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Verfassungsschutz gegen Abgeordnete

In der letzten Legislaturperiode waren alle 53 Abgeordnete der Linksfraktion sowie einige ihrer MitarbeiterInnen in einer „Sachakte“ des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) erfasst. Um dazu ansatzweise brauchbare Auskünfte zu erhalten, bedurfte es einer Vielzahl Klei­ner Anfragen von Linksfraktion und Bündnis 90/Die Grünen[1] sowie eines Urteils des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG), das die Position der Bundesregierung, nur das Parlamentarische Kontrollgremium, nicht aber das Bun­destagsplenum hierüber informieren zu wollen, für verfassungswidrig erklärte.[2] Auch nach der BVerfG-Entscheidung blieben die Angaben der Bundesregierung jedoch ausgesprochen mager. Verfassungsschutz gegen Abgeordnete weiterlesen

Entgrenzung der Bundespolizei – Nicht nur eine Organisationsreform

von Albrecht Maurer

Seit 1990 gibt es keine innerdeutsche Grenze mehr und mit der kontinuierlichen Schengen-Erweiterung sind auch von den zu bewachenden EU-Außengrenzen nur noch Reste übrig. Mit einer neuerlichen Organisationsreform emanzipiert sich der vor drei Jahren in Bundespolizei (BPol) umbenannte Bundesgrenzschutz (BGS) endgültig von seiner Gründungslegende.

Gerade einmal 15 Seiten inklusive Begründung umfasste der „Entwurf zur Änderung des Bundespolizeigesetzes und anderer Gesetze“, den der Bundestag am 25. Januar dieses Jahres mit den Stimmen der Koalitionsmehrheit annahm.[1] Die vorbereitenden Umstrukturierungen waren seit über einem Jahr im Gang und auch der Sitz der neuen Spitzenbehörde, des Bundespolizeipräsidiums, war bereits eingeweiht, als das Gesetz am 1. März in Kraft trat. Auf Widerstand war die Reform in erster Linie bei den Polizeigewerkschaften und -standesorganisationen gestoßen. Aber selbst Befürworter einer grundlegenden Umstrukturierung von Organisation und Aufgabenstellung des früheren Bundesgrenzschutzes rätselten über die Zielsetzung der Reform. Entgrenzung der Bundespolizei – Nicht nur eine Organisationsreform weiterlesen

Lageabhängiger Erstickungstod

Innerhalb eines Jahres kamen in Hagen zwei Menschen nach „Ruhigstellung“ und Fixierung durch Polizeibeamte zu Tode.[1] Bereits am 14. Mai 2007 starb ein Franzose, nachdem bei seiner Einlieferung in ein Krankenhaus wegen Verdachts auf eine Psychose, ein Polizist das Kinn des Mannes „kurz, circa zwei bis drei Minuten lang“ heruntergedrückt hatte. Der zweite Todesfall ereignete sich am 17. Februar 2008: Das Opfer war ein türkischstämmiger Mann, der wegen Verwirrungszuständen in die Polizeiwache in Hagen gebracht und dort bäuchlings fixiert wurde. Lageabhängiger Erstickungstod weiterlesen

„Vergrenzung“ des Inlands – Von der Schleierfahndung zur neuen Bundespolizei

von Albrecht Maurer und Martina Kant

1995 wurde sie in Bayern und Baden-Württemberg eingeführt, 1998 im Bund befristet erprobt, 2003 verlängert, 2007 zum zweiten und letzten Mal nach Art des Bundesinnenministeriums evaluiert. Diese Evaluation führte erwartungsgemäß zur Entfristung der „anlasslosen“ Schleierfahndung.

Man habe dem Bundesgrenzschutz „vor dem Hintergrund der steigenden grenzüberschreitenden Kriminalität und einer erheblich gestiegenen unerlaubten Einreise innerhalb seiner sachlichen und räumlichen Zuständigkeit ein flexibles Befugnisinstrumentarium für verdachtsunabhängige Kontrollen zur Verfügung“ stellen wollen. Ausgeglichen werden sollte auch der Wegfall der angeblichen Filterfunktion der bis zum Aufbau des Schengensystems praktizierten traditionellen Grenzkontrollen. Das ist die offizielle Begründung für den § 22 Abs. 1 Bundespolizeigesetz (BPolG), die Innenstaatssekretär Peter Altmaier letztes Jahr wiederholte, als er den Evaluationsbericht seines Ministeriums vorlegte.[1] „Vergrenzung“ des Inlands – Von der Schleierfahndung zur neuen Bundespolizei weiterlesen

Koordinieren und informieren – Neue Formen der Kooperation von Polizei und Diensten

von Stephan Stolle und Albrecht Maurer

Seit Anfang der 90er Jahre haben Geheimdienste, Polizei und Strafverfolgungsbehörden neuartige Kooperationsformen entwickelt. Das Ziel: Konkrete Zusammenarbeit und Abstimmung von Maßnahmen in bestimmten Bereichen von gemeinsamem Interesse. Aus der verfassungsrechtlich vorgegebenen Trennung von Polizei und Geheimdiensten wird so eine systematische Zusammenführung.

Am 1. April 1991 wird der Chef der Treuhandanstalt Detlev Karsten Rohwedder in seinem Haus in Düsseldorf erschossen. Es ist das letzte Attentat der RAF auf einen führenden Repräsentanten des Staates oder der Wirtschaft. Einen Monat danach, am 3. Mai, tritt in Bonn die Innenministerkonferenz zusammen und beschließt ein ganzes Paket von Maßnahmen: Verfassungsschutz und Polizei sollen ihren Informationsaustausch auf Bundes- und Landesebene „unter voller Ausnutzung des rechtlich zulässigen“ intensivieren. Die „Erkenntnisse sämtlicher Sicherheitsbehörden und des Justizbereichs“ seien in Bundes- und Landeslagebildern zu verwerten. Die Überwachung der RAF-Gefangenen sei zu verschärfen und Erkenntnisse „zügig … an alle zuständigen Sicherheitsbehörden“ weiterzuleiten. Voll ausgeschöpft werden soll der rechtliche Rahmen auch beim Personenschutz – durch verdeckte Maßnahmen der Polizei und den Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel des Verfassungsschutzes. Koordinieren und informieren – Neue Formen der Kooperation von Polizei und Diensten weiterlesen

§ 129b und Kronzeugenregelung – Alte Instrumente in neuem Gewand

von Albrecht Maurer

Schon mit dem ersten Anti-Terror-Paket hat die Bundesregierung entschieden, das politische Strafrecht rund um den § 129a des Strafgesetzbuchs (StGB) auszubauen. Erneuern will sie auch die 1999 ausgelaufene Kronzeugenregelung.

„Die §§ 129 und 129a gelten auch für Vereinigungen im Ausland.“ Dies ist der ganze Text des geplanten § 129b StGB, mit dem die Bundesregierung das Instrumentarium, das seit den 70er Jahren gegen den inländischen Terrorismus aufgebaut wurde, nun auch gegen den internationalen nutzbar machen will.[1] Grund genug, dieses Instrumentarium noch einmal unter die Lupe zu nehmen.

Der § 129a – terroristische Vereinigung – wurde 1976 eingeführt. Bis dahin hatte sich die „Terrorismusbekämpfung“ in der BRD auf § 129 – kriminelle Vereinigung – gestützt, der mit leichten Veränderungen und kurzen Unterbrechungen seit Kaisers Zeiten galt. Der Straftatbestand der „terroristischen“ Vereinigung ist ein schwererer und mit härteren Strafen bedrohter Fall der „kriminellen“. Die „Zwecke“ und „Tätigkeiten“ der terroristischen Vereinigung sollen nicht auf die Begehung von Straftaten allgemein, sondern auf bestimmte schwere Straftaten gerichtet sein, die in einem Katalog festgehalten sind. Dazu gehörten zunächst Mord, Totschlag, Völkermord, Geiselnahme und erpresserischer Menschenraub sowie Brandstiftung, seit einer Verschärfung 1986 auch weitere „gemeingefährliche Straftaten“ wie „gefährliche Eingriffe in den Bahnverkehr“ oder „Störung öffentlicher Betriebe“. Neben terroristischen Straftaten im engeren Sinne waren nun auch Formen des militanten sozialen Protests – etwa das Absägen von Strommasten – erfasst. § 129b und Kronzeugenregelung – Alte Instrumente in neuem Gewand weiterlesen

Schleierfahndung im Hinterland – Das ganze Land als zweite ‘Grenzlinie’

von Albrecht Maurer

In geradezu faszinierender Weise schaffen es die Innenministerien und Polizeistrategen, selbst kleinste Schrittchen zu mehr Freizügigkeit in Europa wie den Abbau der Kontrollen an den Binnengrenzen mit einem Ballast an repressiven Maßnahmen wettzumachen Dabei reichen ihnen nicht einmal die im Schengener Durchführungsübereinkommen (SDÜ) verabredeten Ausgleichsmaßnahmen. Ausgeglichen wird auch im Innern des Landes, u.a. mit „verdachts- und anlaßunabhängigen Personenkontrollen“. Der ausgebreitete „Fahndungsschleier“ beschränkt sich nicht auf das grenznahe Gebiet, sondern reicht tief ins Land hinein.

In demokratischen Staaten – so will es die liberale Tradition – sind die Grenzen der einzige Ort, an dem Personen ohne Anlaß und ohne jeglichen Verdacht jederzeit kontrolliert werden können. Im Inland gilt Freizügigkeit. Hier darf nur überprüft werden, wer durch sein Verhalten dazu Anlaß gibt – wegen einer koinkreten Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder wegen eines Straftatverdachts. Seit den 70er Jahren schon hat man sich sowohl in Deutschland, als auch in anderen europäischen Staaten von dieser Tradition entfernt. An „gefährdeten Orten“ kann schon lange „verdachtsunabhängig“ kontrolliert werden.
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