Schlagwort-Archive: Notstandsgesetze

Parlamentarische Kontrolle der ‚Dienste‘ – Einige thesenförmige Erwägungen

Die Frage, wer kontrolliert die Kontrolleure, begleitet alle Herrschaften von Anfang an. Quis custodiet custodem – wer soll denn wie über die Wächter wachen – fragten schon die verfassungskundigen Römer. Für den modernen Staat gilt diese alte Frage in besonderem Maße. Er, dieser moderne Staat beansprucht das „Monopol legitimer physischer Gewaltsamkeit“ (Max Weber) als ureigenes Instrument; er empfängt aus der inneren und äußeren Sicherheitsleistung seine hauptsächliche Legitimation. Handelt es sich bei diesem Staat auch noch um einen demokratischen Verfassungsstaat, muß er die dringliche Frage in seiner Verfassung normativ und verfassungswirklich klar und deutlich beantworten.

Dieses Erfordernis wächst, wenn der Schutz, den der Staat seinen Bürgerinnen und Bürgern angedeihen läßt, im Dunkeln geschieht. Wie kann gewährleistet werden, daß aus solchem Dunkel nicht staatlich selbstproduzierte Gefahren für bürgerliche Rechte und bürgerliche Sicherheit erwachsen, das Instrument der Sicherung selbst zur Gefahr für das zu Sichernde wird? Parlamentarische Kontrolle der ‚Dienste‘ – Einige thesenförmige Erwägungen weiterlesen

Notizen zur Geschichte der Bürgerrechtsgruppen im Nachkriegsdeutschland

Ungeachtet ihres rinnsalartigen Begleitens des mächtig etablierten Stroms alt- und neubundesdeutscher und ehemals auch DDR-licher Politik hat es Bürgerrechtsgruppen immer gegeben. Die von dem Politologen und Theologen Alfred Roos getroffene Feststellung, „(…) wenn es sich schon um Bürgerrechtsthemen handelt, dann stehen die Menschen- und Bürgerrechtsbewegten im größeren Deutschland mit dem Rücken zur Wand“ kennzeichnet die randständige Rolle aller Bürgerrechtsgruppierungen in den beiden kleineren Deutschlands, BRD und DDR, von Anfang an. Freilich, es handelt sich um einen oszillierenden Zustand: Phasen nahezu völligen Schweigens folgen auf Phasen erheblicher Aktivitäten. Nur einmal allerdings schienen Bürgerrechte und entsprechende Gruppierungen eine entscheidende Rolle zu spielen, in der besonderen Konstellation 1989/90. Ansonsten wirkten alle Aktivitäten bestenfalls als Nadelstiche oder leisteten einzelne Personen nützliche, zuweilen sogar existentielle Hilfe. Insgesamt betrachtet und gewertet, vermochten die Bürgerrechtsgruppen nicht mehr, aber auch nicht weniger, als Sand ins Getriebe einer politischen Maschinerie zu werfen, die allzusehr nach dem Motto funktionierte, daß Bürger- und Menschenrechte nur dann zu beachten seien, wenn sie dem etablierten System herrschender Interessen nützten. Notizen zur Geschichte der Bürgerrechtsgruppen im Nachkriegsdeutschland weiterlesen

Das ‚System Innere Sicherheit‘ – Eine erstaunlich kontinuierliche Karriere

„Der Staatsschutz lebt davon, daß er von Leuten wahrgenommen wird, die sich dafür engagieren. Und Leute, die sich dafür engagieren, wie Herold und ich, die finden immer einen Weg. Wenn sie eine gesetzliche Regelung haben und sie mal strapazieren müssen, funktioniert sie ja meistens doch nicht“ (Generalbundesanwalt Siegfried Buback).

Veränderung und Beschleunigung sind die Zeichen der Zeit. Inmitten der Flucht der Zeiten stellt die herrschaftliche Einrichtung des Staates und ihre Stabilität einen sichernden Bezug dar. Diese Stabilisierung im Kern leisten das Recht und das seinerseits mit rechtlichen Gamaschen versehene staatliche Gewaltmonopol. Gefahrenabwehr und Strafverfolgung lauten deshalb seine Grundfunktionen. Freilich: Dieses Monopol legitimer physischer Gewaltsamkeit, wie Max Weber das eigensinnige Instrument des Staates gültig genannt hat, besteht seinerseits nicht unveränderlich. Es wandelt sich und kündet in seinem Wandel von staatlichen und gesellschaftlichen Veränderungen. Das ‚System Innere Sicherheit‘ – Eine erstaunlich kontinuierliche Karriere weiterlesen

BGS – Die Bundespolizei – Was lange währt…

Tote, so sagt man, leben länger. Diese Eigenschaft haben Scheintote oder Totgesagte, so hat es den Anschein, auch geerbt. Diese Beobachtung gilt insbesondere dann, wenn es sich bei Toten, Scheintoten oder Totgesagten um staatliche Institutionen handelt. Am meisten trifft sie zu, wenn es Institutionen aus dem Umkreis des staatlichen Gewaltmonopols sind.

Das „Ende aller Sicherheit“ könnte drohen, wenn das Monopol verschlankt würde. Müßte der Staat außerdem nicht einräumen, jahrzehntelang behauptete und entsprechend kriminalisierte Gefahren seien nicht mehr gegeben. BGS – Die Bundespolizei – Was lange währt… weiterlesen

Kleine Geschichte des Bundesgrenzschutzes – Eine Chronologie

von Martin Winter

Die Geschichte des Bundesgrenzschutzes (BGS) ist durch seine Zwitterstellung zwischen militärischem Truppenverband und Polizei-Institution gekennzeichnet. Ursprünglich war er als paramilitärische Truppe konzipiert, die gegen (kommunistisch gelenkte) Aufständische und Partisanen eingesetzt werden sollte. Die Aufstellung der Bundeswehr 1955 und die Notstandsgesetzgebung von 1968, die deren Einsatz auch im Inneren ermöglichte, machten dann den Weg frei, den BGS zu einer Art Bundespolizei zu entwickeln. Der Einsatzschwerpunkt verschob sich zunehmend zu einem ,Protest policing‘.

1949 Am 14.April erhält Konrad Adenauer (CDU) als Präsident des Parlamentarischen Rates den sog. Polizeibrief der westlichen Militärgouverneure, der die Vorgaben der Alliierten polizeilichen Regelungen im neuen Grundgesetz nennt: Darin enthalten sind u. a. Restriktionen zuAufstellung und Stärke von Polizeieinheiten; die generelle Zuständigkeit für die Polizei soll den Bundesländern zufallen; die Einrichtung von Bundespolizeibehörden gilt als Ausnahme dieser Regel. Kleine Geschichte des Bundesgrenzschutzes – Eine Chronologie weiterlesen

Politische Polizei im geteilten Deutschland – Hinweise zur Entwicklung des repressiven Staatsschutzes

von Falco Werkentin

Das besiegte Deutschland zur Demokratie zurückzuführen, das faschistische Herrschaftssystem zu zerschlagen und durch einen konsequenten Elitenaustausch die Voraussetzungen für einen demokratischen Neuanfang zu schaffen – dies waren die Vereinbarungen der Anti-Hitler-Koalition, als ihre Truppen in Deutschland einmarschierten. Dementsprechend wurden mit dem Kontrollrats-Gesetz Nr. 1 vom 20. September ’45 zentrale Straftatbestimmungen des faschistischen Strafrechts aufgehoben, mit Gesetz Nr. 2 vom 10. Oktober ’45 über die „Auflösung von Naziorganisationen“ u.a. die Gestapo als aufgelöst erklärt, mit Gesetz Nr. 11 vom 30. Januar ’46 das Strafrecht von allen politischen Straftatbeständen (vom Hoch- bis Landesverrat) bereinigt und schließlich mit dem Gesetz Nr. 31 vom 1. Juli ’46 alle „Polizeibüros und Agenturen politischen Charakters“ verboten. Politische Polizei im geteilten Deutschland – Hinweise zur Entwicklung des repressiven Staatsschutzes weiterlesen

Bundesgrenzschutz im Aufwind – die Okkupation neuer Aufgaben

Von Falco Werkentin

Der Bundesgrenzschutz kann in diesem Jahr auf eine vierzigjährige Geschichte zurückblicken. Als er 1951 gegründet wurde, standen zwei politische Motive im Vordergrund: einmal die verdeckte militärische Wiederaufrüstung unter dem Mantel polizeilichen Uniformtuches, zum anderen der Aufbau einer Bürgerkriegstruppe in der Hand der Bundesregierung, d.h. „Grenzschützer“ als Notstandssoldaten, wie die GdP kritisch anmerkte. Bereits zu Beginn der 70er Jahre ist das Aufgabenspektrum des BGS von der sozialliberalen Koalition erheblich ausgeweitet worden. Ungeachtet des Wegfalls der historischen Voraussetzungen des Bundesgrenzschutzes – des Ost-West-Konflikts – und der mit Schaffung des Europäischen Binnenmarktes Ende ’92 erheblich reduzierten Grenzkontrollaufgaben ist derzeit beim BGS ein Revirement in Planung, das im Ergebnis die personelle Stärke und das Aufgabenspektrum des BGS noch ausweiten soll. Bundesgrenzschutz im Aufwind – die Okkupation neuer Aufgaben weiterlesen

Vereinigte deutsche Sicherheit – oder die mehrfach verkürzte Verfassungsdebatte

Der äußere Einigungsprozeß von BRD und DDR zu einer vergrößerten BRD geschah ohne verfassungspolitisches Federlesen. Zuerst wurde qua „Währungsunion“ am 1. Juli 1990 die ökonomische Verfassung im Sinne der Ausdehnung bundesdeutscher Ökonomie festgelegt. Anschließend wurde mit Hilfe einer bürokratischen Musterleistung, dem „Einigungsvertrag“, die Haut des Grundgesetzes (GG) über die vormalige DDR gezogen. Die ad hoc neu geschaffenen Länder auf dem Territorium der DDR konnten so gemäß Artikel 23 GG zum Grundgesetz beitreten und die Legitimation des Einigungsvorgangs repräsentativ perfekt machen. In Art. 5 des „Einigungsvertrages“ wurden mögliche Verfassungsänderungen auf die Zeit nach der Einigung verschoben. Vereinigte deutsche Sicherheit – oder die mehrfach verkürzte Verfassungsdebatte weiterlesen