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Zahlen zu Polizeitoten in Europa

Zwischen 2020 und 2022 starben laut einer Fallstudie der spanischen Journalistin Ter Garciá in 13 EU-Ländern mindestens 488 Menschen in Gewahrsam oder bei Polizeieinsätzen.[1] Frankreich verzeichnete demnach mit 107 Fällen die meisten Ereignisse, gefolgt von Irland (71), Spanien (66) und Deutschland (60). Irland hatte mit 1,34 Todesfällen pro 100.000 Einwohner die höchste Rate. Die Angaben stammen aus Presseanfragen bei den zuständigen Polizeibehörden. Da einige Länder wie Italien und Rumänien Daten verweigerten, ist die Statistik unvollständig. Bei den gemeldeten Todesfällen waren 105 Schussverletzungen die häufigste Todesursache. Frankreich und Deutschland meldeten mit 41 bzw. 27 die meisten Schusstodesfälle. Weitere Todesursachen waren „natürlicher Tod“ (55 Fälle, davon 27 in Spanien) sowie Suizid (43 Fälle, vor allem in Spanien, Frankreich und Dänemark). Auch durch vermeintlich nicht-tödliche Waffen wie Taser starben mindestens acht Menschen. Zahlen zu Polizeitoten in Europa weiterlesen

Abschied auf Raten vom Schengenraum?

Nachdem Deutschland seit dem 16. September 2024 wieder die Grenzen zu allen Nachbarstaaten kontrollieren lässt, sind Frankreich und die Niederlande nachgezogen: Frankreich begann am 1. November mit der Kontrolle sämtlicher Grenzen zu seinen Nachbarn. In den Niederlanden erklärte die neue Rechtsregierung Ende Oktober, die Land- und Luftgrenzen zu seinen beiden Nachbarn Deutschland und Belgien vom 9. Dezember an kontrollieren zu lassen. Beide Länder ordneten die Grenzkontrollen zunächst für sechs Monate an. Österreich hatte bereits am 16. Oktober mit der Kontrolle seiner Grenzen zur Slowakei und zu Tschechien begonnen und kontrolliert seit 12. November auch die Grenzen zu Ungarn und Slowenien; nur an seiner Grenze zu Deutschland kontrolliert Österreich nicht. Zum Jahreswechsel 2024/25 wird es damit Binnengrenzkontrollen in mindestens sieben von 29 Ländern des Schengenraums geben. Neben den vier genannten Ländern verlängern die drei skandinavischen Staaten Dänemark, Schweden und Norwegen bereits seit Jahren immer wieder die Kontrollen ihrer Grenzen. Zudem hat Italien Kontrollen seiner Grenzen zu Slowenien bis zum 18. Dezember notifiziert, und Slowenien wiederum kontrolliert seine Grenzen zu Ungarn und Kroatien noch bis zum 21. Dezember; eine Verlängerung scheint in beiden Fällen nicht unwahrscheinlich. Begründet werden die Kontrollen mal mit Druck auf die Asylsysteme, mal mit terroristischen Gefahren oder organisierter Kriminalität oder schlicht mit Verweis auf die globale Sicherheitslage.[1] Abschied auf Raten vom Schengenraum? weiterlesen

Bericht zur Überprüfung des SWIFT-Abkommens

Am 13. November 2024 veröffentlichte die EU-Kommission den siebenten Bericht über die Überprüfung der Durchführung des sogenannten SWIFT-Abkommens.[1] Das Abkommen zwischen der EU und den USA trat vor 14 Jahren in Kraft. Es sollte den Zugriff der US-Behörden auf die Daten der „Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunication“ (SWIFT) im Rahmen des nach 9/11 gestarteten „Terrorist Finance Tracking Program“ (TFTP) sicherstellen, auch nachdem die Organisation zur Abwicklung von internationalem Zahlungsverkehr Teile ihrer Server nach Europa verlegt hatte. Das Abkommen verpflichtet SWIFT, den US-Behörden auf Anfrage und nach Prüfung durch Europol in der EU gespeicherte Zahlungsverkehrsdaten bereitzustellen, wenn dies zur „Verhütung, Ermittlung, Aufdeckung oder Verfolgung von Terrorismus und Terrorismusfinanzierung notwendig“ ist. Im Gegenzug verpflichten sich die USA, Erkenntnisse aus dem TFTP sowohl proaktiv als auch auf Anfrage mit Behörden in der EU zu teilen. Die Einhaltung der Vorschriften wird in regelmäßigen Abständen durch ein gemeinsames Team aus Beamt*innen des US-Finanzministeriums, der EU-Kommission und von Datenschutzbehörden aus zwei EU-Mitgliedstaaten überprüft. Bericht zur Überprüfung des SWIFT-Abkommens weiterlesen

3,5 Milliarden für Forschung zur Migrationsabwehr

Seit 2007 hat die EU- Kommission rund 3,5 Milliarden Euro in die Forschung und Entwicklung technischer Systeme zur Grenzüberwachung und Migrationsabwehr investiert. Mehr als 800 dieser Projekte wurden aus EU-Fonds für innere Sicherheit und Grenzmanagement gefördert – im Schnitt 4,4 Millionen Euro pro Projekt. Dies geht aus einer Präsentation hervor, die die Kommission kürzlich vor den 27 EU-Staaten in der Ratsarbeitsgruppe „Grenzen“ gehalten hat.[1] Die Investitionen fließen in Projekte zur Überwachung und Kontrolle der Außengrenzen der EU. Neben Unternehmen, Forschungseinrichtungen und Universitäten sind auch die EU-Grenzagentur Frontex und die Agentur für große IT-Systeme eu-LISA daran beteiligt.[2] Zielgruppen der Forschungsförderung sind Polizei- und Küstenschutzeinheiten sowie Zollbehörden und der Katastrophenschutz, die teilweise selbst aktiv in die Projekte eingebunden sind. 3,5 Milliarden für Forschung zur Migrationsabwehr weiterlesen

100 Tage Bundespolizeibeauftragter

Marie-Theres Piening

In den letzten zehn Jahren wurden in einigen Bundesländern Landespolizeibeauftragtenstellen geschaffen; seit dem 14. März 2024 hat auch der Deutsche Bundestag in der Person Uli Grötsch seinen ersten Bundespolizeibeauftragten. Uli Grötsch, ehemaliger SPD-Bundestagsabgeordneter und zuvor über 20 Jahre als Polizeibeamter in Bayern tätig, legte Ende Juni einen „100 Tage“-Bericht vor, der erste Einblicke in seine Arbeit gibt.[1]

Im Bericht wird daran erinnert, dass eine „unabhängige[n] Stelle[n] zur Untersuchung von Beschwerden gegen mutmaßliche Menschenrechtsverletzungen durch Angehörige der Polizei“ von Menschenrechtsorganisationen sowie mit dem Themenfeld Polizeigewalt und Rassismus befassten Wissenschaftler*innen bereits seit den 80er Jahren gefordert wird. Weiter wird die „gewichtige Aufgabe“ der Stelle betont, „strukturelle Mängel und Fehlentwicklungen bei den Polizeien des Bundes aufzudecken und zu untersuchen“ (S. 3). Als „allererste Aufgabe“ nennt der Bericht den Aufbau von Vertrauen – in der Bevölkerung und der Polizei. Racial Profiling dürfe es nicht geben. Ferner gehe es darum, „Bürger:innen und Polizei näher zusammenzubringen und signifikant für ein partnerschaftliches Verhältnis von Polizei und Gesellschaft einzutreten“ (S. 4). 100 Tage Bundespolizeibeauftragter weiterlesen

BKA-Gesetz teilweise verfassungswidrig

Verschiedene Vorschriften des Gesetzes über das Bundeskriminalamt (BKAG) verstoßen gegen das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung. Dies hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) mit Urteil vom 1. Oktober 2024 (Az. 1 BvR 1160/19) festgestellt und den Bundestag verpflichtet, bis spätestens 31. Juli 2025 nachzubessern. Die Verfassungsbeschwerde wurde von Rechtsanwält*innen, Aktivist*innen und Fußballfans erhoben und von der NGO Gesellschaft für Freiheitsrechte koordiniert. Im Urteil bemängelte das Gericht die Befugnis des BKA zur heimlichen Überwachung der Kontaktpersonen von Tatverdächtigen im Bereich des Terrorismus sowie die Verarbeitung bereits erhobener personenbezogener Daten in den Datenbanken von Bund und Ländern. BKA-Gesetz teilweise verfassungswidrig weiterlesen

Teile des „Sicherheitspakets“ seit Ende Oktober in Kraft

Am 31. Oktober 2024, nur 52 Tage nachdem das Kabinett den Entwurf beschlossen hatte, trat mit dem Gesetz zur Verbesserung der inneren Sicherheit und des Asylsystems der erste Teil des „Sicherheitspakets“ in Kraft,[1] mit dem die Ampel-Regierung nach den tödlichen Messerangriffen von Mannheim und Solingen harte Kante zeigen wollte. Der zweite Teil des Pakets, das Gesetz zur Verbesserung der Terrorismusbekämpfung, war hingegen am 18. Oktober im Bundesrat abgelehnt worden.

Mit dem neuen Gesetz wurde, erstens, das Bundesverfassungsschutzgesetz geändert, um den Geheimdiensten die Überwachung von Finanzströmen zu erleichtern. Nachdem die Innenministerkonferenz (IMK) bereits 2020 eine Arbeitsgruppe zur Erarbeitung von Maßnahmen zur Aufklärung von Einnahmequellen rechtsextremer Organisationen eingesetzt hatte,[2] war ein entsprechender Prüfauftrag in den Ampel-Koalitionsvertrag aufgenommen worden.[3] Ohne Aufsehen wurde nun § 8a BVerfSchG geändert, um „besondere Auskunftsverlangen“ der Dienste zu Bestands- und Transaktionsdaten bei Banken und anderen Finanzunternehmen auch dann zu ermöglichen, wenn keine Gewaltaffinität der beobachteten „Bestrebungen“ erkennbar ist. Bewegten sich die von den G10-Kommissionen zu genehmigenden Auskunftsverlangen bislang im niedrigen zweistelligen Bereich pro Jahr,[4] ist nun ein deutliches Wachstum zu erwarten. Dabei ist absehbar, dass nicht nur Rechtsextreme ins Visier geraten. Teile des „Sicherheitspakets“ seit Ende Oktober in Kraft weiterlesen

HVSG teilweise verfassungswidrig

Durch Beschluss vom 17. Juli 2024 (Az.: 1 BvR 2133/22) entschied das Bundesverfassungsgericht (BVerfG), dass Teile des Hessischen Landesverfassungsschutzgesetzes (HVSG) nicht vereinbar mit dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung als Ausprägung des allgemeinen Per­sönlichkeitsrechts (Art. 2 Abs. 1 i.V.m Art. 1 Abs. 1 GG) sind. Laut Beschluss sieht das Gesetz zum Teil zu weitreichende Befugnisse des hessischen Landesamts für Verfassungsschutz zur Erhebung und Übermittlung von Daten vor, für die keine hinreichenden „Eingriffs- und Über­mittlungsschwellen“ normiert wurden. Im Einzelnen betrifft dies die Ortung von Handys, die Abfrage von Reisedaten, den Einsatz verdeckter Mitarbeiter*innen sowie die Übermittlung von Daten an Strafverfol­gungs­behörden und sonstige inländische öffentliche Stellen.

Die Befugnis zur Ortung von Mobilfunkendgeräten ließ eine längerfristige Nachverfolgung zu, die die Erstellung eines Bewegungsprofils ermöglichte. Ein solches Bewegungsprofil konnte auch durch die Abfrage von Reisedaten erstellt werden. Eine zeitliche Beschränkung der Anordnung sah das Gesetz nicht vor, so konnten „… sämtliche zum Zeitpunkt der Anordnung noch gespeicherten Reisebewegungen sowie alle künftigen im möglichen Anordnungszeitraum liegenden oder auch nur gebuchten Reisebewegungen abgefragt werden.“ HVSG teilweise verfassungswidrig weiterlesen

„Community schafft keine Sicherheit“: Interview mit Bethi Ngari von Women* in Exile

Fünf Jahre hat Bethi Ngari in verschiedenen Geflüchtetenunterkünften, die sie nur Lager nennt, in Berlin und Brandenburg gelebt. Gemeinsam mit anderen Frauen*, die von der doppelten Diskriminierung als Frauen* und Migrantinnen* betroffen und über ihre Kinder vernetzt waren, wehrte sie sich gegen die Missstände der Lager. Im Jahr 2002 gründeten sie Women* in Exile, haben sich Wissen, Selbstbewusstsein und Räume angeeignet. Heute hält Women* in Exile Kontakt zu Frauen* in Lagern, gibt Workshops für geflüchtete Frauen*, spricht auf Demonstrationen und Konferenzen und ist Teil (inter-)nationaler Netzwerke. Im Interview beschreibt Bethi, wie die Lager Protest erschweren und selbst eine basale Sicherheitsproduktion durch Community, wie sie Transformative Justice– oder Community Accountability-Konzepte herbeisehnen, verunmöglicht. Die Gruppe fordert daher abolitionistisch, Lager und rechtliche Restriktionen zum Wohnort abzuschaffen: Geflüchtete Frauen* sollen frei entscheiden können, wo sie wohnen. 

Erstaufnahmeeinrichtung, Asylbewerberübergangsheim, Ankerzentrum, Flüchtlingsunterkunft: Es gibt so viele verwirrende Wörter für das, was ihr bewusst einheitlich Lager nennt. Warum verwendet ihr diesen Begriff?

Bethi: Wir haben uns dafür entschieden, um klarzumachen, dass wir an Orten untergebracht sind, die wir uns nicht ausgesucht haben. Als Geflüchtete*r wird man nicht gefragt, was man will oder wo man bleiben will. Viele, die neu in die Lager kommen, denken, dass sie nur vorübergehend dort untergebracht sind, bis eine bessere Unterkunft gefunden ist. Aber bald lernen auch sie Menschen kennen, die schon seit Jahren im Lager leben. Die Lager lassen die Menschen verzweifeln, sie fressen ihre Hoffnungen, Träume und Ambitionen. Menschen werden dort gelagert. Die Sachen mit den Lagern ist die: Man verstaut dort Dinge, damit man nicht mehr über sie nachdenken muss. Man weiß, wo sie sind, man weiß, dass sie dort lange bleiben können, und man weiß, dass man sich nicht um sie kümmern muss. „Community schafft keine Sicherheit“: Interview mit Bethi Ngari von Women* in Exile weiterlesen

Strafrecht statt Sozialarbeit: Die Folgen des fehlenden Zeugnisverweigerungsrechts

In Karlsruhe wollte die örtliche Staatsanwaltschaft die Mitarbeiter*innen eines Fußball-Fanprojekts zur Zeugenaussage zwingen. Ihre Weigerung wurde mit einem Strafbefehl geahndet. Das Karlsruher Vorgehen bedroht die Arbeitsgrundlage nicht nur der Fanarbeit, sondern der Sozialarbeit insgesamt, weil es das Vertrauen zu deren Adressat*innen untergräbt. Deutlich wird die Dominanz der Strafverfolgung gegenüber sozial unterstützenden Interventionen, sowie die fehlende politische Bereitschaft, durch ein Zeugnisverweigerungsrecht die Soziale Arbeit zu stärken.

Am 12. November 2022 empfängt der Karlsruher Sportclub (KSC) den Zweitliga-Konkurrenten FC St. Pauli zu einem Heimspiel. Karlsruher Fußball-Fans zünden Pyro-Technik im Stadion. Die wegen ihres 20-jährigen Bestehens besonders aufwendig geplante Jubiläums-Inszenierung geht schief, mindestens elf Personen werden verletzt. Wegen der Vorfälle wird der KSC vom Sportgericht des Deutschen Fußball-Bundes zu einer Geldstrafe von 50.000 Euro verurteilt. Die Staatsanwaltschaft leitet strafrechtliche Ermittlungen ein, die sich gegen Mitglieder der Fangruppe „Rheinfire“ richten. Im Mai 2024 beginnt der erste Prozess gegen zwei Beschuldigte; ihnen wird „gemeinschaftliche gefährliche Körperverletzung“ vorgeworfen. Die beiden Angeklagten werden zu Bewährungsstrafen (zehn bzw. zwölf Monate) und 5.000 Euro Geldstrafe verurteilt. Beim zuständigen Amtsgericht sind weitere 20 Verfahren gegen Mitglieder oder Unterstützer*innen der Gruppe anhängig.[1] Strafrecht statt Sozialarbeit: Die Folgen des fehlenden Zeugnisverweigerungsrechts weiterlesen