Archiv der Kategorie: CILIP 067

(3/2000) Polizeiübergriffe – Polizeikontrolle

Polizeiübergriffe auf AusländerInnen – Kaum Chancen vor Gericht

von Anja Lederer und Heiner Busch

Spätestens seit den Berichten von amnesty international und der Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen hat die deutsche Öffentlichkeit anerkennen müssen, dass polizeiliche Übergriffe gegen AusländerInnen keine Erfindung böswilliger KritikerInnen sind, sondern tagtägliche Realität. Diese wird allerdings nur selten gerichtsnotorisch.

Hintergrund dieser Realität ist ein gesellschaftliches Klima, in dem unterschieden wird zwischen „guten“ AusländerInnen, „die uns nützen“, und „schlechten“, „die uns ausnützen“. Auch der im Zuge der „green card“ geführten Debatte um eine gesetzliche Regelung der Zuwanderung liegt offensichtlich die Prämisse zugrunde, dass noch zu viele AusländerInnen dieser zweiten Kategorie in der BRD leben. Dieses Klima hat Auswirkungen auf die Kriminalpolitik und damit auf das polizeiliche Handeln. Die ausländische Bevölkerung, die schon traditionell besonderer „krimineller Energie“ verdächtig ist, gerät in weitaus stärkerem Maße als sogenannte NormalbürgerInnen ins Visier der Polizeibehörden und wird so fast zwangsläufig häufiger Opfer von deren Übergriffen. Polizeiübergriffe auf AusländerInnen – Kaum Chancen vor Gericht weiterlesen

Ausmaß von Polizeiübergriffen und ihre Sanktionierung – Über das Problem einer zahlenmäßigen Erfassung

von Martina Kant

Als amnesty international im Mai 1995 die Dokumentation „Ausländer als Opfer – Polizeiliche Mißhandlungen in der Bundesrepublik Deutschland“ veröffentlichte, schlugen die Wellen hoch. Polizeiführung, Innenministerkonferenz und Polizeigewerkschaften stellten sich schützend vor die deutsche Polizei. Von unzulässigen Verallgemeinerungen, pauschalen (Vor-)Verurteilungen und Verunglimpfungen der gesamten Polizei war die Rede. Verlässliches offizielles Datenmaterial über das Ausmaß polizeilicher Übergriffe und ihre Sanktionierung durch Straf- und Disziplinarrecht gibt es jedoch bis heute nicht. Es ist offenbar auch nicht erwünscht.

Mehr als 70 Berichte hatte amnesty international (ai) zwischen Januar 1992 und März 1995 über Vorfälle erhalten, bei denen PolizistInnen während des Dienstes „gegen Menschen in unverhältnismäßiger oder ungerechtfertigter Weise Gewalt angewandt oder in ihrem Gewahrsam befindliche Personen grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen haben sollen“.[1] Vor der Veröffentlichung des Berichts hatte ai die Innenministerkonferenz um entsprechende Daten gebeten, erhielt aber lediglich die Auskunft, dass „weder bei den Innenministerien der Länder noch beim Bundesministerium des Innern berufsständische Statistiken über Straf- und Ermittlungsverfahren geführt werden“.[2] Ausmaß von Polizeiübergriffen und ihre Sanktionierung – Über das Problem einer zahlenmäßigen Erfassung weiterlesen

Polizeiübergriffe – Polizeigewalt als Ausnahme und Regel

von Norbert Pütter

Polizisten, die prügeln, BürgerInnen verletzen, beleidigen: das sind die Bilder, die mit polizeilichen Übergriffen verbunden werden. Die Reaktionen auf derartige Berichte sind bekannt: Teile der Öffentlichkeit entrüsten sich, die beschuldigten Polizist(inn)en leugnen, die Verantwortlichen wiegeln ab – bis zum nächsten „Fall“. Wer jedoch die Berichte über Polizeigewalt ernst nimmt, gelangt recht bald vom Fehlverhalten einzelner zu den institutionellen und politischen Bedingungen polizeilichen Handelns.

Was genau ein „Übergriff“ durch die Polizei ist, ist nur schwer bestimmbar. Im umgangssprachlichen Verständnis bezieht sich der Begriff auf die Anwendung übermäßiger körperlicher (physischer) Gewalt. Rechtlich betrachtet wird die polizeiliche Gewaltanwendung von einem legalen Eingriff in die Rechte der BürgerInnen zu einem „Übergriff“, wenn sie „unverhältnismäßig“ geschieht. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, demzufolge „unter mehreren möglichen und geeigneten Maßnahmen diejenigen zu treffen (sind), die den einzelnen und die Allgemeinheit am wenigsten beeinträchtigen“,[1] soll gewährleisten, dass „von Zwangsmitteln und Zwangsmaßnahmen kein unangemessener Gebrauch gemacht wird“.[2] Polizeiübergriffe – Polizeigewalt als Ausnahme und Regel weiterlesen

Editorial

von Heiner Busch

Er fordere den Abdruck einer Gegendarstellung, schrieb der damalige Staatsanwalt bei dem Landgericht Hanau, Harald Weiss-Bollandt, an den Arbeitskreis der Rechtsreferendare in der ötv Hessen. In Nr. 1/1976 ihres Infos hatten die ReferendarInnen einen Vortrag des Staatsanwaltes wiedergegeben. Den habe er so nicht gehalten. Er habe „von Beweisschwierigkeiten sowohl in den Verfahren gegen Demonstranten als auch in den Verfahren gegen Polizeibeamte gesprochen … Jene Schwierigkeiten habe ich bezüglich der Verfahren gegen Polizeibeamte damit erklärt, dass infolge der innerhalb der Polizei bestehenden, im Vergleich zu anderen Berufen stärkeren Kollegialität andere Beamte belastende Aussagen oftmals nur schwer zu erlangen seien. Unwahr ist, dass ich in diesem Zusammenhang die häufig festzustellende Erfolglosigkeit der Ermittlungen gegen Polizeibeamte begrüßt und gesagt hätte: ‚und das ist auch gut so.'“ Er habe nie gebilligt, dass Polizeibeamte sich gegenseitig decken. Er habe nie geäußert, dass er ihnen ihre Übergriffe gegen linksradikale DemonstrantInnen nicht verübeln könne … – alles nicht wahr, meinte der heutige Polizeipräsident von Frankfurt am Main. Editorial weiterlesen

Schleierfahndungen durch den Bundesgrenzschutz (BGS)

Wenn sie nicht vorher verlängert wird, tritt die 1998 verabschiedete Befugnis des BGS, verdachtsunabhängige Personenkontrollen in Zügen, auf Bahnanlagen und Flughäfen auch jenseits des 30 km tiefen Grenzgebietes vorzunehmen, zum Jahresende 2003 außer Kraft. Der Bundesrat hatte diese Befristung im Gesetzgebungsverfahren durchgesetzt und sich eine abschließende Bewertung vorbehalten. Auf Bitten des Bundestages wird die Bundesregierung vor Fristablauf eine Evaluation vorlegen. Schleierfahndungen durch den Bundesgrenzschutz (BGS) weiterlesen

Fenstersprung eines kurdischen Asylsuchenden

Mit gezogenen Pistolen stürmen am 24.11.2000 uniformierte Polizeibeamte die Psychotherapeutische Beratungsstelle Xenion in Berlin. Sie suchen den Asylbewerber Davut K., der in die Türkei abgeschoben werden soll. Der 17-jährige Kurde war beim Schwarzfahren erwischt und von der Polizei bis zu der Praxis verfolgt worden. Als die Beamten gegen den Willen des Therapeuten in die Räume eindringen, springt K. aus Angst vor den Verfolgern aus dem Fenster und verletzt sich lebensgefährlich. Fenstersprung eines kurdischen Asylsuchenden weiterlesen

StVÄG in Kraft getreten

Am 1. November 2000 traten die Bestimmungen des „Strafverfah­rensänderungsgesetzes 1999“ vollständig in Kraft, das im Juni von Bundestag und Bundesrat verabschiedet worden war.[1] Den Hauptteil der Novelle bilden die Regelungen über personenbezogene Dateien der Strafverfolgungsbehörden. Daneben wird die Position der Polizei im Ermittlungsverfahren weiter ausgebaut: Mit der „längerfristigen Obser­vation“ wird eine weitere verdeckte Polizeimethode in der Strafprozess­ordnung verrechtlicht. Ihr Einsatz ist an die (rechtlich unbestimmten) „Straftaten von erheblicher Bedeutung“ gebunden. StVÄG in Kraft getreten weiterlesen

Lauschangriffe 1999

Am 17.8.2000 legte die Bundesregierung zum zweiten Mal den Bericht über die akustische Wohnraumüberwachung durch die Polizei vor.[1] Auch dieser zweite Bericht registriert nicht die Überwachungsmaßnahmen auf polizeirechtlicher Grundlage, sondern nur diejenigen, die nach § 100c Nr. 3 StPO durchgeführt wurden. Danach wurden 1999 insgesamt 30 Wohnungen in elf Bundesländern abgehört. Dreizehnmal wurde wegen Drogendelikten, elfmal wegen Mord, Totschlag oder Völkermord abgehört. Bei zwei Fällen handelte es sich um Ermittlungen wegen (schweren) Bandendiebstahls sowie wegen Geldwäsche. Lauschangriffe 1999 weiterlesen