Reform der Sicherheitsbehörden: Polizei – Geheimdienste – Private Sicherheitsdienste

Von Otto Diederichs

Der Anspruch der Polizeireform der 70er Jahre bestand darin, daß die Polizei sich nicht mehr im Sinne eines ‚Wenn-dann‘-Musters darauf beschränken sollte, auf konkrete Gefahren und Straftaten zu reagieren. Vielmehr sollte sie Gefahren und Straftaten möglichst selbst und umfassend entdecken (also das Dunkelfeld aufhellen) und – mehr noch – dies nicht erst zum Zeitpunkt der unmittelbaren Gefahren oder Straftaten, sondern bereits im Zeitraum davor. Die Polizei sollte sich, dem wohl einflußreichsten Verfechter des Strukturwandels Horst Herold zufolge, (1) von ihrer Rolle als ‚Objekt bloßer Vollstreckung‘ emanzipieren. Von der Hoffnung auf die umfassende Gestaltbarkeit von Sicherheit durch die Polizei haben die meisten Sicherheitsexperten heute Abschied genommen. Geblieben ist jedoch der Glaube an eine Polizei, die allein kraft überlegenen Wissens, Technik und Professionalität zu einer vorbeugenden Verbrechensbekämpfung in der Lage sein und deshalb auch die Kompetenz besitzen soll, weitgehend selbsttätig zu agieren. (2)

Geblieben sind insoweit auch die Leitgedanken des seinerzeitigen Umbaus der Polizei. Die PolizistInnen vor Ort sind in diesem Konzept nur noch die Lieferanten von Detailinformationen, die anschließend zentral zusammengeführt und von EDV-Spezialisten ausgewertet werden, um auf dieser Grundlage übergreifende Einsatzplanungen zu entwickeln und Entscheidungen zu fällen, die von den BeamtInnen vor Ort dann wiederum auszuführen wären. Diesem Modell entsprach die Auflösung der traditionell kleinräumigen Revierstrukturen mit ihrer relativen Autonomie gegenüber übergeordneten Ebenen; der Ausbau zentraler Führungsgremien und die innere Spezialisierung der Polizei. Hinzu kam der Ausbau von Informationssystemen. Durch verstärkte Präsenz von PolizistInnen auf der Straße potentielle Straftäter abzuschrecken, sie auf frischer Tat zu ertappen, an Kriminalitätsschwerpunkten bereits vor ihnen eingetroffen zu sein, dies war das Versprechen. Reform der Sicherheitsbehörden: Polizei – Geheimdienste – Private Sicherheitsdienste weiterlesen

Umdenken in der Gesetzgebung: Polizei-, Strafprozeß- und Strafrecht

von Norbert Pütter

Die Veränderungen im Recht der Inneren Sicherheit seit der ersten Häfte der 70er Jahre speisten sich zumeist aus einer Mischung von polizeilichen Allmachtsphantasien und bürokratischer Phantasielosigkeit. Sie wiesen und weisen Polizei und Strafverfolgung einen Ort im gesellschaftlich-staatlichen Gefüge zu, der die Eigenarten der Apparate Innerer Sicherheit maßlos über- und die Gefahren für die demokratische Verfassung gefährlich unterschätzt. In einem demokratischen Verfassungsstaat hat die Polizei keinen ‚gesellschaftssanitären‘ Auftrag und das Strafrecht ist nicht dazu da, irgendetwas – und sei es ein Verbrechen – zu ‚bekämpfen‘. (1) Ihre Aufgabe besteht in der Sicherung zentraler Schutzgüter, durch die Androhung und Verhängung von Strafen, sofern diese verletzt werden.

Das Recht der Inneren Sicherheit ist bezogen auf die Handlungen von Personen. Der Störer im Polizeirecht, der Straftäter (Verdächtiger, Beschuldigter etc.) in der Strafprozeßordnung (StPO). Diese individualistische Ausrichtung ist kennzeichnend für unseren Rechtskreis; sie geht von verantwortlich handelnden Individuen aus, die belangt werden können, wenn sie eine Gefahr verursachen oder eine kriminalisierte Handlung begehen. Dieses Modell versagt jedoch vor den modernen Großgefahren. Es wird weder dem gerecht, was kollektive Akteure (Gruppen oder Unternehmen z.B.) tun, noch kann es auf solche Phänomene angemessen reagieren, die sich nicht auf das Verhalten einzelner zurückführen lassen. Wo dies doch geschieht, indem z.B. abstrakte Gefährdungsdelikte als Straftatbestände eingeführt werden oder indem die Strafbarkeitsschwellen gesenkt werden, werden gesamtgesellschaftliche Ursachenkomplexe zu Abweichungen schuldhaft handelnder Individuen verniedlicht. Eine solche Strategie muß scheitern. Umdenken in der Gesetzgebung: Polizei-, Strafprozeß- und Strafrecht weiterlesen

Kriminalität und Kriminalitätsfurcht – Wo gehobelt wird, fallen Späne

von Otto Diederichs

„Deutsche fürchten um ihr Eigentum“; „Berliner fühlen sich unsicher“; „Bürger fühlen sich von Krimellen bedroht“; „Kieler leben gefährlich“, lauten einige willkürlich aufgegriffene Schlagzeilen der letzten Jahre. Nimmt bzw. behält man die ‚Polizeiliche Kriminalstatistik‘ (PKS) zum Maßstab für die Kriminalitätsentwicklung, wird man nicht umhin können, gemeinsam mit dem Chor aus Politik, Polizei und Presse in das Klagelied von der stetig steigenden Kriminalität einzustimmen, denn mit dem Instrument der PKS vermessen, wächst die Kriminalitätsbelastung in der Bundesrepublik nahezu kontinuierlich an und hat sich in den vergangenen 30 Jahren mehr als verdoppelt. (1) Auch wenn verschiedene Indizien für eine tatsächliche Steigerung von Kriminalität sprechen, ist der Trend doch weitaus weniger dramatisch als dies der Öffentlichkeit immer wieder suggeriert wird. (2) Aus dem Anspruch, Leib, Leben und Eigentum seiner BürgerInnen zu schützen, leitet der moderne Staat einen Großteil seiner Legitimation ab. Die ‚Innere Sicherheit‘ genießt deshalb bei den Parteien einen hohen Stellenwert und in der Diagnose sind sich alle einig: Kriminalität und Gewalt bedrohen die öffentliche Sicherheit. Wo es jedoch konkret werden müßte, herrscht im Regelfall eher Ratlosigkeit und der Ruf nach ‚Mehr Grün auf die Straße‘ und/oder verstärkter Repression zur Abschreckung potentieller Täter. Kriminalität und Kriminalitätsfurcht – Wo gehobelt wird, fallen Späne weiterlesen

Redaktionelle Vorbemerkung

von Otto Diederichs

Statt wie gewohnt im März, erschien Heft 56 (1/97) dieses CILIP-Jahrgangs erst im Juni des Jahres. Durch diese bedauerliche, aber notwendige Verschiebung mußte zwangsläufig auch der Erscheinungstermin dieser Ausgabe weiter nach hinten rutschen. Die dritte Nummer des Jahrganges 1997 soll jedoch wieder zum gewohnten Rhythmus zurückkehren und Anfang Dezember erscheinen. Redaktionelle Vorbemerkung weiterlesen

Summaries

Thematic focus: Environmental Crime

Editorial Comment
by Otto Diederichs

During the heyday of the debate on police enforcement of law in conjunction with crimes against the environment, CILIP published its first special issue in 1985 on the „environmental protection police“. More than 10 years later it appears only right to look back and attempt to trace developments over the past twelve years and to take a close look at what has happened in the meantime in terms of legal, organisational and police structural developments. The search for qualified experts proved even difficult. It would appear that crimes against the environment have mutated to little more than lists within the crime statistics. Hardly anybody appears to devote major attention to the question of the relevance of police units devoted to the protection of the environment which were so heatedly debated in the Eighties. Summaries weiterlesen

Reformen Innerer Sicherheit – Über die Notwendigkeit von Veränderungen

von Norbert Pütter

Noch nie schien sie so wichtig wie heute – und noch nie waren ihr Scheitern und ihre verheerenden Folgen so offensichtlich: ‚Innere Sicherheit‘ ist längst in den Strudel vordergründiger politischer Kampagnen geraten, in denen der Knüppel staatlicher Repression zum Allheilmittel gesellschaftlicher Probleme gekürt wird. Während die Schar der WählerInnenfänger ausschwärmt und die immergleiche Melodie vom starken Staat, vom Durchgreifen, von der sprichwörtlichen Ruhe und Ordnung etc. pfeift, wird eine demokratisch-bürgerrechtlich orientierte ‚Politik Innerer Sicherheit‘ nötiger denn je.

Wer den Blick in die Tagesnachrichten noch wagt, wird nicht enttäuscht. Die Regierenden bleiben sich treu. Die Beispiele könnten Seiten füllen. Ob der Justizminister höhere Strafen für Jugendliche fordert oder der Drogenbeauftragte der Bundesregierung Eduard Lintner die kontrollierte Heroinabgabe an Süchtige ablehnt, ob Bundesinnenminister Manfred Kanther beim PKK-Verbot bleibt oder der strafrechtliche und polizeiliche Kampf gegen Korruption, Schleuser, Schwarzarbeiter, Graffiti-Sprayer forciert werden soll: Bedrohungsszenarien und Kriminalisierungsforderungen überziehen das Land. Einer alten Tradition gemäß proben Sozialdemokraten die entsprechende Profilierung. Gerhard Schröders Parole zum Umgang mit straffällig gewordenen Ausländern zeigt, welche Alternativlosigkeit eine Regierung unter seiner Verantwortung verspricht. Reformen Innerer Sicherheit – Über die Notwendigkeit von Veränderungen weiterlesen

Vierzehn Thesen zur Inneren Sicherheit – Vom eminent praktischen Sinn grundsätzlicher Überlegungen

In unsicheren Zeiten hat der ‚Ruf nach Sicherheit und Ordnung‘ Konjunktur. Ohne Umschweife werden dann die Sicherheitsexperten ins Spiel gebracht: Von ‚durchgreifenden Maßnahmen‘ ist schnell die Rede; schärfere Gesetze und eine Polizei, die der Unsicherheiten Herr werden soll, werden gefordert. Diese schlichten Formeln aus dem Standardrepertoire populistischer Politik dienen den Interessen der Sicherheitsbürokratien. Sie zielen auf einen die Gesellschaft überziehenden Schleier staatlicher Sicherheitsvorkehrungen, der Sicherheit verspricht, aber neue Unsicherheiten produziert.

Theoretische Grundlagen sind ebenso wie Begriffe oder wie Werte nicht unmittelbar praktisch. Aus ihnen können in der Regel keine direkten Schlußfolgerungen in Richtung dessen gezogen werden, was zu tun sei.
Will man sich indes nicht in hektischer Betriebsamkeit erschöpfen, sollen sterile Aufgeregtheiten vermieden werden, soll nicht nur das Lob der politischen Routine gesungen werden – dann ist praktisch gerichtete Theorie Voraussetzung aller Praxis. Daß theoretische Einsichten nicht umstandslos ‚praktikabel‘ sind, mag gegen diese Einsichten sprechen. Sie mögen zu abstrakt, zu ‚akademisch‘ sein. Der umgekehrte Fall ist gleicherweise denkbar und angesichts heutiger Politik ungleich häufiger: Weil die Praxis so miserabel ist und weil diejenigen, die sie betreiben, zukunftslos im gegenwärtigen Interessensumpf stecken, lassen sich andere, die Probleme vermutlich besser lösende Theorien nicht umsetzen. Vierzehn Thesen zur Inneren Sicherheit – Vom eminent praktischen Sinn grundsätzlicher Überlegungen weiterlesen

Neuerscheinungen

Lisken, Hans/Denninger, Erhard (Hg.): Handbuch des Polizeirechts, (Beck) München 1996 (2. Auflage), 998 S., DM 226,-Warum nach nur vier Jahren eine neubearbeitete und erweiterte Auflage des fast 1.000 Seiten umfassenden Handbuchs erforderlich wurde, wird bereits beim kursorischen Blick durch seine Beiträge deutlich: Von der Neuauflage des ‚Programms Innerer Sicherheit‘ der Innenministerkonferenz (1993) bis zur Novellierung der Polizeigesetze in Sachsen und Bayern (beide 1994), von den StPO-Erweiterungen durch das OrgKG (1992) und das Verbrechensbekämpfungsgesetz (1994) bis zum Geldwäschegesetz (1993), vom neuen BGS-Gesetz (1994) bis zum Inkrafttreten von ‚Schengen‘ (1995) und dem Aufbau von Europol (seit 1994). Die das Polizeirecht und die polizeiliche Praxis mitbeeinflussenden rechtlichen und institutionellen Vorkehrungen haben in wenigen Jahren (weitere) Veränderungen erfahren, die nicht nur quantitativ, sondern auch wegen ihrer Bedeutung eine erweiterte Neuauflage rechtfertigen. Über die ‚Polizeiliche Zusammenarbeit in Europa‘ (Mokros) wurde ein neues Kapitel hinzugefügt. Neuerscheinungen weiterlesen

Institut für Bürgerrechte & öffentliche Sicherheit e.V.