Am 5. April dieses Jahres warnte die „tageszeitung“ ihre LeserInnen: „Nächste Woche wird in Karlsruhe die europäische Integration in Frage gestellt. Einfach so, weil den Verfassungsrichtern des Zweiten Senats danach ist.“ Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hatte sich erdreistet, eine ungewöhnlich umfangreiche Anhörung zum Europäischen Haftbefehl anzusetzen und nach den verfassungs- und vor allem grundrechtlichen Grenzen der EU-europäischen Integration auf dem Gebiet des Strafrechts zu fragen. EU-Haftbefehl nach der Verfassungsgerichts-Entscheidung weiterlesen
Alle Beiträge von Heiner Busch
Tausendfacher Verdacht – Datenbilanz des schweizerischen Bundesamtes für Polizei
von Heiner Busch
Reichlich verschlafen hat die Rechtskommission der großen Parlamentskammer, des Nationalrats, auf eine Übersicht der Polizeidateien des Bundes reagiert. Dabei hatte sie hochbrisante Zahlen vor sich.
„Schnüffelstaat! Schon wieder 50 000 registriert“, titelte der „Sonntags-Blick“ am 31. Oktober 2004 und druckte bestürzte Erklärungen von Mitgliedern der nationalrätlichen Rechtskommission (RK). Die „neue Zahl“ der in der Staatsschutz-Datenbank ISIS gespeicherten Personen sei „ein Schock“, ließ sich Kommissionspräsident Luzi Stamm von der rechtsbürgerlichen SVP zitieren. Was das Boulevard-Blatt nicht wusste, aber Stamm hätte wissen müssen: die neue Zahl war längst die alte. Tausendfacher Verdacht – Datenbilanz des schweizerischen Bundesamtes für Polizei weiterlesen
Verpolizeilichung des Strafverfahrens – Eine Gesetzgebungsbilanz
von Heiner Busch
In den vergangenen zwei Jahrzehnten war das Strafverfahrensrecht einer Serie von Veränderungen unterworfen, die vor allem der Polizei einen Machtzuwachs im Ermittlungsverfahren brachten. Die Strafprozessordnung, die einst als Magna Charta der Beschuldigtenrechte galt, wurde ins Recht der Inneren Sicherheit eingemeindet.
Wer die ersten Seiten des Kommentars von Meyer-Goßner zur Strafprozessordnung (StPO) aufschlägt, wird sich die Augen reiben.[1] Hier findet man eine Übersichtstabelle über die Änderungen der StPO seit ihrer Einführung 1877: Von den insgesamt 149 Änderungsgesetzen fallen 120 in die Geschichte der Bundesrepublik. Von denen wiederum wurden 91 seit der Strafprozessreform von 1974 und 74 seit dem Volkszählungsurteil des Bundesverfassungsgerichts von Dezember 1983 verabschiedet.
Welp konstatierte schon 1994, die StPO habe mittlerweile nur noch die Stabilität einer „Ausführungsverordnung zum Einkommenssteuergesetz“.[2] Dass ein Gesetzeswerk wie dieses in relativ kurzer Zeit so oft geändert wurde, ist eines. Etwas anderes ist, dass es sich bei den Veränderungen keineswegs nur um irgendwelche Detailanpassungen gehandelt hat, sondern zum Teil um tiefe Einschnitte. Verpolizeilichung des Strafverfahrens – Eine Gesetzgebungsbilanz weiterlesen
Telekommunikationsdaten
Auf seiner Sitzung vom 2. Dezember 2004 hat sich der Rat der Innen- und Justizminister mit einem weiteren Thema befasst, das seit dem Anschlag in Madrid definitiv unter die „Terrorismusbekämpfung“ subsumiert wird: die Speicherung von Verbindungsdaten, die bei der Telekommunikation notwendigerweise anfallen, für den Zugriff der Sicherheitsbehörden. Telekommunikationsdaten weiterlesen
Biometrische Pässe
Am 13. Dezember 2004 hat der Rat die Verordnung „über Normen für Sicherheitsmerkmale und biometrische Daten in den von den Mitgliedstaaten ausgestellten Pässen und Reisedokumenten“ ohne weitere Diskussion angenommen.[1] Der Pass soll auf einem Funkchip zwei biometrische Merkmale beinhalten: ein digitalisiertes Foto des Gesichts und Fingerabdrücke. Anders als in früheren Entwürfen der Verordnung vorgesehen, sind beide Merkmale obligatorisch. Biometrische Pässe weiterlesen
Gendarmerie für Auslandseinsätze
Beim informellen Treffen der EU-Verteidigungsminister in Noordwijk (NL) am 17. September 2004 haben fünf EU-Staaten die Gründung einer gemeinsamen Polizeitruppe mit militärischem Status verkündet. Die European Gendarmerie Force (EGF) soll sich aus Verbänden der französischen Gendarmerie Nationale, der italienischen Carabinieri, der spanischen Guardia Civil, der portugiesischen Guarda Nacional Republicana und der niederländischen Marechaussee rekrutieren. Gendarmerie für Auslandseinsätze weiterlesen
„Dazu darf ich nichts sagen“ – Das Versagen der parlamentarischen Kontrolle
von Heiner Busch
Damit die parlamentarische Kontrolle der Verwaltung von Behörden halbwegs funktionieren kann, braucht sie unbeschränkte Informationszugänge, angemessene personelle Ressourcen und vor allem den frischen Wind der Öffentlichkeit. All das fehlt den GeheimdienstkontrolleurInnen.
Der Bundestag verfügt über drei Gremien, die sich speziell der Kontrolle der Geheimdienste widmen: Vertrauensleute im Haushaltsausschuss entscheiden über die Wirtschaftspläne der drei Dienste. Die G-10-Kommission genehmigt die Anordnungen zur „Beschränkung“ des Post- und Fernmeldegeheimnisses, anders ausgedrückt: die geheimdienstlichen Telekommunikationsüberwachungen. Das Parlamentarische Kontrollgremium (PKG) schließlich – es hieß bis 1999 Parlamentarische Kontrollkommission (PKK) – ist das wichtigste der drei Aufsichtsorgane. Es wird von der Bundesregierung „umfassend über die allgemeine Tätigkeit“ der Geheimdienste und „über die Vorgänge von besonderer Bedeutung“ unterrichtet. So steht es in § 2 des „Gesetzes über die parlamentarische Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit des Bundes“ (PKGrG). „Dazu darf ich nichts sagen“ – Das Versagen der parlamentarischen Kontrolle weiterlesen
Staatsschützerische Großbaustelle – Mehr Platz für die Geheimdienste im Gebäude der Macht
von Heiner Busch
Die Gefährdung durch den internationalen Terrorismus zwinge den Staat zur Überprüfung seiner „Sicherheitsarchitektur“, so tönt es aus allen Sprachrohren der etablierten Parteien. Die BauplanerInnen diskutieren über noch mehr Zusammenarbeit zwischen Geheimdiensten und Polizei sowie eine Zentralisierung der „Sicherheitsbehörden“.
„Schily will Kampf gegen den Terror an sich ziehen“, titelte die „Süddeutsche“ am 18. Juni dieses Jahres. Der Bundesinnenminister habe in einem Brief an seine Kollegin vom Justizressort gefordert, das Bundeskriminalamt (BKA) und das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) mit „einem klaren Weisungsrecht gegenüber den bisher autonom arbeitenden Länderbehörden“ auszustatten, um „Überschneidungen, Doppelarbeit, Reibungsverluste und Informationsdefizite“ in der Terrorismusbekämpfung zu vermeiden. Die Übernahme der rund 2.800 Bediensteten der Landesämter für Verfassungsschutz (LfV) würde den Bund jährlich 200 Millionen Euro kosten, ließ der Minister errechnen. Staatsschützerische Großbaustelle – Mehr Platz für die Geheimdienste im Gebäude der Macht weiterlesen
Die Polizei und ihre Statistik – Instrument der Erkenntnis, der Planung oder der Politik?
von Heiner Busch
Fünfzig Jahre Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) sind fünfzig Jahre vorprogrammierter Missverständnisse. Die Polizei weiß heute, dass die PKS nur eine Anzeigenstatistik ist. Diese Erkenntnis hält weder sie davon ab, PKS-Daten zur Basis von Lagebildern oder Einsatzplanungen zu machen, noch bewahrt es die Öffentlichkeit vor den alljährlichen Schockmeldungen über gestiegene Kriminalität.
Am Anfang, 1953, war da ein dünnes Heftchen. Heute ist die Polizeiliche Kriminalstatistik der Bundesrepublik Deutschland ein Wälzer von über 250 Seiten Definitionen, Erklärungen und Analysen und mehr als 170 Seiten Tabellen. Hinzu kommen oft ebenso dicke Bände aus den Bundesländern. Der Umfang der erfassten Merkmale und der Auswertungen ist erheblich gewachsen. Die Polizei, so ließe sich daraus schließen, weiß heute erheblich mehr über die bundesdeutsche Gesellschaft und ihre Kriminalität als noch vor 50 Jahren. Die Polizei und ihre Statistik – Instrument der Erkenntnis, der Planung oder der Politik? weiterlesen
Europol-Arbeitsdateien
Im Dezember 2003 betrieb Europol 19 Arbeitsdateien zu Analysezwecken. Darin waren insgesamt 146.183 Personen erfasst. Dies ergibt sich aus einer nachträglichen Antwort des Staatssekretärs im Bundesinnenministerium, Fritz Rudolf Körper, auf eine Anfrage der PDS-Abgeordneten Petra Pau. Es ist das erste Mal, dass eine solche – wenn auch knappe – Zusammenstellung der Analyseprojekte und -dateien von Europol veröffentlicht wird. Wie Körper bereits während der Fragestunde des Bundestages am 24. September 2003 erklärte, musste er für die Bekanntgabe der Zahl gespeicherter Personen eigens die anderen Mitgliedstaaten um Zustimmung ersuchen. Europol habe „inzwischen mitgeteilt“, dass dem „keine Hindernisse“ im Wege stünden, heißt es in dem Nachbericht vom 15. Januar dieses Jahres. Europol-Arbeitsdateien weiterlesen