Alle Beiträge von Dirk Burczyk

Bürgerrechtliche Terraingewinne – oder grün-liberale Deko?

Bürger*innenrechte & Polizei im Koalitionsvertrag von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP im Bund

„Naja. Viel Schönes dabei“ lässt Marc-Uwe Kling eine  Buchhändlerin in der „Känguruh-Offenbarung“ eines seiner früheren Werke kommentieren. Gleiches ließe sich auch über den innenpolitischen Teil des nun den Parteien zur Abstimmung vorliegenden Koalitionsvertrages von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP sagen. Wo es allerdings ans Eingemachte geht, wird die Koalition ihrer Verantwortung als Hüterin des Bestehenden nachkommen.

In keinem Satz kommt dies wohl schöner zum Ausdruck als jenem ersten aus dem Abschnitt zum Verfassungsschutz: „Nachrichtendienste sind ein wichtiger Teil der wehrhaften Demokratie“. Bürgerrechtliche Terraingewinne – oder grün-liberale Deko? weiterlesen

G 10-Maßnahmen im Jahr 2019

Im September 2021 legte das Parlamentarische Kontrollgremium (PKGr) seinen Bericht über die Abhör- und Postkontrollmaßnahmen der Geheim­dienste des Bundes (Bundesamt für Verfassungsschutz – BfV, Bundesnach­richtendienst – BND und Bundesamt für den Militärischen Abschirmdienst – MAD) nach dem Artikel 10-Gesetz (G10) für das Jahr 2019 vor.[1] Über die Maßnahmen selbst wird in der G10-Kommission des Bundestages entschie­den, sowohl über die erstmalige Anordnung als auch die Fortführung nach drei Monaten. Die G 10-Kommission unterrichtet über ihre Entscheidungen wiederum das PKGr, dem die allgemeine Kontrolle über das G10-Gesetz obliegt. G 10-Maßnahmen im Jahr 2019 weiterlesen

Bundespolizeigesetz in Bundesrat gescheitert

Der Bundesrat hat am 25. Juni einer Novelle des Bundespolizeigesetzes die Zustimmung verweigert und auch keine Anrufung des Vermittlungsausschusses beschlossen. Da der Bundestag zeitgleich seine letzte Sitzungswoche beendet hat, ist auch nicht mehr mit einer Anrufung des Vermittlungsausschusses durch den Bundestag zu rechnen.

Die Novelle sah vor, die Zuständigkeit der Bundespolizei deutlich auszuweiten. Die sachliche Zuständigkeit für bestimmte Straftaten – etwa der Feststellung einer unerlaubten Einreise an der Gren­­ze – sollte durch das Prinzip der räumlichen Zuständigkeit erweitert werden. Damit wäre sie bei Feststellung eines unerlaubten Aufenthalts – etwa an Bahnhöfen – selbst für die Strafverfolgung zuständig geworden und hätte diese Verfahren nicht mehr an die Landespolizeien abgeben müssen. Bundespolizeigesetz in Bundesrat gescheitert weiterlesen

Aufgaben- und Befugniszuwachs für die Bundespolizei

Der Bundestag hat am 10. Juni die Novelle des Bundespolizeigesetzes verabschiedet. Mit dieser Novelle soll die Zuständigkeit der Bundespolizei deutlich ausgeweitet werden. Muss sie nach derzeitiger Rechtslage die meisten Strafverfahren aus ihrem Zuständigkeitsbereich – etwa an Bahnhöfen – an die Landespolizeibehörden abgeben, soll sie zukünftig für die Strafverfolgung aller Delikte in ihrem räumlichen Zuständigkeitsbereich zuständig sein. Auch im Bereich der Gefahrenabwehr erhält die Bundespolizei Befugnisse, die bislang den Ländern vorbehalten waren, etwa die Anordnung von Meldeauflagen. Sie verliere damit ihr Gepräge als Sonderpolizei des Bundes mit begrenzten Aufgaben, wie Prof. Dr. Clemens Arzt von der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin in einer Stellungnahme an den Innenausschuss des Bundestages deutlich machte.[1] Mit der Neufassung greift die Bundespolizei nicht nur in der Strafverfolgung, sondern auch in der Gefahrenabwehr weit in den Zuständigkeitsbereich der Länder ein. Dafür erhält sie außerdem eine Reihe neuer Befugnisse, unter anderem zur Quellen-Telekommunikationsüberwachung (TKÜ). Aufgaben- und Befugniszuwachs für die Bundespolizei weiterlesen

Ausländerzentralregister wird Dokumentenserver

Am 9. Juni hat der Bundestag abschließend über einen „Entwurf eines Gesetzes zur Weiterentwicklung des Ausländerzentralregisters“ beraten, der mit Änderungen am Regierungsentwurf beschlossen wurde.[1] Unter dem Vorwand der „Digitalisierung“ der Ausländerverwaltung wird eine massive Zentralisierung der Datenhaltung vorgenommen. Statt wie bis­lang einen enger begrenzten Personendatensatz im Ausländerzen­tralregister (AZR) und weitere Daten in der jeweils von den kommunalen Ausländerbehörden geführten „Ausländerdatei A“ abzulegen, sind sie nun alle im AZR zu speichern. Dort sollen zukünftig auch Dokumente eingespeichert werden. Das gilt für alle relevanten asyl- und aufenthaltsrechtlichen behördlichen und gerichtlichen Entscheidungen, die dann im Volltext für die Behörden abrufbar sein werden. Dazu gehören auch die Entscheidungen über Asylanträge, die hoch sensible personenbezogene Informationen zu politischer Orientierung oder sexueller Identität der Asylsuchenden enthalten. Ausländerzentralregister wird Dokumentenserver weiterlesen

TKÜ 2019

Am 12. Februar 2021 veröffentlichte das Bundesamt für Justiz die Zahlen der Maßnahmen der klassischen Telekommunikationsüberwachung (TKÜ) und – erstmals – die Zahlen zur „Quellen-TKÜ“ und zu „Online-Durchsuchungen“ in Ermittlungsverfahren. Die Zahl der TKÜ-Anord­nungen ist demnach gegenüber dem Vorjahr wieder zurückgegangen, von 19.474 2018 auf 18.223 im Jahr 2019 (davon 15.505 Erstanordnungen).

Die Statistik enthält erstmals keine Angaben mehr zur Art des über­wachten Anschlusses (Festnetz/Mobil/Internettelefonie), ohne dass hierfür Gründe angegeben werden. Unangefochtener Spitzenreiter der Anlassstraftaten aus dem umfassenden Katalog des § 100a Abs. 2 Strafprozessordnung (StPO) bleiben Straftaten nach dem Betäubungsmittelgesetz mit 7.824 Fällen, etwa gleichbleibend zum Vorjahr. Auf den Plätzen folgen Betrug und Computerbetrug (3.371, +497), dann Bandendiebstahl und schwerer Bandendiebstahl (1.833, – 514). Die Zahl der Anordnungen wegen des Verdachts der Bildung einer kriminellen/terro­ristischen Vereinigung und Volksverhetzung (leider nicht weiter differenziert) hat von 396 auf 1.338 stark zugenommen. TKÜ 2019 weiterlesen

Eine Nummer für alles und jeden: Zur geplanten Einführung einer Personenkennziffer

Mit einem Gesetzentwurf will die Bundesregierung die ab 2008 vergebene Steuer-ID als Identifikationsnummer aller in Deutschland lebenden Personen etablieren. Damit soll der Datenaustausch zwischen Behörden vereinfacht werden. Neu sind die Pläne für ein sol­ches Personenkennzeichen in der Geschichte nicht, die Bedenken gegen eine solche Katalogisierung von Menschen bleiben ebenso aktuell.

Mit dem „Entwurf eines Gesetzes zur Einführung und Verwendung einer einheitlichen Identifikationsnummer in der öffentlichen Verwaltung zur Änderung weiterer Gesetze“ (Registermodernisierungsgesetz, RegModG)[1] soll ein wesentlicher Schritt in der Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung gegangen werden. Die scheitere bislang, so suggeriert der Gesetzentwurf, nicht nur an der geringen digitalen Verfügbarkeit der Daten von Bürger*innen in der Verwaltung; fragten die Behörden untereinander Daten ab, so könnten sie dies bislang nur mit alphanumerischen Daten wie Name/Vorname, Geburtsdatum und -ort. Gerade Na­men seien heutzutage aber eine große Fehlerquelle – sei es wegen unterschiedlicher Transkription nicht lateinisch geschriebener Namen, Übertragungsfehlern, Namensänderungen infolge von Heiraten oder dem Wechseln des Geschlechts. Eine Nummer für alles und jeden: Zur geplanten Einführung einer Personenkennziffer weiterlesen

Von Staatsschutz bis Schattenboxen: Polizei gegen rechts – eine Einleitung

Das Thema „Polizei und Rechtsextremismus“ hat in den Medien Konjunktur. Dabei werden unterschiedliche Aspekte beliebig zusammengerührt: die (fehlende) kriminalistische Aufmerksamkeit für rechte und rassistische Tatmotive, das polizeiliche Vorgehen ge­gen rechtsextremistische Täter*innen sowie die Existenz rechtsextremer Netzwerke und rassistischer Einstellungen innerhalb der Polizei selbst. Erst eine tiefergehende Betrachtung jeder dieser Aspekte ermöglicht Erkenntnisse jenseits der wiederkehrenden Empörung über einzelne Skandale.

Nachdem die Anschläge von Kassel, Halle und Hanau offenbar als Weckruf für die bislang in Sachen Rechtsextremismus und -terrorismus eher träge Bundesregierung dienten, sollen Polizei und Strafjustiz es nun richten. Nur wenige Wochen nach dem Angriff auf die Synagoge und die Gäste eines Dönerladens in Halle präsentierte die Bundesregierung Ende Oktober 2019 ein „Maßnahmenpaket zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität“.[1] Dies umfasste insbesondere Pläne, den Hass im Netz besser zu verfolgen. Hierfür will die Große Koalition nun das Strafrecht verschärfen und etwa Drohungen mit körperlicher Gewalt oder die Billigung noch nicht erfolgter Straftaten kriminalisieren. Von Staatsschutz bis Schattenboxen: Polizei gegen rechts – eine Einleitung weiterlesen