Schlagwort-Archive: V-Leute

Politische Polizei – Demokratie mit dynamischem Schutzzaun

Seit seinen Verwicklungen in den Skandal um den „Nationalsozialistischen Untergrund“ wird in linken und linksliberalen Kreisen immer deutlicher die Forderung laut, den Verfassungsschutz abzuschaffen. Der polizeiliche Staatsschutz gerät dabei fast in Vergessenheit.

Am 23. Mai 1949 erhielt die Bundesrepublik mit Hilfe der westlichen Besatzungsmächte ihre grundgesetzliche Taufurkunde. Aber die gewählten Herren und die wenigen Damen, die nun die westdeutsche Politik vertraten, haben sich selbst, den BürgerInnen und der unerprobten Verfassung nicht allzu sehr vertraut. Noch warf die nationalsozialistische Herrschaft ihren erheblichem Nachschatten. Vor allem aber war die Spannung der ersten Hochphase des Kalten Kriegs jederzeit präsent. Politische Polizei – Demokratie mit dynamischem Schutzzaun weiterlesen

Von Spitzeln umzingelt. Der NSU und die V-Leute des Verfassungsschutzes

von Andreas Förster

Selten war der Unsinn des V-Leute-Wesens offensichtlicher: Mindestens 17 Spitzel tummelten sich im Umfeld des „Nationalsozialistischen Untergrunds“.

Das Kölner Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) legt – wenn man ihm glauben will – bereits seit Jahren hohe Maßstäbe an Lebenswandel und Selbstverständnis seiner Quellen an. Maßstäbe, die laut dem Bundesamt deutlich über den Kriterien liegen, nach denen die meisten Landesämter ihre sogenannten Vertrauenspersonen vulgo Spitzel auswählen. Und natürlich soll der Bundesmaßstab nun künftig auch von den Ländern angelegt werden, regt Köln als Konsequenz aus dem Desaster um die rechte Terrorgruppe „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) an. Von Spitzeln umzingelt. Der NSU und die V-Leute des Verfassungsschutzes weiterlesen

Chronik des NSU-Skandals

zusammengestellt von Martina Kant

November 2011

04.11.: Mundlos und Böhnhardt erschossen aufgefunden: Nach einem Banküberfall finden Polizeibeamte gegen Mittag in Eisenach die Leichen von Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt in einem brennenden Wohnmobil. Dabei entdecken sie neben der Beute auch zahlreiche Schusswaffen.

Explosion in Zwickau: Gegen 15 Uhr zündet Beate Zschäpe die gemeinsam mit Böhnhardt und Mundlos genutzte Wohnung in der Frühlingsstraße 26 an und flieht.

07.11.: Polizeiwaffen gefunden: Das LKA Baden-Württemberg teilt mit, dass die beiden im Wohnmobil gefundenen Dienstwaffen der am 25. April 2007 in Heilbronn erschossenen Polizeibeamtin Michèle Kiesewetter und ihrem damals schwerverletzten Kollegen gehören.

08.11.: Zschäpe stellt sich: In Begleitung ihres Anwalts erscheint die Gesuchte bei der Polizei in Jena. Chronik des NSU-Skandals weiterlesen

Aktionismus statt Aufklärung – Der neue staatliche „Kampf gegen Rechts“

von Heiner Busch

Die Ämter für Verfassungsschutz hatten maßgeblichen Anteil daran, dass das „Terror-Trio“, das sich selbst „Nationalsozialistischer Untergrund“ nannte, 1998 abtauchen konnte und bis zum November 2011 unentdeckt blieb. Für ihr Versagen werden sie nun mit dem Ausbau ihrer Macht belohnt.

Neun Gewerbetreibende türkischer bzw. griechischer Herkunft, die zwischen 2000 und 2006 regelrecht hingerichtet wurden; eine getötete Polizistin und ihr Kollege, der bei dem Anschlag in Heilbronn 2007 nur knapp mit dem Leben davon kam; zwei Bombenanschläge 2001 und 2004 in Köln mit vielen Verletzten; vierzehn Überfälle auf Banken und Sparkassen – das ist die Bilanz der Straftaten des „Nationalsozialistischen Untergrunds“, die sich seit dem 4. November, seit dem Tod von Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt in ihrem Wohnmobil in Eisenach und seit dem von Beate Zschäpe gelegten Brand in der gemeinsamen Wohnung in Zwickau herauskristallisiert hat. Aktionismus statt Aufklärung – Der neue staatliche „Kampf gegen Rechts“ weiterlesen

Keine Freiheit den Feinden der Freiheit? Die NPD, der Verfassungsschutz und das Verfassungsgericht

Das Bundesverfassungsgericht möge „feststellen“: „Die Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) ist verfassungswidrig“. So hatte der Antrag der höchsten bundesdeutschen exekutiven und legislativen Instanzen – der Bundesregierung, des Bundestags und des Bundesrats – gelautet. „Im Namen des Volkes“ hat das Gericht am 18. März 2003 „beschlossen: die Verfahren werden eingestellt.“[1]

Ob das höchste deutsche Gericht mit diesem Beschluss eine „der peinlichsten Schlappen der deutschen Innenpolitik“ besiegelt hat, kann füglich dahin gestellt bleiben.[2] Die Diskussion über das Verbot hat monate-, ja jahrelang die mehrheitlich verbotswilligen, minderheitlich verbotsgegnerischen Gemüter bewegt. „Das Gericht“ – so kommentierte zurecht die FAZ – habe, „mit seinem Beschluss, das NPD-Verbotsver­fahren endgültig einzustellen, die Anständigen im Regen stehen lassen.“ Wer aber sind die „Anständigen“, von denen FAZ-Autor Gerd Roellecke redet? „Der mündige Bürger erinnert sich gut an den staatlich organisierten Aufstand der Anständigen gegen rechts, bei dem die Anständigen unter Führung der Spitzen von Staat und Parteien die Berliner Flaniermeile gen Westen gezogen sind.“[3] Keine Freiheit den Feinden der Freiheit? Die NPD, der Verfassungsschutz und das Verfassungsgericht weiterlesen

Die arme Verfassung – Verfassungsschutz, V-Leute und NPD-Verbot

Seit Mitte Januar wird über sie geredet: Zuerst war’s einer. Dann wurden es zwei, drei, schließlich fünf. Gemeint sind die V-Leute, die angeblich strikt im Sinne der freiheitlich demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes die NPD ausspähten. Dazu waren und sind diese in der Wolle gefärbten NPD-Schafe trefflich geeignet.

In der Zwischenzeit weiß man eines ganz genau: dass nämlich niemand die Zahl der doppelten Lottchen, der gleichzeitigen V- und NPD-Leutchen ganz genau kennt. Und niemand scheint mehr genau zu wissen, worin nun der Skandal besteht. Darin, dass V-Leute als ‚gestandene‘ NPD-Leute „enttarnt“ wurden; darin, dass dem Verfassungsgericht diese ‚beiläufige‘ Information nicht weitergeben wurde; darin, dass selbst der zuständige Innenminister keine Ahnung hatte; darin, dass V-Leute im amtlichen Verfassungsschutz eine solche Rolle spielen; darin, dass NPD und Verfassungsschutz V-Leute-kräftig zusammenarbeiten; darin, dass ein solcher in seinen V-Leuten und nationaldemokratischen Verflechtungen unübersichtlicher „Verfassungsschutz“ die Verfassung als demokratisch grundrechtliche nicht schützen kann; oder darin – das ist die größte Sorge der BefürworterInnen und BetreiberInnen des NPD-Ver­botsantrags –, dass das Verbot der NPD durch diese Affäre gefährdet werden könnte? Die arme Verfassung – Verfassungsschutz, V-Leute und NPD-Verbot weiterlesen

Geheimdienste aufrüsten? Elemente einer abschreckenden Bilanz

von Norbert Pütter

Zu den reflexartigen Reaktionen auf die Anschläge vom 11. September gehörte der Ruf nach einem Ausbau der Nachrichtendienste und nach mehr geheimdienstlichen Kompetenzen. Die das fordern, gehen dabei regelmäßig der naheliegenden Frage aus dem Weg, welche Erfolge des geheimdienstlichen „Kampfes gegen den Terrorismus“ dafür sprechen, (wieder) in die Dienste zu investieren.

Die lange und gut vorbereiteten Anschläge in den USA sind mit Recht als ein Indiz für das Versagen der Nachrichtendienste bewertet worden. Das gilt nicht allein für die deutschen, sondern auch für die angeblich führenden Geheimdienste CIA und Mossad. Der Vorwurf wiegt um so schwerer, wenn man berücksichtigt, dass seit Ende des Kalten Krieges die Sicherheitsexperten des Westens die größten Gefahren für die „freie Welt“ im Extremismus und Terrorismus islamisch motivierter Gruppen verortet haben. Vor diesem Hintergrund lässt der 11. September nur zwei Schlussfolgerungen zu: Entweder haben die Dienste ihren eigenen Feindbildern nicht getraut, d.h. die Szenarien der islamistischen Bedrohung waren für die Öffentlichkeit gedachte Inszenierungen. Oder die Dienste haben sich schlicht als unfähig erwiesen, auf ihre eigene Diagnose zu reagieren. Keine dieser Alternativen wäre ein zureichender Grund, umstandslos gerade auf diese Behörden zu setzen, die am offenkundigsten versagt haben. Ein Blick auf den Anti-Terrorismus der deutschen Geheimdienste zeigt, dass diese Skepsis jenseits des Einzelfalles für jede Form nachrichtendienstlicher „Terrorbekämpfung“ gilt. Geheimdienste aufrüsten? Elemente einer abschreckenden Bilanz weiterlesen

Wissen unter dem Schlapphut – Der Beitrag des Verfassungsschutzes zum NPD-Verbotsantrag

von Heiner Busch

Sowohl in der öffentlich zugänglichen Begründung des Verbotsantrags als auch in den nach wie vor als Verschlusssache behandelten Materialien präsentiert sich der Verfassungsschutz vor allem als Zeitungsausschnittdienst, der die ideologischen Irrungen und Wirrungen der NPD en detail nachvollzieht. Selbst die „Behördenzeugnisse“, die die geheimen Aktivitäten des Geheimdienstes abdecken, beziehen sich meist auf Äußerungen und nicht auf Handlungen der Partei.

Wer wie er Abhörprotokolle gelesen hätte, könne an der aggressiv-kämpferisch gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichteten Haltung der NPD keine Zweifel mehr haben, aber auch das offen gelegte Material sei als Beweis ausreichend. So erklärte der bayerische Innenminister Günter Beckstein am 15. November 2000 vor dem Innenausschuss des Bundestages, wo er als Urheber der NPD-Verbotsforderung auftrat.[1] Wissen unter dem Schlapphut – Der Beitrag des Verfassungsschutzes zum NPD-Verbotsantrag weiterlesen