Archiv der Kategorie: CILIP 128

Die EU – Ein Sicherheitsstaat neuer Prägung? (März 2022)

Kleine Geschichte der Bundespolizei: Paramilitärischer Grenzschutz bis „Polizei des Bundes“

von Dirk Burczyk

Die Entwicklung des Bundesgrenzschutzes und der späteren Bundespolizei ist eng eingewoben in die Geschichte der Bundesrepublik – vom Ringen um die staatliche Souveränität über die diversen Konjunkturen der „Inneren Sicherheit“ bis zur Ausdehnung von Handlungsfähigkeit und Ressourcen des Bundes zulasten der Länder.

Die Geschichte des Bundesgrenzschutzes (BGS) beginnt 1948 mit den Beratungen im Parlamentarischen Rat über das Grundgesetz (GG) der Bundesrepublik Deutschland. Eingeführt wurde mit dem Art. 87 GG die Kompetenz des Bundes zum Aufbau eines Bundesgrenzschutzes. Doch schon die Debatten vor der Vorlage eines Bundesgrenzschutzgesetzes zeigten, dass es nicht nur allein um den Schutz der Grenze zur DDR und ČSSR ging. So träumte der FDP-Abgeordnete Max Becker schon 1950 davon, der Bundesgrenzschutz könne „Grundlage einer anständigen Bundespolizei selbst sein“.[1] Anlass war eine Debatte des Bundestages zur „Polizeifrage“. Dabei war zwischen den Fraktionen weitgehend unumstritten, dass es in Reaktion auf die Aufstellung kasernierter Verbände der Volkspolizei der DDR und angeblicher Überfälle von FDJ-Gruppen auf das Gebiet der BRD eines bewaffneten Grenzschutzes bedürfe. So sollte eine militärische Eskalation an der innerdeutschen Grenze durch das Einschreiten der alliierten Westmächte verhindert werden und gleichzeitig auch ein Stück staatlicher Souveränität der jungen BRD erreicht werden. Und schließlich war es dem Bundeskanzler ein persönliches Anliegen, polizeiliche und keine militärischen Kräfte einzusetzen: die Grenze sollte als inner-deutsche und damit polizeiliche Angelegenheit behandelt werden.[2] Kleine Geschichte der Bundespolizei: Paramilitärischer Grenzschutz bis „Polizei des Bundes“ weiterlesen

Geldregen für die Feinde der Freiheit? Zur Debatte um die „Desiderus-Erasmus-Stiftung“

von Matthias Jakubowski und Clara Bünger

7,85 Millionen Euro beantragte die AfD-nahe Desiderius-Erasmus-Stiftung (DES) Ende 2021 beim Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages für das Jahr 2022. Es droht erstmals die finanzielle Förderung einer dem extrem rechten Parteienspektrum nahestehenden Stiftung aus staatlichen Mitteln. Eine Herausforderung, die nicht Hand in Hand mit dem Verfassungsschutz zu lösen ist.

Dass dieser Tag kommen würde, hatte sich spätestens mit der offiziellen Anerkennung der 2015 gegründeten Desiderius-Erasmus-Stiftung als parteinahe Stiftung am 30. Juni 2018 durch den Bundesparteitag der Alternative für Deutschland (AfD) abgezeichnet. Seitdem versuchte die Stiftung regelmäßig an finanzielle staatliche Förderungen zu gelangen. Da dies erfolglos blieb, startet die DES nun einen neuen Versuch.[1] Für den Fall, dass der Antrag beim Haushaltsausschuss erfolgreich ist und die AfD in den kommenden Jahren ihr Wahlergebnis auf dem bisherigen Niveau stabilisiert, könnte das eines Tages eine Förderung von bis zu 70 Millionen Euro jährlich aus dem Bundeshaushalt bedeuten. Geldregen für die Feinde der Freiheit? Zur Debatte um die „Desiderus-Erasmus-Stiftung“ weiterlesen

Summaries

Thematic Focus: The EU – A New Kind of Security State?

The European Union and its Crises
by Chris Jones and Yasha Macanico

Since the Treaty of Amsterdam in 1999, various crises have served as pretexts for expanding the EU security structures, expanding the power of the EU’s repressive agencies. Politically motivated human rights violations continue to be daily fare and are worsening with the latest “migration crisis” on the EU’s eastern borders. Summaries weiterlesen

Politisch Motivierte Kriminalität – nicht zuzuordnen

Bereits im Januar wurde bekannt, dass die Zahlen der „Politisch Motivierten Kriminalität“ (PMK) im Vergleich zum Vorjahr stark gestiegen waren. Der Anstieg ist vor allem auf den Phänomenbereich „PMK – nicht zuzuordnen“ zurückzuführen. Aus einer Antwort auf eine Kleine Anfrage im Bundestag gehen Details hierzu hervor.[1] Demnach waren von 47.303 Straftaten (+ 6% zum Vorjahr) insgesamt 21.259 nicht den klassischen Phänomenbereichen zuzuordnen, darunter 1.437 Gewaltdelikte. Insgesamt wurden 1.396 der Straftaten im Themenfeld „Hass­kriminalität“ erfasst, davon in den einzelnen Unterkategorien „antisemitisch“ 280, „ausländerfeindlich, „fremdenfeindlich“ sowie „Rassismus“ insgesamt 839 und „sexuelle Orientierung“ 564. 3.497 der Straftaten richteten sich gegen Amts- und Mandatsträger*innen, davon 379 Gewalttaten. Von den 9.603 bekannten Tatverdächtigen waren 1.041 bereits mit politisch motivierten Straftaten polizeilich in Erscheinung getreten, 2.258 in der allgemeinen Kriminalität. Politisch Motivierte Kriminalität – nicht zuzuordnen weiterlesen

Verwendung von „EncroChat“-Daten in Strafverfahren

Im September 2020 wurde bekannt, dass das Bundeskriminalamt hunderttausende Chat-Nachrichten eines Krypto-Handy-Anbieters namens EncroChat von französischen Ermittlungsbehörden erhalten hatte. Die Krypto-Telefone wurden unter anderem von Kriminellen genutzt, um sicher vor staatlichen TKÜ-Maßnahmen kommunizieren zu können; In Deutschland gab es mutmaßlich 1.000 bis 3.000 Nutzer*innen. Die Auswertung wurde durch die Zentralstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität ZIT in Gießen (Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt) vorgenommen, und tausende Ermittlungsverfahren wurden eingeleitet. Verwendung von „EncroChat“-Daten in Strafverfahren weiterlesen

Noch mehr Polizeipanzer für Bund und Länder

Das Beschaffungsamt des Bundesinnenministeriums (BMI) hat der Firma Rheinmetall Landfahrzeuge GmbH am 15. November 2021 den Zuschlag für 45 „Survivor R” für die Bereitschaftspolizeien der Länder und für zehn weitere Exemplare für die Bundespolizei erteilt.[1] Das Ministerium will damit „potentielle terroristische Bedrohungsszenarien mit der Gefahr von Parallellagen” abdecken. Die auf einem Lkw-Chassis basierenden, gepanzerten Fahrzeuge ersetzen die vierrädrigen „TM-170”, die das BMI vor 35 Jahren als „Sonderwagen 4” beschafft hat. Die Auslieferung der „Sonderwagen 5“ erfolgt ab 2023; in der Basisversion kosten sie rund 1,3 Millionen Euro, hinzu kommt die Umsatzsteuer. Noch mehr Polizeipanzer für Bund und Länder weiterlesen

Versammlungsgesetz NRW in Kraft getreten

Mit dem Inkrafttreten am 7. Januar 2022 hat auch Nordrhein-Westfalen nun ein eigenes Versammlungsgesetz. Seit der Föderalismusreform 2008 liegt die Gesetzgebungskompetenz für das Versammlungsrecht bei den Ländern, wovon zuvor bereits Bayern (2008), Sachsen-Anhalt (2009), Niedersachsen (2010), Sachsen (2012), Schleswig-Holstein (2015) und Berlin (2021) Gebrauch gemacht haben. Das VersG NRW sticht vor allem gegenüber den zuletzt beschlossenen und vergleichsweise liberal ausgestalteten Landesgesetzen in Berlin und Schleswig-Holstein negativ heraus.

Nicht zuletzt zeigt ein Blick auf den Katalog der Straftaten und Ordnungswidrigkeiten, dass das VersG NRW zu Recht als restriktivstes deutsches Versammlungsgesetz bezeichnet wird. Versammlungsgesetz NRW in Kraft getreten weiterlesen

Neustart der EU-US-Migrationsplattform

Auf ihrem jüngsten Treffen im Dezember des vergangenen Jahres in Washington haben die Justiz- und Innenminister*innen der EU und der USA ihre 2015 eingeschlafene „Migrationsplattform“ neu gestartet.[1] Zwei Mal im Jahr wollen sich die zuständigen Ministerien dort über Entwicklungen ihrer jeweiligen Migrations- und Asylpolitik austauschen. Hierzu gehören die „Verhinderung der irregulären Migration“, die „Bekämpfung von Schleuserkriminalität und Menschenhandel“ und „Herausforderungen, die sich aus der Lage in Afghanistan ergeben“. Neustart der EU-US-Migrationsplattform weiterlesen

Zweites Zusatzprotokoll der Budapester Konvention

Das Ministerkomitee des Europarates hat sich nach jahrelangen Verhandlung auf ein zweites Zusatzprotokoll zum Übereinkommen über Computerkriminalität geeinigt.[1] Unter dem Titel „Verstärkung der Zusammenarbeit und Weitergabe elektronischer Beweismittel“ verpflichten sich die unterzeichnenden Regierungen darin zur gegenseitigen Herausgabe von „E-Evidence“ auf Servern in ihrem Hoheitsgebiet. Der Vertrag soll im Mai 2022 zur Unterzeichnung veröffentlicht werden.

Im Europarat sind 47 Staaten zusammengeschlossen, darunter alle Schengen-Mitglieder, außerdem Länder wie Russland, Ukraine, Türkei sowie die EU-Beitrittskandidaten. Das 2001 beschlossene Zusatzprotokoll („Budapester Konvention“) haben derzeit 19 weitere Regierungen unterzeichnet, darunter die USA, Australien, Kanada, Japan, Israel und Chile. Zweites Zusatzprotokoll der Budapester Konvention weiterlesen

Cyberübung an der Schwelle

Mit der „Cyber-Krisenverknüpfungsübung“ (EU CyCLES) haben EU-Mitgliedstaaten im Januar und Februar die politische Reaktion auf eine Hackerattacke simuliert, die das in der Charta der Vereinten Nationen verankerte Recht auf Selbstverteidigung ausgelöst hat.[1] Damit dürfen Angegriffene im Rahmen der NATO, aber auch gemäß der EU-Verträge mit konventionellen Waffen militärisch antworten. Als Ausgangspunkt galt eine Attacke mit „erheblichen kinetischen Auswirkungen und Opfern“ auf einen fiktiven Großkonzern. Der Urheber war „Blauland“, das gemäß der Übungsbeschreibung auf Staaten wie Russland oder Belarus gemünzt ist. Cyberübung an der Schwelle weiterlesen