Schlagwort-Archive: Geheimdienste

Früchte vom verbotenen Baum – Geheimdienstliche Steuerung von Gerichtsverfahren

Interview mit Undine Weyers und Rainer Elfferding

Eigentlich ist es ihre Sache nicht. Gleichwohl mischen Geheimdienste zuweilen massiv in Ermittlungsverfahren mit. Welche fatalen Konsequenzen damit verbunden sind, darüber sprachen Martin Beck und Heiner Busch mit den Berliner Strafverteidigern Undine Weyers und Rainer Elfferding.

Was ist eigentlich so schlimm daran, dass ein Geheimdienst bei einem Ermittlungsverfahren der Polizei mitwirkt?

Rainer Elfferding: Problematisch ist es deshalb, weil die Methoden, mit denen Geheimdienste arbeiten, nicht mit den Methoden zusammenpassen, mit denen Polizei und Justiz eigentlich arbeiten sollten. Geheimdienste sind auf zwei verschiedenen Ebenen aktiv: Sie sammeln Information und werten sie aus; sie sind aber auch operativ tätig, d.h. sie steuern bestimmte Sachverhalte und Vorgänge – und manipulieren sie bei Bedarf. Früchte vom verbotenen Baum – Geheimdienstliche Steuerung von Gerichtsverfahren weiterlesen

SitCen – Solanas geheimdienstliches Vorzimmer

von Heiner Busch

Das von dem Briten William Shapcott geführte Gemeinsame Lagezentrum (SitCen) ist Teil der Zweiten Säule, der militärisch-außen­politischen Strukturen der EU also. Es ist eine jener Institutionen, die unmittelbar dem „Generalsekretär des Rates und Hohen Beauftragten für die Außen- und Sicherheitspolitik der EU“ unterstellt sind – ein Doppelamt, das seit Inkrafttreten des Amsterdamer Vertrages 1999 von Javier Solana bekleidet wird.

Seinen Auftrag leitet SitCen aus einer Zusatzerklärung zum Amsterdamer Vertrag her, in der sich die Mitgliedstaaten verpflichteten, die damals neu geschaffene „Strategieplanungs- und Frühwarneinheit“ des Ratssekretariats „soweit irgend möglich durch Bereitstellung einschlägiger Informationen, auch vertraulicher Art“ zu unterstützen. Das aus dieser Einheit hervorgegangene Zentrum sei bis zum 11. September 2001 ein „leeres Schneckenhaus“ gewesen, sagte Shapcott im November 2004 in seiner Stellungnahme vor dem EU-Ausschuss des House of Lords. SitCen – Solanas geheimdienstliches Vorzimmer weiterlesen

Reform im Zeichen der Modernisierung – BfV und BND werden neu „aufgestellt“

von Martin Beck

Neue Zeiten brechen an für die bundesdeutschen Geheimdienste. So soll bis zum Jahresende 2009 der Umbau des Bundesnachrichtendienstes (BND) abgeschlossen sein. Und auch das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) in Köln durchlebt eine Phase der Reorganisation, die ebenfalls bis 2009 umgesetzt sein soll.

Von „radikalem Umbau“ oder „Modernisierung“ ist bei der Reform der beiden Dienste die Rede: Strukturen sollen verschlankt, Reibungsverluste minimiert und ihre „Servicefunktion“ in den Vordergrund gestellt werden. Nur in einem Punkt bleibt alles beim Alten: Informationen über die Veränderungen in Aufbau und Struktur der Dienste gibt es kaum. Ihr Umbau geht also so vonstatten, wie es sich für geheim arbeitende Behörden – zumal in Deutschland – gehört: verdeckt und verborgen. Reform im Zeichen der Modernisierung – BfV und BND werden neu „aufgestellt“ weiterlesen

Unkontrollierbare Anziehungskraft – Institutionalisierte Kooperation von Polizei und Diensten

von Jan Wörlein

KGT, IGR, KGIntTE, BAO-USA, GTAZ, GASIM, GIZ … die inflationäre Zunahme „hybrider Organisationen“ aus Polizei und Geheimdiensten ist eine der wesentlichen Neuerungen der deutschen „Sicherheitsarchitektur“.

Vertreter von Polizei und Geheimdiensten haben sich zwar bereits seit 1982 vierteljährlich getroffen, um ihre Antiterrormaßnahmen zu koordinieren. Doch erst Anfang der 90er Jahre begann man mit völlig neuen Organisationsformen zu experimentieren. Seitdem ist abseits der Öffentlichkeit eine ganze Reihe neuer parallel zueinander existierender Strukturen entstanden, die die ungehinderte Zusammenarbeit in unterschiedlichen Bereichen erlauben. Von anlassbezogener Koordinierung über den in gemeinsamen Dateien institutionalisierten Informationsaustausch bis hin zur konkreten operativen Zusammenarbeit findet sich mittlerweile für alle Tätigkeitsbereiche, die man auch in einer regulären Sicherheitsbehörde vorfindet, die passende hybride Organisationsform. Mit dem grundlegenden Unterschied freilich, dass zu einer regulären Behörde ein rechtlicher Rahmen sowie ein öffentliches Auftreten gehört und Polizei und Geheimdienste gemäß dem Trennungsgebot in einer solchen nie zusammenkommen dürfen. Unkontrollierbare Anziehungskraft – Institutionalisierte Kooperation von Polizei und Diensten weiterlesen

Überwachen statt schnarchen – Das Bundesverwaltungsamt mausert sich zur Schnittstelle für Polizei und Geheimdienste

von Mark Holzberger

Im Bundesverwaltungsamt wird derzeit nicht nur an einer besseren informationellen Vernetzung deutscher Polizeien und Nachrichtendienste gearbeitet. Jetzt soll dort auch die Telekommunikationsüberwachung der Sicherheitsbehörden konzentriert werden.

Seit seiner Gründung im Jahr 1959 führt das Kölner Bundesverwaltungsamt (BVA) mit seinen knapp über 2.000 Beschäftigten eher ein Mauerblümchendasein: Denn viel gab und gibt es nicht zu berichten etwa über die Betreuung des deutschen Auslandsschulwesens, über das Beglaubigen von Unterschriften auf deutschen öffentlichen Urkunden – oder über die Hilfe des BVA bei der Abrechnung oder der Zeiterfassung für andere Bundesbehörden. Das ändert sich nun.

Seit Jahren bereits werden im BVA u.a. die Daten der jährlich mehr als 2 Mio. Visumsanträge zusammengeführt und überprüft. Das BVA baut zudem für sämtliche deutschen Dienststellen die Dateninfrastruktur für das neue Visa-Informationssystem (VIS) auf.[1] Über eine Kopfstelle beim BVA soll nun auch der Zugang deutscher Behörden zum VIS laufen. Hierfür arbeiten im Referat III A6 des BVA seit 2006 vier MitarbeiterInnen u.a. an der technischen Entwicklung dieser nationalen Schnittstelle und dem Aufbau einer ausfallsicheren Netzwerkinfrastruktur. Überwachen statt schnarchen – Das Bundesverwaltungsamt mausert sich zur Schnittstelle für Polizei und Geheimdienste weiterlesen

Vom Dauerskandal zum Gesetz – Reform des italienischen Geheimdienstrechts

von Yasha Maccanico

Mit der einstimmigen Annahme im Verfassungsausschuss des Senats am 1. August 2007 hat das neue italienische Geheimdienstgesetz die letzte parlamentarische Hürde genommen. Es soll für eine stärkere politische Kontrolle der Dienste sorgen und die schier unendliche Serie von Skandalen beenden.[1]

Diese Serie war in der Tat lang. Die italienischen Geheimdienste hatten sich an Entführungsaktionen der CIA beteiligt; sie hatten Gerichtsverfahren manipuliert; sie hatten PolitikerInnen, Geschäftsleute, NGOs, AnwältInnen und RichterInnen illegal überwacht und umfangreiche Dossiers über sie angelegt; sie hatten Falschinformationen in den Medien platziert und Journalisten als V-Leute eingesetzt. Im Zentrum der Skandale stand der militärische Geheimdienst SISMI und dessen im November 2006 abgesetzter Direktor Nicolò Pollari, der derzeit wegen der Entführung von Abu Omar vor Gericht steht.[2] Vom Dauerskandal zum Gesetz – Reform des italienischen Geheimdienstrechts weiterlesen

Terrorismusprävention – Ausufernde Befugnisse und ihre Resultate

von Stefan Waterkamp und Mark Eidam

Ein ins Vorfeld verlagertes Strafrecht sowie ausgedehnte Befugnisse von Polizei und Geheimdiensten bestimmen das Recht der Terrorismusprävention. Ihre Ergebnisse sind wenige Verurteilungen aber auch schlichte Gewalt gegen Einzelne.

Ein Video, das anlässlich einer Entführung im Irak offensichtlich für die deutsche und österreichische Öffentlichkeit erstellt wurde, heizt die Alarmstimmung an. Politik und Sicherheitskreise verweisen auf eine „erhöhte, abstrakte Terrorgefahr“, von konkreten Plänen wisse man aber nichts. Das ist beruhigend, denn schließlich müssten die Behörden inzwischen alles wissen können, was islamistische Terrorkrieger in Deutschland aushecken. In der Folge der Attentate vom 11. September 2001 wurden die Befugnisse von Polizei, Justiz und Geheimdiensten zur Abwehr der terroristischen Gefahr exzessiv ausgeweitet.[1] Frühzeitige Information über mögliche Planungen der Terroristen ist nach Ansicht von Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble zentral, um Anschläge zu verhindern. Und die Vernetzung von Informationen sei das wichtigste Mittel, um die Effizienz der Terrorismusbekämpfung zu steigern.[2] Terrorismusprävention – Ausufernde Befugnisse und ihre Resultate weiterlesen

Deformation durch Information – Notwendige Fragen zum BND und seiner Kontrolle

Die „Notwendigkeit“ der geheimdienstlichen „Aufklärungsarbeit“ dürfe „in keiner Weise in Frage gestellt werden“, ließ die Bundeskanzlerin den parlamentarischen GeheimdienstkontrolleurInnen ausrichten.[1] Frau Merkel hat damit das grundlegende Hindernis benannt, an dem die Kontrolle nicht nur der Geheimdienste scheitert: die nicht in Frage gestellten Voraussetzungen.

Journalisten werden ausspioniert. BND-Mitarbeiter helfen den USA im Geheimen, den Krieg gegen Saddam Hussein zu gewinnen. „Skandal, Skandal“, tönt es aus allen Ecken. Die einen regen sich darüber auf, was der BND tut. Die anderen halten „betroffen“ dagegen, dass im Zeichen des Antiterrorismus der geschlossene Konsens der antiterroristischen DemokratInnen nicht in Frage gestellt werden dürfe. Deformation durch Information – Notwendige Fragen zum BND und seiner Kontrolle weiterlesen