Schlagwort-Archive: Rechtssprechung

Illegaler Einsatz Verdeckter Ermittler – Zur gerichtlichen Kontrolle der „Spätzle-Stasi“

von Udo Kauß

1991/92 setzte das Landeskriminalamt (LKA) Baden-Würt­temberg in mehreren Städten des Landes, u.a. in Freiburg, Ver­deck­te Ermittler (VE) ein, um die linke Szene auszufor­schen. Ganze elf Jahre dauerte es, bis das LKA – gerichtlich gezwungen – den VE-Einsatz in Freiburg zugab, weitere zwei Jahre bis zur Feststellung des Verwaltungsgerichts, dass der Einsatz rechtswidrig war.

Freiburg im Sommer 1991: Acht junge Leute treffen sich, um Hilfe für politische Gefangene zu leisten und den Schutz von Flüchtlingswohnheimen gegen die sich häufenden Anschläge zu organisieren. Mit dabei ist Hans-Joachim Carlsen – Hajo –, angeblich Zivildienstleistender, der sich mit S. anfreundet, regelmäßig in dessen Wohngemeinschaft verkehrt und so Kontakt zu weiteren Personen aus dem persönlichen und politischen Umfeld von S. erhält. „Hajo“ beteiligt sich an gemeinsamen Essen, an Diskussionen über Politik, Staat, Beziehungen und erfährt selbst von den psychischen Schwierigkeiten, wegen der sich S. in psychiatrische Behandlung begeben hat. Das Verhältnis wird so vertrauensvoll, dass S. und dessen Freundin im April 1992 einen gemeinsamen Zelt-Urlaub mit „Hajo“ in Frankreich planen. Der sagt jedoch im letzten Moment ab und verschwindet im Juni 1992, nachdem er mit dem Verdacht, ein Spitzel zu sein, konfrontiert wird. Illegaler Einsatz Verdeckter Ermittler – Zur gerichtlichen Kontrolle der „Spätzle-Stasi“ weiterlesen

Ausweitung der Polizeitätigkeit – Polizeiliche Wegweisungen in Schweizer Städten

von Viktor Györffy

Neu ist das Konzept nicht, doch nun scheint es um sich zu greifen: Eine Reihe von Schweizer Städten ist daran, ihre Polizei mit gesetzlichen Fernhaltekompetenzen auszustatten. Vorbild ist die Stadt Bern, wo die Polizei seit einigen Jahren so genannte Wegweisungsverfügungen erlassen kann.

Am Anfang betraf es einzig AusländerInnen: 1994 stimmte die Mehrheit der Stimmbevölkerung der Schweiz den „Zwangsmaßnahmen im Ausländerrecht“ zu. Mit dieser Gesetzesnovelle wurde unter anderem die Möglichkeit geschaffen, so genannte Rayonverbote gegen bestimmte Kategorien von AusländerInnen zu verhängen: Seither können die kantonalen Fremdenpolizeien „einem Ausländer, der keine Aufenthalts- oder Niederlassungsbewilligung besitzt und der die öffentliche Sicherheit und Ordnung stört oder gefährdet, insbesondere zur Bekämpfung des widerrechtlichen Betäubungsmittelhandels, die Auflage machen, ein ihm zugewiesenes Gebiet nicht zu verlassen oder ein bestimmtes Gebiet nicht zu betreten.“[1] Ausweitung der Polizeitätigkeit – Polizeiliche Wegweisungen in Schweizer Städten weiterlesen

Folter absolut relativ – Das Fragwürdige am Daschner-Urteil

Nicht die milde Strafe macht das Daschner-Urteil des Frank­furter Landgerichts problematisch, sondern die Behandlung der Folter als individuelles Fehlverhalten.

„Wo hört das auf?“, fragt David Simpson in der „London Review of Books“. Anlass der Frage sind die Folterbilder, die auch britische Soldaten aus dem Irak mit nach Hause gebracht haben. „Die Ereignisse im Gefängnis Abu Ghraib … scheinen sich überall in der hilflosen Politik der ‚Koalition der Willigen‘ zu wiederholen: selbst die Dänen haben nun offenkundig ihren Skandal. Die Fotografien britischer Untaten, die publik wurden, als ein glückloser britischer Soldat seinen Film einem Laden der örtlichen Hauptstraße zum Entwickeln gegeben hatte, präsentieren das Lager Bread Basket wahrscheinlich als ein anderes schändliches Beispiel. Die Fotografien sind schwer zu erkennen. Sind die aufeinander gepressten Fäuste und die schweren Stiefel, mitten in der Luft eingefangen, dazu ausersehen, Knochen von wehrlosen Gefangenen zu brechen und sie zu verletzen oder wurden sie nur vor der Kamera vorgespielt, um zu prahlen? Stellen sie nachgemachte Gewalttaten dar oder machen sie sichtbar, was da kommen wird? Vor den Prozessen werden wir nichts Genaueres wissen. Und selbst dann werden wir nicht alles wissen.“[1] Folter absolut relativ – Das Fragwürdige am Daschner-Urteil weiterlesen

TK-Überwachung: noch keine Reform – Geltungsdauer der §§ 100g, 100h StPO verlängert

von Björn Gercke

Seit Jahren wird eine Gesamtnovellierung der strafprozessualen Telekommunikationsüberwachung (TKÜ) diskutiert. Wenn auch mit unterschiedlichen Zielen, stimmen Strafverfolgungsbehörden, Verteidigerinnen und Verteidiger, Gerichte, Lehre und Gesetzgeber überein, dass die TKÜ in „ein harmonisches Gesamtsystem der strafprozessualen heimlichen Ermittlungsmethoden einzugliedern“ sei.[1]

Die Diskussion hat in jüngster Zeit eine neue Qualität erreicht, nachdem eine Untersuchung des Freiburger Max-Planck-Instituts (MPI) einerseits und eine Studie unter Leitung der Bielefelder Professoren Backes und Gusy[2] andererseits erstmals aussagekräftiges empirisches Material geliefert hatten. In der Begründung ihres Gesetzentwurfs zur Verlängerung der Geltungsdauer der §§ 100g und 100h der Strafprozessordnung (StPO) bezieht sich die Bundesregierung zumindest auf die MPI-Studie ausdrücklich. TK-Überwachung: noch keine Reform – Geltungsdauer der §§ 100g, 100h StPO verlängert weiterlesen