Alle Beiträge von Heiner Busch

Redaktionsmitteilung

„Am 29. Januar 2008 beteiligten sich etwa 400 Personen an der Kundgebung ‚Sicherheit kostet Freiheit‘ gegen den 11. Europäischen Polizeikongress in Berlin. Dazu hatte ein breites Bündnis, dem auch Linksextremisten unterschiedlicher ideologischer Ausrichtung angehörten … mobilisiert.“ So steht es im Bericht des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) von 2009 auf Seite 194. Der Autor dieser Zeilen hatte ebenfalls für diese Demonstration, nach BfV-Lesart ein „herausragendes Ereignis“, geworben. Ob er nun zu den „Linksextremisten“ zählt oder sich bloß des Kontaktes mit ihnen schuldig gemacht hat, bleibt den Bewertungskünsten des Amtes überlassen.

Sicher ist jedoch, dass der jährliche „Polizeikongress“ ein durchaus merkwürdiges Ereignis ist. Organisiert wird er durch einen privaten Verlag („Behördenspiegel“). Seine Podien sind paritätisch besetzt durch PolitikerInnen, PolizistInnen und RepräsentantInnen der Sicherheitsindustrie. Unternehmen dieser Branche sind seine Sponsoren und stellen dort ihre Produkte aus, weshalb der Anlass in manchen Veranstaltungskalendern zu Recht als „Messe“ firmiert. Redaktionsmitteilung weiterlesen

EU-Kriminalaktennachweis

Lob und Tadel hatte der Bayerische Innenminister Joachim Herrmann für das Stockholmer Programm bereit, das der Europäische Rat am 11. Dezember 2009 verabschiedete: Tadel gabs für die „falschen Signale“ in Sachen Asyl und Migration. „Für mich ist klar: Deutsche und europäische Arbeitnehmer müssen auf dem Arbeitsmarkt Vorrang haben.“ Und: „auch die Tendenz zu höheren Schutz- und Verfahrensstandards für Asyl­bewerber geht in die völlig falsche Richtung. Wir dürfen keine zusätzlichen Anreize für illegale Zuwanderung schaffen …“. So weit, so gewohnt fremdenfeindlich.[1] EU-Kriminalaktennachweis weiterlesen

„Troublemakers“

Mit dem Stockholmer Programm hat die EU-Kommission einen weiteren Arbeitsauftrag gefasst. Sie soll „prüfen, wie am besten darauf hingewirkt werden kann, dass die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten Informationen über reisende Gewalttäter, u.a. solche, die an Sport- oder sonstigen Großveranstaltungen teilnehmen, austauschen können.“ Auch dieser Punkt wurde in letzter Minute ins Programm aufgenommen. Und er geht ebenfalls auf eine deutsche Initiative zurück. „Troublemakers“ weiterlesen

Redaktionsmitteilung

„Im Übrigen“ sind wir der Meinung, dass Geheimdienste abgeschafft werden müssen. Das ist das „ceterum censeo“, das Bürgerrechte & Polizei/CILIP seit drei Jahrzehnten wiederholt. Und dafür gibt es Gründe en masse: Die Dienste sind nicht nur schlecht kontrolliert, sondern unkontrollierbar. Sie verfügen zwar in Deutschland mittlerweile über ausführliche gesetzliche Grundlagen, die aber im Wesentlichen Ermächtigungen und keine Grenzen darstellen. Dass sie notwendig seien zum Schutz der Demokratie oder für eine friedliche Außenpolitik – diese Ammenmärchen etablierter Politik mag glauben, wer will – wir tun es nicht.

Zugegeben: die Abschaffungsforderung liegt nicht im „realpolitischen“ Trend. Das Ende des Kalten Krieges hat den bundesdeutschen Diensten nur kurzfristig eine Krise beschert. Zwanzig Jahre danach verfügen sie über mehr Aufgaben und Befugnisse und sind besser mit den polizeilichen Sicherheitsbehörden vernetzt denn je – dank Anti-Terrorismus und einer militarisierten Außenpolitik, die deutsche Interessen und Sicherheit nicht nur am Hindukusch „verteidigen“ will. Die Gegenwart der drei (ehemals west-)deutschen Dienste wird trotz aller Skandale nicht hinterfragt, ihre Geschichte im Kalten Krieg ist – praktischerweise – vergangen. Letztere offen zu legen und den Betroffenen freien Zugang zu Akten und Daten einzuräumen, wäre ein erster Schritt in die richtige Richtung. Redaktionsmitteilung weiterlesen

Redaktionsmitteilung

Die Aufarbeitung der Vergangenheit hat Konjunktur bei den deutschen Polizeibehörden. Im Herbst 2007 veranstaltete das Bundeskriminalamt drei Kolloquien unter dem Titel „Das BKA stellt sich seiner Geschichte“. Und im November 2008 starteten die Deutsche Hochschule für Polizei und das Deutsche Historische Museum ein gemeinsames Projekt zur „Polizei im NS-Staat“. Es soll unter anderem Module für eine Dauerausstellung bei Polizeibehörden und -bildungseinrichtungen sowie Unterrichtsmaterialien für die Polizeiausbildung erarbeiten. Aufräumen will man dabei auch mit den Mythen der „sauberen Ordnungspolizei“ und der unpolitischen Kriminalpolizei, die bis vor wenigen Jahren das polizei-eigene Geschichtsbild dominiert hatten. Die Aufarbeitung der Vergangenheit darf auch etwas kosten – nämlich insgesamt 1,3 Mio. Euro. Den Anteil der Polizeihochschule (950.000 Euro) stellen die Länder im Umlageverfahren zur Verfügung. Der Arbeitskreis II der Innenministerkonferenz, der sonst als ständig brummender Motor für den Ausbau polizeilicher Befugnisse agiert, hat das Projekt genehmigt. Redaktionsmitteilung weiterlesen

Schweiz: Nur knappes Ja zu biometrischen Ausweisen

Selten gehen Volksabstimmungen in der Schweiz so knapp aus wie diese: 5.504 von insgesamt über 1,9 Mio. gültigen Stimmen gaben am 17. Mai 2009 den Ausschlag für die Annahme des Bundesbeschlusses „über biometrische Pässe und Reisedokumente“.[1] Eine äußerst heterogene Koalition von Organisationen hatte gegen diese vom Parlament im Juni 2008 verabschiedete Revision des Ausweisgesetzes das Referendum ergriffen und Anfang Oktober rund 64.000 Unterschriften eingereicht. Schweiz: Nur knappes Ja zu biometrischen Ausweisen weiterlesen

Die Rolle Europols – Von den Schwierigkeiten des polizeilichen Zentralismus

von Heiner Busch

Europol soll „enger Partner und Fokus“, „wirkliche Informationsplattform für die Mitgliedstaaten“ werden, fordert die „Zukunftsgruppe“, die den neuen Fünfjahresplan der EU-Innen­politik vorbereitete.[1] Die ständige Wiederkehr solcher Formeln zeigt die fortdauernde Skepsis der nationalen Polizeibehörden gegenüber diesem zentralistischen Konstrukt.

Das Europäische Polizeiamt hat im Juli 1999 formell seine Arbeit aufgenommen, nachdem die vier Jahre zuvor unterzeichnete Konvention von allen Mitgliedstaaten ratifiziert und in Kraft getreten war. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Vorläuferinstitution, die Europol-Drogenstelle, bereits sieben Jahre und mehrere Ausweitungen ihres Mandats hinter sich. Die Debatte um den Auftrag und die Befugnisse des Amtes ging danach jedoch erst richtig los.

Der 1999 in Kraft getretene Amsterdamer Vertrag und die „Schluss­folgerungen“ des Europäischen Rates von Tampere aus demselben Jahr forderten die Ausweitung der Tätigkeit in den operativen Bereich, was ohne eine Änderung des Vertrages nicht möglich war. Im Juli 2001 war die Europol-Arbeitsgruppe des Rates bei einer „shopping list“ von insgesamt 26 möglichen Korrekturen angelangt.[2] Die Rolle Europols – Von den Schwierigkeiten des polizeilichen Zentralismus weiterlesen

SitCen – Solanas geheimdienstliches Vorzimmer

von Heiner Busch

Das von dem Briten William Shapcott geführte Gemeinsame Lagezentrum (SitCen) ist Teil der Zweiten Säule, der militärisch-außen­politischen Strukturen der EU also. Es ist eine jener Institutionen, die unmittelbar dem „Generalsekretär des Rates und Hohen Beauftragten für die Außen- und Sicherheitspolitik der EU“ unterstellt sind – ein Doppelamt, das seit Inkrafttreten des Amsterdamer Vertrages 1999 von Javier Solana bekleidet wird.

Seinen Auftrag leitet SitCen aus einer Zusatzerklärung zum Amsterdamer Vertrag her, in der sich die Mitgliedstaaten verpflichteten, die damals neu geschaffene „Strategieplanungs- und Frühwarneinheit“ des Ratssekretariats „soweit irgend möglich durch Bereitstellung einschlägiger Informationen, auch vertraulicher Art“ zu unterstützen. Das aus dieser Einheit hervorgegangene Zentrum sei bis zum 11. September 2001 ein „leeres Schneckenhaus“ gewesen, sagte Shapcott im November 2004 in seiner Stellungnahme vor dem EU-Ausschuss des House of Lords. SitCen – Solanas geheimdienstliches Vorzimmer weiterlesen