Der neue staatliche Anti-Terrorismus steht in ungebrochener Kontinuität zu seinem Vorgänger aus den 70er Jahren. Die Gemeinsamkeiten in der strategischen Orientierung und im reflexhaften Ruf nach dem Ausbau staatlicher Repressionsinstrumente sind unübersehbar. Der Grad der Internationalisierung, das technische Niveau der Überwachungsstrategien und die Skrupellosigkeit gegenüber demokratisch-rechtsstaatlichen Standards machen das Besondere des neuen „Kampfes gegen den Terror“ aus.
In öffentlichen Diskussionen wird häufig der Eindruck erweckt, als habe mit den Anschlägen vom 11. September 2001 die terroristische Bedrohung eine neue Qualität erlangt, die auch eine neue Qualität staatlich-polizeilicher Antworten erforderte. Blickt man zunächst auf den engeren Komplex der polizeilich-kriminalstrategischen Aktionen, so zeigt sich hier aber keine neue Qualität, sondern die forcierte Fortsetzung eines bekannten Musters: Jeder Terrorakt wird zur willkommenen Legitimation neuer polizeilicher, strafrechtlicher und/oder geheimdienstlicher Instrumente genutzt. Die Anlässe sind beliebig. Wurde gestern der Ausbau der Dienste, die Legalisierung von Straftaten Verdeckter Ermittler etc. noch mit dem Kampf gegen den internationalen Drogenhandel begründet, so muss heute die terroristische Gefahr für alles herhalten, was auf den Wunschzetteln der Exekutive und ihrer politischen Förderer steht. Terrorismus produziert die Gelegenheiten, das politisch durchsetzen zu können, was man schon immer wollte. Dass Gefahrenpotentiale dramatisiert werden, ist eine notwendige Begleiterscheinung dieses Geschäfts. Alter und neuer Anti-Terrorismus – Von den Entgrenzungen ungeahnten Ausmaßes weiterlesen →
Unser tägliches Geheimdienstbrot gib uns heute, aber lass uns die Schimmelstellen vermeiden. So lautet das regierungsamtliche Gebet rund um den Globus.
Ein dreifacher Stakkatoschlag. Die zwischen den Parteien ausbalancierte Kommission des amerikanischen Senats, die die Qualität geheimdienstlicher Information untersuchte, urteilte in ihrem am 10. Juli veröffentlichten Bericht vernichtend. Keine der Schlüsselinformationen traf zu, die den Bush-Krieg gegen das Regime Saddam Husseins im Irak im März 2003 weltweit öffentlich rechtfertigten. Nichts mit Massenvernichtungswaffen; nichts mit Direktverbindungen zu Al Qaida; nichts mit einer unmittelbaren Drohung, die binnen 45 Minuten über die BürgerInnen westlicher Länder hätte hereinbrechen können. Nur vier Tage später schlug der Butler-Report der britischen Regierung in dieselbe Kerbe. So wie die CIA, so hatte ihre britische Variante, der MI6, nichts als einseitig zugespitzte, prinzipiell bekannte Informationen geliefert und also vorurteilssystematisch falsch informiert. Von all dem unmittelbaren Gefahrenwesen außer Täuschungsspesen nichts gewesen. Am 22. Juli folgte der dritte Schlag: Die von der US-Regierung eingesetzte so genannte „9/11-Commission“ – auch sie zweiparteilich ausgeglichen – sollte die seismographische Gefahrenwitterung der US-amerikanischen Geheimdienste in Sachen Zerstörung der Zwillingstürme des World Trade Centers in New York und des Angriffs auf das Pentagon untersuchen. Auch ihr Bericht endete für die Geheimdienste katastrophal. CIA und FBI hatten entweder nichts oder sie hatten zu Ungenaues gewusst oder sie waren in der Fülle der Informationen, in der die „Dienste“ wie in einer riesigen Salatschüssel konkurrierend wühlten, nicht an das entscheidende Informationsblatt geraten. So offenkundig war es selten – Geheimdienste taugen nur für den Herrschaftsmissbrauch weiterlesen →
Bei der Vorstellung der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) für das Jahr 2001 pries Thüringens Innenminister Christian Köckert (CDU) sein Bundesland wegen der alljährlich sinkenden Fallzahlen noch als eines der sichersten der Republik. Dennoch meinte die regierende CDU, auf der allgemeinen Verschärfungswelle reiten zu müssen und gewährte der Polizei und dem Verfassungsschutz mit dem „Gesetz zur Änderung des Polizei- und Sicherheitsrechts“ weitreichende neue Befugnisse. Am 28. Juni 2002 trat die Novelle in Kraft.[1]
Die ursprüngliche Fassung des Thüringer Polizeiaufgabengesetzes (PAG) stammt von 1992 und folgte dem Vorbild Baden-Württembergs. Schon damals befand man sich in der Gruppe der Länder mit dem „schärfsten“ Polizeirecht. 1997 und 1999 sorgten Novellen dafür, dass der Anschluss an diese Spitzengruppe erhalten blieb:[2] Die „Schleierfahndung“ wurde eingeführt, die gesetzlichen Voraussetzungen des „Unterbindungsgewahrsams“ sowie des Einsatzes technischer Mittel in Wohnungen wurden gelockert. Auch ein Teil der jetzt neu eingeführten Bestimmungen knüpft an ähnliche Regelungen in anderen Bundesländern an, geht punktuell aber darüber hinaus.
So haben inzwischen mehrere Länder nach dem Vorbild von Niedersachsen (1996) das polizeirechtliche Instrument des Aufenthaltsverbots neben der nur kurzfristigen Maßnahme der Platzverweisung eingeführt. Das Verbot, einen bestimmten örtlichen Bereich für einen längeren Zeitraum – im thüringischen Fall bis zu drei Monaten – zu betreten, stellt einen gravierenden Eingriff in das Grundrecht der Freizügigkeit (Art. 11 Grundgesetz, GG) dar. Polizeirecht nach Landgrafenart – Über den Versuch des thüringischen Gesetzgebers, alle Überwachungslücken zu schließen weiterlesen →
Es vergingen nur Stunden nach den Terroranschlägen in New York und Washington am 11. September, bis der sozialdemokratische Bundesinnenminister Otto Schily der bundesdeutschen Öffentlichkeit mitteilte, die bestehenden Gesetze reichten zur Bekämpfung von Terrorismus nicht aus. Ein ganzes Arsenal neuer gesetzlicher Maßnahmen sei notwendig. Eine Antwort auf die Frage, was diese zur Bekämpfung von derartigen Anschlägen beitragen können, blieb er bislang schuldig.
Flugs präsentierte er als Sofortmaßnahmen zwei gesetzliche Initiativen, die längst in den ministerialen Schubladen gelagert waren: 1. die Ergänzung des Strafgesetzbuchs um einen § 129b. Dieser soll die Mitgliedschaft, Werbung und Unterstützung in einer weltweit tätigen terroristischen Vereinigung unter Strafe stellen, auch wenn weder die verdächtigen Personen noch die entsprechenden Organisationen in der Bundesrepublik aktiv sind. 2. Ein Gesetz zur Abschaffung des Religionsprivilegs im Vereinsrecht. Damit sind religiöse Vereinigungen nicht mehr vor Verboten geschützt, wenn von ihnen Aufrufe zu Gewalt oder vermeintliche oder tatsächliche verfassungsfeindliche Bestrebungen ausgehen. Mit Schily in den Überwachungsstaat – Kampf gegen Terror lässt Sicherheitsträume wahr werden weiterlesen →
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