Schlagwort-Archive: Verdeckte Ermittlungen

Außer Spesen nichts gewesen – Polizeilich bestellte Drogenlieferung

von Anja Lederer

Zur effizienten Bekämpfung der vermeintlich zunehmenden und sich perfektionierenden „organisierten Kriminalität“ brauche es ausgedehnte polizeiliche Befugnissen, den Einsatz technischer Mittel und Verdeckte Ermittler. So schallt es seit Jahren aus den Reihen der RepressionstrategInnen. Dass die Erfolge im Zweifel bescheiden sind, zeigt das folgende Beispiel aus der Strafverfolgungspraxis.

Im Frühjahr 2004 wird das Landgericht Berlin drei Männer wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Kokain in nicht geringer Menge zu Freiheitsstrafen zwischen siebeneinhalb und neun Jahren verurteilen. Die Geschichte ihres Falles beginnt damit, dass einer der drei einen Arbeitskollegen anspricht, der – wie er selbst – im schlecht bezahlten privaten Sicherheitsgewerbe arbeitet. Er fragt, ob dieser nicht junge deutsche Männer kenne, die gegen gutes Geld für ein paar Tage nach Südamerika fliegen und auf dem Rückweg „Stoff“ in die Niederlande bringen könnten, wo die „Ware“ dann von anderen Personen in Empfang genommen würde. Der Kollege geht prompt zur Polizei, wird dort mit seiner Geschichte jedoch zunächst weggeschickt. An der Wache hält man ihn dann doch noch zurück und fragt, ob er (im Folgenden: Zeuge X) bereit sei, „ggf. aktiv mit der hiesigen Dienststelle zusammenzuarbeiten“, insbesondere seinem Kollegen einen von der Polizei gestellten „Scheintransporteur“ vorzustellen. Er bejaht dies.[1] Außer Spesen nichts gewesen – Polizeilich bestellte Drogenlieferung weiterlesen

Verpolizeilichung des Strafverfahrens – Eine Gesetzgebungsbilanz

von Heiner Busch

In den vergangenen zwei Jahrzehnten war das Strafverfahrensrecht einer Serie von Veränderungen unterworfen, die vor allem der Polizei einen Machtzuwachs im Ermittlungsverfahren brachten. Die Strafprozessordnung, die einst als Magna Charta der Beschuldigtenrechte galt, wurde ins Recht der Inneren Sicherheit eingemeindet.

Wer die ersten Seiten des Kommentars von Meyer-Goßner zur Strafprozessordnung (StPO) aufschlägt, wird sich die Augen reiben.[1] Hier findet man eine Übersichtstabelle über die Änderungen der StPO seit ihrer Einführung 1877: Von den insgesamt 149 Änderungsgesetzen fallen 120 in die Geschichte der Bundesrepublik. Von denen wiederum wurden 91 seit der Strafprozessreform von 1974 und 74 seit dem Volkszählungsurteil des Bundesverfassungsgerichts von Dezember 1983 verabschiedet.

Welp konstatierte schon 1994, die StPO habe mittlerweile nur noch die Stabilität einer „Ausführungsverordnung zum Einkommenssteuergesetz“.[2] Dass ein Gesetzeswerk wie dieses in relativ kurzer Zeit so oft geändert wurde, ist eines. Etwas anderes ist, dass es sich bei den Veränderungen keineswegs nur um irgendwelche Detailanpassungen gehandelt hat, sondern zum Teil um tiefe Einschnitte. Verpolizeilichung des Strafverfahrens – Eine Gesetzgebungsbilanz weiterlesen

Offene Grenzen – aber nur für die Polizei – Verrechtlichung grenzüberschreitender Polizei-Aktionen

von Heiner Busch

Sechs Jahre nachdem das Schengener Durchführungsübereinkommen (SDÜ) für die ersten sieben Staaten in Kraft getreten ist, verhandeln die EU-Gremien über Nachbesserungen. Mehr als bisher schon sollen die Polizeibehörden über die Staatsgrenzen hinweg agieren dürfen. Bundesinnenministerium (BMI) und Innenministerkonferenz (IMK) orientieren sich dabei am deutsch-schweizerischen Polizeivertrag.

Ministerialdirigent a. D. Horst Eisel ist des Lobes voll. Von 1997 bis 1999 führte er die deutsche Delegation, die mit dem Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement, dem schweizerischen Justizministerium, ein Abkommen über polizeiliche Zusammenarbeit aushandelte. Dieser deutsch-schweizerische Polizeivertrag wurde am 27. April 1999 in Bern unterzeichnet. „Man sprach“, so Eisel, „von einem Signal für eine fortschrittliche grenzüberschreitende polizeiliche und justizielle Partnerschaft, von einem Modell für Europa.“[1] Die beiden Kammern der schweizerischen Bundesversammlung haben dem Abkommen bereits zugestimmt, in Deutschland befindet es sich mitten im Ratifizierungsprozess: Der Innenausschuss hat seinen Segen gegeben, nach der Sommerpause ist das Plenum des Bundestages an der Reihe. Offene Grenzen – aber nur für die Polizei – Verrechtlichung grenzüberschreitender Polizei-Aktionen weiterlesen

Die Observation – Die Kunst zu sehen, ohne gesehen zu werden

von Otto Diederichs

„Irgendetwas stimmt da nicht, Harry. Fahr mal hinterher.“ Keine Sendung vergeht, ohne daß Deutschlands bekanntester Fernsehkriminaler, Oberinspektor Stefan Derrick, seinem Assistenten diesen Auftrag erteilt. Sein amerikanischer Kollege Kojak schickt seinen Stavros schon gezielter los: „Ich will genau wissen, was der Kerl treibt. Also nimm‘ Dir ein paar Mann mit – und Lockenköpfchen: verlier ihn nicht wieder.“ Und bei Crockett und Tubbs von ‚Miami Vice‘ sind gleich ganze Gruppen in einer ‚Dose‘, so nennt man im Jargon die mit Observationstechnik vollgestopften Kleintransporter, im ständigen Einsatz.

„Eine aufmerksame Beobachtung von Personen oder Objekten gehört seit eh und je zu den Aufgaben von Sicherheitskräften vornehmlich im Schutzdienst. Typische Beispiele sind der ‚Schutzmann an der Ecke‘ oder der zivil gekleidete Polizeibeamte, der in das ‚Milieu‘ ging, um verdeckt das kriminelle Potential zu beobachten“ , weiß hierzu das Kriminalistikhandbuch zu berichten. Die Observation – Die Kunst zu sehen, ohne gesehen zu werden weiterlesen

Neues zum ‚Undercover‘-Einsatz in den USA* – Einige unkommentierte Beispiele

von Gary T. Marx

„Ich habe keine Sympathie für jene, die darüber ins Jammern ausbrechen, daß Polizisten Drogen an eine bereitwillige Kundschaft verkaufen. Wir verwenden jedes legale Mittel, das uns zur Verfügung steht. Wir wollen, daß alle wissen, vielleicht kaufst Du Deine Drogen beim nächsten Mal von einem Polizeibeamten“, erklärte der damalige Bürgermeister von Washington D./C., Marion Barry, 1988 auf einer Pressekonferenz. Rund drei Jahre später wurde Barry selbst das Opfer einer sog. ’sting operation‘, die mit Hilfe einer ehemaligen Bekannten von der Polizei eingefädelt worden war. Das hierbei verwendete Kokain hatte die Polizei zur Verfügung gestellt. (Aufgrund eines für die USA typischen Handels zwischen Staatsanwaltschaft und Verteidigung konnte Barry mit sechs Monaten Haft eine vergleichsweise milde Verurteilung erreichen, indem er von seinem Bürgermeisteramt zurücktrat.Bei den Wahlen 1994 errang er es zurück.)

Auch wenn die Drogenfahndung nach wie vor das wichtigste Einsatzfeld für ‚undercover‘-Operationen bildet, so sind diese Methoden doch längst auch darüber hinaus etabliert, und es haben sich neue Anwendungsbereiche ergeben. Neues zum ‚Undercover‘-Einsatz in den USA* – Einige unkommentierte Beispiele weiterlesen

Polizeiliche Intelligence – Informationsverarbeitung und -auswertung als neue Strategie

von Sabine Strunk

Beschaffung und Speicherung von Informationen sowie deren Verarbeitung und Weitergabe sind seit jeher Grundlage kriminalpolizeilicher Tätigkeit, um aus vergangenen Ermittlungen und Erkenntnissen Aufklärungshinweise für aktuelle oder zukünftige Fälle zu gewinnen. Im Rahmen der pro-aktiven Verbrechensbe-kämpfung allerdings erweitert sich die Zielsetzung von der ‚Aufklärungsperspektive‘ hin zu einer Perspektive, die das frühzeitige Erkennen von Straftätern, die Verdachtsschöpfung, zum Gegenstand der Informationsverarbeitung macht. Die Übernahme der anglo-amerikanischen Terminologie ‚Intelligence‘ für den Prozeß der Auswertung signalisiert den skizzierten Strategiewandel und gibt dessen Richtung präziser an als der deutsche Begriff Auswertung: Gemeint ist die aktive Informationsgewinnung weit über das traditionell retrospektive polizeiliche Informationsfeld hinaus. Polizeiliche Intelligence – Informationsverarbeitung und -auswertung als neue Strategie weiterlesen

Operative Zusammenarbeit über Grenzen – Verdeckte Aktionen und kontrollierte Lieferungen

von Heiner Busch

„In- und ausländischen Fahndungsbehörden ist ein Schlag gegen den internationalen Rauschgifthandel gelungen.“ Immer wenn größere Drogenmengen sichergestellt werden, gehören solche oder ähnliche Sätze zum festen Bestandteil polizeilicher Presseerklärungen und gelangen über diesen Weg – zumeist ohne hinterfragt zu werden – in die Zeitungsmeldungen. Wie die polizeiliche Zusammenarbeit konkret aussah, bleibt nebulös. Allenfalls erhalten die LeserInnen noch den lapidaren Hinweis, die Täter seien über einen längeren Zeitraum observiert worden, man habe einen Tip erhalten oder ein ‚Verdeckter Ermittler‘ sei an dem Einsatz beteiligt gewesen. Operative Zusammenarbeit über Grenzen – Verdeckte Aktionen und kontrollierte Lieferungen weiterlesen

Terminologie zu Vertrauens-Personen und Verdeckten Ermittlern

Erst Mitte der 80er Jahre setzte sich in der Bundesrepublik eine offizielle Terminologie durch. Seither wird eindeutig unterschieden zwischen V(=Vertrauens)-Personen) und Verdeckten Ermittlern. Bei der VP, so die Richtlinien von 1985, handelt es sich um „eine Person, die, ohne einer Strafverfolgungsbehörde anzugehören, bereit ist, diese bei der Aufklärung von Straftaten auf längere Zeit vertraulich zu unterstützten, und deren Identität grundsätzlich geheimgehalten wird“. Während Gelegenheitsinformanten nur punktuell der Polizei ihr Wissen mitteilen, kommt es mit V-Personen zu einer regelrechten Zusammenarbeit. Sie ist auf Dauer angelegt, die V-Person ist MitarbeiterIn der Polizei, sie erhält von dieser bestimmte Aufträge und sie wird für ihre Arbeit entlohnt. Gleichwohl bleibt sie außerhalb des Polizeidienstes. Im Unterschied zur zweiten Gruppen, den Verdeckten Ermittlern. Laut offizieller Definition handelt es sich bei ihnen um „besonders ausgewählte und ausgestattete Polizeivollzugsbeamte, die unter einer Legende Kontakte zur kriminellen Szene aufnehmen, um Anhaltspunkte für Maßnahmen der Strafverfolgung zu gewinnen, und deren Identität auch im Strafverfahren geheimgehalten werden soll“. Terminologie zu Vertrauens-Personen und Verdeckten Ermittlern weiterlesen