dürfen, für den sie auch erhoben wurden. Die Rasterfahndung steht diesem Prinzip diametral entgegen. Die Methode, der sich die deutsche Polizei seit den 70er Jahren bedient, besteht darin, Datenbestände anderer Verwaltungen oder privater Stellen nach einem bestimmten Muster miteinander abzugleichen. Im Falle der Anfang Oktober gestarteten Rasterfahndungen bedeutet das: Daten von Personen aus Ländern des Nahen Ostens, die bei Melde- und Ausländerbehörden, Hochschulen, Energie- und „Entsorgungs“-Unternehmen, bei Nah- und Fernverkehrsunternehmen oder „Kommunikationsdienstleistern“, bei Reinigungs- und Cateringfirmen oder Sicherheitsdiensten, bei öffentlichen und privaten Stellen, die sich mit Atomenergie sowie chemischen und biologischen Gefahrenstoffen befassen, bei Flughafengesellschaften, Flugschulen und Luftfahrtfirmen gespeichert sind, werden zweckentfremdet.[2] Sie dienen nicht mehr der Verwaltung von Hochschulangelegenheiten oder der korrekten Abrechnung der zustehenden Löhne, sondern einem polizeilichen Zweck, für den sie nicht erhoben wurden. Die Betroffenen haben die Kontrolle über ihre Daten verloren. Nichts zu verbergen? Datenschutz, Sicherheitsgesetze, Rasterfahndung weiterlesen

Letzter Ausstieg rechts – Konturen eines staatlichen Aussteigerprogramms für Rechtsextreme

von Christine Hohmeyer

Die Bundesregierung plant ein staatliches Programm, um Angehörigen rechtsextremistischer Gruppierungen den Ausstieg zu erleichtern. Erreicht werden soll eine Schwächung der Szene. Doch wenngleich in der Öffentlichkeit bereits viel Wirbel darum gemacht wurde – mehr als vage Konturen zeichnen sich gegenwärtig noch nicht ab.

Reichlich Aufregung hatte es im Februar dieses Jahres gegeben – ausgelöst durch die Aussage von Innenminister Otto Schily, ein einzelner Aussteiger könne den Staat bis zu 100.000 DM kosten. Diese Summe müsse für Wohnungswechsel oder den anfänglichen Unterhalt eingeplant werden. Während Politik und Presse nun darüber stritten, ob Neonazis damit das Leben „versüßt“ oder „subventioniert“ werde, blieben die tatsächlich neuralgischen Punkte des Vorhabens im Dunkeln. Unklar ist bislang, ob sich das Programm an Führungspersonen oder Mitläufer richten wird, ob Aussteiger sich freiwillig melden oder angesprochen werden sollen. Übernehmen der Verfassungsschutz, die Polizei oder die Jugend- und Sozialbehörden die heikle Mission? Und nicht zuletzt stellt sich die Frage, ob der Staat Gegenleistungen für seine Ausstiegshilfe verlangen wird. Letzter Ausstieg rechts – Konturen eines staatlichen Aussteigerprogramms für Rechtsextreme weiterlesen