Alle Beiträge von Dirk Burczyk

Schengener Informationssystem: Verfassungsschutz mit erweiterter Fahndungsbefugnis

Das Bundeskriminalamt soll demnächst europaweite Fahndungen für Geheimdienste ausschreiben

Im Jahr 2018 wurden neue Verordnungen zum Schengener Informationssystem verabschiedet ((EU) 2018/1860, (EU)2018/1861, (EU)2018/1862), mit denen der Umfang der im Schengener Informationssystem (SIS) gespeicherten Daten sowohl inhaltlich – etwa hinsichtlich ausreisepflichtiger Drittstaatsangehöriger – als auch bezüglich der erfassten Daten – Fingerabdrücke, DNA-Profile, und weitere – deutlich erweitert wurde. Auch ist nicht mehr nur die Polizei an dieses „SIS 3.0“ anzuschließen, sondern eine ganze Reihe weiterer Behörden. Alle Verordnungen sind schrittweise bis Ende 2020 vollumfänglich in Kraft getreten.

Das neue SIS kann aber erst in Betrieb gehen, wenn in allen Mitgliedsstaaten die technischen und rechtlichen Voraussetzungen dafür geschaffen sind. Das sollte am 22. November 2022 der Fall sein – wegen technischer Schwierigkeiten in einzelnen Mitgliedsstaaten wird sich dies aber noch verzögern. Auch in Deutschland wurden die rechtlichen Schritte zur Inbetriebnahme erst kurz vor knapp vorgenommen. Schengener Informationssystem: Verfassungsschutz mit erweiterter Fahndungsbefugnis weiterlesen

Mehr Geld für Polizei und Cyber-Sicherheit

„Sie kürzen den Etat des Innern von fast 15 Milliarden Euro um 2,3 Milliarden Euro auf 12,7 Milliarden Euro. Das ist innenpolitisch ein Offenbarungseid.“[1] Mit diesen Sätzen eröffnete der Redner der CDU/CSU-Fraktion als Oppositionsführer die Debatte zum Haushaltsentwurf des Bundesinnenministeriums (BMI) für 2023. Wird hier eine neue Ära sozialdemokratisch-liberaler Innenpolitik, mehr Demokratie und weniger Polizei wagen, eingeläutet?

Mitnichten. Der Rezession durch die Corona-Lage war die vergangene Bundesregierung mit umfassenden „Konjunkturpaketen“ begegnet. Davon profitierten auch die Behörden des BMI, die vor allem für Digitalisierungsvorhaben, Ausrüstung und Ausstattung erhebliche Summen erhielten. Nimmt man den letzten „vor Corona-Haushalt“ 2019 zum Vergleich, steigen die Ausgaben tatsächlich um 1,5 Mrd. Euro. Mehr Geld für Polizei und Cyber-Sicherheit weiterlesen

Telekommunikationsüberwachung und Staatstrojaner 2020

Am 8. August 2022 veröffentlichte das Bundesamt für Justiz Zahlen zu den 2020 durchgeführten Telekommunikationsüberwachungen (TKÜ).[1] Demnach wurden 19.823 TKÜ angeordnet, davon waren 14.602 Erstanordnungen. Damit ist die Gesamtzahl der Maßnahmen wieder deutlich gestiegen (+ 1.600), die Zahl der Erstanordnungen ist jedoch gesunken (- 903). Dies könnte ein Hinweis sein, dass vermehrt langfristige Überwachungsmaßnahmen durchgeführt werden. Telekommunikationsüberwachung und Staatstrojaner 2020 weiterlesen

Überwachungs-Gesamtrechnung sucht Ministerium

In ihrem Koalitionsvertrag hatten sich SPD, Bündnis90/Die Grünen und FDP auf die Erhebung einer „Überwachungsgesamtrechnung“ verständigt. Der Begriff geht auf die rechtswissenschaftliche Debatte um das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Vorratsdatenspeicherung von 2010 zurück. Das Gericht hatte angemahnt, dass der Gesetzgeber bei der Einführung neuer Datenspeicherungspflichten seinen Blick „auf die Gesamtheit der verschiedenen schon vorhandenen Datensammlungen“ zu richten habe (1 BvR 256/08, Rn. 218). Überwachungs-Gesamtrechnung sucht Ministerium weiterlesen

Rechte und Reichsbürger in Sicherheits­behörden

Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat im Mai 2022 einen zweiten „Lagebericht Rechtsextremisten und ‚Reichsbürger‘ in Sicherheitsbehörden“ vorgelegt. Der 1. Lagebericht vermeldete allein für den Bereich Rechtsextremismus für den Zeitraum 1.1.2017 bis 31.3.2020 insgesamt 377 Verdachtsfälle bei den Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern und 1.064 Verdachtsfälle bei der Bundeswehr. Der zweite Bericht[1] über den Zeitraum 1.7.2018 bis 30.6.2021 gibt die Zahl der Prüffälle von Rechtsextremist*innen und „Reichsbürgern“ in Sicherheitsbehörden mit 860 an, 327 davon ergaben tatsächliche Anhaltspunkte (Verdachtsfall). Die neue Terminologie von „Prüffall“ und „Verdachtsfall“ – im ersten Bericht ist nur von „Verdachtsfällen“ die Rede, im zweiten gelten nur noch die „Prüffälle“, die tatsächliche Anhaltspunkte ergeben, als „Verdachtsfall“ – erschwert einen Vergleich der Zahlen, noch dazu sind die Erhebungszeiträume überlappend. Rechte und Reichsbürger in Sicherheits­behörden weiterlesen

Kleine Geschichte der Bundespolizei: Paramilitärischer Grenzschutz bis „Polizei des Bundes“

von Dirk Burczyk

Die Entwicklung des Bundesgrenzschutzes und der späteren Bundespolizei ist eng eingewoben in die Geschichte der Bundesrepublik – vom Ringen um die staatliche Souveränität über die diversen Konjunkturen der „Inneren Sicherheit“ bis zur Ausdehnung von Handlungsfähigkeit und Ressourcen des Bundes zulasten der Länder.

Die Geschichte des Bundesgrenzschutzes (BGS) beginnt 1948 mit den Beratungen im Parlamentarischen Rat über das Grundgesetz (GG) der Bundesrepublik Deutschland. Eingeführt wurde mit dem Art. 87 GG die Kompetenz des Bundes zum Aufbau eines Bundesgrenzschutzes. Doch schon die Debatten vor der Vorlage eines Bundesgrenzschutzgesetzes zeigten, dass es nicht nur allein um den Schutz der Grenze zur DDR und ČSSR ging. So träumte der FDP-Abgeordnete Max Becker schon 1950 davon, der Bundesgrenzschutz könne „Grundlage einer anständigen Bundespolizei selbst sein“.[1] Anlass war eine Debatte des Bundestages zur „Polizeifrage“. Dabei war zwischen den Fraktionen weitgehend unumstritten, dass es in Reaktion auf die Aufstellung kasernierter Verbände der Volkspolizei der DDR und angeblicher Überfälle von FDJ-Gruppen auf das Gebiet der BRD eines bewaffneten Grenzschutzes bedürfe. So sollte eine militärische Eskalation an der innerdeutschen Grenze durch das Einschreiten der alliierten Westmächte verhindert werden und gleichzeitig auch ein Stück staatlicher Souveränität der jungen BRD erreicht werden. Und schließlich war es dem Bundeskanzler ein persönliches Anliegen, polizeiliche und keine militärischen Kräfte einzusetzen: die Grenze sollte als inner-deutsche und damit polizeiliche Angelegenheit behandelt werden.[2] Kleine Geschichte der Bundespolizei: Paramilitärischer Grenzschutz bis „Polizei des Bundes“ weiterlesen

Politisch Motivierte Kriminalität – nicht zuzuordnen

Bereits im Januar wurde bekannt, dass die Zahlen der „Politisch Motivierten Kriminalität“ (PMK) im Vergleich zum Vorjahr stark gestiegen waren. Der Anstieg ist vor allem auf den Phänomenbereich „PMK – nicht zuzuordnen“ zurückzuführen. Aus einer Antwort auf eine Kleine Anfrage im Bundestag gehen Details hierzu hervor.[1] Demnach waren von 47.303 Straftaten (+ 6% zum Vorjahr) insgesamt 21.259 nicht den klassischen Phänomenbereichen zuzuordnen, darunter 1.437 Gewaltdelikte. Insgesamt wurden 1.396 der Straftaten im Themenfeld „Hass­kriminalität“ erfasst, davon in den einzelnen Unterkategorien „antisemitisch“ 280, „ausländerfeindlich, „fremdenfeindlich“ sowie „Rassismus“ insgesamt 839 und „sexuelle Orientierung“ 564. 3.497 der Straftaten richteten sich gegen Amts- und Mandatsträger*innen, davon 379 Gewalttaten. Von den 9.603 bekannten Tatverdächtigen waren 1.041 bereits mit politisch motivierten Straftaten polizeilich in Erscheinung getreten, 2.258 in der allgemeinen Kriminalität. Politisch Motivierte Kriminalität – nicht zuzuordnen weiterlesen

Verwendung von „EncroChat“-Daten in Strafverfahren

Im September 2020 wurde bekannt, dass das Bundeskriminalamt hunderttausende Chat-Nachrichten eines Krypto-Handy-Anbieters namens EncroChat von französischen Ermittlungsbehörden erhalten hatte. Die Krypto-Telefone wurden unter anderem von Kriminellen genutzt, um sicher vor staatlichen TKÜ-Maßnahmen kommunizieren zu können; In Deutschland gab es mutmaßlich 1.000 bis 3.000 Nutzer*innen. Die Auswertung wurde durch die Zentralstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität ZIT in Gießen (Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt) vorgenommen, und tausende Ermittlungsverfahren wurden eingeleitet. Verwendung von „EncroChat“-Daten in Strafverfahren weiterlesen